Urteil des BPatG vom 05.06.2008

BPatG: verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, eugh, wortmarke, aufmerksamkeit, nummer, international, handbuch, wiedergabe, sir

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
5. Juni 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
24 W (pat) 76/05
zugestellt am
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betreffend die Marke 301 26 204
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 15.
Januar 2008 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Ströbele sowie der Richterin Kirschneck und des
Richters Eisenrauch
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
MareSan
ist am 8. Januar 2002 unter der Nummer 301 26 204 in das beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen und am
8. Februar 2002 veröffentlicht worden. Gegen diese Marke, die nach der mit Be-
schluss der Markenstelle für Klasse 3 des DPMA vom 19. Dezember 2003 wegen
eines weiteren Widerspruchs angeordneten rechtskräftigen Teillöschung gegen-
wärtig noch für die Waren und Dienstleistungen
„pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie
Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für
medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; ärztli-
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che Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; wissen-
schaftliche und industrielle Forschung“
Registerschutz beanspruchen kann, hat die Inhaberin der international für die Wa-
ren
„5 Préparations
pharmaceutiques“
registrierten prioritätsälteren Wortmarke Nummer 751 932
MARELA
Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse
3 des DPMA hat mit Beschlüssen vom
19. Dezember 2003 und 10. März 2005, von denen der zweite Beschluss im Erin-
nerungsverfahren ergangen ist, eine zwischen den Vergleichsmarken bestehende
Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch gemäß §§ 43 Abs. 2 Satz 2,
42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Die
Markenstelle hat ihre Entscheidungen damit begründet, dass im Bereich der Wa-
ren „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für
die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ der
angegriffenen Marke sich die Vergleichsmarken zwar auf identischen oder hoch-
gradig ähnlichen Produkten begegnen könnten, dass jedoch von der angegriffe-
nen Marke - unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke - gleichwohl der notwendige Markenabstand noch in jeder
Hinsicht eingehalten werde. Die Vergleichsmarken seien insbesondere durch den
Unterschied im konsonantischen Aufbau gut zu unterscheiden. Während die an-
gegriffene Marke „MareSan“ am Ende betont werde, lasse die IR-Marke
„MARELA“ eine akzentuierte Sprechweise der Mittelsilbe erwarten. Bei Waren auf
dem Gebiet des Gesundheitssektors pflege auch ein durchschnittlicher Verbrau-
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cher eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen. Insgesamt würden die gege-
benen Unterschiede die vorhandenen Gemeinsamkeiten derart überlagern, dass
auch bei einer Markenbegegnung auf identischen Waren nicht mit einer Ver-
wechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu rechnen sei.
Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, eine Verwechslungsgefahr ergebe
sich aus dem Umstand, dass die ersten vier Buchstaben und der sechste Buch-
stabe der Vergleichsmarken identisch seien. Die in schriftbildlicher Hinsicht ge-
ringfügig vorhandenen Unterschiede würden neben den genannten Übereinstim-
mungen nicht ins Gewicht fallen, zumal Wortanfänge vom Verkehr besonders be-
achtet würden. Für das Bestehen einer Verwechslungsgefahr spreche auch das
Fehlen von Unterscheidungshilfen. Bei den beiderseitigen Marken „MareSan“ und
„MARELA“ handele es sich um reine Fantasiewörter und beide Marken würden
nicht zur Kennzeichnung rezeptpflichtiger Produkte benutzt werden. Eine Ver-
wechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht würde sich aus dem Umstand ergeben,
dass beide Marken die Vokalfolge A-E-A aufwiesen und beide Zeichen aus drei
Silben bestünden, wobei die zwei ersten bei beiden Marken identisch seien. Ent-
gegen der Auffassung der Markenstelle könne bei der Widerspruchsmarke
„MARELA“ keine akzentuierte Sprechweise der Mittelsilbe erwartet werden.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß),
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des DPMA vom
19. Dezember 2003 und 10. März 2005 insoweit aufzuheben, als
darin der Widerspruch aus der IR-Marke 751 932 zurückgewiesen
worden ist, und die angegriffene Marke zu löschen.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass aus der angegriffenen Marke das Wort „mare“ mit der
deutschen Bedeutung „Meer“ hervortrete, was bereits eine Verwechslung in
schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht ausschließe. Gegen eine klangliche Ver-
wechslung spreche zudem, dass die beiderseitigen Wortmarken sich in der jeweils
letzten Silbe, nämlich einerseits „LA“ und anderseits „SAN“, deutlich unterschie-
den.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf den Akten-
inhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, jedoch nicht begründet. Wie
die Markenstelle in ihren angefochtenen Beschlüssen zu Recht angenommen hat,
ist eine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 107 Abs. 1, 116 Abs. 1, 43 Abs. 2
Satz 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der
angegriffenen Wortmarke „MareSan“ und der international registrierten priori-
tätsälteren Marke „MARELA“ nicht gegeben.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu
Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in
Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1
Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungs-
gefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beur-
teilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Mar-
ken und der Grad der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienst-
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leistungen (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) „Sabèl/Puma“; GRUR
Int. 1999, 734, 736 (Nr. 18) „Lloyd“; BGH GRUR 2004, 783, 784 „NEURO-
VIBOLEX/NEURO-FIBRALEX“; GRUR 2004, 235, 234 „Davidoff II“; WRP 2008,
232, 234 (Nr. 20) „INTERCONNECT/T-InterConnect“). Dabei ist von einer Wech-
selwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsähnlich-
keit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke
in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit bei den Waren
und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder
der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umge-
kehrt (vgl. u. a. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) „Sabèl/Puma“; GRUR
Int. 1999, 734, 736 (Nr. 18-21) „Lloyd“; GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40)
„Marca/Adidas“; GRUR
2005, 1042, 1044 (Nr.
27) „THOMSON LIFE“; BGH
GRUR 2005, 513, 514 „MEY/Ella May“; GRUR 2006, 859, 860 (Nr. 16) „Malteser-
kreuz“; WRP 2008, 232, 234 (Nr. 20) „INTERCONNECT/T-InterConnect“). Unter
Heranziehung dieser Grundsätze ist der Senat vorliegend zur Überzeugung ge-
langt, dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist.
Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist die Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke „MARELA“ als durchschnittlich zu beurteilen. Dementsprechend
erstreckt sich ihr Schutzumfang auf ein normales Maß an Eigenprägung.
Nachdem vorliegend die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht in Frage steht,
ist hinsichtlich der zu berücksichtigenden Waren von der Registerlage auszuge-
hen. Ob, wie die die Markenstelle festgestellt hat, die für die angegriffenen Marke
eingetragenen Waren und Dienstleistungen, insbesondere die Waren „pharma-
zeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Ge-
sundheitspflege“ hochgradige ähnlich zu den registrierten Waren „préparations
pharmaceutiques“ der Widerspruchsmarke sind oder ob bei diesen Warenidentität
gegeben ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn selbst bei einer unter-
stellten Identität der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen weisen die Kolli-
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sionsmarken unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke keine Ähnlichkeiten auf, die eine markenrechtlich rele-
vante Verwechslungsgefahr begründen könnten.
Hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken in klanglicher, schriftbildlicher und begriffli-
cher Hinsicht ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorru-
fen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf einen normal
informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-
verbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirken
(vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) „Sabèl/Puma“; GRUR Int. 1999, 734,
736 (Nr. 18) „Lloyd“; BGH GRUR 2004, 783, 784 „NEURO-VIBOLEX/NEURO-
FIBRALEX“; GRUR 2004, 235, 234 „Davidoff II“). In diesem Zusammenhang ist
vorliegend davon auszugehen, dass das Klanggefüge der beiderseitigen Marken
nicht durch die übereinstimmende Vokalfolge A-E-A, sondern vielmehr durch die
Unterschiede im konsonantischen Aufbau bestimmt wird. Auch wenn im Allgemei-
nen für das Klangbild einer Marke den Vokalen eine größere Bedeutung zufällt,
können sie doch - wie im vorliegenden Fall - durch besondere Umstände so an
Gewicht verlieren, dass eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zu
verneinen ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 130).
Entgegen der Auffassung der Widersprechenden stellt sich bei den Kollisionsmar-
ken der Unterschied am Ort des fünften Buchstabens für den Klangaufbau des
jeweiligen Zeichens als erheblich dar. Während es sich beim Konsonanten „S“ in
der angegriffenen Marke um einen stimmhaften, starken Blaslaut handelt, erweist
sich das innerhalb der Widerspruchsmarke an entsprechender Stelle stehende „L“
lediglich als ein klangschwacher Fließlaut. Auf den Gesamtklang wesentlich wirkt
sich weiterhin der Schlusskonsonant „n“ in der jüngeren Marke aus, der den vor-
stehenden Vokal „a“ in seiner Klangwirkung deutlich abdämpft, während in der
Widerspruchsmarke der Schlussvokal „A“ offen und hell weiterklingt. Die Wider-
spruchsmarke „MARELA“ erscheint demnach als Wiedergabe des gleichlautenden
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weiblichen Vornamens (vgl. Internationales Handbuch der Vornamen, Verlag für
Standesamtswesen GmbH, Frankfurt am Main, Berlin, 2002, S. 282, Stichworte:
„Marela“ und „Marella“), der nach dem gleichen Sprechrhythmus wie dem z. B.
des Vornamens „Isabella“ betont wird. Bei der angegriffenen Marke treten dage-
gen - nicht zuletzt auch wegen der vorhandenen Binnengroßschreibung des Kon-
sonanten „S“ - die Begriffe „Mare“ und „San“ in Erscheinung, die hier nicht nur ei-
nen von der Widerspruchmarke deutlich abweichenden Sprechrhythmus bedin-
gen, sondern auch durch ihre beschreibenden Anklänge die im Klanggefüge der
beiderseitigen Marken ohnehin nur spärlich vorhandenen Übereinstimmungen in
den Hintergrund treten lassen (vgl. EuGH GRUR
2006, 413, 414 (Nr.
49)
„ZIHR/SIR“). Dabei spricht für das Erkennen der Markenunterschiede zusätzlich,
dass der Durchschnittsverbraucher den vorliegend sich gegenüberstehenden Wa-
ren und Dienstleistungen - wie die Markenstelle zutreffend herausgestellt hat -
eine gesteigerte Aufmerksamkeit entgegenbringt, weil diese Waren und Dienst-
leistungen mit „Gesundheit“ in Zusammenhang stehen (vgl. BGH GRUR 1995,
50, 53 „Indorektal/Indohexal“; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 122).
Letztlich ist daher - legt man einen solchen normal informierten, angemessen
aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher zugrunde - die Gefahr
unmittelbarer klanglicher Verwechslungen ausgeschlossen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt ferner, dass eine Verwechslungsgefahr
auch in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht nicht gegeben ist. Bereits die
figürlichen Unterschiede in den hinteren Wortbestandteilen „-San“ und „-LA“ bieten
optisch ein ausreichendes Unterscheidungsmerkmal. Begriffliche Ähnlichkeiten
sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus besteht auch für die Annahme einer Ver-
wechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines gedanklichen Miteinander-in-
Verbindungbringens kein Raum.
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Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) bestand
kein Anlass.
Der Vorsitzende Richter
Dr. Ströbele ist erkrankt
und daher an der Unter-
zeichnung gehindert.
Kirschneck
Kirschneck Eisenrauch
Bb