Urteil des BPatG vom 23.02.2004
BPatG: verwechslungsgefahr, verkehr, telekommunikation, datenverarbeitung, kennzeichnungskraft, bestandteil, gestaltung, gesamteindruck, wiedergabe, farbe
BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 54/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
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betreffend die Marke 396 36 784
hat der 25.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
2. März 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss
der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Marke-
namts vom 23. Februar 2004 aufgehoben, soweit der Widerspruch
aus der Marke 396 11 387 zurückgewiesen worden ist. Die Marke
396
36
784 ist wegen des Widerspruchs aus der Marke
396 11 387 zu löschen.
G r ü n d e
I.
Die am 23. August 1996 angemeldete Marke
ist am 24. Februar 1997 für die Dienstleistungen
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"Unternehmensberatung im Bereich der Datenverarbeitung; Ingeni-
eurleistung im Bereich der Informationstechnik; Telekommunikation;
Ausbildung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"
unter der Nummer 396 36 784 in das Markenregister eingetragen worden. Die
Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 19. April 1997.
Dagegen hat neben anderen die Inhaberin der am 23. Juli 1996 u. a. für die
Dienstleistungen
"Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekom-
munikation; Telekommunikation; Ausbildung; Erstellen von Pro-
grammen für die Datenverarbeitung"
eingetragenen Marke 396 11 387
digit
Widerspruch erhoben. Das gegen die Widerspruchsmarke durchgeführte Wider-
spruchsverfahren ist am 19. Juni 2001 abgeschlossen worden. Nachdem die
rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke am 14.
Oktober
2004
bestritten worden ist, wurde die Beschwerdegegnerin darauf hingewiesen, dass
die Benutzungsschonfrist noch nicht abgelaufen ist.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 23. Februar 2004 durch einen Prüfer des gehobenen Dienstes
u. a. den Widerspruch aus der Marke 396 11 387 zurückgewiesen.
Zwar könne hinsichtlich der Dienstleistungen der angegriffenen Marke und den
Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke eine beachtliche Nähe bis
Identität festgestellt werden, jedoch wiesen die sich gegenüber stehenden Marken
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keine erheblichen Gemeinsamkeiten auf, so dass Verwechslungen insgesamt
nicht zu erwarten seien. Ausgehend vom allein maßgeblichen Gesamteindruck sei
wegen der grafischen Gestaltung der angegriffenen Marke eine schriftbildliche
oder klangliche Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke "digit" auszu-
schließen. Diese sei zwar vollständig in der angegriffenen Marke enthalten, jedoch
könne der Bestandteil "digit" in der angegriffenen Marke der Widerspruchsmarke
nicht kollisionsbegründend gegenüber gestellt werden. In den übrigen Teilen wie-
sen die Marken keine beachtlichen Ähnlichkeiten auf. Im Hinblick auf die in Frage
stehenden Waren und Dienstleistungen habe die Marke "digit" = "Ziffer, Stelle, Di-
gitelement" nur eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft. Die Eintragung der
angegriffenen Marke beruhe auf der grafischen und schriftbildlichen Wiedergabe
des Wortes "digit". Der Schutzbereich der Marke sei eng zu bemessen, und zwar
nach Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft. Er sei auf die Eigen-
art der grafisch-schriftbildlichen Wiedergabe beschränkt und erfasse nicht den
Ausdruck "digit".
Hiergegen hat die aus der Marke 396 11 387 Widersprechende am 24. März 2004
Beschwerde eingelegt und beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
23. Februar 2004 aufzuheben.
Aufgrund der in weiten Teilen bestehenden Identität der von den Streitmarken er-
fassten Dienstleistungen sowie der im Übrigen bestehenden Dienstleistungsähn-
lichkeit einerseits und der hochgradigen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden
Zeichen andererseits sei für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen gege-
ben. In klanglicher Hinsicht seien die Marken identisch, jedenfalls aber sehr ähn-
lich. Die Anmeldemarke trete dem Verkehr im Wesentlichen klanglich entgegen.
Die Wiederholung des Bestandteils "digit" in der angegriffenen Marke falle nicht
entscheidend ins Gewicht. Auch die schriftbildliche Ausgestaltung beider Zeichen
sei ähnlich. Die zwischen den Streitmarken bestehenden geringen Unterschiede
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seien für das Publikum bei einer nur flüchtigen Betrachtung der Zeichen nicht au-
genfällig. Zwischen den Marken sei ein deutlicher Zeichenabstand erforderlich, um
eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Dies gelte umso mehr, als die
prioritätsältere Marke Teil einer Serie von Marken der Widerspruchsführerin sei.
Aufgrund der bestehenden Markenfamilie der Widerspruchsführerin liege der
Schluss nahe, dass die angesprochenen Verkehrskreise das angegriffene Zeichen
als Bestandteil dieser Markenfamilie ansähen. Im Übrigen werde dies dadurch
verstärkt, dass für die Ausgestaltung der jüngeren Marke die Farbe "aubergine"
verwendet werde, die der Farbe "magenta", die von der Widersprechenden für
zahlreiche Marken verwendet werde und durch intensive Werbemaßnahmen als
Herkunftsangabe für die Widerspruchsführerin im Verkehr durchgesetzt sei, sehr
ähnele.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Widerspruchsmarke komme nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft zu,
denn das Wort "digit" bedeute "Ziffer, Stelle, Digitalelement". Bei solchen schwa-
chen Marken könne die Verwechslungsgefahr schon bei geringeren Unterschie-
den zu verneinen sein. Die Anmeldemarke werde in ihrem Gesamteindruck durch
ihre besondere Gestaltung und Doppelung desselben Wortes charakterisiert. Die
eigentümliche Gestaltung lenke die Aufmerksamkeit des Betrachters von der be-
schreibenden Angabe "digit" ab, der er ohnehin nur geringe Bedeutung zumesse.
Der Betrachter glaube, nicht mehr das Wort "digit" vor sich zu sehen, sondern die
einzelnen Silben "dig" und "it". Der äußerst schwache Wortbestandteil der ange-
meldeten Wortbildmarke vermöge nicht den Gesamteindruck derselben kollisions-
begründend zu prägen. Gegen eine Zeichenähnlichkeit spreche auch, dass es
sich bei "digit" um das Unternehmenskennzeichen der Anmelderin handele. Un-
ternehmensbezeichnungen seien nicht im Stande, eine Kombinationsmarke,
bestehend aus Unternehmensbezeichnung und einem weiteren Bestandteil zu
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prägen. Der weitere Bestandteil der Anmeldemarke sei die grafische Gestaltung.
Die Farbe "magenta" in der angegriffenen Marke könne keine Verwechslungsge-
fahr mit der Widerspruchsmarke begründen, da es sich bei letzterer um eine reine
Wortmarke handele. Auch klanglich seien die Zeichen nicht verwechselbar. Im Üb-
rigen liege es nahe, dass die Zeichen dem Verbraucher vornehmlich in optischer
Hinsicht gegenüber treten. Es sei unwahrscheinlich, dass ein relevanter Anteil des
Verkehrs auf Aussprache und Klang der Anmeldemarke achten werde. Es könne
nicht auf den flüchtigen Verbraucher abgestellt werden. Der Zeichenbestandteil
"digit" sei auch kein geeignetes Element, um darin einen Stammbestandteil einer
Zeichenserie zu sehen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der aus der Marke 396 11 387 Widersprechenden hat
in der Sache Erfolg, da nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG eine Verwechslungsgefahr
zwischen den sich gegenüber stehenden Marken besteht.
Der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist der jeweilige Rollenstand zu Grunde
zu legen. Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke wurde zwar
nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten. Die Einrede ist jedoch gemäß § 26
Abs. 5 MarkenG nicht zulässig erhoben, da die Benutzungsschonfrist für die Wi-
derspruchsmarke noch nicht abgelaufen ist, denn das Widerspruchsverfahren, das
gegen die Eintragung der Widerspruchsmarke durchgeführt wurde, ist erst am
19. Juni 2001 abgeschlossen worden. Hierauf wurde die Widersprechende bereits
hingewiesen.
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Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entschei-
dend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der in Frage
stehenden Art von Waren oder Dienstleistungen wirken, wobei zu berücksichtigen
ist, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der
betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH,
MarkenR 2006, 67 -Picasso). Anzuknüpfen ist dabei an das Verbraucherleitbild
des EuGH, der auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und
verständigen Durchschnittsverbraucher der entsprechenden Waren oder Dienst-
leistungen abstellt (EuGH GRUR 2004, 943 -SAT.2).
Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen können weitgehend auch von
Laien in Anspruch genommen werden, wobei allerdings bei den Dienstleistungen
auch zu einem großen Teil Fachbetriebe angesprochen werden können.
Ausgehend vom jeweiligen Rollenstand stehen sich identische, zumindest aber im
engen Ähnlichkeitsbereich liegende Dienstleistungen gegenüber. So sind beide
Marken identisch für die Dienstleistungen "Telekommunikation; Ausbildung;
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" geschützt. Die Dienstleis-
tungen "Unternehmensberatung im Bereich der Datenverarbeitung; Ingenieurleis-
tung im Bereich der Informationstechnik" weisen eine erhebliche Ähnlichkeit mit
den Dienstleistungen "Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Tele-
kommunikation" auf, da diese Bereiche sich überschneiden können.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mag zwar insoweit geschwächt
sein, als das Wort "digit", das auch die Bedeutung "Ziffer einer elektronischen An-
zeige" hat, im Bereich der Datenverarbeitung und Telekommunikation wenig origi-
nell ist, jedoch ist die Bezeichnung für die hier relevanten Dienstleistungen nicht
unmittelbar beschreibend, und es gibt auch keine Hinweise, dass dieser in Bezug
auf die vorliegenden Dienstleistungen nicht aussagekräftigen Bezeichnung jegli-
che Unterscheidungskraft fehlt. Soweit der Erstprüfer den Schutzumfang der an-
gegriffenen Marke auf die Eigenprägung beschränkt hat, ist zu berücksichtigen,
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dass es vorliegend um den Schutzumfang der Widerspruchsmarke und nicht den
der angegriffenen Marke geht. Selbst wenn man einen unterdurchschnittlichen
Schutzumfang der Widerspruchsmarke der Beurteilung der Verwechslungsgefahr
zu Grunde legt, kann der Widerspruchsmarke nicht lediglich Identitätsschutz zu-
gebilligt werden, so dass bei der vorliegenden Identität bzw engen Ähnlichkeit der
sich gegenüber stehenden Dienstleistungen lediglich geringe Unterschiede nicht
ausreichen, eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr zu verneinen. Für die An-
nahme einer Stärkung der Kennzeichnungskraft durch Benutzung, welche die Wi-
dersprechende geltend macht, ist nicht genügend vorgetragen, zumal hierzu für
den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke im Jahr 1996 nichts vor-
liegt. Auf die von der Widersprechenden geltend gemachte Stärkung der Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke kommt es nicht mehr an, da auch bei ei-
ner unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke noch
eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr besteht.
Die Marken kommen sich zumindest in klanglicher Hinsicht so nahe, dass selbst
soweit der Fachverkehr angesprochen ist, eine erhebliche Verwechslungsgefahr
anzunehmen ist. Eine klangliche Ähnlichkeit kann bei den sich gegenüberstehen-
den Dienstleistungen zu Verwechslungen führen, da insbesondere in der Werbung
und bei mündlicher Empfehlung mit einer rein phonetischen Begegnung der Zei-
chen im Verkehr zu rechnen ist.
In klanglicher Hinsicht wird der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch
den Bestandteil "digit" geprägt, der mit der Widerspruchsmarke identisch ist. Die
Verdoppelung dieses Bestandteils in der angegriffenen Marke ändert nichts an der
klanglichen Ähnlichkeit, da die wiederholte Wiedergabe einer Marke den Verkehr
nicht veranlasst, darin etwas Neues zu sehen, zumindest wenn - wie hier - da-
durch kein neuer Begriffsinhalt entsteht. Soweit der Erstprüfer den Schutzumfang
der angegriffenen Marke auf die Eigenprägung beschränkt hat, ist zu berücksichti-
gen, dass das Wort "digit" für die Dienstleistungen der angegriffenen Marke
schutzfähig ist, und der Verkehr daher keinen Anlass hat, in der zudem eher wer-
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beüblichen Gestaltung der Wortbestandteile die eigentliche Kennzeichnung zu se-
hen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin führt die farbliche Trennung der
Silben in der angegriffenen Marke nicht dazu, dass der Verkehr nicht mehr glaubt,
das Wort "digit" vor sich zu haben. Ein erheblicher Teil des Verkehrs wird die
Wörter der angegriffenen Marke wie "digit digit" aussprechen und nicht wie "dig it -
dig it", denn die Silben "dig" und "it" stehen eng zusammen, so dass sie ein einzi-
ges Wort bilden. Doch selbst wenn zwischen den Silben eine kleine Zäsur ge-
macht würde, ist der Unterschied zur Widerspruchsmarke so gering, dass mit
rechtserheblichen Verwechslungen zu rechnen ist.
Da die Marken sich bereits in klanglicher Hinsicht so nahe kommen, dass eine
rechtserhebliche Verwechslungsgefahr besteht und die Beschwerde der Wider-
sprechenden Erfolg hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Zeichen auch in
schriftbildlicher Hinsicht sich zu nahe kommen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs. 1 MarkenG.
gez.
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