Urteil des BPatG vom 31.07.2001

BPatG: zustellung, gebrauchsmuster, gebühr, nichtigkeit, billigkeit, wiederholung, wehr, verfahrenskosten, rückzahlung, mehrarbeit

BUNDESPATENTGERICHT
5 W (pat) 13/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
6.70
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wegen des Gebrauchsmusters 94 20 875
(hier: Kostenentscheidung)
hat der 5. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
am 31. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Goebel sowie die Richterinnen
Tronser und Friehe-Wich
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des
Deutschen Patent- und Markenamtes - Gebrauchsmusterabteilung
I - vom 18. April 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e
I.
Die Antragstellerin hat am 18. September 1996 beim Deutschen Patentamt einen
Löschungsantrag gegen das Gebrauchsmuster 94 20 875 des Antragsgegners
eingereicht. Dieser hat dem Löschungsantrag nach Zustellung am 14. Okto-
ber 1996 fristgerecht widersprochen. Erst am 19. Februar 1997 wurde die Lö-
schungsantragsgebühr von der Antragstellerin bezahlt. Eine erneute Zustellung
des Löschungsantrags an den Antragsgegner erfolgte nicht. Mit Beschluß vom
1. Oktober 1997 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Patentamtes das Ge-
brauchsmuster mangels Neuheit der offenbarten Lehre gelöscht. Auf die dagegen
gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluß vom
7. April 1999 (5 W (pat) 415/98) die angefochtene Entscheidung aufgehoben, die
Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des
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Beschwerdeverfahrens - an das Patentamt zurückverwiesen und die Rückzahlung
der Beschwerdegebühr angeordnet. Er hat dies damit begründet, daß der Lö-
schungsantrag ohne vorherige Zahlung der Löschungsantragsgebühr nicht dem
Antragsgegner als Mitteilung im Sinne des § 17 Abs 1 Satz 1 GebrMG habe zuge-
stellt werden dürfen, da der Löschungsantrag jedenfalls zu diesem Zeitpunkt man-
gels Gebührenzahlung als nicht gestellt gegolten habe. Über die Löschung sei
mithin ohne Vollzug des in § 17 Abs 1 Satz 1 GebrMG vorgesehenen Verfahrens
entschieden worden, was eine Zurückverweisung der Sache und die Rückzahlung
der Beschwerdegebühr rechtfertige.
Am 10. Juni 1999 hat die Antragstellerin - wie sie dies ausdrückte - "erneut" die
Löschung des Gebrauchsmusters beim Patentamt beantragt und darauf verwie-
sen, daß die Löschungsantragsgebühr bereits wirksam am 19. Februar 1997 ent-
richtet worden sei. Dieses Schreiben hat der Antragsgegner - nach Zustellung –
unwidersprochen gelassen. Das Gebrauchsmuster ist deshalb nach § 17 Abs 1
Satz 2 GebrMG am 25. Juli 1999 in der Rolle gelöscht worden.
Die Beteiligten haben daraufhin wechselseitig beantragt, dem Gegner die Verfah-
renskosten aufzuerlegen.
Mit Beschluß vom 18. April 2000 hat das Patentamt – Gebrauchsmusterabtei-
lung I - dem Antragsgegner gemäß § 17 Abs 4 Satz 2 GebrMG iVm § 91 ZPO die
Kosten des Löschungsverfahrens - einschließlich der Kosten des Beschwerdever-
fahrens - auferlegt. Denn er habe nach erneuter Zustellung des Löschungsantrags
keinen Widerspruch erhoben und sich damit freiwillig in die Rolle des Unter-
legenen begeben. Dies gelte auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens, ob-
wohl der Antragsgegner dort die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses - al-
lerdings ohne sachliche Überprüfung - erreicht habe. In solchen Fällen sei für die
Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels der endgültige Ausgang
des Verfahrens maßgebend. Unabhängig von der seitens der Beteiligten hierzu
gegensätzlich geäußerten Auffassung sei über die Kosten des gesamten Lö-
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schungsverfahrens von Amts wegen zu entscheiden gewesen. Denn mit der Zu-
stellung des Löschungsantrags vom 10. Juni 1999 sei kein neues Löschungsver-
fahren eingeleitet, sondern nach dem Zurückverweisungsbeschluß das bisherige
Verfahren fortgesetzt worden. Es sei auch nicht zu prüfen gewesen, ob die Ver-
fahrenskosten nach der Zurückverweisung wegen der verspäteten Zahlung der
Löschungsantragsgebühr nicht billigerweise von der Antragsgegnerin zu tragen
seien. Denn insoweit seien kaum Kosten entstanden, da von den Verfahrensbe-
vollmächtigten keine weitere Verfahrensgebühr beansprucht werden könne (§ 15
Abs 1 Satz 2 BRAGO) und es zu einer weiteren mündlichen Verhandlung nicht
gekommen sei.
Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und diese wie folgt be-
gründet: Bei dem Löschungsantrag vom 10. Juni 1999 handele es sich nicht le-
diglich um eine Wiederholung des ursprünglichen Löschungsantrags vom
18. September 1996, sondern um einen eigenständigen, zweiten Löschungsantrag
mit unterschiedlichem Antragsdatum und unterschiedlicher Begründung. Ferner
sei mit dem zweiten Antrag die Antragsgebühr dem "alten" Löschungsverfahren
entzogen worden, was zur Nichtigkeit des ersten und Wirksamkeit des zweiten
Antrags führe. Soweit sich die Gebrauchsmusterabteilung auch insoweit auf
§ 97 ZPO berufe, könne die Vorschrift hier nicht angewendet werden, weil die Ge-
bührenzahlung nach der ZPO gerade nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für eine
Klage sei, dies aber für einen Gebrauchsmusterlöschungsantrag sehr wohl gelte.
Er wehre sich nicht gegen die Kosten des zweiten Löschungsverfahrens, das zur
Löschung des Gebrauchsmusters geführt habe, wohl aber gegen die Kosten des
ersten Löschungsverfahrens. Denn hier seien ihm zur Verteidigung seines Ge-
brauchsmusters Kosten entstanden, die die Antragstellerin tragen müsse, weil sie
wegen der verspäteten Gebührenzahlung die Nichtigkeit des ersten Verfahrens
verursacht habe.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluß des Patentamtes vom 18. April 2000 aufzuheben
und die Kosten des mit Antrag vom 18. September 1996 einge-
leiteten Löschungsverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und der Antragsgegnerin die
Beschwerdekosten aufzuerlegen.
Sie macht geltend, der am 18. September 1996 von ihr beim Patentamt einge-
reichte Löschungsantrag sei ab Zahlung der Löschungsantragsgebühr am 19. Fe-
bruar 1997 wirksam. Sie regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der Frage
an, ob ein Löschungsantrag nicht auch dann als wirksam gestellt gelte, wenn die
Gebühr erst zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt werde und sich die Gegenseite
gegen den Antrag wehre. Hier habe der Antragsgegner dem Löschungsantrag in-
nerhalb der gesetzlichen Frist widersprochen und damit klar zu erkennen gege-
ben, daß er sich zur Wehr setzen wolle und ihn damit für wirksam halte. Wäre das
Löschungsverfahren nach seiner Zurückverweisung an das Patentamt streitig
durchgeführt worden, wäre der Antragsgegner eindeutig unterlegen.
II.
Die zulässige Beschwerde mußte in der Sache ohne Erfolg bleiben. Denn zu
Recht hat die Gebrauchsmusterabteilung die Kosten des Löschungsverfahrens
einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsgegner aufer-
legt, weil er den Löschungsantrag, der ihm nach der Zurückverweisung der Sache
an das Patentamt zugestellt worden ist, unwidersprochen gelassen und sich damit
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in die Rolle des Unterliegenden begeben hat. Diese Entscheidung steht im Ein-
klang mit § 17 Abs 4 Satz 1 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 2 PatG, § 91 ZPO.
1. Dabei kann es dahinstehen, ob nach der Zurückverweisung das ursprüngliche
Löschungsverfahren fortgesetzt wurde, weil der Löschungsantrag vom 18. Sep-
tember 1996 jedenfalls mit der Zahlung der Löschungsantragsgebühr am 19. Fe-
bruar 1997 wirksam geworden ist und es sich bei dem Löschungsantrag vom
10. Juni 1999 lediglich um eine Wiederholung des ersten Antrags handelt, oder ob
mit dem "erneuten" Löschungsantrag vom 10. Juni 1999 ein weiteres, verfah-
rensrechtlich ordnungsgemäßes (§ 16 Satz 3 GebrMG) Löschungsverfahren ein-
geleitet worden ist. Denn auf diese verfahrensrechtliche Wertung kommt es aus
gebührenrechtlichen Gründen nicht an, weil - wie die Gebrauchsmusterabteilung
zu Recht ausgeführt hat - die Verfahrensbevollmächtigten, (unter denen sich auf
der Antragsgegnerseite auch Rechtsanwälte befinden) die ihnen zustehenden
Gebühren jedenfalls nur einmal fordern dürfen.
Dies folgt nach Auffassung des Senats zwar nicht aus § 15 Abs 1 Satz 2 BRAGO,
weil § 15 BRAGO als eine ausschließlich Verweisungen unter Gerichten betref-
fende Sonderregelung des § 13 BRAGO auf die Verweisung einer Sache vom
Bundespatentgericht an das Patentamt nicht anwendbar ist (a. A. Ge-
rold/Schmidt/v. Eicken/Madert BRAGO, 14. Aufl, § 15 Rdn 3, der allerdings die
- weitere - Sonderregelung des § 15 Abs 1 Satz 2 BRAGO, als ausschließlich
"Prozeßgebühren" betreffend, auf die "Geschäftsgebühr" nach § 118 Abs 1 Nr 1
BRAGO nicht anwendet, so daß der Rechtsanwalt bei einer Verweisung in vollem
Umfang neue Gebühren erhalten soll).
Eine Beschränkung der Verfahrensbevollmächtigten darauf, nach der Zurückver-
weisung der Sache vom Patentgericht an das Patentamt die ihnen für ihre Tätig-
keit in Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren vor dem Patentamt nach § 118
BRAGO zustehenden Gebühren nur einmal verlangen zu dürfen, ergibt sich in-
dessen (mit demselben Ergebnis, wie es dem angefochtenen Beschluß entspricht)
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aus § 13 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 Satz 1 BRAGO, weil der Rechtsanwalt die
Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Bei dem vor dem
Patentamt vor und nach der Zurückverweisung betriebenen Löschungsverfahren
handelt es sich aber um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs 2 Satz 1
BRAGO. Denn das Löschungsverfahren ist insoweit als Einheit zu betrachten, weil
die Zurückverweisung durch einen Verfahrensmangel der angefochtenen
Entscheidung bedingt ist und die Instanz diesen Mangel des ersten Rechtszugs
beheben soll (vgl BFH NJW 1963, 1472). Durch die erneute - nunmehr
verfahrensfehlerfrei erfolgte - Durchführung des Löschungsverfahrens vor dem
Patentamt muß der Verfahrensbevollmächtigte sich auch nicht, wie in einem ihm
erstmals übertragenen Fall, neu in den Streitstoff einarbeiten. Ergänzende und
vertiefende Ausführungen sind im gleichen Umfang geboten wie bei der Fort-
setzung eines Löschungsverfahrens, das nicht durch die Einlegung eines Rechts-
mittels unterbrochen war. Eine eventuell anfallende Mehrarbeit ist innerhalb des
Gebührenrahmens des § 118 BRAGO zu berücksichtigen und innerhalb des Ko-
stenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen.
2. Können die Verfahrensbevollmächtigten deshalb die ihnen für das Löschungs-
verfahren vor dem Patentamt zustehenden Gebühren nach § 118 BRAGO nur ein-
mal verlangen und hat der Antragsgegner diese zu tragen, weil er den Lö-
schungsantrag nach einer wirksamen Zustellung unwidersprochen gelassen hat,
erfordert es auch nicht die Billigkeit (§ 84 Abs 2 Satz 2 PatG), den Antragsgegner
von der Besprechungsgebühr zu entlasten, die wegen der Mitwirkung der Verfah-
rensbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentamt am
1. Oktober 1997 nach § 118 Abs 1 Nr 2 BRAGO angefallen ist. Zwar ist diese Ge-
bühr Abschnitt des Löschungsverfahrens angefallen, der wegen der verspäteten
Zahlung der Löschungsantragsgebühr und der verfahrensfehlerhaften Zustellung
des Löschungsantrags vom 18. September 1996 erneut durchzuführen war. Inso-
weit hat aber der Antragsgegner nicht Kosten aufzuwenden, die wegen des nach-
lässigen Verhaltens der Antragstellerin bei der Gebührenzahlung oder der verfah-
rensfehlerhaften Zustellung durch das Patentamt an ihn angefallen sind. Diese
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Kosten haben ihre Ursache vielmehr im Verhalten des Antragsgegners, der sich
zuerst gegen die Gründe, mit denen die Antragstellerin die Schutzfähigkeit seines
Gebrauchsmusters bestritten hat, zur Wehr gesetzt, dann aber nach Zustellung
des Löschungsantrags vom 10. Juni 1999 keinen Widerspruch eingelegt hat. Die-
ses Verhalten schließt es im übrigen auch aus, ihn gemäß § 93 ZPO von der -
gesamten - Kostentragung zu entlasten.
3. Zutreffend hat die Gebrauchsmusterabteilung dem Antragsgegner auch die Ko-
sten des ersten Beschwerdeverfahrens (5 W (pat) 415/98) auferlegt (die den Ver-
fahrensbevollmächtigten auf der Grundlage der §§ 66 Abs 2 Nr 1, 31 BRAGO zu-
stehen). Zwar hat der Antragsgegner durch die dort ausgesprochene Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses einen "Teilsieg" errungen. Weil aber die Sache
zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Patentamt zurückverwiesen
worden ist und deshalb der endgültige Erfolg, nämlich die Zurückweisung des Lö-
schungsantrags, vom Ausgang des Verfahrens vor dem Patentamt abhing, lag es
ebenfalls in der Entscheidungskompetenz des Patentamts, auch über die Be-
schwerdekosten zu befinden, wenn der endgültige Ausgang des Löschungsver-
fahrens feststand.
Vorliegend war es auch nicht - wie der Antragsgegner meint - aus Billigkeitsgrün-
den geboten, der Antragstellerin die Kosten des ersten Beschwerdeverfahrens
aufzuerlegen. Zwar hat diese die Löschungsantragsgebühr verspätet gezahlt, was
mit der durch das Patentamt erfolgten Zustellung des Löschungsantrags vor Ein-
gang der Gebühr beim Amt zu einem Verfahrensfehler geführt hat, der wiederum
zur Aufhebung des Löschungsbeschlusses der Gebrauchsmusterabteilung vom
1. Oktober 1997 Anlaß gegeben hat. Den endgültigen Erfolg seiner Beschwerde,
nämlich die Zurückweisung des Löschungsantrags, hat der Antragsgegner aber -
von vornherein, dh unabhängig von der Begründetheit des Löschungsantrags -
durch dasselbe Verhalten verhindert, das auch zur Auferlegung der Kosten des
patentamtlichen Löschungsverfahrens geführt hat. Es liegt im Unterlassen eines
Widerspruchs gegen den ihm wirksam nach § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG zugestell-
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ten Löschungsantrag. Damit hat er sich freiwillig in die Rolle des Unterliegenden
begeben, was nach § 91 ZPO zur Kostentragung auch für das erste Beschwerde-
verfahren (5 W (pat) 415/98) führen muß.
4. Der Antragsgegner hat auch die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfah-
rens gegen den Beschluß vom 18. April 2000 zu tragen, weil er das Rechtsmittel
ohne Erfolg eingelegt hat (§ 97 Abs 1 ZPO). Auch insoweit erfordert die Billigkeit
keine andere Entscheidung.
Die von der Antragstellerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht
in Betracht, weil die Entscheidung nicht auf der von ihr aufgeworfenen
Rechtsfrage beruht.
Goebel Tronser
Friehe-Wich
br/Be/prö