Urteil des BGH vom 17.12.2009
BGH (aufrechnung, zahlung, beschwerde, herstellung, schuldner, erwerb, abtretung, forderung, eröffnung, kenntnis)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 215/08
vom
17. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und
Grupp
am 17. Dezember 2009
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Naumburg vom 17. September 2008 wird die Revision zugelas-
sen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 410.640 € verurteilt wur-
de. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
1. Erfolg hat die Nichtzulassungsbeschwerde im Blick auf die Verurtei-
lung der Beklagten zur Zahlung von 410.640 €, wie sich aus dem Senatsurteil
vom 17. Dezember 2009 - IX ZR 214/08 (z.V.b.) ergibt, auf das vollinhaltlich
Bezug genommen wird.
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2. Hingegen ist die Beschwerde zurückzuweisen, soweit die Beklagte
gegen die unstreitige Klageforderung in Höhe von 34.800 € mit auf sie nach
Zahlung von Insolvenzausfallgeld gemäß § 187 Abs. 3 SGB III übergegangenen
Forderungen aufrechnet. Insoweit ist ein Zulassungsgrund nicht gegeben. Der
Wirksamkeit der Aufrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegen.
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a) Zu § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist anerkannt, dass die gläubigerbenachtei-
ligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, selb-
ständig angefochten werden kann. Der Verwalter kann die Wirkungen der An-
fechtung auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken (BGH, Urt. v.
22. Oktober 2009 - IX ZR 147/06, WM 2009, 2394, 2395 Rn. 11).
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b) Die Aufrechnung ist nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, wenn ein
Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare
Rechtshandlung erlangt hat. Die Regelung ist nicht auf Rechtshandlungen des
späteren Insolvenzschuldners beschränkt, sofern der inzident zu prüfende An-
fechtungstatbestand - hier (bei zugunsten der Beklagten unterstellter Kon-
gruenz) §
130 Abs.
1 Nr.
2 InsO
- eine solche nicht voraussetzt (HK-
InsO/Kayser, 5. Aufl. § 96 Rn. 32). Als Rechtshandlung kommt grundsätzlich
jedes Rechtsgeschäft in Betracht, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubi-
ger- oder Schuldnerstellung führt (BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009, aaO Rn. 15).
Danach liegt eine Rechtshandlung vor, wenn der Aufrechnende als Schuldner
im Wege der Abtretung eine Forderung erlangt hat (OLG Köln NJW-RR 2001,
1493, 1494 m.w.N.; HmbKomm-InsO/Jacoby, 3. Aufl. § 96 Rn. 12). Ebenso sind
Rechtshandlungen Dritter anfechtbar, die - wie im Streitfall die Beantragung von
Insolvenzausfallgeld - kraft eines gesetzlichen Forderungsübergangs dem Auf-
rechnenden eine Gläubigerstellung verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober
2009, aaO Rn. 16 ff).
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c) Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind gegeben, weil
die Beklagte die zur Aufrechnung gestellten Forderungen nach Kenntnis des
Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Schuldnerin erworben hat. Da die Aufrechnung zu einer vollen Befriedigung der
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Beklagten führt, liegt auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129
InsO) vor.
Ganter Kayser
Gehrlein
Fischer
Grupp
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 07.05.2008 - 9 O 2205/07 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 17.09.2008 - 5 U 72/08 -