Urteil des BPatG vom 12.12.2000

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BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 156/99
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
12. Dezember 2000
Schwäger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 396 10 980
BPatG 154
6.70
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hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Winkler, des Richters v. Zglinitzki und der Richterin am Amtsgericht
Dr. Hock
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patentamt (seit dem 1. November 1998 "Deutsches Patent- und
Markenamt") sind gegen die am 23. Mai 1996 vollzogene und am 30. August 1996
veröffentlichte Eintragung der Marke 396 10 980
Thermopane
für die Waren
"19: Bauglas und Isolierglas für Bauzwecke"
auf Grund der für die Waren
"Glas, Mehrschichtglas und daraus gefertigte Scheiben für Fen-
ster, Schaufenster und für Schaukästen"
am 13. Juni 1952 eingetragenen Marke 621 974
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siehe Abb. 1 am Ende
sowie der für die Waren
"aus mehrschichtigem Glas oder glasähnlichen plastischen Stof-
fen gefertigte Platten (Tafeln) oder Füllungen für Wände, Fenster
und Türen"
am 18. April 1963 eingetragenen Marke 772 617
THERMOPANE
Widersprüche erhoben worden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung beider Widerspruchs-
marken innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der angegriffenen
Marke bestritten.
Daraufhin hat die Widersprechende vor dem Patentamt vorgetragen, ihre Wider-
spruchsmarken seien im maßgeblichen Zeitraum vom 30.
August
1991 bis
30. August 1996 rechtserhaltend benutzt worden. Da es zwischen Deutschland
und der Schweiz die völkerrechtliche Vereinbarung gebe, nach der die Benutzung
in der Schweiz einer inländischen Markenbenutzung rechtlich gleichzustellen sei,
müsse die Benutzung der Widerspruchsmarken in der Schweiz als rechtserhaltend
angesehen werden. Auf Grund eines Lizenzvertrages habe die Firma
G… S.A. mit Sitz in B…l/B1… als Lizenznehmerin über ihre schweizer
Niederlassung mit "THERMOPANE" gekennzeichnetes Glas bzw Mehrschichtglas
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sowie daraus gefertigte Scheiben in der Schweiz verkauft. Zur Glaubhaftmachung
sind von der Widersprechenden Kopien des "License Agreement" mit dem
"Addendum" vom Juni/Juli 1990, eine Kopie des "Affidavit" des Direktors des Ge-
schäftsbereichs Bauglas der Gl…
S.A., Herrn U…, vom
1. August 1997, Rechnungskopien sowie einige Kopieauszüge aus Prospekten
und Produktbeschreibungen über die Isolierverglasung (Doppelverglasung) und
das Isolierglas "Thermopane" vorgelegt worden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Nichtbenutzungseinrede aufrechter-
halten und die Ansicht vertreten, die Widersprechende könne sich nicht auf Art 5
Abs 1 des Übereinkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz
betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom
13. April 1892 in der Fassung des Abkommens vom 26. Mai 1902 berufen.
Außerdem stellten die von der Widersprechenden behaupteten Benutzungs-
handlungen keine rechtserhaltende Benutzung im Sinne des § 26 MarkenG dar.
Die Widersprechende habe weder vorgetragen noch nachgewiesen, daß die an-
geblich in der Schweiz in Verkehr gebrachte Ware mit der Marke "Thermopane"
gekennzeichnet gewesen sei. Es werde bestritten, daß überhaupt irgendwelche
Verkäufe in der Schweiz erfolgt seien. Eine funktionsgerechte Benutzung scheide
auch deshalb aus, weil die Lizenznehmerin die Marke "Thermopane" nach Punkt
3.3 des Lizenzvertrages nur als Adjektiv in einem Gesamtbegriff habe verwenden
dürfen. Im übrigen seien die angegebenen Umsätze so gering, daß eine ernsthafte
Benutzung nicht angenommen werden könne.
Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
beiden Widersprüche durch den von einem Mitglied des Patentamts erlassenen
Beschluß vom 14. Juni 1999 wegen mangelnder Glaubhaftmachung einer rechts-
erhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarken gemäß §
43 Abs
2 Satz
2
MarkenG iVm §§ 43 Abs 1 Satz 1, 26 MarkenG mit der Begründung zurückgewie-
sen, nach dem Vortrag der Widersprechenden seien die Widerspruchsmarken in
Deutschland nicht benutzt worden. Eine Benutzung in der Schweiz könne die Wi-
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dersprechende aber nicht geltendmachen, weil die Widersprechende mit Sitz in
den USA keine Niederlassung in der Schweiz besitze und deshalb nicht dem Kreis
der Berechtigten angehöre, welche die durch das Abkommen zwischen dem
Deutschen Reich und der Schweiz betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster-
und Markenschutz vom 13. April 1892 gewährten Rechtsvorteile in Anspruch
nehmen könnten.
Die Widersprechende hat gegen diese Entscheidung des Patentamts Beschwerde
eingelegt. Sie trägt vor, es komme auf die Frage an, ob die in der eidesstattlichen
Versicherung ("Affidavit") genannten Mengen des in der Schweiz verkauften Gla-
ses zur rechtserhaltenden Benutzung ausreichten. Auf angeliefertem Glas seien in
der Regel die jeweiligen Marken angebracht; ihr sei jedoch nicht bekannt, ob das
in der Schweiz verkaufte Glas tatsächlich mit einer der Widerspruchsmarken ge-
kennzeichnet gewesen sei.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, nach dem "PLAYBOY"-Urteil des Bundesgerichtshofes vom
15. Dezember 1999 könne sich die Widersprechende zwar auf eine Marken-
benutzung in der Schweiz berufen, es habe aber keine ernsthafte Benutzung statt-
gefunden. Die verkauften Mengen von … qm im Jahr 1992 und … qm im
Jahr 1993 seien äußerst geringfügig. Zum Vergleich demgegenüber produziere ihr
eigenes Unternehmen …
qm Glas pro Tag. Für ein mittleres Hochhaus
benötige man allein schon ca. 2.000 qm bis 4.000 qm.
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II
Die Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet.
Zur Überzeugung des Senats hat die Widersprechende die rechtserhaltende Be-
nutzung ihrer Widerspruchsmarken nicht gemäß §§ 26, 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG
iVm § 294 ZPO glaubhaft zu machen vermocht, so daß die Löschung der ange-
griffenen Marke nicht gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG iVm § 9 Abs 1 Nr 1 oder
2, 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG angeordnet werden kann. Die Mar-
kenstelle hat die Widersprüche daher im Ergebnis zu Recht gemäß § 43 Abs 2
Satz 2 MarkenG zurückgewiesen.
Die gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG erhobene Nichtbenutzungseinrede der
Inhaberin der angegriffenen Marke ist hinsichtlich beider Widerspruchsmarken
zwar zulässig, aber nicht begründet.
Da die Widerspruchsmarken in Deutschland unstreitig nicht benutzt worden sind,
war zunächst fraglich, ob sich die Widersprechende überhaupt auf Benutzungs-
handlungen in der Schweiz berufen kann (vgl ua Droste, Unbenutzte Zeichen und
Art 5 des deutsch-schweizerischen Übereinkommens von 1892, in: GRUR 1974,
S 522 ff; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, München 1998, § 26 Rdn 107; Fezer,
Markenrecht, München 1997, § 26 Rdn 77 und S 1665 f.). Grundsätzlich muß eine
Marke im Inland benutzt worden sein (§ 26 Abs 1 und 4 MarkenG). Benutzungs-
handlungen im Ausland können aber rechtserhaltend sein, soweit völkerrechtliche
Verträge die Benutzung im Ausland der Benutzung im Inland gleichstellen (vgl
Regierungsbegründung zu § 26 MarkenG in: BlPMZ 1994, Sonderheft, S 77). Eine
solche Regelung enthält das Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reich
und der Schweiz betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz
vom 13. April 1892 (BlPMZ 1894, 70, 71) in seinem Art 5 Abs 1, der nach
Aufhebung einiger Bestimmungen auf Grund des Abkommens zwischen dem
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Deutschen Reiche und der Schweiz zur Abänderung des Übereinkommens vom
13. April 1892 betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz
vom 26. Mai 1902 (BlPMZ 1903, 132) bestehen geblieben und dessen Geltung
von der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie von der Schweiz am
2. November 1950 bestätigt worden ist (vgl Schriftwechsel über die Fortgeltung
des Übereinkommens zwischen Deutschland und der Schweiz betreffend den ge-
genseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13. April 1892/26. Mai 1902
in: BlPMZ 1955, 292 f.). Art 5 Abs 1 des deutsch-schweizerischen Übereinkom-
mens bestimmt, daß die Rechtsnachteile, welche nach den Gesetzen der vertrag-
schließenden Teile eintreten, wenn eine Handels- oder Fabrikmarke nicht inner-
halb einer bestimmten Frist angewendet wird, auch dadurch ausgeschlossen
werde sollen, daß die Anwendung in dem Gebiet des anderen Teils erfolgt.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in seinem "PLAYBOY"-Urteil vom
15. Dezember 1999 (GRUR 2000, 1035, 1037 f = MarkenR 2000, 270, 273 f)
entschieden, daß auch die Tatsache, daß eine Markeninhaberin nicht Angehörige
der Schweiz oder Deutschlands ist und in der Schweiz oder in Deutschland auch
keinen Sitz oder keine Niederlassung hat, der Anwendung der Bestimmung des
Art 5 des Übereinkommens von 1892 zu ihren Gunsten nicht entgegensteht. Denn
durch Art 2 und 3 PVÜ sei die im Übereinkommen von 1892 nur den eigenen
Staatsangehörigen gewährleistete Gleichstellung durch das Prinzip der Inländer-
behandlung für alle Angehörigen der Verbandsländer und die ihnen gleichge-
stellten Gebietsansässigen ersetzt worden. In dieser Entscheidung hat der Bun-
desgerichtshof außerdem auf die Rechtslage hingewiesen, daß die Frage der
rechtserhaltenden Benutzung, obwohl eine Markenverwendung in der Schweiz in
Betracht kommt, nicht etwa nach schweizerischem Recht, sondern nach den
deutschen Vorschriften - insbesondere nach § 26 MarkenG - zu beurteilen ist, weil
das Übereinkommen von 1892 allein der Markenverwendung im anderen Staat
Bedeutung beimessen, die jeweiligen inländischen gesetzlichen Anforderungen an
eine rechtserhaltende Benutzung als solche jedoch nicht berühren wollte.
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Im vorliegenden Widerspruchsverfahren geht mittlerweile auch die Inhaberin der
angegriffenen Marke von dieser jüngsten Rechtsprechung aus. Da die Inhaberin
der Widerspruchsmarken mit ihrem Sitz in den USA einem Verbandsland der Pa-
riser Verbandsübereinkunft angehört, kann sie sich demnach grundsätzlich nach
dem deutsch-schweizerischen Übereinkommen vom 13. April 1892 auf eine Be-
nutzung ihrer in Deutschland eingetragenen Marken in der Schweiz berufen. Auch
eine Drittbenutzung der Widerspruchsmarken gemäß § 26 Abs 2 MarkenG durch
die Lizenznehmerin mit der auf Grund des Lizenzvertrages erteilten Zustimmung
der Markeninhaberin hindert eine rechtserhaltende Benutzung nicht.
Im vorliegenden Fall scheitert die Anerkennung einer rechtserhaltenden Benut-
zung der Widerspruchsmarken jedoch daran, daß die Widersprechende eine
funktionsgerechte Verwendung durch Anbringung der Marke "Thermopane" oder
"THERMOPANE" in einem unmittelbaren Bezug zu der Ware nicht glaubhaft ge-
macht hat.
Eine rechtserhaltende Benutzung liegt in der Regel nur dann vor, wenn die Marke
unmittelbar auf der Ware oder deren Verpackung oder Umhüllung angebracht ist;
liegt eine tatsächliche oder wirtschaftliche Unmöglichkeit einer derartigen Mar-
kenverwendung nicht vor, kommt eine Abweichung von dieser Regel nicht in Be-
tracht (vgl BGH GRUR 1996, 267, 268 - AQUA; BGH GRUR 1995, 347, 348 f
- TETRASIL). Dieser bereits unter dem alten Warenzeichengesetz geltende
Grundsatz wird auch in der neueren Rechtsprechung zu § 26 MarkenG aufrecht-
erhalten (vgl BGH WRP 1999, 936, 938 - HONKA; BPatGE 39, 212 ff - MAPAG;
BPatG GRUR 1996, 981 f - ESTAVITAL).
Aus der von der Widersprechenden vorgelegten eidesstattlichen Versicherung
("Affidavit") vom 1. August 1997 läßt sich eine unmittelbare Kennzeichnung der
Waren mit zumindest einer der Widerspruchsmarken nicht entnehmen. In der
mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende zwar eingeräumt, daß bei den
betroffenen Waren Bauglas und Isolierglas die Anbringung der jeweiligen Marken
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nicht nur möglich, sondern auch verkehrsüblich ist, aber hinsichtlich ihrer eigenen
Widerspruchsmarken von einer tatsächlichen Anbringung auf dem Glas oder sei-
ner Verpackung oder Verhüllung nichts gewußt. Die Verwendung der Wider-
spruchsmarken in Prospekten und Produktbeschreibungen reicht zu der Annahme
einer hinreichend funktionsgerechten Benutzung jedenfalls nicht aus (vgl BGH
aaO -
AQUA; BGH aaO -
HONKA, BPatG aaO -
MAPAG; BPatG aaO
- ESTAVITAL).
Im übrigen sprechen auch die auf den maßgeblichen Benutzungszeitraum vom
30. August 1991 bis 30. August 1996 entfallenden, in der eidesstattlichen Versi-
cherung genannten Verkaufsmengen nicht für eine ernsthafte Benutzung. Die
Menge vom … qm im Jahr 1991 kann eigentlich überhaupt nicht berücksichtigt
werden, da nicht ersichtlich ist, inwiefern die Verkäufe seit dem 30. August 1991
stattgefunden haben, aber selbst bei proportionaler Zurechnung ergibt sich ledig-
lich eine Menge von … qm. Auch die Mengen von … qm im Jahr 1992 und
… qm im Jahr 1993 erscheinen äußerst geringfügig, insbesondere im Verhältnis
zu den allgemeinen Bedarfsmengen an Bauglas, zu der allein für ein mittleres
Mietshaus benötigten Menge sowie zu den üblichen Produktionsmengen von
Flachglasherstellern. Die im Benutzungszeitraum verkaufte Menge ist so gering,
daß sie ohne weiteres bloß an die aus den vorgelegten Rechnungskopien er-
sichtlichen zwei Abnehmer geliefert worden sein kann. Die vom Jahr 1989 bis zum
Jahr 1993 von … qm bis auf … qm stetig erheblich sinkenden Absatzzahlen,
lassen auch darauf schließen, daß die Lizenznehmerin in der Schweiz keine
ernsthaften Verkaufsbemühungen entfaltet hat, zumal der Verkauf seit dem Jahr
1994 offenbar ganz eingestellt worden ist.
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III
Die Beteiligten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils selbst (§ 71
Abs 1 Satz 2 MarkenG).
Winkler
Dr. Hock
v. Zglinitzki
Cl
Abb. 1