Urteil des BPatG vom 21.02.2006

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 325/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
21. Februar 2006
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 100 22 093
- 2 -
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Das Patent 100 22 093 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
G r ü n d e
I
Die Erteilung des Patents 100 22 093 mit der Bezeichnung
„Verfahren zur Aufbereitung von Badewasser“
ist am 19. Februar 2004 veröffentlicht worden. Das Patent umfasst 5 Patentan-
sprüche, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:
Verfahren zur Aufbereitung von Badewasser, insbesondere in
Schwimmbadanlagen, bei dem das Badewasser umgewälzt und in
einer Filtrationsanlage (2) von groben Verunreinigungen befreit
wird, und bei dem dem Badewasser zum Abbau organischer Sub-
stanzen und zur Abtötung von Mikroorganismen Ozon zugesetzt
wird, wobei nach der Filtration ein Teilstrom (Q
T
) von 8 bis 25 %
des Badewassers abgezweigt und mit Ozon beaufschlagt wird,
wobei der Teilstrom (Q
T
) einem Reaktionsgefäß (5) zugeführt wird,
das eine ausreichende Verweildauer gewährleistet, und wobei der
Teilstrom (Q
T
) dann wieder dem Hauptstrom (Q
H
) des Badewas-
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dadurch gekennzeichnet
gang des Reaktionsbehälters (5) der Ozonüberschuss mit einem
ozonselektiven Messverfahren, bei dem Chlor nicht miterfasst
wird, gemessen wird, über die Messung die Ozonzugabe vor dem
Reaktionsbehälter (5) geregelt wird und dass durch die Steuerung
der Ozondosierung gewährleistet wird, dass ein festgelegter Rest-
gehalt an Ozon im Teilstrom (Qr) nicht überschritten wird.
Zum Wortlaut der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5, die besondere Ausgestal-
tungen des Verfahrens zur Aufbereitung von Badewasser betreffen, wird auf die
Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen dieses Patent ist mit dem am 18. Mai 2004 eingegangenen Schriftsatz Ein-
spruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, dass das
Verfahren gemäß Anspruch 1 gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung der
unter der Bezeichnung „Bewazon“ hergestellten und vertriebenen Ozonanlagen
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dazu verweist die Einsprechende
auf die Anlagen:
E1: Bewazon Schaltzentrale für Privatschwimmbäder
E2: Bewazon 1 Ozonanlagen,
sowie unter anderem die Druckschrift
E3: DE 42 24 612 A1,
aus der eine stoffselektive Ozonmessung bekannt sei.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
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Die Patentinhaberin beantragt,
das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Sie erklärt hilfsweise die Teilung des Patents.
Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und macht im Wesentli-
chen geltend, dass das Verfahren gemäß Streitpatent gegenüber der offenkundi-
gen Vorbenutzung der „Bewazon“ Ozonanlage eine andere Verfahrenweise zur
Aufbereitung von Badewasser verfolge, die von der offenkundigen Vorbenutzung
auch in Zusammenschau mit E3 nicht nahegelegt werde. Das Verfahren gemäß
Anspruch 1 des Streitpatents beruhe damit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1.
Der Einspruch ist somit zulässig. Er kann aber nicht zum Erfolg führen.
2.
ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 und 5 sowie S. 4 Abs. 1 und 2 und S. 6 Abs. 2 der
Erstunterlagen hervor. Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen An-
sprüchen 2, 4, 6 und 7.
3.
Die offenkundige Vorbenutzung gemäß E1 und E2 betrifft, von der Patentinhaberin
unbestritten, ein Verfahren zur Behandlung von Schwimmbadwasser durch Zusatz
von Ozon weitgehend entsprechend dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1
des Streitpatents (vgl. E1 S. 4 li. Sp. „Verwendungszweck“, re. Sp. „Funktions-
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weise“, S. 5 „Einbauschema“, E2 S. 2 Zeichnung und S. 3 li. Sp. Abs. 1 und 5).
Die Maßnahmen gemäß dem kennzeichnenden Teil dieses Anspruchs, nämlich
am Ausgang des Reaktionsbehälters den Ozonüberschuss mit einem ozonselekti-
ven Messverfahren, bei dem Chlor nicht miterfasst wird, zu messen, über diese
Messung die Ozonzugabe vor dem Reaktionsbehälter zu regeln und durch diese
Steuerung der Ozondosierung zu gewährleisten, dass ein festgelegter Restgehalt
an Ozon im Teilstrom nicht überschritten wird, gehen aber aus E1 und E2 nicht
hervor. Gemäß dem Einbauschema auf S 5 von E1 findet nämlich bei dem offen-
kundig vorbenutzten Verfahren vor einem Filter und einer in einen Teilstrom ein-
gebauten Ozonanlage in einer von der Hauptwasserleitung abgezweigten Mess-
wasserleitung eine Messung des Redoxpotentials und des pH-Wertes statt (E1 S
7 Abs. 2 bis 4, S 9 Abs. 1 und 2). Damit wird jedenfalls, wie auch die Einspre-
chende einräumt, beim vorbenutzten Verfahren das Redoxpotential an anderer
Stelle gemessen, als es beim Verfahren gemäß Anspruch 1 für die Messung des
Ozonüberschusses erforderlich ist. Im Gegensatz zur Auffassung der Einspre-
chenden ist aber auch die Messung des Redoxpotentials bei dem vorbenutzten
Verfahren nicht mit einer ozonselektiven Messung, bei der Chlor nicht miterfasst
wird, gleichzusetzen. Denn die Messung des Redoxpotentials ist immer eine
Summenmessung der in vorliegendem Fall von den Gehalten an Ozon, Chlor und
Abbauprodukten herrührenden sich überlagernden Potentialen, auch wenn, wie
aus dem Funktionsschema auf S. 4 von E1 hervorgeht, zum Teil nur Ozon dosiert
wird. Gerade dieses Funktionsschema verdeutlicht die Überlagerung der Potenti-
ale, da auch nach Abschalten der Ozonung und der nachfolgenden Chlordosie-
rung ein allmählich abklingendes Redoxpotential gemessen wird, bei dem Ozon
nicht spezifisch erfasst werden kann.
E3 betrifft einen elektrochemischen Ozonsensor und kein Verfahren zur Aufberei-
tung von Badewasser und kann daher ebenfalls die Neuheit des Verfahrens nach
Anspruch 1 des Streitpatents nicht in Frage stellen. Das Gleiche gilt für die weite-
ren dem Senat vorliegenden, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufge-
griffenen Druckschriften.
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4.
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, bei einem Verfahren zur Aufbereitung von
Badewasser durch Zusatz von Ozon eine ausreichende Aufbereitung des Bade-
wassers ohne Eintrag von Ozon in das Schwimmbad zu gewährleisten und gleich-
zeitig einen unerwünschten Chloridanstieg zu vermeiden, wobei auf die Verwen-
dung eines hierfür üblichen Aktivkohlefilters und auf den Einsatz teurer UV-Lam-
pen zur Bestrahlung des ozonisierten Wassers verzichtet werden soll (vgl. Streit-
patentschrift S. 3 Abs. [0014] i. V. m. S. 2 Abs. [0003] und [0007] sowie S. 3 Abs.
[0016]).
Die Aufgabe wird durch ein Verfahren zur Aufbereitung von Badewasser, insbe-
sondere in Schwimmbadanlagen, gemäß Anspruch 1 gelöst mit den Merkmalen im
kennzeichnenden Teil:
g)
Messung des Ozonüberschusses am Ausgang des Reak-
tionsbehälters (5) mit einem ozonselektiven Messverfahren, bei
dem Chlor nicht mit erfasst wird,
h) Regelung der Ozonzugabe vor dem Reaktionsbehälter (5) über
diese Messung,
i) Gewährleistung durch die Steuerung der Ozondosierung, dass
ein festgelegter Restgehalt an Ozon im Teilstrom (Q
T
) nicht
überschritten wird.
Zur Lösung der Aufgabe konnte sich der Fachmann, ein Diplomchemiker oder
Chemieingenieur mit Fachkenntnissen in der Wasseraufbereitung, auf das weitge-
hend dem Oberbegriff des Verfahrens nach Anspruch 1 entsprechende offenkun-
dig vorbenutzte Verfahren gemäß E1 und E2 stützen. Dort wird aber im Gegen-
satz zum Verfahren gemäß Anspruch 1 ein anderer Lösungsweg zur Aufbereitung
von Badewasser eingeschlagen, indem nämlich, wie vorstehend bereits dargelegt,
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die Qualität des Badewassers am Ausgang des Schwimmbeckens durch eine
Messung des Redoxpotentials und des pH-Wertes überwacht wird und davon
ausgehend die Ozonzugabe durch Ein- und Ausschalten der Ozonung und an-
schließende Stoßchlorung geregelt wird (vgl. E1 S. 4 Funktionsschema i. V. m.
li. Sp. Abs. 4 bis 7). Anregungen zur Lösung der Aufgabe auf die Messung des
Redoxpotentials am Ausgang des Schwimmbeckens zu verzichten und entspre-
chend dem Verfahren nach Anspruch 1 die Messstelle in den Teilwasserstrom
nach dem Reaktionsbehälter, also in die Nähe des Zulaufs des Schwimmbeckens,
zu verlegen, und dabei selektiv nur den Ozongehalt zu messen, ohne Chlor mitzu-
erfassen, damit eine permanente Ozonzugabe direkt zu regeln und durch diese
zeitnahe Erfassung sicherzustellen, dass kein Ozon ins Schwimmbecken gelangt,
kann das vorbenutzte Verfahren nicht liefern. Nachdem aus E3 lediglich ein elekt-
rochemischer Ozonsensor zur Messung von Ozonkonzentrationen in Gasen und
Flüssigkeiten bekannt ist ohne einen Hinweis auf seine Verwendung in einem
gattungsgemäßen Verfahren (vgl. Anspruch 1), kann auch die Zusammenschau
des vorbenutzten Verfahrens mit E3 das Verfahren nach Anspruch 1 des Streit-
patents nicht nahelegen. Der Einwand der Einsprechenden, dass der Fachmann
bei Dauerchlorung zwangsläufig eine ozonselektive Messung im Teilstrom nach
dem Reaktionsbehälter vorsehen müsse, kann hingegen nicht durchgreifen. Das
Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents wird nämlich unabhängig von der Art
einer Chlorung bereitgestellt und, wie das vorbenutzte Verfahren zeigt, ist auch
eine Redoxmessung für die Regelung der Ozonzugabe geeignet. Es mag sein,
dass das Vorsehen der Messstelle für die selektive Ozonmessung im Teilwasser-
strom nach dem Reaktionsbehälter im Hinblick auf die Erfordernisse der Erfas-
sungsgrenze der selektiven Ozonmessung mit 0,1 ppm. (vgl. E3 Zusammenfas-
sung) und der maximalen zulässigen Ozonkonzentration im Schwimmbecken nach
DIN 19643-4 (Tabelle 3) mit 0,05 ppm. sinnvoll erscheint. Nachdem der Fachmann
aber weder aus E1, E2 und E3 noch aus dem weiteren im Prüfungsverfahren be-
rücksichtigten Stand der Technik, wie aus der Beschreibungseinleitung der Streit-
patentschrift hervorgeht, Hinweise erhält, die Aufgabe durch das Verfahren nach
Anspruch 1 zu lösen, ist dieser Einwand der Einsprechenden auf eine rückschau-
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ende Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung zurückzuführen. Der Fach-
mann musste also erfinderisch tätig werden, um das Verfahren gemäß Anspruch 1
des Streitpatents bereitzustellen.
Die Berücksichtigung der weiteren dem Senat vorliegenden, in der mündlichen
Verhandlung von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften
führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts.
5.
des Streitpatents alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Dieser Anspruch ist daher
rechtsbeständig, mit ihm haben die besondere Ausführungsformen des Verfahrens
nach Anspruch 1 betreffenden Unteransprüche 2 bis 5 Bestand.
gez.
Unterschriften