Urteil des BPatG vom 13.03.2017

BPatG: public relations, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, verkehr, erstellung, software, geschäftsführung, computer, vermietung, bestandteil

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 119/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 399 45 315
BPatG 152
10.99
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hat der 29. Senat des Bundespatentgerichts (Marken-Beschwerdesenat) in der
Sitzung vom 28. August 2002 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, den
Richter Baumgärtner und die Richterin Pagenberg
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß
der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 2. Januar 2002 aufgehoben.
2. Es wird die Löschung der Marke 399 45 315 wegen des
Widerspruchs aus der Marke 398 66 304 angeordnet.
3. Der Beschluß ist öffentlich zuzustellen.
G r ü n d e
I
Gegen die Eintragung der Wort/Bildmarke
@media
mit dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis
Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere Magazine, Zeitschrif-
ten,
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Klasse 38: Vermittlung und Verbreitung von Informationen aller Art
über drahtlose oder leitungsgebundene Netze, insbeson-
dere Internet-Magazine, Internet-Zeitschriften, E-Zine
ist Widerspruch erhoben aufgrund der Wortmarke
AMEDIA
die für folgende Dienstleistungen eingetragen ist:
Klasse
35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwal-
tung; Unternehmensberatung; Büroarbeiten; Auskünf-
te in Geschäftsangelegenheiten; Organisation von
Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und
Werbezwecke; Beratung in Geschäftsangelegenhei-
ten; Beratung bei der Organisation und Führung von
Unternehmen; Beratung in Fragen der Geschäftsfüh-
rung; betriebswirtschaftliche Beratung; Ermittlungen in
Geschäftsangelegenheiten; Erstellung von Geschäfts-
gutachten; Hilfe bei der Führung von gewerblichen
oder Handelsbetrieben; Marketing; Nachforschungen
in Geschäftsangelegenheiten; Organisationsberatung
in Geschäftsangelegenheiten; Planungen bei der Ge-
schäftsführung; Public Relations; Dienstleistungen ei-
ner Werbeagentur; Verteilung von Werbematerial;
Klasse
36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte;
Immobilienwesen;
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Klasse 42:
Verpflegung; Beherbergung von Gästen; ärztliche Ver-
sorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienst-
leistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der
Landwirtschaft; wissenschaftliche und industrielle For-
schung; Erstellen von Programmen für die Datenver-
arbeitung; Rechtsberatung und -vertretung; gewerbs-
mäßige Beratungen (ausgenommen Unternehmens-
beratung); Erstellung von technischen Gutachten; In-
genieurarbeiten; Konstruktionsplanung; Qualitätsprü-
fung; Vermietung von Computer-Software.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch durch Beschluß einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom
2. Januar 2002 zurückgewiesen, weil keine Verwechslungsgefahr zwischen den
Marken bestehe. Die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sei gering, so
daß bereits geringe Abweichungen der Marken ausreichen, um markenrechtliche
Verwechslungen zu vermeiden. Aber selbst wenn durchschnittliche Anforderungen
an den Markenabstand gestellt werden, halte die jüngere Marke den erforderlichen
Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Die Markenstelle gehe von einer unterdurch-
schnittlichen Kennzeichnungskraft aus, da die Widerspruchsmarke aus dem rein
beschreibenden Bestandteil "MEDIA" bestehe, dem lediglich der zusätzliche Vokal
"A" vorangestellt sei. Die Marken enthielten zwar beide den Bestandteil "-media",
der trotz des beschreibenden Sinngehalts bei der Beurteilung der Verwechslungs-
gefahr mit zu berücksichtigen sei. Der Verkehr werde der Übereinstimmung jedoch
keine besondere Bedeutung beimessen und den übrigen Bestandteilen größere
Aufmerksamkeit zuwenden. Die Unterschiede am stärker beachteten Wortanfang
reichten für ein ungestörtes Nebeneinander der Marke im Verkehr aus, da das "@"
am Anfang der angegriffenen Marke nicht wie der Buchstabe "a", sondern wie das
englische "at" artikuliert und gelesen werde und so zu einem ganz anderen Ge-
samtklang der Markenwörter führe. Die Gefahr assoziativer oder begrifflicher Ver-
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wechslungen scheide wegen der Kennzeichnungsschwäche des Markenteils "me-
dia" aus.
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt,
den Beschluß vom 2. Januar 2002 aufzuheben und die Marke
Nr 399 45 315 aus dem Markenregister zu löschen.
Sie trägt vor, dass Verwechslungsgefahr bestehe, weil sich die Waren und
Dienstleistungen der Vergleichszeichen nach Art, Zweck und Nutzung der ange-
sprochenen Verbraucher ergänzten und die Marken in schriftbildlicher und klangli-
cher Hinsicht einen hohen Grad an Ähnlichkeit aufwiesen.
Der Markeninhaberin ist die Beschwerde durch Aushang öffentlich zugestellt wor-
den. Sie hat sich weder in der Sache geäußert noch Anträge gestellt.
II
Die gemäß § 165 Abs 4 MarkenG an Stelle der Erinnerung eingelegte Be-
schwerde ist zulässig und begründet (Art. 9 Ziff 37 des Gesetzes zur Bereinigung
von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums v. 13.12.2001
- BlfPMZ 2002, 14, 28), da die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen der Ver-
gleichsmarken in klanglicher Hinsicht iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.
Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in
Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der
Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie
der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringerer Grad der Ähn-
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lichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit
der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Marke ausgeglichen
werden kann und umgekehrt (BGH, Urt. v. 16.11.2000 - I ZR 34/98, GRUR 2001,
507, 508 =
WRP 2001, 694 -
EVIAN/REVIAN, m.w.N., Urt. v. 3.5.2001
- I ZR 18/99, WRP 2001, 1447, 1448 f. - Ichtyhol, m.w.N.; zuletzt Urt. v.
24. Januar 2002 - I ZR 156/99 - BANK 24, Umdr. S 8).
Die Markenstelle hat zwar zutreffend einen geringen bis mittleren Grad der Ähn-
lichkeit der "Druckereierzeugnisse” und der "Informationsdienstleistungen” der
jüngeren Marke einerseits gegenüber den Dienstleistungen der Widerspruchs-
marke insbesondere der Klasse 42 "Erstellen von Programmen für die Datenver-
arbeitung; Vermietung von Computer-Software; (Kl 35) Auskünfte in Geschäftsan-
gelegenheiten" andererseits zugrundegelegt (vgl Richter/Stoppel Die Ähnlichkeit
von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S 113, 383 - Druckereierzeugnisse
= Datenverarbeitungsprogramme - BPatG 99, 33 W (pat) 182/98; Druckereier-
zeugnisse für den EDV-Bereich = Datenträger - mit engen Berührungspunkten zB
bei Software-Verlagen - BPatG 96, 24 W (pat) 279/94; Erstellung von Datenverar-
beitungsprogrammen = Zeitschriften, mittlerer Ähnlichkeitsbereich, da austausch-
bare Medien-BPatG 99, 29 W (pat) 472/98). Sie hat die Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke sowie den Grad der Ähnlichkeit bzw die Klangidentität der
Marken jedoch unzutreffend beurteilt.
Die Widerspruchsmarke "AMEDIA" besitzt eine normale Kennzeichnungskraft. Die
Buchstabenfolge "MEDIA" ist in der Widerspruchsmarke nicht selbständig oder als
eigenständiger Begriff enthalten, sondern in der Gesamtmarke aufgegangen und
zu einem Phantasiebegriff verschmolzen. Bei der Beurteilung des Gesamtein-
drucks der Widerspruchsmarke hat die Markenstelle diese in unzulässiger Weise
zergliedert. Aber selbst wenn der Begriff "MEDIA" innerhalb der Widerspruchs-
marke erkannt wird, handelt es sich allenfalls um einen unbestimmten begrifflichen
Anklang, der die Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung, die keinen be-
schreibenden Sinngehalt erkennen läßt, nicht beeinträchtigt oder mindert.
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Hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken geht der Senat davon aus, daß der ange-
sprochene Verkehr die jüngere Marke "@media" in beachtlichem Umfang wie
"amedia" aussprechen wird. Hierzu gibt zum einen die Zeichengestaltung Veran-
lassung, die ohne Zäsur zwischen "@" und den nachfolgenden Buchstaben und
auch nicht nach Art einer Internetadresse gebildet ist. Zum anderen ist es mit der
Ausbreitung der Internetnutzung üblich geworden, nicht nur das ursprüngliche
Symbol "@" als Buchstabe "a" einzusetzen, sondern auch andere Buchstaben mit
einer entsprechenden Umrahmung zu versehen, um damit zugleich auf den Inter-
netzugang hinzuweisen (vgl BPatG
- Webtr@iner -Beschluß
vom
29. November 2000
- 29 W (pat) 7/00; BPatG v. 6.
Dezember
2000
- 29 W (pat) 226/99 - Netk@uf - und BPatG v. 20. Juni 2001 - 29 W (pat) 9/01
- Gesundhei
in grau/magenta).
Hinzu kommt, daß ein Provider "media" im Verkehr bisher nicht aufgetreten ist, so
daß für die angesprochenen Verkehrskreise keine Anhaltspunkte bestehen, das
"@" allein als Hinweis auf eine Internetadresse und nicht als Teil der Wortfolge
"@media" zu verstehen und wiederzugeben. Wird die jüngere Marke im Verkehr
aber mit "amedia" benannt, so ist die Wiedergabe klangidentisch mit der Wider-
spruchsmarke "AMEDIA". Unter Berücksichtigung der Wechselbeziehung der hier
maßgeblichen Faktoren der geringen bis mittleren Ähnlichkeit der von den Marken
erfaßten Waren und Dienstleistungen, der normalen Kennzeichnungskraft der älte-
ren Marke sowie des höchsten Grades an Ähnlichkeit, nämlich der Identität der
Marken in klanglicher Hinsicht, war die Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2
MarkenG zu bejahen.
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Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand keine Veranlassung
(§ 71 Abs 1 MarkenG).
Grabrucker Baumgärtner Pagenberg
Hu