Urteil des BPatG vom 20.05.2009

BPatG: aufschiebende wirkung, rechtliches gehör, beschwerdefrist, rechtsschutzinteresse, firma, umdeutung, patent, rauch, insolvenz, rechtskraft

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
10 W (pat) 9/08
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
20. Mai 2009
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2005 057 962.0-21
wegen Wiedereinsetzung
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-
despatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Schülke, den Richter Rauch und die Richterin Püschel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Am 3. Dezember 2005 reichte der Anmelder per Telefax beim Deutschen Patent-
und Markenamt die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zur Ent-
wertung von Fahrzeug-Kennzeichen-Schilder zum Zwecke des Schutzes vor
Diebstahl" ein; das Original reichte er im Januar 2006 nach, wobei er jedoch auf
eine Abweichung in den Unterlagen hinwies, wonach der Punkt "Materialschwä-
chung" neu hinzugekommen sei.
Nachdem das Patentamt vom Anmelder zunächst nur ein drittes Exemplar der
Anmeldungsunterlagen angefordert hatte, wies es ihn mit Bescheid vom
21. November 2006 darauf hin, dass die im Januar 2006 eingereichten Unterlagen
inhaltlich von den per Telefax eingereichten Unterlagen abwichen und diese un-
zulässig erweiterten, und forderte ihn auf, innerhalb von einem Monat zweifach die
ursprünglichen Unterlagen nochmals einzureichen. Auf eine Erinnerung des Pa-
tentamts im Januar 2007 erbat der Anmelder im Februar 2007 eine Fristverlänge-
rung von nochmals 8 Wochen, die verstrichen, ohne dass er weitere Unterlagen
eingereicht hätte.
Durch Beschluss vom 10. Juli 2007 wies das Deutsche Patent- und Markenamt -
Prüfungsstelle für Klasse B 60 R - die Patentanmeldung unter Bezugnahme auf
die Gründe des Bescheides vom 21. November 2006 gemäß § 48 PatG zurück.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2007, eingegangen am 21. Juli 2007, hat der Anmelder
daraufhin Wiedereinsetzungsantrag gestellt und zugleich die erforderliche zweite
und dritte Ausfertigung der Anmeldungsunterlagen beigefügt.
Durch Beschluss vom 29. November 2007 hat das Deutsche Patent- und Marken-
amt - Prüfungsstelle für Klasse B 60 R - den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück-
- 3 -
gewiesen und festgestellt, dass die Patentanmeldung als rechtskräftig zurückge-
wiesen gilt. Begründet wird dies damit, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung bei
der gegebenen Sachlage nicht der geeignete Rechtsbehelf sei, vielmehr sei das
Rechtsmittel der Beschwerde mit Zahlung der zugehörigen Beschwerdegebühr
angezeigt gewesen. Zudem habe der Anmelder nicht glaubhaft gemacht, dass er
die Fristen zur Einreichung des zweiten und dritten Exemplars der per Telefax
eingereichten Anmeldeunterlagen ohne Verschulden versäumt habe. Eine hohe
Arbeitsbelastung entlaste den Anmelder nicht, denn er hätte ohne weiteres eine
dritte Person mit Kopieren und Einreichen der Unterlagen beauftragen können. Da
mittlerweile die Beschwerdefrist ohne Eingang einer Beschwerde abgelaufen sei,
gelte die Anmeldung als rechtskräftig zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde, mit der er beantragt,
den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben. Zur Begründung der
Beschwerde schildert der Anmelder im Wesentlichen den wirtschaftlichen Hinter-
grund der Anmeldung, insbesondere die in diesem Zusammenhang geführte Aus-
einandersetzung mit seinem ehemaligen Rechtsanwalt. In der Sache trägt er vor,
er gebe zu, dass er die 200,- € Kosten damals nicht überwiesen habe. Wahr-
scheinlich habe er in der damaligen Situation das "Kleingedruckte" nicht gelesen
oder überlesen. Leider habe er auch keine Mahnung oder Erinnerung hierzu er-
halten. Er habe sich daher im "grünen Bereich" geglaubt. Mit dem Antrag auf Wie-
dereinsetzung habe er gemeint, dass damit dem damaligen Beschwerdeverfahren
auch Genüge getan worden sei, so dass parallel ein förmliches, nochmaliges Be-
schwerdeschreiben nicht angebracht erschien.
In der mündlichen Verhandlung, in der der Anmelder durch seinen Bruder vertre-
ten war, ist nochmals zu dem Hintergrund der Erfindung vorgetragen worden. Er-
gänzend wird vorgetragen, die Firma des Anmelders habe in dem Zeitraum, in
dem die Patentanmeldung getätigt worden sei, Insolvenz anmelden müssen; ne-
ben dem Verlust der Firma sei auch der Verlust des privaten Hauses hinzuge-
- 4 -
kommen. In dieser Situation habe der Anmelder bei seiner Patentanmeldung nicht
alles richtig gemacht.
II.
1.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt, und auch im Übrigen
zulässig. Insbesondere kann auch ein Rechtsschutzinteresse nicht verneint wer-
den. Das Patentamt hat zwar bereits durch Beschluss vom 10. Juli 2007 die Pa-
tentanmeldung insgesamt zurückgewiesen, wogegen keine Beschwerde eingelegt,
sondern nur Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden ist, so dass die Patentan-
meldung mit Ablauf der Beschwerdefrist grundsätzlich formell rechtskräftig zu-
rückgewiesen ist. Für eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag in ei-
ner rechtskräftig erledigten, nicht mehr anhängigen Anmeldung besteht kein
Rechtsschutzinteresse. Unter den hier gegebenen Umständen kann ein solches
aber nicht verneint werden, denn es kann nicht von vornherein ausgeschlossen
werden, dass in dem Schreiben des Anmelders vom 20. Juli 2007 nicht doch eine
Beschwerdeerklärung oder ein Antrag auf Weiterbehandlung zu sehen sein
könnte. Zudem kommt der Beschwerde gegen den Beschluss vom
29. November 2007, in dem das Patentamt neben der Entscheidung über den
Wiedereinsetzungsantrag das Eintreten der Rechtskraft des Beschlusses vom 10.
Juli 2007 festgestellt hat, aufschiebende Wirkung zu (§ 75 Abs. 1 PatG). Erst mit
der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde steht somit fest, ob tatsächlich
die Anmeldung rechtskräftig zurückgewiesen ist.
2.
Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hat in der Sa-
che entschieden und von einer Zurückverweisung abgesehen, obwohl das Patent-
amt verfahrensfehlerhaft den Antrag des Anmelders ohne vorherige Gewährung
rechtlichen Gehörs entschieden hat, da die Sache entscheidungsreif ist und dem
Anspruch des Anmelders auf rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren Rech-
nung getragen wurde.
- 5 -
Das Patentamt hat den im Schreiben des Anmelders vom 20. Juli 2007 wörtlich
als "Wiedereinsetzungsantrag" gestellten Antrag im Ergebnis zu Recht zurückge-
wiesen, denn er hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg.
a) Als Wiedereinsetzungsantrag ist der Antrag schon nicht statthaft. Gemäß
§ 123 Abs. 1 Satz 1 PatG ist Wiedereinsetzung nur statthaft bei einer Frist, deren
Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Eine
solche Frist hat der Anmelder nicht versäumt, sondern eine vom Patentamt ge-
setzte Frist zur Nachreichung von Mehrexemplaren der Anmeldung, die er gemäß
§ 6 Abs. 2 Satz 1 PatV i. V. m. § 34 Abs. 6 PatG einzureichen hatte. Darauf, dass
beim Wiedereinsetzungsantrag auch weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht
erfüllt sind, dass er nämlich entgegen § 123 Abs. 2 Satz 2 PatG keine Tatsachen
enthält, die die Wiedereinsetzung begründen, oder die Antragsfrist nicht ein-
gehalten sein dürfte, kommt es nicht mehr an. Mangels Statthaftigkeit ist der An-
trag bereits unzulässig.
b) Das Patentamt hat in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf
hingewiesen, dass in der prozessualen Situation, in der sich der Anmelder nach
Zurückweisung der Anmeldung durch Beschluss vom 10. Juli 2007 befunden hat,
Beschwerde gemäß § 73 PatG hätte eingelegt werden müssen, oder jedenfalls, da
die Zurückweisung nach Versäumung einer vom Patentamt bestimmten Frist er-
folgt ist, ein Antrag auf Weiterbehandlung gemäß § 123a PatG. Das Schreiben
des Anmelders vom 20. Juli 2007 enthält jedoch weder ausdrücklich eine der bei-
den Verfahrenshandlungen, noch vermag eine Auslegung oder Umdeutung zu ei-
ner entsprechenden wirksamen Verfahrenserklärung zu führen.
Hierbei ist schon zweifelhaft, ob das Schreiben vom 20. Juli 2007 angesichts sei-
nes eindeutigen Wortlauts der Auslegung zugänglich ist. Zwar ist nach den auch
für Verfahrenshandlungen geltenden Auslegungsregeln des bürgerlichen Rechts
gemäß § 133 BGB der in der Erklärung zum Ausdruck kommende wirkliche Wille
des Erklärenden zu erforschen, wie ihn das Patentamt als Erklärungsempfänger
- 6 -
nach den objektiv erkennbaren Umständen des Falles und der Interessenlage des
Erklärenden vernünftigerweise verstehen musste (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., Einl.
Rdn. 112; Zöller, ZPO, 27. Aufl., vor § 128 Rdn. 25). Dieser Auslegungsgrundsatz
rechtfertigt es aber nicht, einer eindeutigen Erklärung nachträglich den Sinn zu
geben, der dem Interesse des Erklärenden am besten dient (vgl. Zöller, a. a. O.).
Auch wenn man zugunsten des Anmelders jedoch eine Auslegung des Schreibens
vom 20. Juli 2007 als Beschwerdeerklärung oder Antrag auf Weiterbehandlung für
zulässig erachtet, scheitert die Wirksamkeit daran, dass der Anmelder innerhalb
der durch die Zustellung des Beschlusses vom 10. Juli 2007 in Gang gesetzten
Monatsfrist des § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG bzw. § 123a Abs. 2 Satz 1 PatG weder
eine Beschwerdegebühr noch eine Weiterbehandlungsgebühr eingezahlt hat;
mangels Gebührenzahlung würde eine Beschwerde als nicht eingelegt, der Antrag
auf Weiterbehandlung als zurückgenommen gelten (§ 6 Abs. 2 PatKostG). Aus
denselben Gründen kommt auch eine Umdeutung, die in entsprechender Anwen-
dung des § 140 BGB grundsätzlich auch bei Verfahrenshandlungen möglich ist
(vgl. Zöller, a. a. O., vor § 128 Rdn. 25), hier nicht in Betracht.
Da somit der Beschluss des Patentamts vom 10. Juli 2007 nicht wirksam ange-
fochten worden ist, ist die Zurückweisung der Patentanmeldung mit Ablauf der Be-
schwerdefrist formell rechtskräftig geworden, die Anmeldung schon aus diesem
Grunde nicht mehr anhängig. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Schülke
Rauch
Püschel
Pr