Urteil des BPatG vom 07.06.2006

BPatG: marke, verwechslungsgefahr, beschreibende angabe, verkehr, begriff, kennzeichnungskraft, gesamteindruck, patent, gestaltung, beschränkung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 49/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 302 49 112
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hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch
am 7. Juni 2006
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse
der Markenstelle für Klasse
20 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 18. Dezember 2003 und 21. Dezember 2004
aufgehoben.
Der Widerspruch aus der Marke 395 03 393 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Eintragung der Marke 302 49 112
(eingetragen in den Farben schwarz und rot)
für die Waren der Klassen 16 und 20:
„Büroartikel (ausgenommen Möbel); Büromöbel; Bürostühle“
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(in den Farben rot, gelb und schwarz ) eingetragen für die Waren der Klassen 1, 2,
9, 16, 18 und 20
„Waren aus Papier (soweit in Klasse 16 enthalten), Schreibwaren,
Druckereierzeugnisse, Buchbindeartikel; Büroartikel, nämlich
nichtelektrische und elektrische Bürogeräte (ausgenommen Mö-
bel) und nichtelektrische und elektrische Büromaschinen, nämlich
Schreibmaschinen, Aktenvernichter, Bindemaschinen; Lehrmittel,
nämlich bespielte Kassetten und Schallplatten; elektrische Büro-
maschinen, nämlich Fotokopiergeräte, Diktiergeräte, Telefone und
Anrufbeantworter, Telefaxgeräte; Aktenkoffer, Dokumentenmap-
pen aus Leder und Kunststoff; Chemische Erzeugnisse für ge-
werbliche, wissenschaftliche und photographische Zwecke, licht-
empfindliche Papiere, Folien und Filme, Lichtpausleinen; Ton-
bandkassetten, Videobandkassetten, Disketten, Registrierkassen,
Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte; auf Datenträger
gespeicherte Programme für die Datenverarbeitung (Software),
Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton
und Bild; Toner für Kopiergeräte; Büromöbel“.
Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 18. Dezember 2003 die Löschung der angegriffenen Marke ange-
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ordnet und die dagegen gerichtete Erinnerung der Markeninhaberin mit Beschluss
vom 21. Dezember 2004 zurückgewiesen.
Zur Begründung der Verwechslungsgefahr zwischen den Kollisionsmarken im
Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG hat sie ausgeführt, im Hinblick auf die wei-
testgehend identischen Vergleichswaren seien erhöhte Anforderungen an den
Zeichenabstand zu stellen, die die angegriffene Marke jedoch nicht einhalte. Die
angegriffene Marke werde durch den Wortbestandteil „office-discounter“ geprägt,
weil die Buchstabenfolge „www.“ und die Angabe „.de“ lediglich einen Hinweis auf
das Internet im Sinne eines Domain-Namens gebe. Da die Widerspruchsmarke
ihrerseits durch den Wortbestandteil „office-discount“ geprägt werde, stünden sich
nahezu identische Markenwörter gegenüber. Die Angaben „office discount“ bzw.
„OFFICE-DISCOUNTER“ seien nicht rein beschreibend, weil die deutsche Über-
setzung von „office-discount“ „Bürorabatt“ laute. Letzterer Begriff sei aber nicht
geeignet, Büroartikel und Büromöbel zu beschreiben. Die englische Angabe könne
vielmehr durchaus als individueller Betriebshinweis im Sinne einer Marke dienen.
Unter Berücksichtigung einer allenfalls etwas unterdurchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke seien Verwechslungen der prägenden
Bestandteile nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen.
Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde. Sie ist der Auf-
fassung, die Markenstelle habe die Verwechslungsgefahr zu Unrecht bejaht. Der
Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken werde nicht durch die be-
schreibenden Bestandteile „office discount“ bzw. „OFFICE-DISCOUNTER“ ge-
prägt, denn die angesprochenen Verkehrskreise würden in den Markenwörtern
ohne weitere Überlegungen die Möglichkeit zum günstigen Einkauf von Büroarti-
keln bzw. Büromöbeln erkennen. Die eigentliche Prägung finde vielmehr durch die
Bildbestandteile statt, die aber hinreichend unterschiedlich seien, um eine Ver-
wechslungsgefahr auszuschließen.
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Die Markeninhaberin beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und den Widerspruch
zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält eine Verwechslungsgefahr für gegeben und verteidigt die Ausführungen
der Markenstelle als zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Ver-
fahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug ge-
nommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Gefahr von Verwechslungen der
Vergleichsmarken i. S. d. §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist entgegen der Auffas-
sung der Markenstelle aus Rechtsgründen nicht zu bejahen.
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeit-
rang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten
Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen
besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in
Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem
allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen
allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu be-
urteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren
Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der
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Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Mar-
ken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgegli-
chen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594, 596
- Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 – Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514
- MEY/Ella May).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Verwechslungsgefahr selbst bei Annahme einer
bis zur Identität reichenden Ähnlichkeit der jeweils geschützten Waren nicht zu
bejahen, weil die angegriffene Marke den zu fordernden Abstand von der Wider-
spruchsmarke einhält. Hierzu genügen schon kleinere Abweichungen, denn die
Widerspruchsmarke weist einen nur geringen Schutzumfang auf. Eine solche Be-
schränkung des Schutzumfangs einer Marke ist dann in Betracht zu ziehen, wenn
sie insgesamt oder auch nur ihre Bestandteile an eine beschreibende Angabe an-
gelehnt sind und nur wegen einer (geringfügigen) Veränderung gegenüber der
Originalangabe selbst als Marke eingetragen werden konnten, wobei der Schutz-
umfang nach Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft zu bemessen
ist, die dem Zeichen - trotz seiner Anlehnung an die freizuhaltende Angabe - die
Eintragungsfähigkeit verleiht (vgl. BGH GRUR
2003, 963, 964 -
ANTIVIR/
ANTIVIRUS; GRUR 1989, 264, 265 - REYNOLDS R 1/EREINTZ; GRUR 1989,
349, 350 - ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy; GRUR 1999, 238, 240 - Tour
de culture). Deshalb ist für die Frage der Verwechslungsgefahr vorliegend nicht
der Wortbestandteil, sondern der Bildbestandteil der Widerspruchsmarke als
maßgeblich anzusehen. .Es trifft zwar zu, dass bei Wort-/Bildzeichen regelmäßig
der Wortbestandteil den Gesamteindruck prägt, weil sich der Verkehr an ihm als
der einfachsten Kennzeichnungsart orientiert (vgl. BGH GRUR 2002, 809, 811
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FRÜHSTÜCKS-DRINK
I; MarkenR
2004, 342, 344 -
EURO 2000). Dieser
Grundsatz gilt allerdings nur dann uneingeschränkt, wenn der Wortbestandteil
seiner Natur nach unterscheidungskräftig ist. So liegt der Fall auch hier. Der in der
Wort-Bild-Kombination der Widerspruchsmarke enthaltene Wortbestandteil „office
discount“ ist für die hier in Betracht kommenden Waren nach dem maßgeblichen
Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers rein beschreibend. Der dem englischen Grundwort-
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schatz entnommene Begriff „office“ ist dem Verkehr bekannt. Er wird vom Verkehr
ganz selbstverständlich als Oberbegriff für alle Umstände aufgefasst, die mit
einem „Büro“ in Verbindung gebracht werden können. Befindet sich diese Angabe
auf den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Büroartikeln oder Büromö-
beln, ist für den Verkehr daraus unmittelbar erkennbar, dass diese Waren für das
„office“, also für das „Büro“ bestimmt sind. Der Begriff „discount“ ist dem Verkehr
durch seine häufige Verwendung in allen Bereichen des täglichen Lebens (Dis-
count-Preise, Discountmärkte, Handy-Discount, Bike-Discount, Marken-Discount,
Vorwahl-Discount u. ä.) so geläufig, dass er in den deutschen Sprachgebrauch
eingegangen ist(vgl. BPatG, Beschluss vom 2. März 2005 - 26 W (pat) 302/03
- discount travel; Beschluss vom 12. März 2003 - 6 W (pat) 24/01 - SparBett Der
Betten-Discount, beide veröffentlicht auf der PAVIS-CD-ROM). In der Wortkom-
bination „office-discount“ erkennt der Verkehr demnach nichts anderes als die
Ankündigung des preisgünstigen Erwerbs von Waren, die für das Büro geeignet
und bestimmt sind. Dabei wird der Begriff „discount“ vom Verkehr nicht nur als
„Rabatt“ im Sinne eines Preisnachlasses gegenüber sonst allgemein geforderten
Preisen angesehen, sondern auch als Bezeichnung einer Verkaufsstätte. Der
danach nur äußerst geringe Schutzumfang der Widerspruchsmarke, der auf seine
maßgebliche Eigenprägung – den Bildanteil – reduziert ist (vgl. BGH GRUR 2001,
1153, 1154 – antiKALK; EURO 2000), wird vorliegend von der angegriffenen
Marke nicht tangiert. Beide Marken unterscheiden sich in visueller Hinsicht maß-
geblich. Die angegriffene Marke weist weder die als Blickfang wirkende Farbkom-
bination rot-gelb-schwarz noch die übrige grafische Gestaltung auf. Wegen der
Unterschiede der angegriffenen Marke gegenüber der Widerspruchsmarke ist eine
Verwechslungsgefahr zu verneinen.
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III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2
MarkenG abzuweichen, nach dem jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
gez.
Unterschriften