Urteil des BPatG vom 20.11.2006

BPatG (stand der technik, patentanspruch, zeichnung, vorbenutzung, gegenstand, fachmann, technik, eidesstattliche erklärung, auflage, patent)

BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 326/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
20. November 2006
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 195 23 076
BPatG 154
08.05
- 2 -
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 20. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechter-
halten:
-
Patentansprüche 1 bis 14 und Beschreibung Seite 1,
jeweils mit Schriftsatz vom 3. Mai 2004 eingegangen am
5. Mai 2004,
-
Beschreibung Seite
2, mit Schriftsatz vom 13.
Juli
2006
eingegangen
am
18. Juli 2006,
-
im Übrigen Beschreibung mit Bezugszeichenliste Spalte 1,
Zeile 67, bis Spalte 6, Zeile 57, und Zeichnungen Figuren 1
bis 8,
jeweils gemäß Patentschrift.
G r ü n d e
I.
Gegen das am 24. Juni 1995 angemeldete und am 20. November 2003 veröffent-
lichte Patent mit der Bezeichnung
"Vorrichtung zur Erzielung einer einwandfreien Auflage eines
Bedruckstoffs in einer Druckmaschine"
ist von der A… AG Einspruch erhoben worden.
- 3 -
Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patent in beschränktem Umfang mit neuem Pa-
tentanspruch 1 und daran angepassten Unteransprüchen bzw. Beschreibungsun-
terlagen. Sie ist der Meinung, das beschränkte Patentbegehren sei zulässig und
auch gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik patentfähig.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Diesem Patentanspruch 1 schließen sich die rückbezogenen Patentansprüche 2
bis 14 an.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen be-
schränkt aufrechtzuerhalten:
-
Patentansprüche 1 bis 14 und Beschreibung Seite 1,
jeweils mit Schriftsatz vom 3. Mai 2004 eingegangen am
5. Mai 2004,
-
Beschreibung Seite
2, mit Schriftsatz vom 13.
Juli
2006
eingegangen am 18. Juli 2006,
-
im Übrigen Beschreibung mit Bezugszeichenliste Spalte 1,
- 4 -
Zeile 67, bis Spalte 6, Zeile 57 und Zeichnungen Figuren 1
bis 8, jeweils nach Patentschrift.
Die Einsprechende stellt den Antrag,
das Patent zu widerrufen.
Sie vertritt die Auffassung, der auf den Einspruchschriftsatz hin beschränkte, nun-
mehr geltende Patentanspruch 1 sei unzulässig erweitert gegenüber der erteilten
Fassung des Streitpatents und den ursprünglichen Anmeldeunterlagen.
Davon abgesehen sei der geltende Patentanspruch 1 nicht patentfähig. Gegen-
über einer offenkundigen Vorbenutzung der jeweiligen Bogenleiteinrichtung eines
Anlagedruckwerks und eines Folgedruckwerks einer Druckmaschine Baureihe
Roland 700 sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu bzw. beruhe in
Zusammenschau mit dem Stand der Technik nach der DE 40 39 311 C2 zumin-
dest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die in Rede stehende Druckmaschine
sei mit der jeweiligen Bogenleiteinrichtung vor dem Anmeldetag des Streitpatents
an die Fa. B… AG in C… ausgeliefert und vom Kunden
abgenommen worden (Juni/August 1993).
Zum Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung legt sie folgende Unterlagen vor:
Offenkundige Vorbenutzung "Anlagedruckwerk":
-
Auszug aus Zeichnung 7 10K1375 38 "BOGENFÜHRUNGS-
BLECH"
-
Zeichnung 0 10D6737 "BOGENLEITBLECH"
-
Ausdruck Maschinendaten vom 19. Februar 2004
- Eidesstattliche Erklärung eines Mitarbeiters der Ein-
sprechenden
Offenkundige Vorbenutzung "Folgedruckwerk"
-
Auszug aus Zeichnung 7 10K1376 38 "BLASKASTEN über
Druckzylinder ab M2"
- Zeichnung
10D6736
"BLASKASTEN"
- 5 -
-
Schlüsselliste und Ersatzteilkatalog ROLAND 600 (jeweils
3 Seiten).
Im Recherche- und Prüfungsverfahren waren noch folgende weitere Druckschrif-
ten in Betracht gezogen worden:
-
DE 40 39 311 A1 (entspricht der o. g. DE 40 39 311 C2)
-
JP 59-153 124 U
-
DE 43 26 835 A1
-
DE 42 17 813 A1
-
EP 0 246 100 A2
-
DE 30 44 649 C2
-
DE 43 18 777 A1.
II.
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch §
147 Abs.
3 Satz
1
PatG a. F. begründet.
Der Einspruch ist zulässig. Er hat teilweise Erfolg durch eine Beschränkung des
Patents.
1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Das Patentbegehren ist der
Patentschrift zu entnehmen und in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.
Die Einsprechende meint, eine Kombination in uneingeschränkter Bedeutung die-
ses Wortes von Luftleitelement und Beblasungseinrichtung, wie sie im einzigen
kennzeichnenden Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1 angegeben sei, sei
weder im Streitpatent noch in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart.
"Kombination" beinhalte nämlich sowohl die separate Anordnung von Luftleitele-
ment und Blaseinrichtung als auch die bauliche Verbindung von beiden, wogegen
in den streitpatentgemäßen Unterlagen allein die bauliche Verbindung in Form
- 6 -
einer Ausstattung des Luftleitelements mit einer Beblasungseinrichtung offenbart
sei. Der geltende Patentanspruch 1 umfasse somit eine von der erteilten Fassung
und den Anmeldeunterlagen nicht abgedeckte Variante und sei daher nicht
zulässig.
Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Zwar ist der Begriff "Kombination" als sol-
cher nur im Zusammenhang mit der (möglichen) Ausstattung des Luftleitelements
mit Blasdüsen verwendet (Streitpatentschrift Spalte 2, Zeilen 17-25; ursprüngliche
Beschreibung Seite 3, Zeilen 19-27). Auf diese konkrete konstruktive Realisierung
ist der Gegenstand des Streitpatents aber nicht beschränkt. Denn in der Beschrei-
bungseinleitung ist ausgeführt, dass
-
eine Krafterzeugung als Zusatz möglich ist
(Streit-
patentschrift Spalte 1, Zeilen 49-51; ursprüngliche
Be-
schreibung Seite 2, Zeilen 15-17)
- eine
wesentliche
Weiterbildung des Erfindungsgegenstandes
in der Verwendung zusätzlicher Beblasungselemente
bestehe
(Streitpatentschrift
Spalte 2, Zeilen 13-17; ursprüng-
liche Beschreibung Seite 3, Zeilen 15-19).
In diesen Angaben ist die gegenseitige Anordnung von Luftleitelement und
Blaseinrichtung völlig offengelassen und eine konkrete konstruktive Realisie-
rungsform nicht zur Bedingung gemacht. Vielmehr wird deutlich, dass es lediglich
auf die "Wirkungs-Einheit" von Luftleitblech und Blaseinrichtung ankommt. Die
Bildung einer solchen "Wirkungs-Einheit" aus mehreren Komponenten bedeutet
aber nichts anderes, als diese Komponenten miteinander zu kombinieren. Davon
umfasst ist auch die Möglichkeit der separaten Anordnung, im vorliegenden Fall
von Luftleitelement und Blaseinrichtung.
Unter dieser Voraussetzung ergibt sich die Merkmalskombination nach Patentan-
spruch 1 aus einer Zusammenfassung des erteilten Patentanspruchs 1 mit Anga-
- 7 -
ben aus der Beschreibung der Patentschrift (Spalte 1, Zeilen 49-51; Spalte 2, Zei-
len 13-17) sowie auch aus einer Zusammenfassung der entsprechenden Teile der
ursprünglichen Unterlagen (Patentanspruch 1, Beschreibung Seite
2, Zei-
len 15-17; Seite 3, Zeilen 15-19).
Die geltenden Patentansprüche 2 bis 14 stimmen sowohl mit den erteilten als
auch mit den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 14 inhaltlich überein.
2. Das Patent betrifft eine Vorrichtung zur Erzielung einer einwandfreien Auflage
eines Bedruckstoffs in einer Druckmaschine. Im Oberbegriff des geltenden Pa-
tentanspruchs 1 ist der Stand der Technik nach der von der Einsprechenden gel-
tend gemachten, von der Patentinhaberin zugestandenen offenkundigen Vorbe-
nutzung "Anlagedruckwerk" angegeben.
Davon ausgehend sieht die Patentinhaberin das mit der Aufgabe formulierte
technische Problem darin,
Dieses Problem wird durch die Vorrichtung mit den im Patentanspruch 1 angege-
benen Merkmalen gelöst.
3. Die unbestritten gewerblich anwendbare Vorrichtung nach dem geltenden Pa-
tentanspruch 1 ist patentfähig gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der
Technik.
3.1
Die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 ist neu.
Die erst in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf den beschränkten gelten-
den Patentanspruch 1 vorgelegten Zeichnungen zur Vorbenutzung "Folgedruck-
werk" stellen den Angaben der Einsprechenden zufolge das auf das Anlagedruck-
werk der Bogenrotationsdruckmaschine Baureihe Roland 700 folgende Folge-
druckwerk dar. Gemäß Zeichnungen 7 10K1376 38 und 10D6736 ist in dem von
- 8 -
den Mantelflächen der Transfertrommel, dem Gegendruckzylinder und dem
Gummituchzylinder begrenzten Raum ein Blaskasten angeordnet, der nach Aus-
sage der Einsprechenden einen Blasluftstrom auf die Mantelfläche des Ge-
gendruckzylinders zur Anlage des Bogens an dieselbe richtet und damit zur Erzie-
lung einer ein-
wandfreien Auflage
auf dem Gegen-
druckzylinder durch
Beaufschlagung
mit einer Luft-
strömung dient.
Der Blaskasten
weist gemäß
Zeichnung 7
10K1376 38
im
Querschnitt eine Grundkontur auf, die einem ungleichschenkligen Dreieck
entspricht, dessen Scheitel in etwa in Richtung auf den Spalt zwischen Transfer-
trommel und Gegendruckzylinder weist. Der längere der beiden Schenkel ist dem
Gegendruckzylinder, der kürzere der Transfertrommel zugewandt. Die Kanten des
dreieckförmigen Gebildes sind gerundet, wobei die Rundung am Scheitel einen
verhältnismäßig großen Krümmungsradius aufweist. Aus der hier nicht
dargestellten Ansicht Z der Zeichnung geht außerdem hervor, dass der Blaskasten
sich über die Breite des Gegendruckzylinders erstreckt.
Die Einsprechende führt aus, dass der Blaskasten aufgrund seiner Gestalt, Posi-
tion und Orientierung auch die Schleppströmung der Zylinder zum Aufbau eines
"Druckkissens" nutze. Der Blaskasten erfülle somit ebenfalls die Funktion eines
Luftleitelements im Sinne des Streitpatents. Der dem Gegendruckzylinder zuge-
wandte Schenkel bilde dabei eine Fläche, so dass ein mit der Spitze zum Druck-
spalt reichender keilförmiger Raum entstehe. Der Blaskasten weise demnach alle
Merkmale der Vorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 auf. Diese sei
deshalb nicht mehr neu.
Die Patentinhaberin bestreitet die Vorbenutzung dieses Blaskastens als solche
und außerdem dessen Funktion als Luftleitelement im Sinne des Streitpatents.
- 9 -
Auch der Senat vermag in dem dargestellten Blaskasten kein Luftleitelement im
Sinne des Streitpatents zu sehen. Der Blaskasten hat gemäß vorgelegter Zeich-
nung 7 10K1376 38 sowohl zur Mantelfläche der Transfertrommel als auch zum
Druckspalt einen verhältnismäßig großen Abstand. Zwar ist auch in der Figur 2
des Streitpatentes der besagte Abstand - wie die Einsprechende zutreffend vor-
bringt - verhältnismäßig groß. Die Einsprechende übersieht dabei allerdings, dass
die Figuren 1-3 gemäß Streitpatentschrift ausdrücklich nur symbolische Darstel-
lungen sein sollen (Streitpatentschrift Spalte 4, Zeilen 53, 54), während es sich bei
der von ihr vorgelegten Darstellung um eine technische Zeichnung handelt, die
immer auch maßstabgerecht ist. Zu dem somit in der Tat verhältnismäßig großen
Abstand kommt hinzu, dass gerade die der Transfertrommel zugewandte, in Dreh-
richtung der Transfertrommel gesehen vorn liegende Kante des dreieckförmigen
Blaskastens stark abgerundet ist. Dadurch entsteht ein sich in Richtung der der
Transfertrommel zugeordneten Schleppströmung gesehen verengender Kanal,
der nach Auffassung des Senats eher die Schleppströmung richtungsstabil be-
schleunigend als diese umlenkend wirkt. Noch größer ist der Abstand der zum
Druckspalt weisenden Spitze des Blaskastens zum Druckspalt, so dass selbst im
Falle einer Umlenkung der Schleppströmung oder eines Teils derselben der Luft-
strom noch weit vor dem Druckspalt wieder entweichen kann. Der Blaskasten er-
scheint deshalb nicht geeignet, die durch Grenzschicht-Effekte bewirkte und daher
mantelflächennahe Schleppströmung maßgeblich zu beeinflussen bzw. in nen-
nenswerter Menge umzulenken. Die Funktion des Blaskastens als Luftleitelement
im Sinne des Streitpatents hält der Senat deshalb für ausgeschlossen.
Demnach unterscheidet sich die Vorrichtung nach dem geltenden Patentan-
spruch 1 von dem Blaskasten gemäß besagter Zeichnung durch die Verwendung
eines Luftleitelements. Selbst im Falle einer Vorbenutzung dieses Blaskastens
kann dieser somit dem Gegenstand des Streitpatents die Neuheit nicht nehmen.
Die ebenfalls als offenkundige Vorbenutzung geltend gemachte Vorrichtung zur
Erzielung einer einwandfreien Bogenauflage in dem dem oben beschriebenen
Folgedruckwerk vorgeordneten Anlagedruckwerk vermag dem Gegenstand des
- 10 -
erteilten Patentanspruchs 1 die Neuheit schon deshalb nicht zu nehmen, weil
(nach den Angaben der Einsprechenden) eine Beblasungseinrichtung fehlt.
Auch aus keiner der bereits im Recherche- bzw. im Prüfungsverfahren entgegen-
gehaltenen Druckschriften ist eine Vorrichtung mit allen im geltenden Patentan-
spruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt. Insbesondere weist keine dieser Vor-
richtungen ein Luftleitelement auf, das einen mit der Spitze zum Druckspalt rei-
chenden keilförmigen Raum bildet und mit einer Beblasungseinrichtung kombiniert
ist.
Mangelnde Neuheit gegenüber der Vorbenutzung "Anlagedruckwerk" bzw. gegen-
über dem druckschriftlichen Stand der Technik hat die Einsprechende auch nicht
geltend gemacht.
3.2
Die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen
Tätigkeit.
Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Fachhochschul-Ingenieur der
Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Druckmaschinenhersteller mit der
Entwicklung und Konstruktion von Bogenführungseinrichtungen für Bogenro-
tationsdruckmaschinen beauftragt ist und auf diesem Gebiet mehrjährige Berufs-
erfahrung hat.
Die mit Einspruchschriftsatz
vorgelegten Zeichnun-
gen 7 10K1375 38
und
0 10D6737 zeigen nach An-
gaben der Einsprechenden
das dem oben beschriebenen
Folgedruckwerk vorgeordnete
Anlagedruckwerk der besag-
ten Druckmaschine. Anstelle des Blaskastens ist hier ein Bogenführungsblech
- 11 -
vorgesehen (Zeichnung 7 10K1375 38), welches sich gemäß Zeichnung vom Be-
reich des Umfangs der Anlagetrommel bis weit in Richtung des Druckspalts und
außerdem in der Breite des Gegendruckzylinders (hier nicht dargestellte Ansicht Z
der Zeichnung) erstreckt. Die dem Bedruckstoff zugewandte Seite des Bogenfüh-
rungsblechs ist flächenförmig ausgebildet ist. Aus der Zeichnung ersichtlich ist
zwischen Gegendruckzylinder und Unterseite des Bogenführungsblechs ein
keilförmiger Raum gebildet, dessen Spitze zum Druckspalt reicht. Nach den
Angaben der Einsprechenden nutzt das Bogenführungsblech die Schlepp-
strömung der rotierenden Zylinder zur Bildung eines "Druckkissens", welches eine
einwandfreie Auflage des Bedruckstoffs auf dem Gegendruckzylinder bewirkt. Es
bilde somit ein Luftleitelement im Sinne des Streitpatents. Damit zeige die
Zeichnung eine Vorrichtung zur Erzielung einer einwandfreien Auflage des
Bedruckstoffs auf dem Gegendruckzylinder mit allen im Oberbegriff des geltenden
Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmalen.
Die Patentinhaberin gesteht die offenkundige Vorbenutzung der insoweit beschrie-
benen Vorrichtung ausdrücklich zu.
Die Einsprechende meint, da der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1
sich nur durch die Kombination mit einer Beblasungseinrichtung von der vorbe-
nutzten Bogenleiteinrichtung "Anlagedruckwerk" unterscheide, habe der Fach-
mann dieser nur eine an sich
bekannte Blaseinrichtung hinzufü-
gen müssen, um zum Gegenstand
des geltenden Patentanspruchs
1
zu kommen. Hierzu verweist sie auf
die Druckschrift DE 40 39 311 C2,
woraus eine Vorrichtung zur Bogen-
glättung am Gegendruckzylinder 3
in einer Bogenrotationsdruckma-
schine bekannt ist. Eine Blasdüse 8
- 12 -
ist mit einem gewissen Abstand vor dem Druckspalt 5 gegen den Umfang des
Gegendruckzylinders 3 gerichtet. Die Blasdüse erstreckt sich linienförmig über die
Breite des Gegendruckzylinders, wobei sie eine mit der Spitze gegen die Laufrich-
tung des Bogens 1 gerichtete Pfeilform aufweist. Sie kann im Arbeitstakt der Ma-
schine schwingend in Laufrichtung des Bogens vor- und zurückbewegt werden.
Nach Auffassung der Einsprechenden wird der von der vorbenutzten Vorrichtung
ausgehende Fachmann diese ohne weiteres mit einer Blaseinrichtung kom-
binieren, wenn z. B. bei bestimmten Bedruckstoffarten das Luftleitelement zur
Anlage an den Gegendruckzylinder allein nicht ausreicht. Hierzu bedürfe es nicht
einer erfinderischen Tätigkeit, vielmehr seien derartige Verknüpfungen dem
Fachmann im Rahmen seiner Alltagsarbeit zuzumuten.
Nach Überzeugung des Senats trifft diese Auffassung nicht zu. Vielmehr würde
der Fachmann schon aus sachkundigen Erwägungen heraus von einer Verknüp-
fung beider Einrichtungen absehen. Denn der Druckaufbau erfolgt bei den beiden
Einrichtungen nach unterschiedlichen Prinzipien und hat unterschiedliche, zumin-
dest zum Teil gegenläufige Wirkungen. Bei der in den keilförmigen Raum geführ-
ten Schleppströmung wird ein über die Fläche des Bedruckstoffs gleichmäßig wir-
kender Druck erzeugt, der zum Druckspalt hin im Wesentlichen stetig zunimmt
und den Bogen gegen die Transportrichtung gesehen auf den Gegendruckzylinder
flächig "aufstreicht". Dadurch können gegebenenfalls zwischen Bogen und Ge-
gendruckzylinder-Mantelfläche befindliche Lufteinschlüsse über die gesamte
Breite von vorn nach hinten ausgestrichen werden. Eine Blaseinrichtung nach Art
der DE 40 39 311 C2 bringt in ihrer momentanen Schwenkstellung dagegen eine
- über die Breite des Bogens gesehen - linienförmige Druckkraft auf den Bogen
auf. Eine solche "stört" jedoch die stetige Zunahme der flächigen Andruckkraft aus
der Schleppströmung und macht deren Vorteile - insbesondere die gleichmäßige
Verteilung über die Fläche - wieder zunichte. Eine Verknüpfung wird der Fach-
mann daher für kontraproduktiv halten.
- 13 -
Indiz für die Richtigkeit dieser Auffassung des Senats sind auch die von der Ein-
sprechenden vorgelegten Zeichnungen. Denn danach hat der Fachmann in auf-
einanderfolgenden Druckwerken derselben Druckmaschine ein Luftleitelement
(Anlagedruckwerk) und eine Beblasungseinrichtung (Folgedruckwerk) jeweils ge-
trennt für sich vorgesehen. Eine Kombination beider Einrichtungen ist diesen
Zeichnungen zufolge gerade nicht vorgenommen worden. Unabhängig davon, ob
die dargestellten Einrichtungen nun tatsächlich vorbenutzt wurden oder - in Form
der vorgelegten Zeichnungen - nur firmenintern existent waren, zeigt sich daran
die fachübliche Vorstellung des Fachmanns, Luftleitelement und Beblasungsein-
richtung ausschließlich getrennt voneinander zum Einsatz zu bringen.
Mit der Kenntnis eines Luftleitelements nach Art der unbestrittenen Vorbenutzung
"Anlagedruckwerk" und einer Blaseinrichtung nach Art der DE 40 39 311 C2
konnte der Fachmann somit nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des
Patentanspruchs 1 kommen.
Auch die von der Patentinhaberin bestrittene Vorbenutzung "Folgedruckwerk"
kann nicht zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 führen, da sie - wie
oben zur Neuheit ausgeführt - nur eine reine Blaseinrichtung ohne Funktion eines
Luftleitelements ist. Entsprechend führt sie auch in Verbindung mit dem unbestrit-
ten vorbenutzten Luftleitelement "Anlagedruckwerk" nicht weiter als die oben dar-
gelegte Zusammenschau desselben mit der DE 40 39 311 C2.
Der übrige, im Recherche- und Prüfungsverfahren berücksichtigte, von der Ein-
sprechenden nicht mehr aufgegriffene Stand der Technik liegt vom Gegenstand
des Streitpatents weiter ab und vermag daher die beanspruchte Ausgestaltung
ebenfalls nicht nahezulegen.
Aus alledem folgt, dass auch eine wie immer geartete Zusammenschau des
aufgedeckten Standes der Technik einschließlich der behaupteten offenkundigen
Vorbenutzungen keine Anregung zu der durch den geltenden Patentanspruch 1
gekennzeichneten konstruktiven Gestaltung zu geben vermag.
- 14 -
Schließlich hat der Senat auch kein Indiz dafür sehen können, dass die Lösung
nach dem geltenden Patentanspruch 1 für den Fachmann bei im Rahmen her-
kömmlicher Arbeitsweise erfolgender Weiterbildung des in Betracht gezogenen
Standes der Technik auffindbar gewesen wäre.
Mit der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 sind auch die Gegenstände der
rückbezogenen Unteransprüche patentfähig, die vorteilhafte Weiterbildungen der
Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstver-
ständlichkeiten darstellen.
gez.
Unterschriften