Urteil des BPatG vom 30.09.2003

BPatG: ältere marke, bestandteil, public relations, verwechslungsgefahr, spirituosen, stamm, geschäftsverkehr, einheit, gesamteindruck, kennzeichnungskraft

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 109/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 301 28 834
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
30. September 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Schermer sowie die Rich-
ter Dr. van Raden und Schwarz
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die für die Waren
"Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen; Biere, alkoholfreie Ge-
tränke, Mineralwässer, Fruchtsäfte; alkoholische Getränke (ausge-
nommen Biere), Spirituosen, Liköre, Wein, Sekt; Beherbergung
und Verpflegung von Gästen, Bewirtung von Gästen mit Speisen
und Getränken, Partyservice".
erfolgte Eintragung der Wortmarke 301 28 834
"PR1"
ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren
"Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wasser und andere
alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und
andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische
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Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Spirituosen und Li-
köre, Weine, Sekt und Schaumweine, Cocktails und Aperitifs"
eingetragenen Wortmarke 399 73 351
"PR Deutschland Group Pernod Ricard,"
soweit die jüngere Marke eingetragen ist für
"Biere, alkoholfreie Getränke, Mineralwässer, Fruchtsäfte; alkoho-
lische Getränke (ausgenommen Biere), Spirituosen, Liköre, Wein,
Sekt".
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes den Widerspruch wegen man-
gelnder Verwechslungsgefahr der Marken zurückgewiesen. Auch unter Berück-
sichtigung der engsten Ähnlichkeit und teilweisen Identität der sich gegenüberste-
henden Waren, soweit sie vom Widerspruch betroffen sind, sei der Abstand der
Marken ausreichend groß, um möglichen Verwechslungen entgegenzuwirken.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass ein relevanter Teil des Publikums die älte-
re Marke nur als "PR" benennen werde, seien die Marken hinreichend unter-
schiedlich. Für eine Verkürzung der angegriffenen Marke auf diesen Bestandteil
habe der Verkehr nämlich keine Veranlassung. Die zusätzliche Zahl "1" trete
schriftbildlich deutlich hervor und entfalte auch eine prägnante Klangwirkung, so
dass die Unterschiede dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und ver-
ständigen Verbraucher nicht entgehen könnten.
Eine mittelbare Verwechslungsgefahr sei ebenfalls nicht gegeben, weil die Über-
einstimmung zwischen den Vergleichsmarken nur in einzelnen, nicht eigenständig
kollisionsbegründenden Elementen bestünde.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Auf-
hebung des angefochtenen Beschlusses und weiterhin die teilweise Löschung der
angegriffenen Marke anstrebt. Zur Begründung trägt sie vor:
Die prioritätsältere Widerspruchsmarke, der sie normale Kennzeichnungskraft bei-
misst, werde sich dem Verkehr als Stammzeichen darstellen, das zu einer Zei-
chenserie ausgebaut werden könne, etwa durch Hinzufügung unterschiedlicher
arabischer Zahlen, wobei es unerheblich sei, ob eine solche Serie tatsächlich
schon bestehe. Der prägende Bestandteil der Widerspruchsmarke sei "PR" als
Abkürzung von "Pernod Ricard". Damit werde der Verkehr in beiden Zeichen ei-
nen Sinnzusammenhang sehen und davon ausgehen, dass die Marken ur-
sprungsgleiche Produkte bezeichneten, da Produkte und deren Verwendungen
oftmals aufsteigend nummeriert würden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke macht demgegenüber geltend: Die Ver-
gleichsmarken "PR1" und "PR Deutschland Group Pernod Ricard" seien weder
klanglich noch schriftbildlich oder begrifflich unmittelbar ähnlich. Die angegriffene
Marke sei eine kurze Marke, bei der bereits kleinste Abweichungen eine Ver-
wechslungsgefahr ausschlössen; die Widerspruchsmarke sei dagegen eine sehr
lange Marke, in der die Verbraucher vor allem das besonders bekannte Marken-
element "Pernod Ricard" erkennen würden. Dieses aber weise keine Ähnlichkeit
mit der jüngeren Marke auf. Dass die Gruppe "Pernod Ricard" in Deutschland un-
ter "PR" oder "PR1" bekannt sei, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich; ei-
ne Verkürzung der Widerspruchsmarke auf diesen Bestandteil sei nicht zu erwar-
ten. Gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr spreche, dass für die Gewöh-
nung des Verkehrs an einen Wortstamm "PR", dergestalt, dass er diesen als zur
Bildung einer Zeichenserie geeignet ansehe, keine Anhaltspunkte bestünden.
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II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Markenstelle hat den Widerspruch
zu Recht wegen mangelnder Verwechslungsgefahr der Marken zurückgewiesen
(§ 43 Abs 2 Satz 2 iVm § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).
Der Abstand der Marken ist auch unter Berücksichtigung der möglichen Identität
der sich gegenüberstehenden Waren und einer normalen Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke ausreichend, um ein ungestörtes Nebeneinanderbeste-
hen im Geschäftsverkehr zu gewährleisten.
In ihrer Gesamtheit unterscheidet sich die angegriffene sehr kurze Marke deutlich
von der aus fünf Wörtern bzw Begriffen bestehenden Widerspruchsmarke. Damit
ist die Gefahr unmittelbarer Markenverwechslungen schon von Haus aus erheblich
reduziert, weil der Verkehr die angegriffene Marke in der Regel so wahrnimmt, wie
sie ihm auf den jeweiligen Waren entgegentritt, ohne analysierende Betrachtungen
über die einzelnen Bestandteile anzustellen (st. Rspr., vgl Ströbele/Hacker, Mar-
kengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 152 mwN). In schriftbildlicher Hinsicht können die zu
der offensichtlich eine Abkürzung darstellenden Buchstaben "PR" hinzugefügten,
diese Abkürzung beschreibenden Firmenbestandteile nicht unberücksichtigt blei-
ben (vgl BGH GRUR 2002, 167, 169 – Bit/Bud; GRUR 2002, 1067 – DKV/OKV). In
klanglicher Hinsicht mag der Verkehr dagegen zu einer Verkürzung neigen; indes
ist gerade die Verkürzung auf das eher aussageschwache, als Abkürzung für "pu-
blic relations" allgemein geläufige "PR" angesichts dieses völlig neben dem Inhalt
der Widerspruchsmarke liegenden Bedeutungsgehalts nicht zu erwarten, zumal
die Marke auch die bekanntermaßen stark benutzte Markenbezeichnung "Pernod
Ricard" enthält, für deren Abkürzung als "PR" nichts vorgetragen oder sonst er-
sichtlich ist.
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Aber selbst wenn ein markenrechtlich nicht ganz unerheblicher Teil des Publikums
gleichwohl die ältere Marke der Einfachheit halber mit "PR" zu bezeichnen sich
entschließen sollte, wäre eine Verwechslung mit der angegriffenen Marke nicht zu
besorgen. Es ist nämlich nicht in einem noch erheblichen Umfang damit zu rech-
nen, dass der Verkehr in dem Zeichenbestanteil "PR" das den Gesamteindruck
der angegriffenen Marke prägende Element sehen und die Marke im schriftlichen
oder mündlichen Geschäftsverkehr, etwa bei Auskünften, Empfehlungen oder Be-
stellvorgängen - auch im Internet - allein danach benennen könnte. Dagegen
spricht schon der Umstand, dass die Bezeichnung "PR1" eine optische Einheit bil-
det, die leicht in Erinnerung bleibt und auch sprachlich einfach wiederzugeben ist.
Der Ansicht der Widersprechenden, der Verkehr messe der Zahl "1" keine weitere
Beachtung bei, weil er davon ausgehe, es handele sich hier nur um einen Num-
merierungszusatz zu einer Marke "PR", vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar
kann ein Bestandteil einer Kombinationsmarke in den Hintergrund treten, wenn
der Verkehr die eigentliche, der Individualisierung der einzelnen Ware dienende
Kennzeichnung in dem weiteren Bestandteil erblickt (BGH GRUR 1998, 1998, 942
– ALKA - SELTZER; 1999, 583, 585 – LORA DI RECOARO; 2001, 164, 166 –
Wintergarten), oder wenn ein Markenelement den Stammbestandteil einer Zei-
chenserie bildet (BGH GRUR 1996, 977 – DRANO/P3-drano; 1998, 927 – COM-
PO-SANA). Dieser Erfahrungssatz trifft indessen nicht uneingeschränkt zu. Bei der
angegriffenen Marke ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um eine
sehr kurze Bezeichnung handelt, bei der eine Neigung des Verkehrs zur weiteren
Verkürzung nicht zu erwarten ist, weil er sie weniger als eine Kombination denn
als eine Einheit empfinden wird, zumal ein Erfahrungssatz, wonach Zahlen als Be-
standteilen von Marken grundsätzlich nur als nummerierender Zusatz zu einer "Ur-
sprungsmarke" gesehen werden und deshalb grundsätzlich unbeachtet bleiben
müssten, nicht besteht. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass alle Be-
standteile der Marke vom Publikum miteinbezogen werden und den Gesamtein-
druck mitprägen, mithin der Verkehr die jüngere Marke immer und ausschließlich
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als "PR1" bezeichnen wird. Damit ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwi-
schen den beiden Marken auszuschließen.
Auch die Gefahr einer mittelbaren Verwechslung dergestalt, dass der Verkehr die
jüngere Marke fälschlich der Inhaberin der Widerspruchsmarke zuordnen könnte,
ist nicht gegeben. Weder besitzt die Widersprechende eine Reihe von Marken, bei
denen "PR" als Stammbestandteil anzusehen wäre, noch ist in irgendeiner Weise
nachgewiesen oder dargelegt, dass dieser Bestandteil so bekannt und im Verkehr
derart durchgesetzt wäre, dass das Publikum ihn als Stamm mehrerer Zeichen ei-
nes Unternehmens sehen und deshalb nachfolgende Bezeichnungen, die einen
wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnen würde
(BGHZ 131, 122, 127 - Innovadiclophlont; BGH GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone;
BGH GRUR 2000, 886, 887 - Bayer/BeiChem). Es ist der Widersprechenden zu-
zugestehen, dass es nicht in jedem Fall erforderlich ist, dass eine Zeichenserie
tatsächlich schon existiert; es kann ausreichen, dass der fragliche Bestandteil vom
Verkehr als geeignet für die Bildung einer Zeichenserie angesehen wird (vgl. BGH
GRUR 1999, 240, 241 – STEPHANSKRONE I; GRUR 2002, 543 – BIG). Auch in
einem solchen Fall reicht aber die bloße Übereinstimmung der einander gegenü-
berstehenden Marken in einem Bestandteil, der die ältere Marke prägt, keines-
wegs aus. Vielmehr ist der Schluss des Publikums von einer jüngeren, den prä-
genden Bestandteil der älteren Marke mit einem Zusatz enthaltenden Bestandteil
auf die ältere Marke nur dann naheliegend, wenn diese eine hinreichende Be-
kanntheit erlangt hat, so dass sich eine gedankliche Verbindung zur älteren Marke
gewissermaßen aufdrängt. Ein Anlass zu einer solchen Schlussfolgerung besteht
für den Verkehr im vorliegenden Fall ersichtlich nicht, denn von einer Verwendung
von "PR" in relevantem Umfang zur Bezeichnung der Produkte der Widerspre-
chenden ist, wie oben dargelegt nicht auszugehen. Insoweit kann es dahingestellt
bleiben, ob, wie von der Widersprechenden geltend gemacht, eine Übung des
Verkehrs besteht, Produkte und deren Verwendungen zu nummerieren. Insgesamt
wird es dem Publikum daher fern liegen, in einem den Bestandteil "PR" enthalten-
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den neuen Zeichen - hier der angegriffenen Bezeichnung "PR1" - etwas anderes
zu sehen als ein eigenständiges Zeichen.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage war von einer Auferlegung der Kosten
des Beschwerdeverfahrens abzusehen (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).
Frau Vors. Richterin
Dr. Schermer ist we-
gen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung
verhindert.
Dr. van Raden
Dr. van Raden
Schwarz