Urteil des BPatG vom 20.11.2007

BPatG (stand der technik, maschine, bundesrepublik deutschland, fig, technik, stand, stau, gegenstand, zweck, bild)

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 71/06 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
20. November 2007
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
08.05
- 2 -
betreffend das europäische Patent EP 1 177 718
(DE 501 05 515)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 20. November 2007 durch den Richter Voit als Vorsitzenden
und den Richter Dr. agr. Huber, die Richterin Friehe-Wich, den Richter Dipl.-Ing.
Rippel und die Richterin Dr.-Ing. Prasch
für Recht erkannt:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120%
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 177 718
(Streitpatent), das am 27. Juli 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität der deut-
schen Patentanmeldung DE 10037534 vom 1. August 2000 angemeldet worden
ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird
beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 501 05 515 geführt. Es be-
trifft eine Maschine zum Mähen von stängelartigem Erntegut und umfasst 10 An-
sprüche, die insgesamt angegriffen sind. Anspruch 1 lautet ohne Bezugszeichen
wie folgt:
Maschine zum Mähen von stängelartigem Erntegut, mit mehreren
seitlich nebeneinander angeordneten Einzugs- und Mäheinrichtun-
- 3 -
gen zum Abschneiden und Fördern des Ernteguts, an deren Rück-
seite ein Querförderkanal vorgesehen ist, durch den das abge-
schnittene Erntegut zumindest näherungsweise quer zur Vorwärts-
fahrtrichtung transportierbar ist, wobei am stromab liegenden
Ende des Querförderkanals ein Einzugskanal angeordnet ist,
durch den das Erntegut einer Häckseleinrichtung aufgebbar ist,
gekennzeichnet durch
über dem und in Vorwärtsfahrtrichtung vor dem Querförderkanal
angeordnet ist, um gegebenenfalls einen Stau zu beseitigen, der
durch aus dem Querförderkanal ausgetretenes Erntegut bedingt
ist.
Wegen der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1
rückbezogenen Patentansprüche
2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift
EP 1 177 718 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch er-
finderisch. Zur Begründung trägt sie vor, im Stand der Technik seien Maschinen
mit den Merkmalen des Patentgegenstandes bereits bekannt gewesen, zumindest
seien derartige Maschinen mit den Merkmalen des Patentgegenstandes durch den
Stand der Technik nahe gelegt. Hierzu beruft sie sich auf folgende Druckschriften
und Dokumente:
Ni3
DE 26 21 716 A1
Ni4
EP 0 504 639 B1
Ni5
EP 0 750 833 B1
Ni6
Prospektkopie „CLAAS – Der Erntespezialist – Jaguar 675,
Jaguar 680, Jaguar 685, Jaguar 690” mit Druckvermerk
9/86
Ni7
Ni8
Druckvermerk 11/87
- 4 -
Ni8.1
druck „neu zur DLG ´84“
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 1 177 718 mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklä-
ren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
hilfsweise mit der Maßgabe, dass Patentanspruch 1 ohne Bezugs-
zeichen folgende Fassung erhält und sich hieran die Ansprüche 2
bis 10 in der erteilten Fassung anschließen (Hilfsantrag):
Maschine zum Mähen von stängelartigem Erntegut, mit mehreren
seitlich nebeneinander angeordneten Einzugs- und Mäheinrichtun-
gen zum Abschneiden und Fördern des Ernteguts, an deren Rück-
seite ein Querförderkanal vorgesehen ist, durch den das abge-
schnittene Erntegut zumindest näherungsweise quer zur Vorwärts-
fahrtrichtung transportierbar ist, wobei am stromab liegenden
Ende des Querförderkanals ein Einzugskanal angeordnet ist,
durch den das Erntegut einer Häckseleinrichtung aufgebbar ist,
gekennzeichnet durch
über dem und in Vorwärtsfahrtrichtung vor dem Querförderkanal
dem Einzugskanal gegenüberliegend auf einer Platte
die sich über einer oder mehreren, vor dem Ein-
zugskanal angeordneten Einzugs- oder Mäheinrichtungen be-
findet,
und
- 5 -
wobei die Fördereinrichtung eine oder mehrere, mit Mitneh-
mern ausgestattete Förderscheiben und/oder Förderwalzen
umfasst, die sich im Erntebetrieb in Richtung auf den Ein-
zugskanal zu bewegen und das aus dem Querförderkanal
ausgetretene Erntegut direkt in den Einzugskanal fördern.
Sie widerspricht dem Vortrag der Klägerin und hält das Streitpatent wenigstens in
der Fassung des Hilfsantrags für patentfähig.
Die Klägerin meint, der Hilfsantrag führe zu einer unzureichenden Offenbarung
beziehungsweise zu einer Erweiterung des Schutzbereichs.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1
in der erteilten Fassung und mit ihm auch die Gegenstände der rückbezogenen
Patentansprüche 2 bis 10 sind patentfähig, da ein Nichtigkeitsgrund i. S. d. Art. II
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ) nicht vor-
liegt.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu, und das Ergebnis der mündlichen
Verhandlung hat auch keine Kenntnisse und Erfahrungen des Fachmanns er-
bracht, unter deren Berücksichtigung es für ihn aufgrund des in das Verfahren
eingeführten Standes der Technik nahe lag, die streitpatentgemäße Lösung auf-
zufinden.
Auf den Hilfsantrag kam es daher nicht an.
- 6 -
II.
1. Das Streitpatent betrifft eine Maschine zum Mähen von stängelartigem Ernte-
gut mit mehreren seitlich nebeneinander angeordneten Einzugs- und Mäheinrich-
tungen zum Abschneiden und Fördern des Ernteguts, an deren Rückseite ein
Querförderkanal vorgesehen ist, durch den das abgeschnittene Erntegut zumin-
dest näherungsweise quer zur Vorwärtsfahrtrichtung transportierbar ist, wobei am
stromab liegenden Ende des Querförderkanals ein Einzugskanal angeordnet ist,
durch den das Erntegut einer Häckseleinrichtung aufgebbar ist. Die Streitpatent-
schrift beschreibt eingangs im Stand der Technik derartige Maschinen. Hierzu
nennt sie etwa die DE 195 31 918 A, die aber, auch im Zusammenspiel mit der
EP 0 069 898 A oder der DE 195 27 607 A, keine Lösung für das Problem einer
langen Querförderung des Mähguts aufzeigen soll, wenn mit einer breiten
Maschine lediglich eine oder zwei Pflanzenreihen am Rand eines Feldes nur mit
den äußeren Mäh- und Einzugstrommeln geschnitten werden können und die
Pflanzen daher ohne ausreichende gegenseitige Abstützung relativ lose im
Querförderkanal liegen.
2. Vor diesem Hintergrund bezeichnet die Patentschrift als zu lösendes techni-
sches Problem die Verbesserung der Gutförderung einer Maschine zum Mähen
von stängelartigem Erntegut, insbesondere wenn nur ein Teil der Mäh- und Ein-
zugstrommeln mit Pflanzenmaterial beaufschlagt wird [0007].
3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß eine Mähmaschine zum Mähen von
stängelartigem Erntegut mit folgenden Merkmalen:
1.
Die Mähmaschine hat mehrere seitlich nebeneinander
angeordnete Einzugs- und Mäheinrichtungen zum Ab-
schneiden und Fördern des Erntegutes.
2.
An den Rückseiten der Einzugs- und Mäheinrichtungen ist
ein Querförderkanal vorgesehen.
- 7 -
2.1 Durch
den
Querförderkanal ist das abgeschnittene Ernte-
gut zumindest näherungsweise quer zur Vorwärtsrichtung
transportierbar.
2.2
Am stromab liegenden Ende des Querförderkanals ist ein
Einzugskanal angeordnet.
2.2.1
Durch den Einzugskanal ist das Erntegut einer Häckselein
aufgebbar.
3.
Eine Fördereinrichtung ist vorgesehen.
3.1
Die Fördereinrichtung ist antreibbar.
3.2
Die Fördereinrichtung ist über dem Querförderkanal ange-
ordnet.
3.3
Die Fördereinrichtung ist in Vorwärtsfahrtrichtung vor dem
Querförderkanal angeordnet.
3.4
Die Fördereinrichtung dient dazu, gegebenenfalls einen
Stau zu beseitigen, der durch aus dem Querförderkanal
ausgetretenes Erntegut bedingt ist.
Die Einzugs- und Mäheinrichtungen gemäß Merkmal 1. schneiden beim Betrieb
der Maschine auf dem Feld die (Mais-)Pflanzen (vgl. Abs. [0005] der Streit-
patentschrift) in Bodennähe ab (vgl. Abs. [0022]). Die Pflanzen werden daraufhin -
wie in Abs. [0022] weiter beschrieben - in einem Querförderkanal zur Maschinen-
mitte transportiert und dort schließlich dem Einzugskanal einer Häckseleinrichtung
zugeführt. Der Querförderkanal befindet sich in Fahrtrichtung hinter den Einzugs-
und Mäheinrichtungen (Merkmal 2.), wobei das Gut dort jeweils quer zur Fahrt-
richtung einem zu einer Häckseleinrichtung führenden Einzugskanal zugeführt
wird (Merkmal 2.1 bis 2.2.1). Durch das Einfördern sehr vieler Pflanzen durch die
einzelnen Einzugs- und Mäheinrichtungen entsteht dabei der Effekt, dass sich die
Pflanzen im Querförderkanal gegenseitig im Wesentlichen abstützen und dabei
halten, was z. B. aus Abs. [0024] der patentgemäßen Beschreibung erkennbar ist.
Wenn nun aber bei einem überwiegend abgeernteten Feld die letzten Reihen noch
zu mähen sind, was meist mit den äußeren Einzugs- und Mäheinrichtungen
- 8 -
erfolgt, kann der Gutfluß durch „Leerlaufen“ der inneren Einzugseinrichtungen
derart gering sein, dass der gegenseitige Abstützeffekt der Pflanzen im
Querförderkanal nicht mehr zum Tragen kommt, so dass einzelne Pflanzen
angesichts ihres relativ hohen Schwerpunkts das Übergewicht bekommen und
somit aus der Oberseite des hinsichtlich seiner Breite an größere Gutmengen
angepassten Querförderkanals herauskippen und auf benachbarte ebene Flächen
fallen, wo sie zunächst liegen bleiben (vgl. Abs. [0024]). Diese Pflanzen können
dann u. a. den Gutfluß der weiteren Pflanzen stören, wenn sie sich z. B. vor den
Querfördertrommeln querlegen (Sp. 2, Z. 16 bis 20).
Zur Lösung dieses Problems wird eine Fördereinrichtung (Merkmal 3.) vorge-
schlagen, die über dem Querförderkanal (Merkmal 3.2) und in Vorwärtsfahrtrich-
tung vor diesem (Merkmal 3.3) angeordnet ist. Der Inhalt des Merkmals 3.2 (über
dem Querförderkanal) ist dabei so zu verstehen, dass die Fördereinrichtung
oberhalb des Querförderkanals angeordnet ist, wie auch in der Beschreibung
Sp. 2, Z. 38, 39 ausgeführt und aus sämtlichen Zeichnungsfiguren (1 und 3)
ersichtlich ist.
Mit diesen Merkmalen (3.2 und 3.3) wird ausschließlich die Lage der Förderein-
richtung relativ zum Querförderkanal angegeben, und zwar hinsichtlich der Höhen-
positionierung (über) und der Positionierung hinsichtlich der Vorwärtsfahrtrichtung
(vor). Außerdem liefert ein weiteres Merkmal 3.1 noch die Information, dass die
Fördereinrichtung antreibbar ist, also nicht lediglich aus passiven Elementen wie
z. B. einfachen Leitblechen oder Stangen o. ä. besteht.
Nachdem die Einzugsvorrichtung eines Maishäckslers eine Mehrzahl an unter-
schiedlichen Fördereinrichtungen aufweist, insbesondere dann, wenn - wie im
Falle des Streitpatents - u. a. auch Häcksler mit sehr großen Arbeitsbreiten ins
Auge gefasst werden (vgl. Streitpatentschrift Abs. [0005]), ist jedenfalls hier nach
Auffassung des Senats die Beschreibung der Wirkung bzw. des Zwecks der bean-
spruchten Fördereinrichtung im Hauptanspruch zur klaren Unterscheidung der
vorliegend beanspruchten Fördereinrichtung von anderen und weiteren Einrichtun-
- 9 -
gen zur Gutförderung, wie sie auch die patentgemäße Maschine aufweist, uner-
lässlich.
Nach dem im Merkmal 3.4 zum Ausdruck gebrachten Zweck der Fördereinrichtung
soll diese einen Stau beseitigen, der durch aus dem Querförderkanal ausgetrete-
nes Erntegut bedingt ist. Diese Formulierung lässt bereits für sich genommen er-
kennen, dass die hier in Rede stehende Fördereinrichtung nicht auf solches Ern-
tegut einwirken soll, welches sich in den „normalen“, d. h. den insoweit regulär
vorgesehenen Förderwegen wie dem Querförderkanal und dessen Zuführwegen
(Einzugsspalte) usw., befindet. Vielmehr soll die in Patentanspruch 1 einzig an-
geführte und beschriebene Fördereinrichtung mit aus dem Querförderkanal aus-
getretenem Erntegut in Zusammenhang stehen und dient somit einer technischen
Bestimmung, die sich aus der alleinigen Bezeichnung „Fördereinrichtung“ jeden-
falls nicht zwingend als einzig denkbarer oder allgemein bekannter Zweck
erschließen lässt. Nach alledem handelt es sich bei diesem Merkmal (3.4) nach
Auffassung des Senats nicht um eine lediglich unbeachtliche Wirkungsangabe,
sondern um eine notwendige Charakterisierung der beanspruchen Fördereinrich-
tung, die dann in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. [0025], [0027] und
[0028]), die zur Auslegung der in den Patentansprüchen niedergelegten Lehre he-
ranzuziehen ist, näher und anhand verschiedener Ausführungsbeispiele erläutert
wird. Die genannten Beschreibungsstellen, welche alle in der Streitpatentschrift
diesbezüglich gegebenen Ausführungsbeispiele umfassen, lassen dabei überein-
stimmend erkennen, dass die jeweils beschriebene Ausführungsform einer För-
dereinrichtung Pflanzen, die aus dem Querförderkanal herausgelangt sind und
etwa auf dem Mitteltisch zu liegen kommen, selbsttätig wieder in den Querförder-
kanal, also den regulären Transportweg, hinein fördern soll (Sp. 6, Z. 40 bis 45;
Sp. 7, Z. 7 bis 12 und Z. 27 bis 30). Insoweit steht auch die Beschreibung der
Ausführungsbeispiele nicht im Widerspruch zu der oben dargestellten Auslegung
des Merkmals 3.4 dahingehend, dass die Zweckbestimmung der beanspruchten
Fördereinrichtung bereits auf einen Wirkungsbereich dieser Einrichtung hindeutet,
der außerhalb der konstruktiv vorgesehenen regulären Förderwege für das Ernte-
gut - ein solcher Förderweg ist u. a. der Querförderkanal - gelegen ist.
- 10 -
III.
1. Der Senat konnte nicht feststellen, dass die unstrittig gewerblich anwendbare
Maschine zum Mähen von stängelartigem Erntegut nach Patentanspruch 1 ge-
genüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.
1.1 Neuheit
Die patentgemäße Maschine zum Mähen von stängelartigem Erntegut nach An-
spruch 1 unterscheidet sich von den jeweiligen Gegenständen der einzelnen von
der Klägerin zum Stand der Technik genannten Druckschriften, also den Patentdo-
kumenten gemäß Anlagen Ni 3, Ni 4 und Ni 5 sowie den Firmenprospekten ge-
mäß Anlagen Ni 6, Ni 7, Ni 8 und Ni 8.1, bereits in dem durch das Merkmal 3.4
(vgl. Merkmalsanalyse gemäß II.3.) beschriebenen Zweck der in Rede stehenden
Fördereinrichtung, wonach durch diese Fördereinrichtung ein Stau beseitigt wer-
den soll, der durch aus dem Querförderkanal ausgetretenes Erntegut bedingt ist.
Damit ist die Neuheit des Patentgegenstandes nach Anspruch 1 gegeben, was die
Klägerin vorrangig bestreitet.
Eine derartige Fördereinrichtung, wie in Anspruch 1 des Streitpatents beschrieben,
ist -
anders als die Klägerin vorträgt
- nicht Gegenstand der Anl. Ni
3
(DE 26 21 716 A1). In dieser Druckschrift wird in dem Ausführungsbeispiel nach
Fig. 3 und 4 ein zweireihiger Feldhäcksler dargestellt und beschrieben (S. 11 ge-
mäß handschriftlicher Nummerierung, 1. Abs.), bei dem zwei mittig gelegene, ge-
genläufig angetriebene Greifwalzen (23, 24) zwischen zwei äußeren Halmteilern
(21, 22) gelagert sind, die das stängelige Erntegut jeweils im Zusammenwirken mit
einem Messerstern (25, 26) abschneiden und auf zwei kreisbogenartigen Förder-
wegen einer hinter den Greifwalzen gelegenen Einzugseinrichtung (Walzen 2, 3)
zuführen. Die quer zur Fahrtrichtung nebeneinander angeordneten Greifwalzen
haben in Fahrtrichtung betrachtet vor sich einen tropfenförmigen inneren Halmtei-
ler (20), der sich nach rückwärts in einem die beiden Greifwalzen überdeckenden
ebenen Schneidtisch (27) fortsetzt. Die Überdeckung der Greifwalzen durch den
Schneidtisch ist dabei derart ausgestaltet, dass lediglich die Greifelemente der
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Greifwalzen in den für die zu erntenden Pflanzen vorgesehenen bogenförmigen
Förderweg über die Abdeckung hervorstehen, während die Greifwalzen außerhalb
des Förderweges vollständig von dem plattenförmigen Schneidtisch überdeckt
werden. Weitere Ausführungsformen des entgegengehaltenen Feldhäckslers sind
in den Ausführungsbeispielen nach Fig. 5, 6 und 7 der Anl. Ni 3 dargestellt und
beschrieben (S. 11, 2. Abs.). Dort werden konische Hauben (30) mit Mitnehmer-
rippen (31) (Fig. 5, 6) bzw. kalottenförmig ausgebildete Hauben (33) (Fig. 7) auf
die Greifwalze eines allerdings lediglich einreihig arbeitenden Feldhäckslers auf-
gesetzt. Die Klägerin sieht in den auf dem Greifwalzen befindlichen Hauben
Fördereinrichtungen, welche - wie in Anspruch 1 des Streitpatents gefordert -
antreibbar sind, über und vor dem Querförderkanal angeordnet sind, dazu dienen,
ggf. einen Stau zu beseitigen, der durch aus dem Querförderkanal ausgetretenes
Erntegut bedingt ist. Sie leitet die Anwendbarkeit der entsprechenden Hauben
u. a. auch bei zweireihigen Maschinen aus der Rückbeziehung des die ent-
sprechenden Hauben beschreibenden Anspruchs 3 auf den Anspruch 1, welcher
einen einreihigen Feldhäcksler allgemein beschreibt, daraus ab, dass der auf
einen wenigstens zweireihig arbeitenden Feldhäcksler gerichtete Anspruch 6 der
Ni 3 auf Anspruch 1 oder Anspruch 1 und mindestens einem der folgenden
Ansprüche (hier also Anspruch 1 und 3) rückbezogen und rückbeziehbar sei.
Damit sei nach Auffassung der Klägerin eine neuheitsschädliche Vorwegnahme
aller Merkmale des Patentanspruchs 1 gegeben, denn die durch die Anspruchs-
rückbeziehungen gegebene und durch weitere Textstellen aus der Beschreibung
(z. B. S. 11, 1. Abs., Z. 4, 5: „Sonst gelten alle Merkmale sinngemäß“) gestützte
Lesart führe zu einer Offenbarung einer mehrreihigen Maschine, deren auf dem
Schneidtisch angeordnete Hauben ebenfalls dort zu liegen kommendes Erntegut
wieder in den dahinter und darunter liegenden Querförderkanal zurückfördern
könnten.
Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen, denn die hauben- bzw.
kalottenförmigen Abdeckungen auf den Greifwalzen sind ausweislich der Ausfüh-
rungen auf S. 11, 2. Abs. der Ni 3 Organe, von denen das Schnittgut im Einzugs-
spalt gehalten bzw. abgestützt wird. Demzufolge handelt es sich nach Auffassung
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des Senats hier um Organe, die an der Gutförderung mitwirken, welche innerhalb
der regulären Gutförderwege der in der Ni 3 offenbarten Maschine, und zwar im
Einzugsspalt, angeordnet sind. Die in der Ni 3 offenbarten einreihigen Feldhäcks-
ler weisen wie auch die zweireihigen Ausgestaltungsformen überdies keinen ei-
gentlichen Querförderkanal, sondern lediglich einen bogenförmigen gekrümmten
Einzugsspalt auf. Eine Kombination der aufeinander bezogenen bzw. beziehbaren
Ansprüche 1, 3 und 6 indes vermag zudem nicht zu einer Ausgestaltung eines
Feldhäckslers zu führen, wie dies die Klägerin unterstellt, nämlich einem zweirei-
higen (oder mehrreihigen) Feldhäcksler mit einem im Einzugssystem mittig ange-
ordneten ebenen Schneidtisch und auf diesem angeordneten hauben- oder kalot-
tenförmigen drehbaren Organen. Auf Seite 6 der Ni 3 ist nämlich im 3. Abs. aus-
geführt, dass „die Greifwalze anstelle der vorgesehenen festen Abdeckung mit
einer konischen oder kalottenförmigen Haube, …“ ausgestattet sein kann. Die
hauben- oder kalottenförmigen Aufsätze sind also alternativ zu einer festen Abde-
ckung, wie dies auch im zweireihigen Fall ein Schneidtisch sein kann, vorgesehen.
Nichts anderes ergibt sich auch aus der Kombination von Anspruch 1 und 3, denn
im Anspruch 1 wird kein Merkmal auf eine Abdeckung von Greifwalzen gerichtet;
diese kommt erst im Anspruch 2 (dort „feste Abdeckung (12d)“). Der die Hauben
beschreibende Anspruch 3 ist aber auf Anspruch 1 rückbezogen und nicht auf An-
spruch 2, so dass auch diese alternative Ausgestaltung bereits in der Anspruchs-
rückbeziehung dieser Entgegenhaltung insoweit zutreffend niedergelegt ist. Daher
kann auch die Rückbeziehung des Anspruchs 6 („ nach Anspruch 1 und mindes-
tens einem der folgenden Ansprüche“) nur im Rahmen der vorgenannten alter-
nativen technischen Ausgestaltungen erfolgen. Somit gehört ein mittig angeord-
neter ebener Schneidtisch mit darauf angeordneten rotierend antreibbaren För-
dereinrichtungen nicht zum Umfang dessen, was im Stand der Technik nach Anl.
Ni 3 offenbart ist.
Ein Querförderkanal im eigentlichen Sinne mit eigenen, ausschließlich der Quer-
förderung des Ernteguts ausführenden Organen ist ebenfalls nicht Gegenstand
der Offenbarung der Ni 3. Vielmehr wird eine Einzugseinrichtung (Walzen 2, 3) bei
einer zweireihigen Maschine, wie sie aus Fig. 3 und 4 ersichtlich ist, entsprechend
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wird mit der doppelten Breite ausgeführt (vgl. Fig. 4), wie sie bei einreihigen
Maschinen vorgesehen ist (vgl. Fig. 2 und Fig. 6). Im Rahmen der Gesamtoffen-
barung dieser Entgegenhaltung ist daher davon auszugehen, dass auch im Falle
von Maschinen mit noch mehr als zwei Reihen - solche werden im Anspruch 6
sowie in der Beschreibung Seite 7, 3. Abs. angedeutet - auf diese Weise verfahren
wird.
Nach alledem kann der Stand der Technik nach Anl. Ni 3 die Merkmale des An-
spruchs 1 des Streitpatents auch vor dem Hintergrund einer durch die Gesamtof-
fenbarung dieser Druckschrift gestützten Zusammenfassung mehrerer Ausfüh-
rungsbeispiele nicht insgesamt und damit neuheitsschädlich vorwegnehmen.
Auch der Stand der Technik nach Anl. Ni 4 (EP 0 504 639 B1) - die dort gezeigte
Maschine verfügt über einen echten Querförderkanal (vgl. Fig. 1) mit dort agieren-
den Querförderorganen in Form der Windungen einer Querförderschnecke (5) -
weist keine Fördereinrichtung i. S. d. Streitpatents auf. Die auf die Mähscheiben
(9) aufgesetzten kegelstumpfförmigen Grundkörper (14) mit ihren Mitnehmern (16)
und die ggf. auf diesen noch befindlichen Förderwalzen (15) (vgl. Fig. 2) stellen
Organe dar, die das Erntegut im Rahmen der regulären Förderwege nach dem
Schnitt durch die Messer der Mähscheiben zum Querförderkanal hin leiten. Inso-
weit ist auch das von der Klägerin als Anlagen-Konvolut Ni 13 vorgelegte bildlich
dargestellte Arbeitsprinzip dieser Einrichtungen zutreffend, wonach die Pflanzen
nach dem Schnitt zunächst in Schräglage gelangen und dann in eine weitere
nahezu waagrechte Lage gebracht werden, in der der Fuß der Stängel aus der
Messerebene herausgehoben und auf die Querförderschnecke zu gefördert wird,
wie auch in Sp. 3, Z. 25 bis 37 dieser Entgegenhaltung beschrieben ist. Bei dem
so behandelten und beaufschlagten Erntegut handelt es sich indes nicht um fehl-
geleitetes Erntegut.
Die patentamtliche Druckschrift gemäß Anlage Ni 5 (EP 0 750 833 B1) offenbart
eine Maschine, die in ihrer technischen Ausgestaltung dem entspricht, was auch
der C… Firmenprospekt RU 450 gemäß Anl. Ni 7 erkennen lässt. Auch hier ver
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läuft die reguläre Gutförderung beginnend bei flachen Mäh- und Förder- bzw.
Greifwalzen (Ni 5, Fig. 1, Ziff. 9; Ni 7, 2. Seite, Bild rechts oben und 3. Seite, Bild
rechts unten) über Mitnehmersterne (Ni 5, Fig. 1 ohne Bezugsziffer in Gutfluß-
richtung hinter den Mäh- und Förderwalzen; Ni 7, Bilder rechts oben bzw. unten
auf 2. und 3. Seite) zum Querförderkanal mit Förderschnecke (Ni 5, Fig. 1, Ziff. 4,
6; Ni 7, o. g. Bilder auf den Seiten 2 und 3) hin, wobei seitlich am Beginn des ins-
gesamt kürzer als die Gesamtbreite der Schneid- und Einzugseinrichtung ausge-
bildeten Querförderkanals noch aufrecht stehende, mit rippenartigen Mitnehmern
versehene Gutleittrommeln vorgesehen sind (Ni 5, Fig. 1, Walzen mit kreuzartiger
Struktur in Draufsicht; Ni 7, o. g. Bilder auf den Seiten 2 und 3). Fördereinrichtun-
gen die sich einem fehlgeleiteten Erntegut zuwenden, lassen daher auch die Ma-
schinen gemäß Anl. Ni 5 und Ni 7 nicht erkennen.
Ähnliche aufrecht stehende Gutleittrommeln an den Seiten des ebenfalls schmäler
als die Einzugsbreite ausgebildeten Querförderkanals, wie sie bereits beim Stand
der Technik gemäß Anl. Ni 5 und Ni 7 vorgesehen sind, zeigt auch der C… Fir
menprospekt Jaguar 690…gemäß Anl. Ni 6 auf S. 6, Bild links unten.
Bei der Maschine nach dem Prospekt d. Fa. K… „Krone war hier?“ gemäß Anl.
Ni 8.1 befindet sich das Häckselwerk mit seinen vorgelagerten Einzugs- und Vor-
presswalzen in Gutflussrichtung im rechten Winkel zu dieser angelenkt und seitlich
neben der Schneid- und Fördereinrichtung. Wie auf der 2. Seite Mitte bildlich
dargestellt ist, befindet sich eine aufrecht stehende, mit Stacheln besetzte Walze
vor dem Einzugskanal am Ende der Querförderstrecke. Auch diese zusätzliche
Walze dient der Gutzuleitung zum Einzugsmechanismus des Häckselwerks und
wendet sich nicht fehlgeleitetem Erntegut zu.
Eine ähnlich aufgebaute Maschine wie aus Anl. Ni 8.1 ersichtlich zeigt der Fir-
menprospekt der Fa. K… gemäß Anl. Ni 8. Wie auf der 2. Seite, Bild 2 er
kennbar, befindet sich neben dem seitlich angeordneten Einzug (Walzen) eine
kleine Querförderschnecke, die das in Querrichtung ankommende Stängelmaterial
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zu den Einzugswalzen hin ausrichtet und demnach ebenfalls lediglich am regu-
lären Gutfluß beteiligt ist.
1.2. Erfinderische
Tätigkeit
Wie bereits aus den Ausführungen zur Neuheit ersichtlich, offenbart keine der von
der Klägerin zum Stand der Technik aufgezeigten Entgegenhaltungen (Anl. Ni 3
bis Ni 8 und Ni 8.1) eine Fördereinrichtung, die dem patentgemäßen Zweck ge-
mäß Merkmal 3.4 (Merkmalsanalyse nach II. 3.) dient, also eine Fördereinrichtung,
die sich fehlgeleitetem, aus dem Querförderkanal ausgetretenem, Erntegut zu-
wendet.
Zu einem derartigen technischen Handeln konnte ein Fachmann, ein Agraringeni-
eur oder Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit Fachhochschulausbildung
und mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Erntemaschinen, aus dem
entgegengehaltenen Stand der Technik auch keinerlei Anregungen erhalten, denn
in keiner der genannten Entgegenhaltungen findet sich ein Hinweis darauf, dass
fehlgeleitetes Erntegut sich am Rande der konstruktiv vorgesehenen, regulären
Förderwege ansammeln und dadurch ein Hindernis für den Weitertransport desje-
nigen Ernteguts bilden könnte, welches in den dafür vorgesehenen Förderwegen
transportiert wird. Vielmehr wird in allen maßgeblichen Entgegenhaltungen das
Augenmerk ausschließlich auf eine hinreichend optimale bzw. optimierte Gutförde-
rung innerhalb der dafür vorgesehenen Förderwege gerichtet.
Demzufolge war bereits das Problemfeld, dem sich die patentgemäße Lehre zuge-
wandt hat, im Stand der Technik weder erkannt noch nahelegend beschrieben
worden, so dass es einer erfinderischen Tätigkeit bedurfte, die allgemeines fach-
männisches Wissen und Handeln übersteigt, um die im Streitpatent angespro-
chene Problemstellung zu erkennen und die patentgemäße Lösung bereitzustel-
len.
- 16 -
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 ZPO.
Voit
Dr. Huber
Friehe-Wich
Rippel
Dr. Prasch
Hu