Urteil des BPatG vom 22.04.2002

BPatG: beschreibende angabe, unterscheidungskraft, gestaltung, patent, gesamteindruck, werbung, wiedergabe, markenregister, mitbewerber, eug

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 157/01
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 47 094.8
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 22.
April
2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann sowie der Richter Schramm und Voit
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beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes
vom 22. März 2000 und vom 6. Juni 2001 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister ist das Zeichen
siehe Abb. 1 am Ende
für
"Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung, Eingabe und Wiedergabe
von Ton, Bild, Zeichen und Wort, wie mobile elektronische Daten-
erfassungsgeräte, insbesondere Konsolen, Tastenfelder, Tastatu-
ren und tastaturähnliche Steuer- und Eingabegeräte;
zugehörige Programme (Software als solches) und konstruktions-
gebundene Ersatzteile"
angemeldet.
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Die Markenstelle für Klasse 9 hat die Anmeldung nach vorangegangenem Bean-
standungsbescheid in zwei Beschlüssen, davon einer im Erinnerungsverfahren
ergangen, zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dem angemeldeten
Zeichen fehle jegliche Unterscheidungskraft, da es sich in der bloßen werbeübli-
chen Wiedergabe des englischen Adjektivs "fantastic" erschöpfe, woran auch die
– nicht über das werbeübliche Maß hinausgehende – graphische Gestaltung
nichts ändere. Insofern erschöpfe sich das Zeichen in der bloßen Anpreisung der
so gekennzeichneten Waren als "phantastisch". Aufgrund der fehlenden Unter-
scheidungskraft komme es auf den vom Anmelder angebotenen Disclaimer nicht
an, da dieser nur ein eventuelles Freihaltebedürfnis betreffe.
Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ist ausgeführt, es
handle sich um eine phantasievolle graphische Gestaltung, die nicht dem in der
Werbung Üblichen entspreche.
Der Anmelder beantragt (sinngemäß),
die angegriffenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Marken-
amtes vom 22. März 2000 und vom 6. Juni 2001 aufzuheben.
Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und die Beschlüsse des Deut-
schen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders erweist sich als begründet. Ein der an-
gemeldeten Eintragung entgegenstehendes Freihaltebedürfnisses iSv § 8 Abs 2
Nr 2 MarkenG wie auch fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1
MarkenG lassen sich nicht hinreichend sicher feststellen.
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Gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausge-
schlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeich-
nung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung der damit gekennzeichne-
ten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dieses Eintragungshindernis
bezieht sich allerdings nicht nur auf die in der genannten Bestimmung ausdrück-
lich aufgeführten Angaben, sondern auch auf solche, die andere, für den Waren-
verkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame
Umstände mit konkretem Bezug auf die beanspruchte Ware oder Dienstleistung
selbst beschreiben (vgl etwa BGH GRUR 1999, 1093 – FOR YOU).
Das angemeldete Zeichen "fanTASTic" ist in seiner Gesamtheit und im Zusam-
menhang mit den beanspruchten Waren keine solche unmittelbar beschreibende
Angabe. Zwar ist die Annahme eines (aktuellen) Freihaltebedürfnisses nicht davon
abhängig, dass die angemeldete Bezeichnung für den hier einschlägigen Waren-
sektor unmittelbar (lexikalisch) nachweisbar ist; vielmehr braucht auch die erstma-
lige Verwendung einer Zeichenzusammensetzung nicht per se schutzbegründend
zu wirken (vgl BGH GRUR 1996, 770 – MEGA). Gleichwohl ist aber Vorausset-
zung eines Freihaltebedürfnisses, dass an der betreffenden Bezeichnung ein
berechtigtes Interesse der Mitbewerber zur Beschreibung der Waren besteht.
Das ist hier hinsichtlich des bildlichen Charakters nicht hinreichend sicher zu er-
kennen. Hier steht bei dem Anmeldezeichen auch aus Sicht der angesprochenen
Verkehrskreise in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht mehr allein der Ein-
druck einer sachbezogenen Information im Vordergrund (vgl dazu EuG MarkenR
2001, 181 – EASYBANK; Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 51).
Einerseits bildet die bewusste Herausstellung der Buchstabenfolge "TAST" – ver-
bunden mit unterschiedlichen Schriftgraden – innerhalb des Anmeldezeichens als
quasi selbständiges "Wort im Wort" in Bezug auf die beanspruchten Waren, jeden-
falls, soweit Tastenfelder, Tastaturen und tastaturähnliche Eingabegeräte betrof-
fen sind, zwar einen beschreibenden Bezug. Andererseits verursacht diese
Herausstellung des Mittelteils "TAST" gleichzeitig aber auch einen eigenartigen
Bildcharakter des Gesamtzeichens, der sich nicht in einer bloß ungewöhnlichen
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Schreibweise des englischen Adjektivs "fantastic" erschöpft, das als solches
schutzunfähig ist (vgl BGH aaO – MEGA), zumal insoweit eine Mehrdeutigkeit und
Interpretationsbedürftigkeit im Hinblick auf die beanspruchten Waren hier nicht
bestünde (anders die Konstellation bei BGH MarkenR 2001, 408 – INDIVIDU-
ELLE). Der maßgebende Gesamteindruck veranlaßt den Verkehr zur Annahme,
die Bezeichnung bestehe nicht nur ausschließlich aus einer schutzunfähigen
Angabe (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rdnr 145). Durch die gleichsam
bildliche Gestaltung des angemeldeten Zeichens entsteht hier ein hinreichend
deutlich hervortretender, eigenständiger Charakter. Denn auch wenn der Verkehr
an die Großschreibung einzelner Buchstaben im Wortinnern gewöhnt ist, liegt hier
ein Sonderfall vor. Im Gegensatz zum sonst in der Werbung häufig anzutreffenden
Wechsel zwischen Groß- und Kleinschreibung wird hier nämlich nicht nur ein
ohnehin bereits vorhandener selbständiger Zeichenteil durch die Schreibweise nur
verdeutlichend herausgestellt, sondern eine Besonderheit sichtbar gemacht. Tast
ist kein selbständiges Wort der deutschen Sprache und erst recht nicht in fantastic
ohne weiteres zu erkennen. Erst durch die Schreibweise erscheint dieses Wort.
Insoweit hebt sich die Zeichengestaltung doch von dem Üblichen ab und unter-
scheidet sich von dem von der Markenstelle angeführten Bezugsfall (BPatGE 38,
239 Jean's) bei dem der als Apostroph gedeutete Zeichenteil leicht übersehen
werden kann.
Die auf der Schreibweise beruhende bildliche Wirkung führt hier zur Überwindung
des Schutzhindernisses, wobei allerdings auch zu betonen ist, dass sich der
Schutz nur auf diese Wirkung erstreckt, nicht aber auf die zugrunde liegende An-
gabe (vgl BGH NJW-RR 1989, 695 – Reynolds R1/Ereintz).
Der angemeldeten Bezeichnung fehlt auch nicht die erforderliche Unterschei-
dungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Es handelt sich bei "fanTASTic" nicht
um eine sonstige gebräuchliche Bezeichnung, die stets nur als solche und nicht
als betriebliches Unterscheidungskennzeichen verstanden wird (st Rspr, vgl BGH
MarkenR 2001, 209 – Test it; BGH BlPMZ 2000, 332 – LOGO).
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Auch erschöpft sich die Bezeichnung nicht in einer bloßen Aneinanderreihung
schutzunfähiger Elemente, sondern vermittelt darüber hinaus einen für die An-
nahme der erforderlichen Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 Mar-
kenG ausreichend phantasievollen Gesamteindruck. Das folgt aus dem hinrei-
chend eigenwilligen bildlichen Erscheinungsbild des Markenwortes.
Auf die Beschwerde des Anmelders sind die angegriffenen Beschlüsse daher auf-
zuheben.
Dr. Buchetmann
Richter Schramm ist wegen
Urlaubs verhindert.
Dr. Buchetmann
Voit
Hu
Abb. 1