Urteil des BPatG vom 02.10.1997

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BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 22/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 395 19 888.7
hat der 30.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im
schriftlichen Verfahren am 18. Februar 2002 unter Mitwirkung der Richterin Winter
als Vorsitzender sowie der Richter Voit und Schramm
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 2. Oktober 1997 wird aufge-
hoben.
G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister ist unter 395 19 888.7 angemeldet die Be-
zeichnung
800HT
für die Waren
"Nickel-Basislegierungen; Halbzeug sowie Fertig- und Halb-
fertig-Produkte aus Nickel-Basislegierungen."
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch
Beschluß des Prüfers die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zu-
rückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Kombination von Buchstaben
mit Zahlen zur Kennzeichnung technisch relevanter Eigenschaften sei auf dem
hier einschlägigen Warengebiet branchenüblich. Gerade auf dem Metallsektor ent-
spreche es der gängigen Praxis, auf besondere Eigenschaften und Qualitätsmerk-
male durch derartige Kombinationen hinzuweisen.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ist ausgeführt, die an-
gemeldete Bezeichnung werde weder als Angabe bestimmter Eigenschaften noch
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als Sachangabe benötigt. Die dreistellige Ziffernfolge gehe auf die UNS-Numerie-
rung (United Numbering System) zurück, die fünfstellige Zahlen in Verbindung mit
einem Buchstaben aufweise. Die ersten drei Ziffern seien auf den AISI-Standard
(American Iron and Steel Institute) zurückzuführen, während die letzten zwei Zif-
fern mittels eines Koordinierungsschlüssels Elementzusammensetzungen angä-
ben. Eine Abspaltung der letzten drei Zahlen aus der Ziffernfolge sei damit keine
eine Information tragende Kennzeichnung. Eine Verwendung dieser Bezeichnung
durch andere Anbieter als die Anmelderin erfolge nur, wenn für die jeweilige Le-
gierung keine branchenübliche Standardbezeichnung zur Verfügung stehe. Der
Buchstabenteil der angemeldeten Bezeichnung weise zudem eine gewisse Mehr-
deutigkeit auf.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluß der Markenstelle aufzuheben.
Das Gericht hat amtliche Auskünfte des Gesamtverbands der Deutschen Buntme-
tallindustrie, des Fachverbands Ferrolegierungen, Stahl- und Leichtmetallver-
edler e.V., der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung sowie der Staat-
lichen Materialprüfungsanstalt Darmstadt erholt. Auf diese Stellungnahmen wird
Bezug genommen.
Während des Beschwerdeverfahrens ist eine Umschreibung der angemeldeten
Bezeichnung wegen einer Namensänderung der Anmelderin beantragt worden.
Sie wurde bislang im Register nicht vollzogen.
II.
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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1. Die im Register eingetragene Anmelderin ist unter der ursprünglichen Firmen-
bezeichnung auch für das Beschwerdeverfahren legitimiert. Eine Korrektur der An-
melderbezeichnung ist im Beschwerdeverfahren nicht beantragt worden. Vielmehr
hat die Anmelderin dort ihre ursprüngliche Bezeichnung fortgeführt (vgl §§ 31, 28
Abs 2 MarkenG). Im übrigen beruht der Umschreibungsantrag gegenüber dem
Deutschen Patent- und Markenamt nach dem Vortrag der Anmelderin nicht auf ei-
ner Änderung des materiellen Rechtsinhabers, sondern lediglich auf einer Umfir-
mierung.
2. Die Beschwerde ist begründet, da der Eintragung der angemeldeten Bezeich-
nung entgegenstehende Eintragungshindernisse nicht hinreichend sicher festge-
stellt werden können.
Nach Einholung diverser Auskünfte und der durchgeführten Internetrecherche
kann nicht belegt werden, daß die angemeldete Bezeichnung ausschließlich aus
Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Be-
schaffenheit oder sonstiger Merkmale der gegenständlichen Waren dienen können
(§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Zwar sprechen die gegenständlichen Waren ausschließlich Fachkreise an, von de-
nen erwartet werden kann, daß sie Abkürzungen oder Elemente eines Klassifizie-
rungssystems für Legierungen erkennen und entsprechende Rückschlüsse auf die
Produkteigenschaften zu ziehen vermögen.
Vor diesem Hintergrund kann noch angenommen werden, daß die angesproche-
nen Verkehrskreise die Bedeutung des Buchstabenzusatzes "HT" erkennen. Aus-
weislich der Stellungnahmen des Fachverbands Ferrolegierungen, Stahl- und
Leichtmetallveredler e.V. sowie der Staatlichen Materialprüfungsanstalt Darmstadt
steht der vorgenannte Buchstabenzusatz für "high temperature". In dieser Bedeu-
tung läßt sich die Abkürzung auch in den der Anmelderin vorab übermittelten Aus-
zügen einer Internetrecherche des Senats belegen.
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Demgegenüber kann eine beschreibende Bedeutung des numerischen Teils und
mithin auch der Gesamtbezeichnung nicht hinreichend sicher festgestellt werden.
Aus den vom Senat erholten Stellungnahmen des Gesamtverbands der Deut-
schen Buntmetallindustrie und des Fachverbands Ferrolegierungen, Stahl- und
Leichtmetallveredler e.V. ergibt sich, daß der Zeichenbestandteil "800" auf das
UNS (United Numbering System) zurückgeht. Allerdings besteht die UNS-Kenn-
zeichnung in ihrer Gesamtheit aus einem vorangestellten Buchstaben und einer
fünfzähligen Ziffernfolge. Der Zahlenteil des Anmeldezeichens umfaßt als Aus-
schnitt lediglich die letzten drei Ziffern des UNS. Es erscheint aber bereits zweifel-
haft, ob sich aus der fünfstelligen Ziffernfolge (mit dem vorangestellten Buchsta-
ben) eine Aussage über die jeweilige Spezifikationen der Legierung treffen läßt.
Dagegen spricht der von der Anmelderin vorgelegte Auszug aus dem Werk
"Standard Practice for Numbering Metals and Alloys (UNS)", Seite 768, aus dem
sich ergibt, daß eine derartige Spezifizierung nur in manchen Fällen gegeben ist.
Letztlich kann diese Frage dahinstehen, da nicht belegt werden kann, daß in der
hier vorliegenden verkürzten Form des Ziffernbestandteils und dem Wegfall des
Buchstabens auf Produkteigenschaften hingewiesen wird. Soweit diese verkürzte
Bezeichnung im Internet belegt werden kann, geht dies zum größeren Teil auf die
Anmelderin zurück. Soweit andere Anbieter diese Produktkennzeichnung über-
nommen haben, ist dies unter den vorliegenden Gegebenheiten unschädlich. Die
Anmelderin hat insoweit dargelegt und durch Literaturauszüge (Stainless Steel
Handbook) untermauert, daß weit verbreitete Handelsmarken in dieser Branche
zur Bezeichnung bestimmter Legierungen verwendet werden, wenn keine adäqua-
ten Standardbezeichnungen zur Verfügung stehen. Es konnte in diesem Zusam-
menhang nicht belegt werden, daß vorliegend eine hiervon abweichende Fallge-
staltung gegeben ist.
Zwar wurde bei Übernahme einer Produktbezeichnung durch andere Anbieter eine
markenrechtliche Schutzfähigkeit verneint. Dies jedoch nur dann, wenn aufgrund
einer länger dauernden Übung derartigen Bezeichnungen eine Sachangabe ent-
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nommen werden kann (vgl. BPatG BlPMZ 2001, 327 – ATM). Dafür fehlen vorlie-
gend ausreichende Anhaltspunkte. Dementsprechend liegt auch die Annahme ei-
ner Gattungsbezeichnung nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG fern.
Der angemeldeten Bezeichnung kann auch die erforderliche Unterscheidungskraft
nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden.
Entgegen der Auffassung der Markenstelle reicht es für eine Versagung der Ein-
tragung unter diesem Gesichtspunkt nicht aus, lediglich eine Branchenübung für
die Kennzeichnung technisch relevanter Eigenschaften mit derartigen Buchsta-
ben-Zahlenkombinationen festzustellen. Ausschlaggebend ist vielmehr eine kon-
krete, auf die Waren des Verzeichnisses bezogene Begründung für diese Annah-
me (BGH BlPMZ 2001, 56 – Buchstabe "K"). Entsprechend den oben gemachten
Ausführungen kann ein beschreibender Gehalt der angemeldeten Bezeichnung
nicht hinreichend sicher festgestellt werden. Es sind auch keine Gründe ersicht-
lich, daß die angemeldete Bezeichnung aus sonstigen Gründen nicht als Her-
kunftshinweis geeignet ist.
Winter Schramm
Voit
Ko