Urteil des BPatG vom 03.08.2010

BPatG (eingriff, stand der technik, anordnung, bundesrepublik deutschland, patentanspruch, trennung, einheit, halten, patent, wirkung)

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 55/08 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
3. August 2010
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 1 192 965
(DE 695 34 359)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 3. August 2010 durch den Richter Voit als Vorsitzenden, Richte-
rin Friehe sowie die Richter Dipl.-Phys. Dr. Morawek, Dipl.-Ing. Bernhart und
Dipl.-Ing. Veit
für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent EP 1 192 965 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der
Ansprüche 1 bis 5 und 9 und 10 für nichtig erklärt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 192 965
(Streitpatent), das am 12. Dezember 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität
der US-Patentanmeldung 355447 vom 12. Dezember 1994 angemeldet wurde.
Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird am
Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 695 34 359 geführt. Das
Streitpatent betrifft eine Spritzenendstückkappe und umfasst 10 Ansprüche, von
denen die Ansprüche 1 bis 5 sowie 9 und 10 angegriffen sind. Patentanspruch 1
lautet in der Verfahrenssprache Englisch:
- 3 -
und in deutscher Sprache:
- 4 -
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbe-
zogenen Patentansprüche 2 bis 5 sowie 9 und 10 wird auf die Streitpatentschrift
EP 1 192 965 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Gegenstände der angegriffenen Patentan-
sprüche des Streitpatents nicht patentfähig sind, insbesondere nicht neu sind und
nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.
Sie verweist hierzu unter anderem auf folgende Druckschriften:
D1
US 4,832,695
D4
US 4,597,758 und
D8
DE 33 20 676 A1.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 1 192 965 B1 im Umfang seiner An-
sprüche 1 bis 5 sowie 9 und 10 mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Pa-
tentansprüche folgende Fassung erhalten (Hilfsantrag 1):
1.
Endstückkappenanordnung (54) für den Zylin-
der (12) einer Injektionsspritze (10), wobei der Zy-
linder ein hiermit als Einheit geformtes distal vor-
stehendes Endstück (22) mit einem Fluiddurch-
gang (24) aufweist, der sich durch das Endstück er-
streckt, wobei die Endstückkappenanordnung (54)
- 5 -
aufweist:
eine Hülse (44) am Zylinder am Endstück oder die
sicher um das Endstück (22) in Eingriff kommen
kann;
eine innere Kappe (56), die abdichtend mit dem
Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
eine äußere Kappe (58), die sicher um die innere
Kappe (56) angeordnet wird oder werden kann und
lösbar mit der Hülse (44) in Eingriff gebracht wird;
wobei die Anordnung so konfiguriert ist, dass die
innere Kappe (56) abdichtend mit dem End-
stück (22) in Eingriff kommt, wenn die Hülse (44)
sicher um das Endstück (22) in Eingriff gebracht
wird, und wobei die innere Kappe (56) vom End-
stück (22) als Reaktion auf eine Trennung der äu-
ßeren Kappe (58) von der Hülse (44) getrennt wer-
den kann;
dadurch gekennzeichnet, dass
eine Einrichtung (86) zum Anzeigen eines unbe-
fugten Eingriffs vorhanden ist, die sich zwischen der
Hülse (44) und der äußeren Kappe (58) für das An-
zeigen der Trennung der äußeren Kappe (58) von
der Hülse (44) erstreckt.
Patentansprüche 2 bis 10 wie erteilt.
weiter hilfsweise, dass die Patentansprüche folgende Fassung er-
halten (Hilfsantrag 2):
1.
Endstückkappenanordnung (54) für den Zylin-
der (12) einer Injektionsspritze (10), wobei der Zy-
linder ein hiermit als Einheit geformtes distal vor-
- 6 -
stehendes Endstück (22) mit einem Fluiddurch-
gang (24) aufweist, der sich durch das Endstück er-
streckt, wobei die Endstückkappenanordnung (54)
aufweist:
eine Hülse (44) am Zylinder am Endstück oder die
sicher um das Endstück (22) in Eingriff kommen
kann;
eine innere Kappe (56), die abdichtend mit dem
Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
eine äußere Kappe (58), die sicher um die innere
Kappe (56) angeordnet wird oder werden kann und
lösbar mit der Hülse (44) in Eingriff gebracht wird;
wobei die Anordnung so konfiguriert ist, dass die
innere Kappe (56) abdichtend mit dem End-
stück (22) in Eingriff kommt, wenn die Hülse (44)
sicher um das Endstück (22) in Eingriff gebracht
wird, und wobei die innere Kappe (56) vom End-
stück (22) als Reaktion auf eine Trennung der äu-
ßeren Kappe (58) von der Hülse (44) getrennt wer-
den kann;
dadurch gekennzeichnet, dass
eine Einrichtung (86) zum Anzeigen eines unbe-
fugten Eingriffes vorhanden ist, die sich zwischen
der Hülse (44) und der äußeren Kappe (58) für das
Anzeigen der Trennung der äußeren Kappe (58)
von der Hülse (44) erstreckt und
wobei die innere und die äußere Kappe (56, 58)
eine Einrichtung (68, 78) für das Verhindern einer
relativen axialen Bewegung dazwischen umfasst
und
wobei die Hülse (44) Vorsprünge (50) zum Um-
- 7 -
greifen des Endstücks (22) und Halten der
Hülse (44) daran umfasst.
2.
Anordnung nach Anspruch 1, wobei die Vor-
sprünge (50) abgewinkelt oder abgeschrägt sind.
3.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die Hülse (44)
eine Nadelmontageeinrichtung für das lösbare Ein-
greifen einer Nadelanordnung umfasst.
4.
Anordnung
nach
Anspruch 3,
bei
der
die
Nadelmontageeinrichtung der Hülse (44) eine An-
ordnung von Gewindegängen (52) aufweist.
5.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere
Kappe (56) aus einem elastomeren Material gebil-
det wird, und bei der die äußere Kappe (58) aus ei-
nem steifen Kunststoffmaterial gebildet wird.
6.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere
Kappe (56) eine zylindrisch geformte Seitenwand,
die einen Hohlraum (66) definiert, um das Endstück
aufzunehmen, und eine Entlüftungsöffnung (69) in
der Seitenwand für das Verhindern des Erzeugens
eines Vakuums während des Entfernens der End-
stückkappenanordnung vom Endstück umfasst.
7.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere und
äußere Kappe (56, 58) eine Einrichtung (68, 78) für
das Begrenzen der relativen Rotationsbewegung
zwischen der inneren und der äußeren Kappe um-
fasst.
- 8 -
8.
Anordnung nach Anspruch 7, bei der die Einrich-
tung für das Begrenzen der relativen Rotationsbe-
wegung zwischenfingerförmige axial ausgerichtete
Antirotationsrippen an der inneren und bzw. äuße-
ren Kappe aufweist.
9.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der einer von
innerer und äußerer Kappe eine ringförmige
Rippe (80) umfasst, und bei der die andere von in-
nerer und äußerer Kappe eine Ringnut aufweist, die
mit der ringförmigen Rippe in Eingriff kommt, um
die relative axiale Bewegung zwischen der inneren
und äußeren Kappe (56, 58) zu verhindern.
10. Injektionsspritze (10), die einen Injektionsspritzen-
zylinder (12) mit einem distal vorstehenden End-
stück (22) mit einem sich dort hindurch erstrecken-
den Fluiddurchgang (24) und eine Endstückkap-
penanordnung (54) nach Anspruch 1 umfasst.
weiter hilfsweise, dass die Patentansprüche folgende Fassung er-
halten (Hilfsantrag 3):
1.
Endstückkappenanordnung (54) für den Zylin-
der (12) einer Injektionsspritze (10), wobei der Zy-
linder ein hiermit als Einheit geformtes distal vor-
stehendes Endstück (22) mit einem Fluiddurch-
gang (24) aufweist, der sich durch das Endstück er-
streckt, wobei die Endstückkappenanordnung (54)
aufweist:
eine Hülse (44) am Zylinder am Endstück oder die
sicher um das Endstück (22) in Eingriff kommen
- 9 -
kann;
eine innere Kappe (56), die abdichtend mit dem
Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
eine äußere Kappe (58), die sicher um die innere
Kappe (56) angeordnet wird oder werden kann und
lösbar mit der Hülse (44) in Eingriff gebracht wird;
wobei die Anordnung so konfiguriert ist, dass die
innere Kappe (56) abdichtend mit dem End-
stück (22) in Eingriff kommt, wenn die Hülse (44)
sicher um das Endstück (22) in Eingriff gebracht
wird, und wobei die innere Kappe (56) vom End-
stück (22) als Reaktion auf eine Trennung der äu-
ßeren Kappe (58) von der Hülse (44) getrennt ist;
dadurch gekennzeichnet, dass
eine Einrichtung (86) zum Anzeigen eines unbe-
fugten Eingriffes vorhanden ist, die sich zwischen
der Hülse (44) und äußeren Kappe (58) für das An-
zeigen der Trennung der äußeren Kappe (58) von
der Hülse (44) erstreckt und
wobei die innere und äußere Kappe (56, 58) eine
Einrichtung (68, 78) für das Verhindern einer relati-
ven axialen Bewegung dazwischen umfasst und
wobei die Hülse (44) Vorsprünge (50) zum Um-
greifen des Endstücks (22) und Halten der
Hülse (44) daran umfasst.
2.
Anordnung nach Anspruch 1, wobei die Vor-
sprünge (50) abgewinkelt oder abgeschrägt sind.
3.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die Hülse (44)
eine Nadelmontageeinrichtung für das lösbare Ein-
greifen einer Nadelanordnung umfasst.
- 10 -
4.
Anordnung
nach
Anspruch 3,
bei
der
die
Nadelmontageeinrichtung der Hülse (44) eine An-
ordnung von Gewindegängen (52) aufweist.
5.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere
Kappe (56) aus einem elastomeren Material gebil-
det wird, und bei der die äußere Kappe (58) aus ei-
nem steifen Kunststoffmaterial gebildet wird.
6.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere
Kappe (56) eine zylindrisch geformte Seitenwand,
die einen Hohlraum (66) definiert, um das Endstück
aufzunehmen, und eine Entlüftungsöffnung (69) in
der Seitenwand für das Verhindern des Erzeugens
eines Vakuums während des Entfernens der End-
stückkappenanordnung vom Endstück umfasst.
7.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere und
die äußere Kappe (56, 58) eine Einrichtung (68, 78)
für das Begrenzen der relativen Rotationsbewe-
gung zwischen der inneren und der äußeren Kappe
umfasst.
8.
Anordnung nach Anspruch 7, bei der die Einrich-
tung für das Begrenzen der relativen Rotationsbe-
wegung zwischenfingerförmige axial ausgerichtete
Antirotationsrippen an der inneren und bzw. äuße-
ren Kappe aufweist.
9.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der einer von
innerer und äußerer Kappe eine ringförmige
Rippe (80) umfasst, und bei der die andere von in-
- 11 -
nerer und äußerer Kappe eine Ringnut aufweist, die
mit der ringförmigen Rippe in Eingriff kommt, um
die relative axialen Bewegung zwischen der inneren
und äußeren Kappe (56, 58) zu verhindern.
10. Injektionsspritze (10), die einen Injektionsspritzen-
zylinder (12) mit einem distal vorstehenden End-
stück (22) mit einem sich dort hindurch erstrecken-
den Fluiddurchgang (24) und eine Endstückkap-
penanordnung (54) nach Anspruch 1 umfasst.
weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass die Patentansprüche fol-
gende Fassung erhalten (Hilfsantrag 4):
1.
Endstückkappenanordnung (54) für den Zylin-
der (12) einer Injektionsspritze (10), wobei der Zy-
linder ein hiermit als Einheit geformtes distal vor-
stehendes Endstück (22) mit einem Fluiddurch-
gang (24) aufweist, der sich durch das Endstück er-
streckt, wobei die Endstückkappenanordnung (54)
aufweist:
eine Hülse (44) am Zylinder am Endstück oder die
sicher um das Endstück (22) in Eingriff kommen
kann;
eine innere Kappe (56), die abdichtend mit dem
Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
eine äußere Kappe (58), die sicher um die innere
Kappe (56) angeordnet wird oder werden kann und
lösbar mit der Hülse (44) in Eingriff gebracht wird;
wobei die Anordnung so konfiguriert ist, dass die
innere Kappe (56) abdichtend mit dem End-
stück (22) in Eingriff kommt, wenn die Hülse (44)
- 12 -
sicher um das Endstück (22) in Eingriff gebracht
wird, und wobei die innere Kappe (56) vom End-
stück (22) als Reaktion auf eine Trennung der äu-
ßeren Kappe (58) von der Hülse (44) getrennt ist;
dadurch gekennzeichnet, dass
eine Einrichtung (86) zum Anzeigen eines unbe-
fugten Eingriffes vorhanden ist, die sich zwischen
der Hülse (44) und der äußeren Kappe (58) für das
Anzeigen der Trennung der äußeren Kappe (58)
von der Hülse (44) erstreckt und
wobei die Hülse (44) Vorsprünge (50) zum Um-
greifen des Endstücks (42) und Halten der
Hülse (44) daran umfasst rund
wobei eine von innerer und äußerer Kappe eine
ringförmige Rippe (80) umfasst und die andere von
innerer und äußerer Kappe eine Ringnut aufweist,
die mit der ringförmigen Rippe in Eingriff kommt,
um die relative axiale Bewegung zwischen der inne-
ren und äußeren Kappe (56, 58) zu verhindern.
2.
Anordnung nach Anspruch 1, wobei die Vorsprünge
abgewinkelt oder abgeschrägt sind.
3.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die Hülse (44)
eine Nadelmontageeinrichtung für das lösbare Ein-
greifen einer Nadelanordnung umfasst.
4.
Anordnung
nach
Anspruch 3,
bei
der
die
Nadelmontageeinrichtung der Hülse (44) eine An-
ordnung von Gewindegängen (52) aufweist.
- 13 -
5.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere
Kappe (56) aus einem elastomeren Material gebil-
det wird, und bei der die äußere Kappe (58) aus ei-
nem steifen Kunststoffmaterial gebildet wird.
6.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere
Kappe (56) eine zylindrisch geformte Seitenwand,
die einen Hohlraum (66) definiert, um das Endstück
aufzunehmen, und eine Entlüftungsöffnung (69) in
der Seitenwand für das Verhindern des Erzeugens
eines Vakuums während des Entfernens der End-
stückkappenanordnung vom Endstück umfasst.
7.
Anordnung nach Anspruch 1, bei der die innere und
die äußere Kappe (56, 58) eine Einrichtung (68, 78)
für das Begrenzen der relativen Rotationsbewe-
gung zwischen der inneren und der äußeren Kappe
umfasst.
8.
Anordnung nach Anspruch 7, bei der die Einrich-
tung für das Begrenzen der relativen Rotationsbe-
wegung zwischenfingerförmige axial ausgerichtete
Antirotationsrippen an der inneren und bzw. äuße-
ren Kappe aufweist.
9.
Injektionsspritze (10), die einen Injektionsspritzen-
zylinder (12) mit einem distal vorstehenden End-
stück (22) mit einem sich dort hindurch erstrecken-
den Fluiddurchgang (24) und eine Endstückkap-
penanordnung (54) nach Anspruch 1 umfasst.
- 14 -
Die Beklagte ist der Ansicht, der Gegenstand der Streitpatents sei patentfähig, ge-
gebenenfalls in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet. Sie führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents
mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, denn der Ge-
genstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sowohl in der erteilten Fassung wie
auch in den Fassungen nach den Hilfsanträgen ist nicht patentfähig (Art. II § 6
Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a, Art. 56 EPÜ).
II.
1.
Das Streitpatent betrifft eine Endstückkappenanordnung für den Zylinder einer
Injektionsspritze, mit dem das sichere Abdichten der Spritze gewährleistet werden
soll.
2.
Den Ausführungen in der Patentschrift (vgl. DE 695 34 359 T2 Abs. [0002 bis
0006]) ist zu entnehmen, dass mit Arzneimitteln vorgefüllte Spritzenzylinder abge-
dichtet werden müssen, um eine Kontamination und den Verlust des Arzneimittels
zu verhindern. Für manche Arzneimittel können (diffusionsbedingt) nur Glaszylin-
der verwendet werden. An diese ist ein Lüer-Bund (Hülse) nicht ohne weiteres in-
tegral anformbar; deshalb ist er als separates Bauteil an der Spitze zu befestigen.
Für andere Arzneien können Spritzenzylinder aus Kunststoff mit bereits integral
auf der Spritzenspitze angeformtem Lüer-Bund verwendet werden. Für beide Ma-
terialien soll mit dem Patent eine Lösung gefunden werden. Die (nicht explizit an-
gegebene) Aufgabe ist es somit, für Spritzenzylinder (aus beiden Materialien) auf
deren distal angeformter Spitze einen auch bei unbeabsichtigter Krafteinwirkung
- 15 -
sicher abdichtenden Verschluss (Baugruppe) vorzusehen, der bei Bedarf einfach
entfernbar ist (und an Stelle dessen eine Injektionsnadel anbringbar ist).
3.
Zur Lösung dieser Aufgabe weist die Endstückkappenanordnung gemäß dem
erteilten Patentanspruch 1 (mit einer Merkmalsgliederung versehen) folgende
Merkmale auf:
M1
Injektionsspritze (10),
M2
einem Fluiddurchgang (24) aufweist, der sich durch das End-
stück erstreckt,
wobei die Endstückkappenanordnung (54) aufweist:
M3
das Endstück (22) in Eingriff kommen kann;
M4
in Eingriff kommen kann;
M5
angeordnet wird oder werden kann und lösbar mit der
Hülse (44) in Eingriff gebracht wird;
M6
Kappe (56) abdichtend mit dem Endstück (22) in Eingriff
kommt, wenn die Hülse (44) sicher um das Endstück (22) in
Eingriff gebracht wird, und wobei die innere Kappe (56) vom
Endstück (22) als Reaktion auf eine Trennung der äußeren
Kappe (58) von der Hülse (44) getrennt werden kann;
dadurch gekennzeichnet, dass
M7
fes vorhanden ist, die sich zwischen der Hülse (44) und der
- 16 -
äußeren Kappe (58) für das Anzeigen der Trennung der äuße-
ren Kappe (58) von der Hülse (44) erstreckt.
M2
präzisiert (Änderung fett hervorgehoben) in
M2*
vorstehendes Endstück (22) mit einem Fluiddurchgang (24)
aufweist, der sich durch das Endstück erstreckt,
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 weist zusätzlich zum Patentanspruch 1
gemäß Hilfsantrag 1 die weiteren Merkmale auf:
M8
tung (68, 78) für das Verhindern einer relativen axialen Bewe-
gung dazwischen umfasst und
M9
Endstücks (22) und Halten der Hülse (44) daran umfasst.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 ge-
M6
M6*
Kappe (56) abdichtend mit dem Endstück (22) in Eingriff
kommt, wenn die Hülse (44) sicher um das Endstück (22) in
Eingriff gebracht wird, und wobei die innere Kappe (56) vom
Endstück (22) als Reaktion auf eine Trennung der äußeren
ist
M1
M7
- 17 -
M10
Rippe (80) umfasst und
M11
weist, die mit der ringförmigen Rippe in Eingriff kommt, um
die relative axiale Bewegung zwischen der inneren und äu-
ßeren Kappe (56, 58) zu verhindern.
4.
Der erteilte Patentanspruch 1 sowie der Patentanspruch 1 gemäß den Hilfsan-
trägen 1 bis 4 ist jeweils durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt und erwei-
tert den Schutzbereich nicht.
5.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist der Senat davon über-
zeugt, dass die zweifelsohne gewerblich anwendbare Endstückkappenanordnung
nach dem verteidigten, erteilten Patentanspruch 1 gegenüber dem im Verfahren
befindlichen Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der erteilte Patentanspruch 1 enthält, ebenso wie der Patentanspruch 1 gemäß
M1
linder einer Injektionsspritze".
Der Schutzbereich eines Erzeugnispatents wird durch die Aufnahme eines ent-
sprechenden Merkmals im Regelfall nicht eingeschränkt. Diese Angabe ist eine
dem besseren Verständnis dienende Erläuterung, die lediglich die Bedeutung ei-
ner mittelbaren Umschreibung seiner räumlich-körperlichen Ausgestaltung hat
(vgl. hierzu BGH GRUR 1979, 149, Ls - "Schießbolzen", BGH GRUR 1991, 436,
Ls3 - Befestigungsvorrichtung II"). Im Umkehrschluss kann aus einem solchen
Merkmal kein patentbegründender Unterschied gegenüber dem Stand der Technik
hergeleitet werden. Ein solches Merkmal ist mit anderen Worten bei der Beurtei-
lung der Frage der erfinderischen Tätigkeit als unbeachtlich einzustufen.
M2
M2*
- 18 -
mit einem distal vorstehenden Endstück gerichtet; es trägt damit zur Gestaltung
der Endstückkappenanordnung ebenso wenig bei und ist daher bei der Bewertung
der Endstückkappenanordnung gegenüber den im Verfahren befindlichen Druck-
schriften ebenfalls unbeachtlich. Im übrigen sind Zylinder auch mit als Einheit da-
mit geformtem distal vorstehenden Endstück bei Injektionsspritzen durchaus gän-
D1
D4
und 5, ), die zum Verschließen des distalen En-
des eines Schlauchs (vgl. Figur 3, ) vorgesehen ist, dessen proxi-
males Ende an ein eine medizinische Flüssigkeit beinhaltendes Reservoir ange-
schlossen ist (vgl. die Beschreibung zur Figur 3, Spalte 3, ab Zeile 6
). Wie aus den Figuren 4 und 5 für die End-
stückkappen-anordnung () in vergrößerter Darstellung ersichtlich
ist, weist diese auf:
- Eine Hülse am Endstück des Schlauchs (), die sicher mit die-
M3
- eine innere Kappe (), die abdichtend mit dem Endstück
M4
- eine äußere Kappe (), die sicher um die innere Kappe angeordnet
werden kann und lösbar mit der Hülse in Eingriff gebracht wird (Sp. 4, Z. 4 ff.
M5
- wobei beim Einschrauben der äußeren Kappe deren Rippen () in das
Innengewinde () der Hülse () eingreifen; dabei
kommt die innere Kappe 36, deren dem Endstück 20 abgewandte Seite mit einer
Schulter (Fig. 2, ) gegen eine axiale Verschiebung im Hohlraum der
äußeren Kappe 34 gesichert ist, abdichtend mit dem Endstück 20 in Eingriff (siehe
Fig. 2) und wobei als Reaktion auf eine Trennung der äußeren Kappe 34 von der
Hülse 22 (Ausschrauben) die innere, elastische Kappe 36 vom Endstück getrennt
- 19 -
D4
M6
Den unbefugten Zugriff auf oder den unbefugten Eingriff in eine Anordnung anzu-
zeigen, ist eine bei Gerätschaften des täglichen Gebrauchs und insbesondere bei
medizinische Substanzen enthaltenden Behältnissen übliche Maßnahme und des-
halb hinlänglich bekannt. So ist bspw. bei dem Flakon für eine medizinische Flüs-
D8
unterworfen werden kann, eine den unversehrten Verschluss anzeigende Ver-
schlussvorrichtung vorgesehen. Diese besteht aus einem aus zwei durch eine
Reißzone miteinander verbundenen Teilen 23, 25 bestehenden Plombierring 21
(vgl. Anspruch 1 und Figur 2 mit der Reißverbindung 27). Beim Drehen der
Kappe 9 aus dem Flaschenhals 11 zum Öffnen des Flakons (siehe Gewinde in Fi-
gur 2) wird die Reißverbindung aufgetrennt, da der eine obere Teil 23 des Plom-
bierrings 21 durch eine Innenschulter 29 der Kappe 9 gehalten und mit dieser be-
wegt wird, wobei der untere Teil 25 am Flakonkörper herabfällt (vgl. Seite 9, letzter
Absatz und Seite 10). Damit ist bei dem Flakon eine Einrichtung zum Anzeigen ei-
nes unbefugten Eingriffs vorgesehen, die eine Trennung der Kappe 9 vom Fla-
schenhals 11 anzeigt. Für den Fachmann, einem mit der Entwicklung von Infusi-
ons/Injektionsspritzen befassten Konstruktionsingenieur mit einschlägiger Berufs-
erfahrung auf diesem Gebiet, der medizinische Belange betreffend im ständigen
Erfahrungsaustausch mit Medizinern steht, bedarf es keines erfinderischen Zu-
D8
D4
unbefugten Zugriffs zwischen den beim Eingriff zu trennenden Teilen, in diesem
Fall zwischen der Hülse und der äußeren Kappe, anzuordnen, wie es gemäß dem
M7
6. Auch die im Patentanspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4 aufgeführten
Änderungen sowie die beanspruchten weiteren Merkmale, in denen sich diese
Ansprüche vom erteilten Patentanspruch 1 unterscheiden, können eine erfinderi-
sche Tätigkeit nicht begründen.
- 20 -
6.1 Das distal am Zylinder vorstehende Endstück 22 mit dem Zylinder als Einheit
[M2*
wiederum eine lediglich den Zylinder der Injektionsspritze gestaltende Maßnahme
dar, die die Endstückkappenanordnung als solche, ebenso wie schon das Merk-
M2
genüber dem erteilten Patentanspruch 1 präzisierte Merkmal ist deshalb bei der
Bewertung der Endstückkappenanordnung gegenüber dem Stand der Technik un-
erheblich.
6.2 Auch die weitere Maßnahme, zwei Bauteile an einer relativen axialen Bewe-
D8
der Innenseite der Stirnwandung der Kappe 9 normalerweise durch Saugwirkung
in ihrer Lage gehaltene Dichtung 13 - als innere Kappe - wird ferner in axialer
Richtung auch durch eine Ringwulst 15 gehalten, wodurch beim Abschrauben der
Kappe 9 die Dichtung 13 zusammen mit der Kappe 9 angehoben und mit dieser
verbunden bleibt (vgl. die Beschreibung zur Figur 2, Seite 8, letzter Absatz und
Seite 9, 1. Abs.). Somit ist auch hier eine Einrichtung für das Verhindern einer re-
lativen axialen Bewegung zwischen zwei Bauteilen vorgesehen. Bei der Übertra-
D8
Endstückkappenanordnung müssen hier folgerichtig die innere und äußere
Kappe (36, 34) die Einrichtung für das Verhindern einer relativen axialen Bewe-
M8
M9
D4
kannt. Die Hülse () weist, wie aus den Figuren 4 und 5 ersichtlich, in
ihrem proximalen Bereich hinter der kegelförmigen Erweiterung des Endstücks
() Vorsprünge auf, die die Hülse am Endstück halten und diese um-
greifen.
M6*
den Ansprüchen der vorangehenden Anträge lediglich dem Zustand Rechnung
getragen, bei dem die innere Kappe 56 vom Endstück 22 als Reaktion auf eine
- 21 -
ist
scheidet sich die Endstückkappenanordnung nach Hilfsantrag 3 in dem Merkmal
M6*
Hilfsanträgen. Es trifft somit die oben dar gelegte Bewertung auch für diesen Pa-
tentanspruch zu.
6.4 Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 wird schließlich in den Merkmalen
M10
spruchte Einrichtung zum Verhindern einer relativen axialen Bewegung zwischen
innerer und äußerer Kappe weiter präzisiert, indem eine der Kappen eine ringför-
mige Rippe und die andere Kappe eine Ringnut aufweist, die mit der Rippe in Ein-
griff kommt. Auch eine solche konkrete Gestaltung zum Verhindern einer Axialbe-
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Dichtung 13 wird, wie bereits oben zum Hilfsantrag 2 dargelegt, beim Abschrau-
ben durch die Ringwulst 15 an der Kappe 9 gehalten. Die Dichtung 13 als innere
Kappe ist dazu, wie aus Figur 2 ersichtlich, mit einer Rippe (linke Seite der Dich-
tung in der Figur) versehen, die mit einer zwischen der Ringwulst 15 und der In-
nenseite der Stirnwandung der Kappe 9 ausgeformten Ringnut in Eingriff kommt.
Für das Übertragen dieser konstruktiven Maßnahme auf die Kappenanordnung
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7.
Die angegriffenen Unteransprüche 2 bis 5 und 9 teilen ebenso wie der auf
eine eine Endstückkappenanordnung nach Anspruch 1 umfassende Injektions-
spritze gerichtete Anspruch 10 das Schicksal des Anspruchs 1, weil sie nicht mehr
als handwerkliche Ausgestaltungen der Lehre zum technischen Handeln darstel-
len.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 ZPO.
Voit
Friehe
Dr. Morawek
Bernhart
Veit
Pr