Urteil des BPatG vom 30.08.2005

BPatG: begriff, beschreibende angabe, eugh, unterscheidungskraft, bestandteil, internetadresse, unternehmen, dienstleistung, kennzeichnung, telekommunikation

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 118/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 302 05 635.1
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
30. August 2005 durch den Richter Dr. van Raden als Vorsitzenden, den Richter
Schwarz und die Richterin Prietzel-Funk
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
zwei Besc, von denen einer im
Erinnerungsverfahren erging, die Anmeldung der u.a. für
„Unterrichtsapparate und –instrumente; Magnetaufzeichnungsträ-
ger; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Computersoftware; Telekommunikation; Wissenschaftliche und
technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und
diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse-
und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von
Computerhardware und -software“
beanspruchten Wortmarke
DOMAIN DETECTORY
teilweise für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen nach § 37 Abs 1, § 8
Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungs-
bedürftige Angabe zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Begriff
„DOMAIN“ in der Anmeldemarke werde zur Bezeichnung des Teils einer Internet-
adresse verwendet, und unter dem weiteren Begriff „DETECTORY“ werde im
Englischen generell ein Gerät verstanden, das zum Auffinden und Anzeigen von
etwas diene, wie die im Internet auffindbaren Beispiele „smoke detectory“
(Rauchmelder), „metal-detectory“ (Metalldetektor) und „lie-detectory“ (Lügende-
tektor) zeigten; dass das angemeldete Markenwort lexikalisch nicht nachweisbar
sei, sei wegen der nachweisbaren tatsächlichen Verwendung ohne Bedeutung;
wegen des technischen Charakters der zurückgewiesenen Waren und Dienstleis-
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tungen spiele auch keine Rolle, dass sich die Nachweise nur auf englischspra-
chige Internetseiten bezögen, da auf dem betroffenen Waren- und Dienstleis-
tungsgebiet die Verkehrskreise englischsprachige Begriffe ohne Weiteres erken-
nen würden. In ihrer sprachüblich gebildeten Gesamtheit weise die Anmeldemarke
daher lediglich darauf hin, dass die damit gekennzeichneten Waren und Dienst-
leistungen dafür bestimmt und geeignet seien, Internetadressen aufzufinden und
anzuzeigen. Die Bedeutung der Anmeldemarke werde dabei auch von den inlän-
dischen Verkehrskreisen verstanden; dies gelte wegen der Nähe zum bekannten
deutschen Begriff „Detektor“ auch für den Bestandteil „DETECTORY“. Der Anmel-
demarke fehle daher nicht nur die erforderliche Unterscheidungskraft, sondern sie
sei auch zugunsten von Mitbewerbern freizuhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die
Anmeldemarke für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen für unter-
scheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Selbst wenn die Kennzeichnung
in dem von der Markenstelle genannten Sinne verstanden würde, falle es schwer,
sich hierunter etwas Konkretes in Bezug auf die betroffenen Waren und Dienst-
leistungen vorzustellen. Auch sei nicht nachvollziehbar, welche Bedeutung das
Auffinden des Begriffs „DETECTORY“ im Internet für die Eintragung der angemel-
deten Wortverbindung haben solle.
II
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begrün-
dung, der sich der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen anschließt,
hat die Markenstelle in den angefochtenen Beschlüssen die angemeldete Kenn-
zeichnung für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen von der
Eintragung ausgeschlossen, weil sie für diese freihaltungsbedürftig iSd § 8 Abs 2
Nr 2 MarkenG sei und ihr die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unter-
scheidungskraft fehle. Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende
Beurteilung keinen Anlass.
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Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausge-
schlossen, die zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH,
MarkenR 2004, 450, 453 [Rz 32] – DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen
oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Wa-
ren oder Dienstleistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Wa-
renverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeut-
same Umstände handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR YOU;
GRUR 2000, 211, 232 – FÜNFER), die hinreichend eng mit einer Ware oder
Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl BGH GRUR 2005, 417, 419 – Berlin
Card). Das Eintragungsverbot dient dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel,
dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw.
Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden kön-
nen und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unterneh-
mens monopolisiert werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn 25 – CHIEMSEE;
GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 – BIOMILD). Werden rein beschreibende
Begriffe zu einem Einzigen zusammengesetzt, so bleibt der Gesamtbegriff unge-
achtet des Vorliegens einer Wortneuschöpfung von der Eintragung ausgeschlos-
sen, wenn sich durch die Wortkombination kein über den bloß beschreibenden
Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinnge-
halt ergibt (vgl EuGH aaO – BIOMILD). Nach diesen Grundsätzen ist die ange-
meldete Kennzeichnung für die von der Zurückweisung betroffenen Waren und
Dienstleistungen freihaltungsbedürftig.
Wie auch die Anmelderin nicht bestreitet, bezeichnet der Bestandteil „DOMAIN“
den „zusammenhängenden Teilbereich des
(vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Domain; http://www.lexikon-definition.de/Domain.
html; http://www.denic.de/de/domains/allgemein/index.html) und ist in dieser Be-
deutung auch in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen (vgl. Brockhaus
PC-Bibliothek 3.0 [CD-ROM], Stichwort „Domain“).
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Wie die Markenstelle unter Hinweis auf verschiedene, dem Erstbeschluss als aus-
gedruckte Anlage beigefügte englischsprachige Internetseiten zutreffend ausge-
führt hat, ist der in der Anmeldemarke enthaltene weitere Begriff „DETECTORY“
bereits jetzt in der englischen Sprache in Anlehnung an den auch in den deut-
schen Sprachgebrauch eingegangenen Wort „detector“ gebräuchlich, welches
synonym für „Aufspürer, Anzeiger, Detektor, Detektorgerät, Detektorempfänger,
Gleichrichter, Melder, Suchgerät“ steht (vgl http://dict.leo.org/?lp=ende&lang
=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed&relink=on§Hdr=on&spellToler=std&sea
rch=detector). Dass der Begriff „detectory“ oder gar die Wortzusammensetzung
„DOMAIN DETECTORY“ lexikalisch nicht nachweisbar ist, spielt dabei entgegen
der Auffassung der Anmelderin keine Rolle, weil das Freihaltungsbedürfnis nach
der Rechtsprechung des EuGH nicht davon abhängt, dass ein Begriff bereits –
was die Aufnahme in einem Lexikon einschließt - verwendet wird (vgl EuGH,
MarkenR 2004, 450, 453 [Rz 32] – DOUBLEMINT) und, wie der BGH für die Un-
terscheidungskraft ausgeführt hat, das Verständnis einer neuen Wort-verbindung
nicht davon abhängt, dass sie in einem Wörterbuch verzeichnet ist (vgl BGH WRP
2002, 982, 984 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I). Der von der Anmelderin im Erinne-
rungsverfahren allgemein gegenüber der Internet-Recherche erhobene Einwand,
das Internet enthalte auch Vieles, das falsch oder zweifelhaft sei, geht dabei
ebenfalls fehl; denn zunächst ist darauf zu verweisen, dass es nach dem Vorste-
henden eines Nachweises der tatsächlichen Verwendung einer angemeldeten Be-
zeichnung für die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses ohnehin nicht bedarf;
darüber hinaus handelt es sich auch bei einem „falschen“ Gebrauch um einen tat-
sächlichen in der Sprache, was wiederum belegt, dass der betreffende
Begriff in der Regel auch wird, weil andernfalls seine Verwendung
sinnlos bliebe; schließlich verkennt der Einwand der Anmelderin auch grundle-
gend, dass Begriffe nicht „richtig“ oder „falsch“ verwendet werden können, weil
eine über den Sprachgebrauch bestimmende Instanz fehlt, sondern
dieser vielmehr allein von der Verwendung eines Begriffs und seiner Verständlich-
keit abhängt. Unmaßgebend ist schließlich auch, dass nach den von der Marken-
stelle genannten Fundstellen, deren Richtigkeit der Senat bei seiner eigenen In-
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ternet-Recherche (vgl. die Nachweise bei http://www.google.de nach Eingabe des
Suchbegriffs „detectory“) bestätigt gefunden hat und deren Nachweisbarkeit auch
die Anmelderin nicht widersprochen hat, der Begriff „detectory“ offenbar als adjek-
tivische Abwandlung des Substantivs „detector“ verwendet wird. Denn schon we-
gen der erkennbaren Nähe zu diesem Substantiv und seiner deutschen Entspre-
chung „Detektor“ wird der inländische Verkehr den Bestandteil „DETECTORY“
entweder als eigenes Substantiv ansehen oder, sofern er es als Eigenschaftswort
erkennen sollte, zwanglos auf Eigenschaften der Produkte und Tätigkeiten bezie-
hen, auf welche er sich infolge der Art seiner Verwendung als deren Bezeichnung
- wodurch er überhaupt erst einen Bedeutungsgehalt erhält - bezieht.
Die Ansicht der Anmelderin, unter einem Auffinden von Domains könne man sich
nichts Konkretes vorstellen, vermag der Senat ebenfalls nicht zu teilen. Dabei ist
vorab darauf hinzuweisen, dass auch vage Beschreibungen von Eigenschaften
einer Ware jedenfalls nicht unterscheidungskräftig sind, weil der Verkehr auch sol-
che Angaben nur als Sachhinweis (gleich welchen Inhalts) und damit nicht als
Herkunftshinweis ansieht. Ungeachtet dessen ist aber der mit „DOMAIN
DETECTORY“ bezeichnete Vorgang sehr wohl verständlich; denn er bezeichnet
nicht nur die einfache Suche nach einem Namensbestandteil in (irgend-)einer In-
ternetadresse, sondern etwa auch den komplexeren Vorgang des Recherchierens
und Reservierens von Domain-Namen, mit dem also herausgefunden wird, ob ein
eingegebener Begriff bereits als Bestandteil irgendeiner Internetadresse (etwa bei
verschiedenen Top-Level-Domains) existiert, damit er im Falle eines negativen
Ergebnisses anschließend als Teil einer neuen Internetadresse bei der zuständi-
gen Stelle, bei der er bislang nicht reserviert ist (in Deutschland also bei der
DENIC e.G.), angemeldet und registriert werden kann.
In ihrer Gesamtheit bedeutet die Anmeldemarke daher in Bezug auf die zurück-
gewiesenen Waren und Dienstleistungen „Domain-Aufspürer“ oder „Domain-auf-
spürend“. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, wird damit, ohne dass
es weiterer Überlegungen bedürfte, ausgedrückt, dass diese Waren und Dienst-
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leistungen dafür bestimmt und geeignet seien, Internetadressen aufzufinden und
anzuzeigen. Ein solcher beschreibender Begriffsinhalt liegt dabei entgegen der
von der Anmelderin in der Beschwerdebegründung vertretenen Ansicht auch bei
den Waren „Unterrichtsapparate und –instrumente; Magnetaufzeichnungsträger;
Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer“ und den Dienst-
leistungen „Telekommunikation; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleis-
tungen“ vor. Denn unter den Oberbegriff „Rechenmaschinen, Datenverarbeitungs-
geräte und Computer“ fallen auch solche Geräte, die eine fest installierte, nicht
abänderbare Steuerungstechnik oder Software enthalten und etwa ausschließlich
dem oben genannten Zweck dienen. Die Ergebnisse des Suchprozesses werden
üblicherweise gespeichert, so dass die Anmeldemarke in Bezug auf die vom
Warenverzeichnis mit erfassten bespielten „Magnetaufzeichnungsträger“, zu de-
nen auch die bei Computern üblichen magnetischen Datenspeicher wie Disketten,
Festplatten oder Magnetbandspeicher gehören, nur auf den möglichen Inhalt der
dort gespeicherten Daten hinweist. Zu den „Unterrichtsapparaten und –instru-
menten“ gehören auch sog. Lern-PCs, an denen das Auffinden von Domains ge-
übt werden kann. Gerade in Zusammenhang mit der Dienstleistung „Telekommu-
nikation“, welche etwa auch die Bereitstellung der Internetnutzung umfasst, kann
das Finden von Domains eine große Rolle spielen, so dass auch in Bezug auf
diese Dienstleistung die Anmeldemarke eine glatt beschreibende Angabe darstellt.
Dass eine solche Tätigkeit schließlich auch im Rahmen industrieller Analyse- und
Forschungsdienstleistungen von Bedeutung sein kann, liegt auf der Hand.
Wegen ihres im Vordergrund stehenden, die zurückgewiesenen Waren und
Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalts fehlt der nach den vorstehenden
Ausführungen nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG freihaltungsbedürftigen Anmelde-
marke darüber hinaus auch die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unter-
scheidungskraft, dh nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Ge-
richtshofs (vgl EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz 41] - Gabelstapler, WRP 2002,
924, 930 [Rz 35] – Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl BGH
GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 – Unter Uns) die
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Eignung, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher (vgl EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR
2004, 943, 944 – SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die betreffenden Waren
oder Dienstleistungen der Anmelderin gegenüber solchen anderer Unternehmen
aufgefasst zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs
(st. Rspr., vgl BGH, GRUR 1995, 408 [409] – PROTECH; BGH GRUR 2001, 413,
415 - SWATCH) werden die angesprochenen Verkehrskreise nämlich in ihr wegen
ihres im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalts keinen Hinweis
auf die Herkunft dieser Waren und Dienstleistungen aus einem Unter-
nehmen sehen (vgl BGH GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch;
GRUR 2003,
1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 mwN – RATIONAL
SOFTWARE CORPORATION).
Da die Markenstelle der Anmeldemarke daher zu Recht die Eintragung teilweise
versagt hatte, war die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin zurück-
zuweisen.
Dr. van Raden
Prietzel-Funk
Schwarz
WA