Urteil des BPatG vom 08.08.2008

BPatG (stand der technik, patentfähige erfindung, patent, gegenstand, patentanspruch, stelle, beschwerde, druckschrift, bildung, fachmann)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
7 W (pat) 43/06
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 198 31 805.7-12
hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
13. Januar 2010 durch den Richter Dipl.-Ing. Frühauf als Vorsitzenden sowie die
Richter Schwarz, Dipl.-Ing. Hilber und Dipl.-Ing. Schlenk
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Zurückweisungsbe-
schluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 J des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 19. September 2006 aufgehoben und
das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
-
Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung Seiten 1 bis 6,
und Zeichnungen (Figuren 1 und 2) jeweils vom
8. August 2008
(Anlage
zum
Schriftsatz
vom
8. August 2008, Blatt 31 bis 39 GA),
-
Zeichnungen (Figuren 3 und 4) vom Anmeldetag,
wobei im Patentanspruch 1, Zeile 4 die Worte "großen
Durchmesser (D4)" in" großen Durchmessers (D4)" und
auf Seite 1 der Beschreibung die Bezeichnung "Wellen-
dichtring und Verfahren zu seiner Herstellung" in "Wel-
lendichtring" geändert werden.
G r ü n d e
I.
Die am 15. Juli 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Pa-
tentanmeldung 198 31 805.7 wurde nach Prüfung der Anmeldung durch Be-
schluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 J des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 19. September 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, dass ihr Ge-
genstand nicht neu sei.
- 3 -
Zum Stand der Technik nennt die Prüfungsstelle die Patentdokumente (Kurzbe-
zeichnungen D1 bis D6)
DE 38 38 760 A1
(D1)
DE 36 12 420 A1
(D2)
DE-GM 18 27 236
(D3)
US 47 84 395
(D4)
US 40 52 077
(D5)
Machine Design, 9.1.92, S. 87
(D6).
In den Anmeldungsunterlagen wird darüber hinaus auf die Druckschrift
DE 29 34 487 C2
(D7)
hingewiesen.
Der Zurückweisungsbeschluss, dem die ursprünglich eingereichten Patentansprü-
che zugrunde liegen, ist auf das Dokument D1 gestützt.
Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle richtet sich die Beschwerde der Patent-
anmelderin. Sie legt zuletzt mit Schriftsatz vom 8. August 2008 neue Unterlagen
(Ansprüche 1 bis 5, Beschreibung, Seiten 1 bis 6, 1 Blatt Zeichnungen mit Figu-
ren 1 und 2) vor und bittet, diese dem nachgesuchten Patent zugrunde zu legen.
Sie stellt sinngemäß den Antrag,
den
Zurückweisungsbeschluss
der
Prüfungsstelle
vom
19. September 2006 aufzuheben und das Patent auf der Grund-
lage der Patentansprüche 1 bis 5, der Beschreibung Seiten 1 bis
6, Zeichnungen mit Figuren 1 und 2 laut Schriftsatz vom
8. August 2008 sowie den Zeichnungen mit Figuren 3 und 4 laut
- 4 -
Anmeldeunterlagen zu erteilen, wobei im Patentanspruch 1, Zeile
4 "großen Durchmesser (D4)" in "großen Durchmessers (D4)" und
die Bezeichnung auf Seite 1 der Beschreibung in "Wellendichtring"
zu ändern seien.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Wellendichtring umfassend einen aus Metallblech geformten Ver-
steifungsring (1) mit einem Radialflansch (2), an den eine Dichtlip-
pe (7) anvulkanisiert ist, und einem Axialflansch (3, 4), der einen
Teilbereich (3) mittleren Durchmessers und einen Endbereich (4)
großen Durchmessers (D4) zur Bildung eines metallischen Haft-
sitzes in einer Aufnahmebohrung (12) für den Wellendichtring in
einem Gehäuse, einer Nabe (11) oder dgl. aufweist, wobei die
Außenseiten des Teilbereiches (3) und des Radialflansches (5) mit
einer Gummierung (9) versehen sind, deren größter Außendurch-
messer (D9) größer als der große Durchmesser (D4) des Endbe-
reiches (4) des Axialflansches (3, 4) ist, wobei dieser große Durch-
messer (D4) ein zur Bildung des metallischen Haftsitzes erforder-
liches Übermaß (2a) gegenüber dem Durchmesser (D12) der Auf-
nahmebohrung (12) des Gehäuses, der Nabe (11) oder dergl.
aufweist, wobei der Axialflansch (3, 4) derart ausgebildet ist, dass
in seinem verformten Bereich (3, 4, 5, 6) die Zugfasern stets radial
außen und die Druckfasern stets radial innen liegen, und wobei
die Gummierung (9) an einer Stelle des Teilbereiches (3) mit klei-
nerem Außendurchmesser (D20) als der große Durchmesser (D4)
ansetzt, so dass eine Vertiefung (22) gebildet ist, in welche beim
Einpressen des Wellendichtrings in ein Gehäuse oder eine Nabe
(11) Gummi der Gummierung (9) verdrängbar ist.
- 5 -
Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 5, die Weiterbildungen des Gegenstan-
des nach Patentanspruch 1 betreffen, wird auf die Anlagen zum Schriftsatz vom
8. August 2008 verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Anmeldungsgegenstand in der Fassung
der geltenden Patentansprüche stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5
PatG dar.
Die geltenden Patentansprüche 1 bis 5 sind zulässig. Ihre Merkmale sind ur-
sprünglich offenbart.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der im Prüfungsverfahren
berücksichtigten Druckschriften zeigt und beschreibt einen Wellendichtring mit
sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1.
Aus der Druckschrift DE 38 38 760 A1 (D1, Fig. 2) ist ein Wellendichtring bekannt,
umfassend einen aus Metallblech geformten Versteifungsring (Stützteil 2) mit
einem Radialflansch (analog zu Fig. 1, Boden 2a), an den eine Dichtlippe (4´) an-
vulkanisiert ist, und mit einem Axialflansch, der einen Teilbereich mittleren Durch-
messers und einen Endbereich großen Durchmessers zur Bildung eines metalli-
schen Haftsitzes in einer Aufnahmebohrung für den Wellendichtring in einem Ge-
häuse, einer Nabe oder dgl. aufweist. Der Teilbereich zwischen Axial- und Radial-
flansch ist zu einem Konus geformt, so dass die Zugfasern des Versteifungsringes
2 in Übereinstimmung mit dem Anmeldungsgegenstand stets außen liegen.
Im Unterschied zum Anmeldungsgegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist
beim Gegenstand der D1 die Gummierung jedoch an einer Stelle an den Axial-
flansch angeschlossen, wo dieser seinen größten Durchmesser aufweist, während
- 6 -
beim Anmeldungsgegenstand die Gummierung an einer Stelle des Teilbereiches
mit kleinerem Außendurchmesser als der große Durchmesser ansetzt, so dass
eine Vertiefung gebildet ist, in welche beim Einpressen des Wellendichtrings in ein
Gehäuse oder eine Nabe Gummi der Gummierung verdrängbar ist.
Bis auf die konusartige Ausbildung des Teilbereiches zwischen Radial- und Axial-
flansch gilt Gleiches auch für den Wellendichtring der DE 29 34 487 C2 (D7), bei
dem zusätzlich im Unterschied zum Anmeldungsgegenstand der betreffende Teil-
bereich des Versteifungsringes so ausgebildet ist, dass seine Zugfaser abwech-
selnd außen und innen liegend ist.
Wie der Text der geltenden Beschreibung, S. 3 zutreffend darlegt, ist aus dem
Zeitschriftenartikel Machine Design, 9. Januar 1992, S. 87 (D6) ein Wellendicht-
ring mit einem metallenen Versteifungsring bekannt, der zwar einen Radialflansch,
aber im Unterschied zum Anmeldungsgegenstand einen zweifach gekröpften Axi-
alflansch aufweist (vergl. in D6 Abbildung unten rechts). Damit ergibt sich beim
Wellendichtring der D6 eine radial innere Kröpfung mit radial außen liegender
Druckfaser und radial innen liegender Zugfaser und eine radial äußere Kröpfung
mit zur inneren Kröpfung umgekehrter Faserlage. Weiterhin unterscheidet sich der
Wellendichtring der D6 vom Anmeldungsgegenstand dadurch, dass die Gummie-
rung auf den Bereich kleinen Durchmessers des Axialflansches aufgebracht ist
und deren größter Durchmesser kleiner als der größte Außendurchmesser des
Axialflansches ist. Über die Gestaltung der Gehäusebohrung, in die dieser Wellen-
dichtung einzusetzen wäre, ist der D6 nichts zu entnehmen.
Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 7 -
Als hier zuständiger Fachmann ist ein Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus
anzusehen, der langjährige Erfahrungen in der Konstruktion von Wellendichtringen
besitzt.
Die vorgenannten Druckschriften geben dem Fachmann weder einzeln noch in
Zusammenschau einen Hinweis in Richtung auf den Gegenstand des geltenden
Patentanspruchs 1. Die Druckschriften D1 und D7 zeigen jeweils einen Wellen-
dichtring, der zu den im Beschreibungstext, S. 2 und S. 3, Abs. 1 der geltenden
Unterlagen beschriebenen Problemen mit der beim Einpressen des Wellendicht-
rings in ein Gehäuse wegen der wechselseitigen Lage von Druck- und Zugfaser zu
Welligkeiten neigendem Axialflansch führen kann. Wie vorstehend im Hinblick zur
Neuheit bereits zum Gegenstand der D6 ausgeführt, lehrt auch diese Druckschrift,
den Axialflansch des Versteifungsrings mit abwechselnder Lage von Druck- und
Zugfasern auszubilden. Damit ergeben sich auch keine Hinweise darauf, den Axi-
alflansch derart auszubilden, dass in seinem verformten Übergangsbereich zum
Radialflansch die Zugfasern stets radial außen und die Druckfasern stets radial
innen liegen.
Es ergeben sich aus den vorgenannten Druckschriften auch keinerlei Anregungen
dahin gehend, die Gummierung am Axialflansch an einer Stelle seines Teilberei-
ches mit kleinerem Außendurchmesser als der große Durchmesser anzusetzen,
so dass eine Vertiefung gebildet ist, in welche beim Einpressen des Wellendicht-
rings in ein Gehäuse oder eine Nabe Gummi der Gummierung verdrängbar ist. Bei
den Gegenständen der D1 und D7 setzt die Gummierung ohne jede Vertiefung am
Versteifungsring und mit mindestens dem gleichen Außendurchmesser wie der
Außendurchmesser, also an der Stelle des größten Außendurchmessers des Ver-
steifungsrings an. Da die Bohrungsgestaltung beim Gegenstand der D6 völlig un-
klar ist, ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte darauf, dass beim Einpressen
dieses Wellendichtrings in ein Gehäuse oder in eine Nabe Gummi der Gummie-
rung verdrängt wird. Darüber hinaus ist bei diesem bekannten Wellendichtring die
Gummierung auf dem Außenumfang der radial innen liegenden Kröpfung aufge-
- 8 -
bracht und überragt dabei nicht den Außendurchmesser des äußeren Kröpfungs-
abschnittes des Wellendichtrings.
Deshalb sind auch aus diesen Druckschriften keinerlei Hinweise auf Lösungen zu
erwarten, die die dem Anmeldungsgegenstand zugrunde gelegte Aufgabe durch
eine Kombination der im Patentanspruch 1 genannten Merkmale lösen.
Die Lehre des geltenden Anspruchs 1 ist deshalb dem Fachmann durch den ent-
gegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt.
Die übrigen im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt be-
rücksichtigten Druckschriften liegen weiter ab vom Anmeldungsgegenstand als die
vorstehend gewürdigten Entgegenhaltungen.
Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.
Die Patentansprüche 2 bis 5 sind auf weitere Ausgestaltungen des Wellendicht-
rings nach Patentanspruch 1 gerichtet. Ihre Gegenstände sind daher ebenfalls
gewährbar.
Frühauf
Schwarz
Hilber
Schlenk
Hu