Urteil des BPatG vom 08.02.2006

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
19 W (pat) 57/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. Februar 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 199
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2006 unter Mitwirkung …
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse E 05 B des Deutschen Patent- und Marken-
amtes vom 17. Juni 2003 aufgehoben und das Patent 199 48 677
wie folgt erteilt:
B e z e i c h n u n g :
verriegelbaren Deckelteils, insbesondere ei-
nes Fahrzeugdeckelteils für eine Kofferraum-
verkleidung.
A n m e l d e t a g :
Oktober
1999
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 9, überreicht in der mündlichen Verhand-
lung,
Beschreibung, 14 Seiten, überreicht in der mündlichen Verhand-
lung,
5 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 9, wie ursprüngliche Unterla-
gen.
G r ü n d e
I
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse E 05 B - hat die
am 8. Oktober 1999 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 17. Juni 2003
zurückgewiesen, mit der Begründung, der beanspruchte Gegenstand weise nicht
die erfinderische Tätigkeit auf, die ein Patent rechtfertigen könne.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht und bean-
tragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle E 05 B des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 17. Juni 2003 aufzuheben und das Patent
199 48 677 auf Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 9 und angepasster Beschreibung, 14 Sei-
ten wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie ur-
sprüngliche Zeichnungen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Einfügung der Gliederungsbuchsta-
ben a) bis f):
„Vorrichtung zum Schließen und Öffnen eines verriegelbaren De-
ckelteils
(2), insbesondere eines Fahrzeugdeckelteils für eine
Kofferraumverkleidung,
a)
- mit einem am Deckelteil (2) vorgesehenen Ziehgriffträger-
teil (4) schwenkbar gelagerten Ziehgriff (5),
b)
- mit wenigstens einem mit dem schwenkbaren Ziehgriff (5)
bewegungsübertragend gekoppelten, als Arretierhebel
ausgebildeten Hebelteil (10), in den ein Fortsatz (8) des
Ziehgriffs (5) eingreift und
c)
- mit wenigstens einem dem Hebelteil (10) nachgeordneten,
in eine Schließposition und eine Offenposition bewegba-
ren Verriegelungselement (15), das in der Schließposition
für einen Eingriff in eine ortsfeste Haltekontur im Bereich
einer vom Deckelteil (2) abzudeckenden Wandöffnung
ausgebildet ist, wobei
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d)
- das Hebelteil (10) um eine Hebelachse (11) verschwenk-
bar ist,
e)
- ein Arretierelement (12) des Hebelteils (10) mit einem auf
einer Verriegelungswelle (14) des Verriegelungselements
(15) befindlichen Arretiergegenelement (13) außer und in
Eingriff kommt, und
f)
- das wenigstens eine Verriegelungselement (15) an einem
jeweils zugeordneten separaten Verriegelungsträger-
teil (16) gelagert ist.“
Mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen soll die Aufgabe gelöst
werden, eine gattungsgemäße Vorrichtung zum Schließen und Öffnen eines ver-
riegelbaren Deckelteils so weiterzubilden, dass ein universeller Einsatz bei einfa-
chem und kostengünstigem Aufbau, einfacher Handhabung sowie bei guter Funk-
tion und geringem Platzbedarf möglich ist (S. 2 Abs. 2 der in der mündlichen Ver-
handlung eingereichten Beschreibung).
Die Anmelderin vertritt die Auffassung, dass der Prospekt der Firma
Gebr. Happich GmbH „Schlösser und Verschlüsse“ K 51/6-1/87, Deckblatt und
S. 60 den nächstkommenden Stand der Technik darstelle. Die Verbindung zwi-
schen Ziehgriff und Verriegelungselement sei dort von der Mechanik her anders
gelöst als beim Gegenstand der Erfindung. Die US 5 630 630 betreffe eine noch
weiter abliegende Vorrichtung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II
Die Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg,
weil der gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1
gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu ist und auch auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruht.
1. Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche
Die Fassung der geltenden Patentansprüche 1 bis 9 ist zulässig.
1.1 Patentanspruch
Die Bezeichnung des geltenden Patentanspruchs 1 entspricht dem des ursprüng-
lichen Patentanspruchs 1 und die Merkmale a) bis c) entsprechen den Merkmalen
des Oberbegriffs des ursprünglichen Patentanspruchs 1, wobei sich die Präzisie-
rung im Merkmal a), dass das Ziehgriffträgerteil (4) am Deckelteil (2) vorgesehen
ist, aus der ursprünglichen Beschreibung, Seite 9, vorletzter Absatz in Verbindung
mit den Figuren 3 und 4 und die weitere Präzisierung im Merkmal b), dass das He-
belteil (10) als Arretierhebel ausgebildet ist, in den ein Fortsatz (8) des Ziehgriffs
(5) eingreift, aus dem letzten Merkmal des ursprünglichen Patentanspruchs 1 bzw.
aus der ursprünglichen Beschreibung, Seite 8, 3. Absatz ergibt.
Das Merkmal d) ergibt sich aus der ursprünglichen Beschreibung, Seite 10, Zeile 4
bis 6 und das Merkmal e) ergibt sich aus der ursprünglichen Beschreibung Sei-
te 10, Zeile 6 bis 8.
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Das Merkmal f) entspricht dem 3. kennzeichnenden Merkmal des ursprünglichen
Patentanspruchs 1, wobei die Präzisierung, dass es sich um ein separates Verrie-
gelungsträgerteil handelt, unmittelbar aus der Angabe „miteinander verbindbar“
bzw. „beabstandet“ im vierten und fünften kennzeichnenden Merkmal des ur-
sprünglichen Patentanspruchs 1 hervorgeht.
1.2 Unteransprüche
Die Patentansprüche 2 bis 8 entsprechen, abgesehen von redaktionellen Ände-
rungen, den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 8, wobei im Patentanspruch 5
der Begriff „Spiralfedern“ durch den Begriff „Schraubenfedern“ ersetzt wurde (vgl.
Fig. 1: Pos. 17), im Patentanspruch 6 ein in den geltenden Patentanspruch 1 über-
nommenes Merkmal und im Patentanspruch 7 ein Alternativmerkmal gestrichen
wurde.
Der Patentanspruch 9 ergibt sich aus dem 4. kennzeichnenden Merkmal des ur-
sprünglichen Patentanspruchs 1 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschrei-
bung Seite 2, Zeile 17 bis 21.
2. Neuheit
Die Vorrichtung des Patentanspruchs 1 ist neu.
Aus dem Prospekt der Firma Gebr. Happich GmbH „Schlösser und Verschlüsse“
K 51/6-1/87, Deckblatt und S. 60 ist bekannt eine
„Vorrichtung zum Schließen und Öffnen eines verriegelbaren Deckelteils
(Kofferklappe), insbesondere eines Fahrzeugdeckelteils für eine Kofferraum-
verkleidung (Kofferklappenverschluss),
a)
- mit einem am Deckelteil (Kofferklappe) vorgesehenen Ziehgriffträger-
teil (602 0370) schwenkbar gelagerten Ziehgriff (in 602 0370),
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b
teilw
) - mit wenigstens einer mit dem schwenkbaren Ziehgriff (in 602 0370)
bewegungsübertragend gekoppelten Mechanik (bestehend aus Ge-
stänge 600 0488 und Hebel an 602 0370 sowie weiterem Hebel an
600 0486) anstelle eines als Arretierhebel ausgebildeten Hebelteils,
und
c
teilw
) - mit wenigstens einem der Mechanik anstelle des Hebelteils nachge-
ordneten, in eine Schließposition und eine Offenposition bewegbaren
Verriegelungselement (in 600 0486), das in der Schließposition für
einen Eingriff in eine ortsfeste Haltekontur (600 0487) im Bereich ei-
ner vom Deckelteil (Kofferklappe) abzudeckenden Wandöffnung aus-
gebildet ist, wobei
f)
- das wenigstens eine Verriegelungselement (in 600 0486) an einem
jeweils zugeordneten separaten Verriegelungsträgerteil (600 0486)
gelagert ist.“
Somit unterscheidet sich die Vorrichtung des Patentanspruchs 1 in den Merkma-
len b) und c) von der gemäß dem Prospekt a. a. O. dadurch, dass nur ein als Arre-
tierhebel ausgebildetes Hebelteil anstelle einer aus zwei Hebelteilen und einem
Gestänge bestehenden Mechanik vorgesehen ist. Damit sind auch die Merkma-
le d) und e) aus dem Prospekt a. a. O. nicht bekannt.
Die Vorrichtung gemäß der DE 196 26 914 C1 entspricht etwa der des Prospektes
a. a. O. Auch hier ist eine, wenigstens den Hebel 20 und das Gestänge 18 aufwei-
sende Mechanik anstelle eines als Arretierhebel ausgebildeten Hebelteils vorgese-
hen. Somit sind auch hieraus die Merkmale b) und c) nur teilweise und die Merk-
male d) und e) nicht bekannt.
Die US 5 630 630 zeigt eine Vorrichtung bei der weder ein als Arretierhebel aus-
gebildetes Hebelteil, noch ein separates Verriegelungsträgerteil vorgesehen ist.
Der Ziehgriff 12 und das Verriegelungselement 54 sind hier gemeinsam an einem
Ziehgriffträgerteil (Plastikplatte 62 mit Flanschen 78, 80, 82) gelagert. Die Merk-
- 8 -
male b) bis f) des Patentanspruchs 1 sind sonach aus der US 5 630 630 nicht be-
kannt.
Die Vorrichtungen gemäß den noch im Verfahren befindlichen Druckschriften
DE 196 11 752 A1, DE-OS 1 428 581, DE 32 32 607 A1 und DE 35 32 152 C1 lie-
gen von der Vorrichtung des geltenden Patentanspruchs 1 noch weiter ab, als der
vorstehend abgehandelte Stand der Technik; sie bringen keine weiteren Gesichts-
punkte und konnten daher außer Betracht bleiben.
3. Erfinderische Tätigkeit
Die Vorrichtung des Patentanspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von einer Vorrichtung, wie sie im Prospekt a. a. O. beschrieben ist,
mag sich die anmeldungsgemäße Aufgabe, die Vorrichtung so weiterzubilden,
dass ein universeller Einsatz bei einfachem und kostengünstigem Aufbau, einfa-
cher Handhabung sowie guter Funktion und geringem Platzbedarf möglich ist,
dem Fachmann - einem Fachhochschul-Maschinenbauingenieur mit Kenntnissen
in der Konstruktion von Kraftfahrzeug-Türverschlüssen - in der Praxis zwar von
selbst stellen, da er stets bestrebt ist, eine mehrteilige Mechanik zu vereinfachen.
Weder der Prospekt a. a. O. noch die DE 196 26 914 C1 geben dem Fachmann
jedoch eine Anregung, anstelle der darin jeweils beschriebenen Mechanik ein als
Arretierhebel ausgebildetes Hebelteil vorzusehen, das um eine Hebelachse ver-
schwenkbar ist, wobei ein Arretierelement des Hebelteils mit einem auf einer Ver-
riegelungswelle des Verriegelungselements befindlichen Arretiergegenelement au-
ßer und in Eingriff kommt.
Auch die US 5 630 630 kann dem Fachmann keinen Hinweis auf ein als Arretier-
hebel ausgebildetes Hebelelement geben, wie es in den Merkmalen d) und e)
weiter definiert ist, da sie die Trennung von Ziehgriffträgerteil und Verriegelungs-
trägerteil nicht vorsieht und damit keinen Anlass gibt, eine zwischen Ziehgriffträ-
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gerteil und Verriegelungsträgerteil gelegene Strecke durch ein solches Hebelele-
ment zu überbrücken.
Es bedarf somit erfinderischer Tätigkeit, um zu einem Türöffner mit den Merkma-
len des geltenden Patentanspruchs 1 zu gelangen.
4. Übrige Unterlagen
Die Unteransprüche betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Weiterbil-
dungen der Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 1; sie sind mit dem Hauptan-
spruch gewährbar.
Die geltende Beschreibung ist an die geltenden Patentansprüche angepasst und
genügt auch hinsichtlich der Erläuterung des Standes der Technik den an sie zu
stellenden Anforderungen. Die übrigen Beschreibungsänderungen dienten der Be-
seitigung offensichtlicher Fehler, die zu korrigieren waren.
gez.
Unterschriften