Urteil des BGH vom 12.06.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 50/12
Verkündet am:
12. Juni 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO §§ 592, 597 Abs. 2; BGB § 363
Behält sich der Mieter bei der Annahme der Mietsache seine Rechte wegen
eines Mangels vor, ist eine spätere Klage auf Zahlung von rückständiger Miete
im Urkundenprozess nur dann statthaft, wenn unstreitig ist oder der Vermieter
urkundlich beweisen kann, dass der Mieter trotz des erklärten Vorbehalts die
Mietsache als Erfüllung angenommen hat.
BGH, Urteil vom 12. Juni 2013 - XII ZR 50/12 - OLG Köln
LG Köln
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Köln vom 30. März 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließ-
lich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht im Urkundenprozess Ansprüche wegen restlicher
Miete aus einem gewerblichen Mietverhältnis sowie Nutzungsentschädigung für
die Zeit von August 2010 bis Juni 2011 geltend.
Die Streithelferin der Beklagten, eine Gesellschaft mit beschränkter Haf-
tung, deren Anteile u. a. zu 79,02 % von der Stadt K. und zu 20 % vom Land
N. gehalten werden, verkaufte am 18. Dezember 2003 an die
Klägerin, eine private Investmentgesellschaft, unbebauten Grundbesitz zu ei-
nem Kaufpreis von rund 67.400.000
€. Die Streithelferin beabsichtigte die Be-
bauung des Grundbesitzes u.a. mit vier Messehallen mit ca. 76.000 qm Brutto-
grundfläche.
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Am 6. August 2004 schloss die Klägerin als Vermieterin mit der Beklag-
ten als Mieterin einen auf 30 Jahre befristeten Mietvertrag über die Anmietung
des Grundstücks mit den vier noch zu errichtenden Messehallen zu einer mo-
natlichen Miete von 1.725.000,00
€ zuzüglich Umsatzsteuer in jeweils gesetzli-
cher Höhe und Mietnebenkosten.
Mit Untermietvertrag vom 11. August 2004 vermietete die Beklagte die
von der Klägerin zu errichtenden 4 Messehallen nebst Nebengebäuden an die
Streithelferin.
Die Klägerin beauftragte die E. GmbH mit der Durchführung des Bauvor-
habens, die ihrerseits die H. AG mit Generalunternehmervertrag vom 6. August
2004 mit den erforderlichen Planungs- und Bauleistungen beauftragte
.
Am 30. November 2005 erfolgte die Übernahme des Mietobjektes durch
die Beklagte und die Streithelferin, wobei das Mietobjekt Mängel aufwies. In
einem von der E. GmbH eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren gegen
die H. AG stellte der Sachverständige einen Mangel an der Kälteanlage und
Defizite der Regelung der Verbraucherkreise der Kälteanlage fest. Die erforder-
lichen Sanierungskosten gab der Sachverständige mit 318.500,00
€ netto an.
Am 13. Dezember 2007 schloss die E. GmbH eine "Vergleichsvereinba-
rung" mit der Streithelferin. Darin waren Regelungen zu den festgestellten bzw.
gerügten Übernahme- und Gewährleistungsmängeln und den von der Beklag-
ten insoweit geltend gemachten Mietminderungsrechten sowie sonstigen Ge-
währleistungs-, Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüchen enthalten.
Am selben Tag schlossen die Klägerin und die Beklagte einen 5. Nachtrag zum
Mietvertrag ab. Dieser enthielt - im Hinblick auf die vorgenannte Vergleichsver-
einbarung - ebenfalls Regelungen zu den geltend gemachten Sachmängeln.
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Mit Urteil vom 29. Oktober 2009 stellte der Gerichtshof der Europäischen
Union fest, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen
aus Art. 7 Abs. 4 und Art. 11 der Richtlinie 93/37 EWG des Rates vom 14. Juni
1993 (ABl. L 199 vom 9. August 1993 S. 54
–83) zur Koordinierung der Verfah-
ren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge verstoßen habe, indem die Beklagte
den Mietvertrag vom 6. August 2004 mit der Klägerin abgeschlossen habe, oh-
ne ein Vergabeverfahren nach den genannten Bestimmungen durchzuführen
(Rechtssache C-536/07 - Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./.
Bundesrepublik Deutschland - EuZW 2010, 58 ff.).
Im Hinblick auf diese Entscheidung erklärte die Beklagte mit Schreiben
vom 14. Juli 2010 gegenüber der Klägerin die Beendigung, hilfsweise die Kün-
digung des Mietvertrages mit sofortiger Wirkung und kündigte an, die Mietzah-
lungen zum 31. Juli 2010 einzustellen. Ab dem 1. August 2010 leistete die Be-
klagte keine Mietzahlungen mehr an die Klägerin. Mit Schreiben vom 7. Oktober
2010 kündigte die Klägerin ihrerseits das Mietverhältnis gegenüber der Beklag-
ten fristlos wegen Verzugs mit Mietzahlungen von August bis Oktober 2010.
In einem im Mai 2007 eingeleiteten Vorprüfungsverfahren zu einer mögli-
chen Zuwiderhandlung auch gegen die Beihilfevorschriften der Artikel 87 und
88 EG-Vertrag (jetzt Art. 107, 108 AEUV) forderte die Europäische Kommission
am 1. September 2010 die Bundesregierung unter anderem auf, ein von einem
unabhängigen Sachverständigen erstelltes Gutachten vorzulegen, das die Höhe
der Miete unter Berücksichtigung üblicher Marktbedingungen und vergleichba-
rer Gewerbeimmobilien in ähnlicher Lage feststelle.
Ein von der Beklagten in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu dem Er-
gebnis, dass die angemessene Jahresmiete der Liegenschaft zum 1. Dezember
2005 14.750.000,00
€ bzw. 17.820.000,00 € unter Berücksichtigung des von
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der Klägerin tatsächlich bezahlten Grundstückskaufpreises betrage. Die Kläge-
rin holte ihrerseits ein Wertgutachten zur Ermittlung der marktgerechten Miete
ein, in dem die Vertragsmiete als marktgerecht bezeichnet wurde.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin unter Berücksichtigung erbrachter
Teilzahlungen restliche Miete bzw. Nutzungsentschädigung für die Monate Au-
gust 2010 bis Juni 2011.
Das Landgericht hat die im Urkundenprozess erhobene Klage gemäß
§ 597 Abs. 2 ZPO als unstatthaft abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte
keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt
die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat seine in ZMR 2012, 701 veröffentlichte Ent-
scheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs im Urkundenprozess
setze gemäß § 592 S. 1 ZPO voraus, dass sämtliche zur Begründung des An-
spruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können.
Die Klägerin habe es weder in erster noch in zweiter Instanz vermocht, den gel-
tend gemachten Zahlungsanspruch auf Miete (§ 535 Abs. 2 BGB) bzw. Nut-
zungsentschädigung (§ 546 a Abs. 1 BGB) urkundlich zu belegen.
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Die fehlende Statthaftigkeit ergebe sich zum einen aus dem fehlenden
urkundlichen Nachweis der ordnungsgemäßen Übergabe der Mietsache als
vertragsgemäße Erfüllung. Entscheidend sei hierbei die Frage, ob die Beklagte
das Mietobjekt zu irgendeinem Zeitpunkt gemäß § 363 BGB "als Erfüllung an-
genommen" habe, ohne die später behaupteten Mängel zu rügen.
Lege man bei der Bewertung die Vorgänge aus November 2005 und De-
zember 2007 zugrunde, sei eine Annahme als Erfüllung i.S.d. § 363 BGB zu
keinem Zeitpunkt erfolgt. Insbesondere belegten die von den Parteien vorgeleg-
ten Urkunden keine solche Annahme als Erfüllung. So seien zunächst im Über-
nahmeprotokoll vom 30. November 2005 unter Ziffer 2. a) und b) Mängel und
Restarbeiten geltend gemacht und entsprechende Vorbehalte angemeldet wor-
den, unter anderem auch bezogen auf die Funktionsfähigkeit (Ziffer 2. a) und
die Feinregulierung (Ziffer 2. b) der Heizungs- und Kälteanlagen. Entgegen der
Auffassung der Klägerin handele es sich bei diesen Erklärungen auch nicht um
einen bloßen allgemeinen Vorbehalt ohne ausdrückliche Rüge bestimmter
Mängel. Allein der Obersatz zu Ziffer 2. ("
… macht der Mieter folgende … Män-
gel geltend
…") mache deutlich, dass dieser Passus nicht nur spätere Funk-
tionsprüfungen ermöglichen solle. Die in dem Übernahmeprotokoll wiederholt
und teilweise doppelt von den Parteien erklärten Vorbehalte zu konkreten Män-
geln, unter anderem zur Heizungs- und Kälteanlage, könnten bei verständiger
Würdigung nur dem Zweck dienen, jedenfalls hinsichtlich der im Vorbehalt nä-
her beschriebenen Teilleistungen keine Annahme als Erfüllung gemäß § 363
BGB (mit entsprechender Beweislastumkehr) eintreten zu lassen. Ansonsten
liefe die mehrfache Anmeldung von ausdrücklichen Vorbehalten, auf welche die
Mieterin offenkundig großen Wert lege, rechtlich ins Leere. Zumindest müssten
die betreffenden Abreden im Übernahmeprotokoll als Vorbehalt zur Ermittlung
etwaiger Mängel der Kälteanlage verstanden werden. Als weiteren Mangel des
Mietobjekts hätten die Parteien die fehlende Sichtbarkeit der Türen in der Ge-
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bäudeautomation (Ziffer 2. e) benannt. Auch insoweit hätten die Parteien
- jedenfalls zum Zeitpunkt der Übergabe des Mietobjekts - eine Erfüllungswir-
kung i.S.d. § 363 BGB ausgeschlossen.
Aus dem 5. Nachtrag zum Mietvertrag vom 13. Dezember 2007 und der
Vergleichsvereinbarung vom selben Tage folge bezüglich des bestehenden
Vorbehalts zur Funktionsfähigkeit der Heizungs- und Kälteanlagen nichts ande-
res. Zwar werde dort eine verbindliche Neu
regelung zu allen „etwaigen Rechten
und Ansprüchen der Mieterin mit allen bis zum 30.11.2007 geltend gemachten
Sachmängeln“ getroffen. Die konkret in Bezug genommene Regelung in § 3 der
Vergleichsvereinbarung erfasse aber gerade nicht die Mängel der Kälteanlage.
Die Hinnahme des tatsächlichen Zustandes des Mietobjekts als vertragsgerecht
beziehe sich mithin auch nicht auf die gesondert geregelten Mängel der Kälte-
anlagen.
Der Verweigerung der Annahme des Mietobjekts als vertragsgerecht
könne auch nicht der Einwand treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen
gehalten werden. Die Höhe der Mängelbeseitigungskosten stehe derzeit noch
nicht abschließend fest. Jedenfalls sei allein die Qualität und Bedeutung des
Mangels, der in der fehlerhaften Regelung der insgesamt 61 Verbraucherkreise
begründet liege und der u.a. durch eine Änderung der Algorithmen der Kälte-
maschinenregelung behoben werden müsse, für den Alltagsbetrieb des Mietob-
jekts nicht derart unbeachtlich, dass sich die Berufung auf den Fortbestand des
Mangels und den betreffenden Vorbehalt als rechtsmissbräuchlich erweise.
Dieser Bewertung stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte über 43
Monate hinweg (Januar 2007 bis Juli 2010) die Miete ungemindert gezahlt und
ein Zurückbehaltungsrecht erst im Laufe dieses Urkundenprozesses geltend
gemacht habe. Zwar könne grundsätzlich die Zahlung des vollen Mietzinses
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indizieren, dass der Mieter die Leistung als Erfüllung angenommen habe. Aller-
dings gelte dies nicht, wenn der Mieter - wie hier - konkrete Mängel gerügt und
diese ausdrücklich zum Gegenstand spezifischer Vorbehalte gemacht habe.
Zu Recht sei das Landgericht ferner im Hinblick auf die Bedeutung des
Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivi-
tätsgrundsatz ("effet utile") davon ausgegangen, dass für den von der Klägerin
geltend gemachten Zahlungsanspruch der Urkundenprozess nicht statthaft sei.
Nach der auch den einzelstaatlichen Gerichten obliegenden besonderen Pflicht
zur Vermeidung von Maßnahmen, die zu einer Beihilfengewährung gemäß
Art. 107 Abs. 1 AEUV führen, bestehe in einem Urkundenverfahren angesichts
der dort nur sehr eingeschränkt zulässigen Beweismittel keine ausreichende
Aufklärungsmöglichkeit über die Frage, ob die für die Errichtung und Überlas-
sung der Hallen erbrachte Gegenleistung - die geltend gemachte Miete - nicht
dem marktüblichen Wert entspreche und es sich daher um eine rechtswidrige
Beihilfe handele. Ein deutsches Gericht könne angesichts der europarechtli-
chen Bedeutung nicht allein wegen der prozessualen Besonderheiten des Ur-
kundenprozesses zu einer Zuerkennung des Zahlungsbegehrens gelangen,
wenn bereits jetzt feststehe, dass die gebotene endgültige Klärung der Frage,
ob die geltend gemachte Miete zu einer deutlichen Überzahlung und damit zu
einer Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV führe, erst im Nachverfahren erfol-
gen könne.
Die gesamten Vorgänge der vergangenen Jahre, die mit dem Verkauf
des Messegeländes am 18. Dezember 2003, dem Neubau der Messehallen
und der damit einhergehenden Vermietung der Neubauten an die Beklagte zu-
sammenhingen, böten jedenfalls unter zwei Aspekten genügend tatsächliche
Anhaltspunkte für einen möglichen Beihilferechtsverstoß, so dass ein nationales
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Gericht sich selbständig darüber eine Meinung bilden müsse, ob die von der
Klägerin geforderte Miete eine Beihilfe i.S.v. Art. 107 AEUV darstelle.
Zum einen habe der Gerichtshof der Europäischen Union in dem Urteil
vom 29. Oktober 2009 verbindlich festgestellt, dass das zwischen den Parteien
gewählte Investorenmodell mit einem Grundstückskaufvertrag nebst anschlie-
ßender Rückvermietung an die Beklagte (sale and lease back) in Wahrheit ei-
nen "öffentlichen Bauauftrag" i.S.d. Art. 1 lit. a) der Richtlinie 93/37 darstelle,
dem eine europaweite Ausschreibung gemäß Art. 7 Abs. 4 und Art. 11 dieser
Richtlinie habe vorangehen müssen. Der vergaberechtswidrige Direktabschluss
des Mietvertrages vom 6. August 2004 mit der Klägerin lasse zumindest Raum
für die Besorgnis, dass das gewählte Investorenmodell für den Neubau der
Nordhallen bewusst "am Wettbewerb vorbei" durchgeführt worden sei mit der
weiteren Folge, dass gerade nicht das für die öffentliche Hand günstigste, son-
dern nur ein für den konkreten Investor vorteilhaftes Modell gewählt worden sei.
Zum anderen habe die Europäische Kommission ein Vorprüfungsverfah-
ren eröffnet und bereits in der an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten
Anfrage vom 15. Mai 2007 mitgeteilt, dass der Kommission Informationen zu-
gegangen seien, "die nahelegen, dass neben einem eventuellen Verstoß gegen
die europäischen Vorschriften für das Beschaffungswesen auch eine Zuwider-
handlung gegen die Beihilfevorschriften der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (jetzt
Art. 107, 108 AEUV)" vorlägen. Der Informationsbedarf habe auch im Septem-
ber 2010 fortbestanden, als die Europäische Kommission im Hinblick auf "neue-
re Entwicklungen weiteren Klärungsbedarf" gesehen habe.
Vor dem Hintergrund dieser beiden tatsächlichen Entwicklungen seien
auch die nationalen Gerichte verpflichtet, den Begriff der Beihilfe selbst auszu-
legen und beihilferelevante Sachverhalte hierauf zu untersuchen. Dies sei nicht
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etwa damit gleichzusetzen, dass eine solche Beihilfe in diesem Verfahrenssta-
dium bereits unterstellt werde. Die Regeln des Urkundenprozesses böten je-
doch keine geeignete Grundlage zur näheren Überprüfung dieser Frage.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig.
Das Berufungsgericht hat die im Urteilsausspruch enthaltene Zulassung
der Revision nicht eingeschränkt. Zwar ist in den Entscheidungsgründen ausge-
führt, die Frage, ob ein Urkundenprozess statthaft sei, wenn ein möglicher Bei-
hilferechtsverstoß einer (oder beider) Parteien zu besorgen sei und ob die Re-
geln des Urkundenprozesses eine geeignete Grundlage zur Prüfung eines mög-
lichen Beihilferechtsverstoßes böten, sei von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v.
§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Sollte hierin aus der Sicht des Berufungsgerichts eine
Beschränkung der Revisionszulassung auf eine bestimmte Rechtsfrage liegen,
wäre diese aber unbeachtlich.
Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichthofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil
des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils
sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könn-
te. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchs-
grundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ 101, 276
= NJW 1987, 2586, 2587; Senatsurteile vom 19. September 2012 - XII ZR
136/10 - FamRZ 2012, 1789 Rn. 8 und vom 15. September 2010 - XII ZR
148/09 - FamRZ 2010, 1888 Rn. 18).
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Danach scheidet hier eine Beschränkung der Zulassung der Revision
aus. Bei der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage handelt es sich um
eine Rechtsfrage, die für den gesamten Rechtsstreit entscheidungserheblich ist.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung alternativ auf zwei voneinander
unabhängige Erwägungen gestützt. Zum einen hat es die Statthaftigkeit des
Urkundenprozesses deshalb verneint, weil die Klägerin eine vorbehaltlose oder
mangelfreie Überlassung der Mietsache mit den Mitteln des Urkundenprozes-
ses nicht habe beweisen können. Zum anderen hat das Berufungsgericht den
Urkundenprozess im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen die europa-
rechtlichen Beihilfebestimmungen für nicht statthaft angesehen. Wäre die vom
Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage dahingehend zu beantworten, dass
ein möglicher Beihilferechtsverstoß der Statthaftigkeit eines Urkundenprozes-
ses nicht entgegenstünde, würde allein die weitere Begründung des Berufungs-
gerichts den Entscheidungsausspruch tragen.
Bei einer unzulässigen Beschränkung der Revisionszulassung muss das
angefochtene Urteil in vollem Umfang überprüft werden (vgl. BGH Urteil vom
21. September 2006 - I ZR 2/04 - FamRZ 2007, 39 Rn. 20).
2. Das Berufungsgericht hat die Klage schon deshalb zu Recht gemäß
§ 597 Abs. 2 ZPO als im Urkundenprozess nicht statthaft zurückgewiesen, weil
die Klägerin die mangelfreie Übergabe der Mietsache als anspruchsbegründen-
de Tatsache nicht durch die im Urkundenprozess zulässigen Beweismittel
(§ 592 Satz 1 ZPO) bewiesen hat. Auf die zwischen den Parteien streitige Fra-
ge, ob ein Urkundenprozess statthaft ist, wenn ein möglicher Verstoß einer
(oder beider) Parteien gegen das EU-Beihilferecht zu besorgen ist und ob die
Regeln des Urkundenprozesses eine geeignete Grundlage zur Prüfung eines
möglichen Beihilferechtsverstoßes bieten, kommt es folglich im vorliegenden
Fall nicht an.
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a) Ansprüche auf rückständige Miete oder auf Nutzungsentschädigung
nach § 546 a Abs. 1 BGB können grundsätzlich im Urkundenprozess geltend
gemacht werden. Dabei steht der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses nicht
entgegen, dass der beklagte Mieter wegen behaupteter Mängel der Mietsache
Minderung geltend macht oder die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach
§ 320 BGB erhebt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 1999 - XII ZR 321/97 -
NJW 1999, 1408). Denn nach den auch im Urkundenprozess geltenden allge-
meinen Beweislastgrundsätzen muss der Vermieter zur Begründung des An-
spruchs auf Mietzahlung neben der Vorlage eines wirksamen Mietvertrages,
aus dem sich die Höhe der geschuldeten Miete ergibt, nur mit den im Urkun-
denprozess zulässigen Beweismitteln (§ 592 Satz 1 ZPO) nachweisen, dass er
seine vertragliche Pflicht, dem Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zu-
stand zu überlassen, erfüllt hat (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht
11. Aufl. § 535 Rdn. 48; Palandt/Weidenkaff BGB 72. Aufl. § 535 Rn. 33), so-
fern dies nicht unstreitig ist (vgl. Thomas/Putzo/Reichold ZPO 34. Aufl. § 592
Rn. 6). Nach der Überlassung der Mietsache trägt dagegen der Mieter die Be-
weislast dafür, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft
war, wenn er die ihm überlassene Sache als Erfüllung angenommen hat (vgl.
Senatsurteil vom 15. November 2006 - XII ZR 120/04 - NJW 2007, 2394 Rn. 24
mwN und BGH Urteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 200/08 - NJW 2009, 3099
Rn. 9).
Stützt der Mieter die Minderung oder die Einrede des nichterfüllten Ver-
trages jedoch auf die Behauptung, die Mietsache sei schon bei der Übergabe
fehlerhaft gewesen, folgt aus dieser Beweislastverteilung, dass eine Klage auf
Zahlung von Miete oder Nutzungsentschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB im
Urkundenprozess nur dann statthaft ist, wenn entweder unstreitig ist, dass der
Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, ohne die später behaupte-
ten Mängel zu rügen, oder wenn der Vermieter ein solches Verhalten des Mie-
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ters durch Urkunden beweisen kann (vgl. BGH Urteile vom 20. Oktober 2010
- VIII ZR 111/09 - ZMR 2011, 204 Rn. 10 und vom 8. Juli 2009 - VIII ZR
200/08 - NJW 2009, 3099 Rn. 10).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht festge-
stellt, dass die Klägerin durch die von ihr vorgelegten Urkunden nicht nachwei-
sen konnte, dass die Beklagte die Mietsache als Erfüllung i.S.d. § 363 BGB an-
genommen hat. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
aa) Eine Annahme als Erfüllung liegt vor, wenn der Mieter durch sein
Verhalten bei und nach Entgegennahme der Leistung zum Ausdruck bringt,
dass er die Mietsache als im Wesentlichen vertragsgemäß ansieht (vgl.
MünchKommBGB/Fetzer 6. Aufl. § 363 Rn. 3; Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl.
§ 363 Rn. 2). Einer ausdrücklichen Erklärung des Gläubigers bedarf es hierzu
nicht. Ob eine Annahme als Erfüllung vorliegt, ist vielmehr aufgrund der jeweili-
gen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (MünchKommBGB/Fetzer 6. Aufl.
§ 363 Rn. 3). Dabei schließt ein allgemeiner Vorbehalt, dass die Vertragsmä-
ßigkeit der Leistung nicht anerkannt werde, die Annahme als Erfüllung nicht aus
(Senatsurteil vom 15. November 2006 - XII ZR 120/04 - NJW 2007, 2394
Rn. 25). Anders ist es jedoch, wenn der Mieter wegen eines konkreten Mangels
der Mietsache einen Vorbehalt erklärt. Denn damit bringt er zum Ausdruck,
dass er die ihm überlassene Mietsache nicht als vertragsgemäße Leistung an-
sieht. Auf eine Annahme der vom Schuldner erbrachten Leistung als Erfüllung
i.S.v. § 363 BGB kann dann aus dem Verhalten des Gläubigers nicht geschlos-
sen werden (vgl. BGH Urteil vom 23. Oktober 2008 - VII ZR 64/07 - NJW 2009,
360 Rn. 15).
bb) Anders als die Abnahme gemäß § 640 BGB ist die Annahme als Er-
füllung i.S.v. § 363 BGB zwar kein Rechtsgeschäft, sondern eine tatsächliche
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Handlung (Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl. § 363 Rn. 2). Aufgrund ihrer Wir-
kungen kommt ihr jedoch ein rechtsgeschäftsähnlicher Charakter zu, so dass
die Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen entsprechend herange-
zogen werden können (Bamberger/Roth BGB 3. Aufl. § 363 Rn. 5). Demnach
handelt es sich bei der Feststellung, ob der Gläubiger die ihm angebotene Leis-
tung als Erfüllung i.S.v. § 363 BGB angenommen hat, um eine tatrichterliche
Entscheidung, welche nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle
unterliegt. Das Revisionsgericht kann daher nur prüfen, ob der Tatrichter die
gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgesetze
und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrunde gelegten Tat-
sachen ohne Verfahrensfehler ermittelt hat (vgl. Senatsbeschluss vom
23. Januar 2013 - XII ZB 515/12 - FamRZ 2013, 777 Rn. 14 und Senatsurteil
vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03 - NJW 2006, 899, 900 jeweils mwN).
Ist die Auslegung rechtsfehlerfrei vorgenommen und führt sie zu einem vertret-
baren Auslegungsergebnis, ist sie für das Revisionsgericht bindend, auch wenn
ein anderes Auslegungsergebnis möglich erscheint.
cc) Einer Überprüfung an diesen Maßstäben hält die tatrichterliche Wür-
digung des Berufungsgerichts stand.
(1) Das Berufungsgericht hat aus dem Inhalt der Übernahmeprotokolle
vom 30. November 2005 geschlossen, dass die Beklagte die Mietsache nicht
als vertragsgemäße Leistung angesehen und sie diese nur unter Vorbehalt der
späteren Beseitigung der gerügten Mängel übernommen hat. Dies ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Bereits aus dem Wortlaut der Ziffer 8. der beiden Übernahmeprotokolle
ergibt sich, dass die Beklagte das Mietobjekt zum Zeitpunkt der Übergabe nicht
als vertragsgemäße Leistung annehmen wollte. Dort heißt es jeweils, dass der
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Mieter das Mietobjekt nur unter dem Vorbehalt der in weiteren Anlagen und in
den Übernahmeprotokollen gerügten Mängeln und Restarbeiten übernehme.
Wenn das Berufungsgericht aus dieser Regelung in den Übernahmeprotokollen
und unter Berücksichtigung der in der Ziffer 2. der Protokolle aufgeführten Män-
gel den Schluss zieht, dass die Beklagte die Mietsache im Zeitpunkt der Über-
gabe nicht als vertragsgemäße Leistung angesehen hat, ist dies eine vertretba-
re Auslegung der von der Klägerin vorgelegten Urkunden, die der revisions-
rechtlichen Überprüfung stand hält.
Entgegen der Auffassung der Revision sind die entsprechenden Rege-
lungen in den Übernahmeprotokollen nicht zwingend dahingehend zu verste-
hen, dass die Beklagte das Mietobjekt als im wesentlichen vertragsgemäße
Leistung entgegen genommen hat und sich nur wegen geringfügiger Restarbei-
ten und Mängel ihre Rechte gemäß § 536 b Satz 3 BGB vorbehalten wollte.
Denn neben den in den Protokollen unter Ziffer 2. aufgeführten Mängeln hat die
Beklagte auch im Hinblick auf umfangreiche weitere Mängel, die in anderen
Anlagen und Übernahmeprotokollen dokumentiert worden sind, einen Vorbehalt
erklärt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie das Mietobjekt zu diesem
Zeitpunkt noch nicht als vertragsgemäße Leistung der Klägerin ansah.
Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass die
Beklagte sich in Ziffer 2 b) und c) der Übernahmeprotokolle bezüglich der Hei-
zung und Kälteanlagen nicht nur ihre Mängelrechte für den Fall vorbehalten
wollte, dass sich bei der späteren Überprüfung der Anlage im Volllastbetrieb
Fehler zeigen. Die Heizungs- und Kälteanlage konnte aufgrund der jahreszeitli-
chen Witterungsverhältnisse zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vollständig auf
ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden. Die Beklagte konnte somit im Über-
gabezeitpunkt überhaupt nicht beurteilen, ob die für den geplanten Messebe-
trieb besonders wichtige Heizungs- und Kälteanlage mangelfrei erstellt worden
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ist. Deshalb hat das Berufungsgericht den entsprechenden Vorbehalt in Ziffer 2
b) der Übergabeprotokolle zu Recht dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte
im Hinblick auf die Bedeutung der Heizungs- und Kälteanlage für die Nutzung
der Messehallen die Mietsache zu diesem Zeitpunkt insgesamt nicht als ver-
tragsgemäße Leistung ansehen wollte. Denn nur durch ein entsprechendes
Verständnis dieser Regelung konnte die Beklagte verhindern, dass sie für das
Vorliegen eines späteren Mangels der Anlage beweispflichtig wird. Legt man
die Vereinbarung - wie die Revision meint - dahingehend aus, dass die Beklag-
te insoweit nur einen Vorbehalt im Sinne von § 536 b Satz 3 BGB erklären woll-
te, wäre sie nach der Annahme der Mietsache trotz des Vorbehalts gehalten,
gegebenenfalls das Vorliegen von Mängeln bei einem Volllastbetrieb der Anla-
ge zu beweisen. Diese Rechtsfolge wollten die Mietvertragsparteien bei der Er-
stellung der Übernahmeprotokolle ersichtlich nicht herbeiführen.
(2) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe auch durch
die Unterzeichnung des 5. Nachtrags zum Mietvertrag die Mietsache nicht als
vertragsgemäße Leistung i.S.v. § 363 BGB angenommen, begegnet ebenfalls
keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
In § 2 des 5. Nachtrags zum Mietvertrag haben die Parteien vereinbart,
dass die Mieterin nach Maßgabe der Regelung in § 3 der Vergleichsvereinba-
rung auf die Beseitigung der dort genannten Abnahme- und/oder Gewährleis-
tungsmängel und auf alle hierauf bezogenen Gewährleistungsansprüche ver-
zichtet und insoweit den vorhandenen tatsächlichen Zustand des Mietobjektes
als vertragsgerecht hinnimmt. Schon aus dieser Regelung ergibt sich im Um-
kehrschluss, dass die Beklagte die Mietsache hinsichtlich der weiteren, nicht
von § 3 der Vergleichsvereinbarung erfassten Mängeln, nicht als vertragsge-
mäße Leistung ansehen wollte. § 3 der Vergleichsvereinbarung erfasst jedoch
gerade nicht die von der Beklagten behaupteten Fehler der Heizungs- und Käl-
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teanlage, sondern bezieht sich nur auf andere Mängel. Soweit in § 1 Ziffer 2
des 5. Nachtrags zum Mietvertrag eine Regelung zu den möglichen Ansprü-
chen der Beklagten wegen der behaupteten Mangelhaftigkeit der Heizungs- und
Kälteanlage enthalten ist, ergibt sich daraus nichts anderes. Die in dieser Rege-
lung enthaltene Vereinbarung über die Erledigung der Gewährleistungsansprü-
che der Beklagten haben die Parteien davon abhängig gemacht, dass diese
Ansprüche erfüllt worden sind. Diese Voraussetzung ist jedoch nach den Fest-
stellungen des Berufungsgerichts in Bezug auf die Heizungs- und Kälteanlage
nicht gegeben. Im Übrigen bezieht sich diese Regelung auch nicht auf mängel-
bezogene Ansprüche der Beklagten, soweit sie in der Vergleichsvereinbarung
ausdrücklich vorbehalten worden sind. Dort findet sich in § 2 Ziffer 3 indes eine
ausdrückliche Regelung zu möglichen Gewährleistungsansprüchen, falls in dem
selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Bonn oder in einem daran
anschließenden Hauptsacheverfahren Mängel an der Heizungs- und Kälteanla-
ge festgestellt werden sollten. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden,
dass das Berufungsgericht aus der Gesamtschau dieser Regelungen den
Schluss gezogen hat, die Beklagte habe auch bei Abschluss des 5. Nachtrags
zum Mietvertrag das Mietobjekt insgesamt nicht als vertragsgemäße Leistung
angesehen.
dd) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe der Kläge-
rin zu Unrecht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB)
wegen des verhältnismäßig geringen Aufwandes für die Beseitigung der mögli-
chen Mängel der Heizungs- und Kälteanlage versagt.
Zwar ist richtig, dass die von dem Sachverständigen in dem beim Land-
gericht Köln geführten selbständigen Beweisverfahren geschätzten Mängelbe-
seitigungskosten nur einen geringen Prozentsatz der Jahresnettomiete ausma-
chen. Für die Beurteilung, ob ein Mangel so unwesentlich ist, dass der Gläubi-
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ger sich treuwidrig verhält, wenn er die Annahme der Leistung verweigert, kann
jedoch nicht allein auf die voraussichtlichen Kosten der Mangelbeseitigung ab-
gestellt werden. Ebenso wie bei der Prüfung des § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB, wo-
nach der Besteller die Abnahme des Werks wegen unwesentlicher Mängel nicht
verweigern kann (zur Vergleichbarkeit der Annahme als Erfüllung i.S.v. § 363
BGB und der Abnahme nach § 640 BGB vgl. BGHZ 33, 236 = NJW 1961, 115,
116), ist vielmehr entscheidend, ob es dem Gläubiger zumutbar ist, trotz des
Mangels die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzuneh-
men und sich mit den Mängelrechten zu begnügen (Palandt/Sprau BGB
72. Aufl. § 640 Rn. 9). Ob ein Mangel "wesentlich" ist und deshalb zur Verwei-
gerung der Abnahme nach § 640 Abs. 1 Satz 2 berechtigt, bestimmt sich nach
der Art des Mangels, seinem Umfang und vor allem seinen Auswirkungen, wo-
bei dies unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu
entscheiden ist (vgl. BGH Urteil vom 30. April 1992 - VII ZR 185/90 - NJW 1992,
2481 zu § 12 Nr. 3 VOB/B).
Daher hat das Berufungsgericht zu Recht berücksichtigt, dass die von
der Beklagten gerügten Mängel der Heizungs- und Kälteanlagen für den Betrieb
der Messehallen von erheblicher Bedeutung sind. Der Höhe etwaiger Mangel-
beseitigungskosten kommt insoweit nur eine untergeordnete Bedeutung zu.
Entscheidend ist vielmehr, in welchem Maße die Gebrauchsfähigkeit der Miet-
sache durch den Mangel beeinträchtigt ist.
ee) Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe die
von der Beklagten über einen Zeitraum von 43 Monaten erbrachten ungemin-
derten Mietzahlungen fehlerhaft bewertet, kann sie damit ebenfalls keinen Er-
folg haben.
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Da sich die Beklagte sowohl in den Übernahmeprotokollen vom 30. No-
vember 2005 als auch in dem 5. Nachtrag zum Mietvertrag ihre Gewährleis-
tungsrechte bezüglich der Heizungs- und Kälteanlage ausdrücklich vorbehalten
hat (vgl. § 536 b Satz 3 BGB), könnte die ungeminderte Zahlung der Miete in
dem Zeitraum von Januar 2007 bis Juli 2010 nur unter den strengeren Voraus-
setzungen der Verwirkung (§ 242 BGB) oder des stillschweigenden Verzichts
dazu führen, dass die Klägerin der Beklagten den Einwand der unzulässigen
Rechtsausübung entgegenhalten kann (vgl. BGH Urteil vom 16. Juli 2003
- VIII ZR 274/02 - NJW 2003, 2601, 2603).
Danach kann der Umstand, dass ein Mieter über längere Zeit die Miete
ungemindert zahlt, obwohl ihm das Vorliegen eines Mangels bekannt ist, zwar
grundsätzlich den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründen,
wenn sich der Mieter zu einem späteren Zeitpunkt auf den Mangel beruft. Ent-
scheidend sind hierbei aber die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Hat, wie
im vorliegenden Fall, der Mieter bei der Übergabe der Mietsache den Mangel
ausdrücklich gerügt, genügt allein die ungekürzte Zahlung der Miete über einen
längeren Zeitraum hierfür nicht. Insbesondere wenn der Mieter die Mietsache
nicht vorbehaltlos entgegengenommen hat und zwischen den Mietvertragspar-
teien streitig ist, ob die Mietsache mangelbehaftet ist, erweckt der Mieter durch
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die ungekürzte Zahlung der Miete kein schützenswertes Vertrauen des Vermie-
ters dahingehend, dass auch in Zukunft keine Mängelrechte mehr geltend ge-
macht werden.
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.08.2011 - 5 O 299/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 30.03.2012 - 1 U 77/11 -