Urteil des BGH vom 05.03.2014

BGH: internationales strafrecht, internetseite, au pair, gestaltung, absicht, abonnement, eugh, leitbild, betrug, form

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 6 1 6 / 1 2
vom
5. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betrugs
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom
5. Februar 2014 in der Verhandlung am 5. März 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott
und der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (in der Verhandlung am
5. Februar 2014),
Rechtsanwalt (in der Verhandlung
am 5. Februar 2014),
Rechtsanwalt (in der Ver-
handlung am 5. Februar 2014 und bei der Verkündung am 5. März 2014)
als Verteidiger,
Justizangestellte (in der Verhandlung am 5. Februar 2014),
Justizangestellte (bei der Verkündung am 5. März 2014)
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-
gerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2012 wird ver-
worfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels
zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten unter Freispre-
chung im Übrigen wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei
Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund
überlanger Verfahrensdauer hat es angeordnet, dass vier Monate der verhäng-
ten Strafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklag-
te mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten
Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
A.
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof-
fen:
1. Der Angeklagte war Geschäftsführer der Firma N. Ltd. Das
von dieser betriebene Unternehmen unterhielt von August 2006 bis zum
31. August 2007 verschiedene kostenpflichtige Internetseiten, unter anderem
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die Seite
„www.routenplaner-server.com“, auf der ein Online-Routenplaner an-
geboten wurde.
Diese Internetseite, für deren Gestaltung der Angeklagte verantwortlich
war, war dergestalt aufgebaut, dass bei ihrem Aufruf zunächst eine Startseite
erschien, auf der von dem Nutzer verschiedene Angaben zum Stand- und Ziel-
ort zu machen waren. Auf der Startseite befand sich in Fettdruck auch ein Hin-
weis auf ein Gewinnspiel. Eine Information darüber, dass für die Nutzung des
Routenplaners ein Entgelt zu zahlen war, enthielt die Startseite nicht.
Nach Betätigung der Schaltfläche „Route berechnen!“ erschien eine neue
Seite, über der sich eine Grafik befand, in der wiederum auf das Gewinnspiel
hingewiesen wurde. Auf derselben Seite gab es auch eine so genannte An-
meldemaske, in welche der Nutzer seinen Vor- und Zunamen nebst Anschrift,
E-Mail-Adresse und Geburtsdatum einzutragen hatte. Die Anmeldemaske war
in kursiver Schrift mit den Worten überschrieben: „Bitte füllen Sie alle Felder
vollständig aus!“ Im unteren Bereich der Seite war von dem Nutzer die Schalt-
fläche „ROUTE PLANEN“ anzuklicken. Unterhalb dieser Schaltfläche befand
sich ein Fußnotentext, auf den mit einem Sternchenhinweis verwiesen wurde.
Am Ende dieses mehrzeiligen Fußnotentextes war der Preis für einen dreimo-
natigen Zugang zu dem Routenplaner in Höhe von 59,95
€ in Fettdruck ausge-
wiesen. In Abhängigkeit von der Größe des Monitors und der verwendeten Bild-
schirmauflösung endete der sichtbare Teil der Internetseite unmittelbar nach
der Schaltfläche „ROUTE PLANEN“, so dass der Hinweis auf das zu zahlende
Entgelt auf den ersten Blick nicht wahrzunehmen war. Das zu zahlende Entgelt
in Höhe von 59,95
€ war auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf-
geführt, die über den Link „AGB und Verbraucherinformation“ aufrufbar waren
und von dem Nutzer akzeptiert werden mussten. Die Allgemeinen Geschäfts-
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bedingungen enthielten darüber hinaus eine Bestimmung, wonach dem Nutzer
über den Betrag in Höhe von 59,95
€ eine Rechnung zugesandt und der Rech-
nungsbetrag vorbehaltlich des Widerrufsrechts unmittelbar nach Vertrags-
schluss fällig werde.
Zur Prüfung einer möglichen Strafbarkeit durch das Betreiben der Inter-
netseite hatte sich der Angeklagte bereits im Jahr 2006 an seinen Verteidiger,
Rechtsanwalt P. , gewandt, der ihn an seinen Sozietätskollegen, Rechtsan-
walt G. , weiterverwies. Dieser gab dem Angeklagten ein im August
2006 für einen Dritten erstattetes Gutachten über die strafrechtliche Beurteilung
eines auf einer vergleichbaren Internetseite angebotenen kostenpflichtigen In-
telligenztests zur Kenntnis. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass eine Strafbar-
keit wegen Betrugs schon deswegen nicht in Betracht komme, weil keine Täu-
schungshandlung vorliege.
Aufgrund der Klage eines Verbraucherschutzverbandes wurde der Ange-
klagte am 27. Juni 2007 vom Landgericht Frankfurt am Main verurteilt, es zu
unterlassen, Internetseiten (mit ähnlichem Erscheinungsbild) zu betreiben, ohne
die Preise für die Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen deutlich zu
machen. Das Urteil wurde ihm am 2. Juli 2007 zugestellt. Die gegen das Urteil
eingelegte Berufung nahm der Angeklagte aufgrund eines Hinweisbeschlusses
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 6. Mai 2008 zurück. Weitere
gleichgelagerte Entscheidungen durch das Landgericht Frankfurt am Main vom
5. September 2007 folgten, sie wurden vom Oberlandesgericht Frankfurt am
Main am 4. Dezember 2008 und in einem Fall vom Bundesgerichtshof mit Ent-
scheidung vom 25. März 2010 bestätigt (UA S. 31 f.).
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2. Spätestens zum 1. September 2007 führte die O. Ltd. die
zuvor von der N. Ltd. betriebenen Internetseiten in unveränderter Form
weiter. Die O. Ltd. hatte in der Zeit vom 1. März 2007 bis zum
31. Oktober 2007 ihren Sitz zunächst in W. ; zum 1. November 2007
wurde der Firmensitz zum Schein nach Ob. verlegt. Geschäftsführerin der
O. Ltd. war die ursprüngliche Mitangeklagte D. , die
im Jahr 2005 ohne Deutschkenntnisse als „Au Pair-Mädchen“ aus der Slowakei
nach Deutschland gekommen und zum Zeitpunkt ihrer Eintragung als Ge-
schäftsführerin 21 Jahre alt war. Tatsächlich wurden die Geschäfte der O.
Ltd. von dem Angeklagten geführt, der nach außen hin als Prokurist
auftrat.
Insgesamt 261 Nutzer, die den Kostenhinweis auf der Internetseite
„www.routenplaner-server.com“ nicht zur Kenntnis genommen hatten, erstatte-
ten Strafanzeige, nachdem sie nach Ablauf der Widerrufsfrist per E-Mail oder
per Post eine Zahlungsaufforderung erhalten hatten. Zehn Anzeigeerstatter
zahlten das Entgelt in Höhe von 59,95
€. An diejenigen, die nicht gezahlt hat-
ten, wurden Zahlungserinnerungen versandt; einige erhielten zudem Schreiben
von Rechtsanwälten, in denen ihnen für den Fall, dass sie nicht zahlten, mit
einem Eintrag bei der „Schufa“ gedroht wurde.
II. Das Landgericht hat in der verantwortlichen Gestaltung der Internet-
seiten durch den Angeklagten einen versuchten Betrug gesehen. Der Angeklag-
te habe die Absicht gehabt, durch die äußere Form der Internetseite über deren
Kostenpflichtigkeit zu täuschen und den Nutzern jeweils einen Vermögens-
schaden in Höhe von 59,95
€ zuzufügen. Der Schaden habe darin liegen sollen,
dass die Internetnutzer, die nach Eingabe ihrer Daten die Schaltfläche „ROUTE
PLANEN
“ betätigt hatten, dadurch einen – wenn auch zivilrechtlich anfechtba-
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ren
– Vertrag geschlossen hätten, der sie zur Zahlung von 59,95 € verpflichtet
habe, obwohl die Leistung auch umsonst erhältlich gewesen sei (UA S. 73).
Darüber hinaus sei der Vertrag nicht auf eine einmalige Leistung, sondern auf
ein Abonnement gerichtet gewesen, was den Internetnutzern, die den Kosten-
hinweis nicht wahrgenommen hätten, gar nicht bekannt gewesen sei. Daher
habe zum einen keine Möglichkeit zur Nutzung bestanden, zum anderen sei
diese Nutzungsmöglichkeit wirtschaftlich sinnlos gewesen, wenn die Nutzer an-
lassbezogen eine einzelne Route planen wollten (UA S. 75). Einen vollendeten
Betrug hat das Landgericht, das lediglich drei der Anzeigeerstatter als Zeugen
vernommen hat, mit der Begründung verneint, es sei nicht nachzuweisen, dass
tatsächlich Nutzer der Seite getäuscht worden seien. Aufgrund des dem Ange-
klagten bekannten Gutachtens vom 2. August 2006, auf das er vertraut habe,
habe ihm zunächst die Einsicht gefehlt, Unrecht zu tun. Nachdem ihm am 2. Juli
2007 das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zugestellt worden sei, habe
er aber mit bedingtem Unrechtsbewusstsein gehandelt; ihm sei spätestens ab
diesem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass er durch die Gestaltung der Internet-
seiten gegen zivilrechtliche Normen verstoße (UA S. 79). Angesichts von Ver-
schleierungshandlungen im Sommer/Herbst 2007 (Einschaltung von Scheinge-
schäftsführern, Umfirmierungen und Sitzverlegungen) sei die Strafkammer
überzeugt, dass dem Angeklagten tatsächlich bewusst gewesen sei, durch sei-
ne Seitengestaltung gegen geltendes Recht zu verstoßen.
B.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revi-
sion des Angeklagten hat keinen Erfolg.
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I. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Ge-
neralbundesanwalts unbegründet.
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat ebenfalls kei-
nen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Schuld- und Straf-
ausspruch begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei
dem Angeklagten Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale des Betrugs
gegeben ist.
a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Vorsatz ge-
habt, die Nutzer der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ über die Kos-
tenpflichtigkeit der angebotenen Leistung zu täuschen, wird von den Feststel-
lungen getragen.
aa) Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist jede Einwir-
kung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet
und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsäch-
liche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder
in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei kann die Täu-
schung nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen (vgl. BGH,
Urteil vom 26. April 2001
– 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3).
Auf eine solche Täuschungshandlung richtete sich der Vorsatz des An-
geklagten. Der Internetseite und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war
zwar bei genauer Lektüre zu entnehmen, dass die Inanspruchnahme des Rou-
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tenplaners zum Abschluss eines Abonnementvertrages führte und zur Zahlung
eines Entgelts in Höhe von 59,95
€ verpflichtete. Die Strafkammer hat den Vor-
satz aber ohne Rechtsfehler daraus abgeleitet, dass der Angeklagte durch den
gewählten Aufbau der Internetseite die Kostenpflichtigkeit der angebotenen
Leistung verschleiert hat, indem er den Hinweis auf das anfallende Nutzungs-
entgelt an einer Stelle platziert hat, an der mit einem solchen Hinweis nicht zu
rechnen war. Der Hinweis war nicht
– wie insbesondere bei Leistungen zu er-
warten ist, die im Internet problemlos kostenfrei in Anspruch genommen werden
können
– im örtlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Angaben an-
gebracht, die sich auf die angebotene Leistung beziehen. Er war vielmehr in
einem Fußnotentext enthalten, dessen Inhalt der Nutzer nur dann zur Kenntnis
nehmen konnte, wenn er dem neben der Überschrift zur Anmeldemaske befind-
lichen Verweis in Form eines Sternchens folgte. Diese Gestaltung spricht dafür,
dass der Angeklagte tatsächlich eine Kenntnisnahme der Kostenpflichtigkeit
durch die Nutzer verhindern wollte. Hierfür spricht auch, dass der Fußnotentext
bei der im Tatzeitraum statistisch am häufigsten verwendeten Bildschirmgröße
und -
auflösung erst nach vorherigem „Scrollen“ wahrgenommen werden konnte
(so auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 400 f.). Auch die wiederholte
Hervorhebung der Gewinnspielteilnahme zielte erkennbar darauf ab, die Auf-
merksamkeit des Nutzers darauf zu lenken und so durch die Gesamtgestaltung
der Internetseite darüber hinwegzutäuschen, dass für die Inanspruchnahme des
Routenplaners ein Entgelt zu zahlen war.
Zudem liegt in der Gestaltung der Internetseite ein Verstoß gegen die
Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV). Diesem Umstand kommt in
Fällen, in denen
– wie hier – ein Kostenhinweis lediglich an versteckter Stelle
enthalten ist, für die Beurteilung einer Täuschungshandlung und eines darauf
gerichteten Vorsatzes indizielle Bedeutung zu (vgl. Fischer, 61. Aufl., § 263
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Rn. 28a; Eisele, NStZ 2010, 193, 196; Brammsen/Apel, WRP 2011, 1254,
1255; Hatz, JA 2012, 186, 187). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV hat derjenige,
der Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sons-
tiger Weise Waren oder Leistungen anbietet, die Preise anzugeben, die ein-
schließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind
(Endpreise). Diese Angaben müssen der allgemeinen Verkehrsauffassung und
den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen (§ 1 Abs. 6
Satz 1 PAngV). Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV sind die Angaben dem Angebot
oder der Werbung eindeutig zuzuordnen und leicht erkennbar sowie deutlich
lesbar oder sonst gut wahrnehmbar zu machen. Soweit auf der Internetseite
des Angeklagten lediglich ein Sternchen auf eine Fußnote verwiesen hat, in der
das zu zahlende Entgelt ausgewiesen war, genügt dies den beschriebenen An-
forderungen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998
– I ZR 187/97, BGHZ
139, 368, 377; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2009, 265, 266) und trägt
den landgerichtlichen Schluss, der Angeklagte sei bestrebt gewesen, die Kos-
tenpflichtigkeit des Angebots täuschend zu verschleiern.
Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass die für die Nutzung
anfallenden Kosten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgewiesen
waren. Da bereits die Hauptseite keinen deutlichen und leicht erkennbaren
Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit enthielt, konnten und mussten die Nutzer
nicht damit rechnen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine solche
für die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Leistung wesentliche An-
gabe beinhalteten (ebenso OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 402).
Dass der Angeklagte trotz Mitteilung des anfallenden Entgelts auch insoweit
beabsichtigte, potentielle Nutzer zu täuschen, wird zudem daraus ersichtlich,
dass die entsprechende Preisklausel erstmals in einer drucktechnisch nicht
hervorgehobenen Bestimmung auf der dritten Bildschirmseite enthalten und das
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konkret zu zahlende Entgelt in Höhe von 59,95
€ erst einer weiteren Bestim-
mung auf der fünften Bildschirmseite zu entnehmen war (UA S. 19 f.).
bb) Der Annahme von Täuschungsabsicht steht nicht entgegen, dass der
Hinweis auf die Entgeltlichkeit bei sorgfältiger, vollständiger und kritischer
Prüfung erkennbar war. Es ist zwar nicht Aufgabe des Strafrechts (und des
Betrugstatbestands), allzu sorglose Menschen vor den Folgen ihres eige-
nen unbedachten Tuns zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1952
– 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 103; Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00,
BGHSt 47, 1, 4). Doch lassen Leichtgläubigkeit des Opfers oder Erkennbarkeit
einer auf die Herbeiführung eines Irrtums gerichteten Täuschungshandlung
weder aus Rechtsgründen die Täuschungsabsicht entfallen (vgl. BGH, Urteil
vom 22. Oktober 1986
– 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201 f.; Urteil vom 5. De-
zember 2002
– 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314; Urteil vom 4. Dezember
2003
– 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110, 111) noch schließen sie eine irr-
tumsbedingte Fehlvorstellung aus.
An dieser Rechtsprechung ist auch unter Berücksichtigung der Richtlinie
2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005
über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr
zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Ge-
schäftspraktiken; ABl. 2005 L149 S. 22) festzuhalten.
Gemäß Art. 6 (1) d) der Richtlinie 2005/29/EG gilt eine Geschäftspraxis
als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder
wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Prä-
sentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher
in Bezug auf den Preis täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist und ihn in je-
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dem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung
veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Der Richtlinie liegt daher im
Grundsatz das Leitbild eines durchschnittlich verständigen und aufmerksamen
Verbrauchers zugrunde (vgl. auch den Erwägungsgrund 18).
Soweit unter Verweis auf dieses Leitbild in der Literatur teilweise die An-
sicht vertreten wird, aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des Be-
trugstatbestands liege eine strafrechtlich relevante Täuschung nur dann vor,
wenn die im Geschäftsverkehr getätigte Aussage geeignet ist, eine informierte,
aufmerksame und verständige Person zu täuschen (Soyka, wistra 2007, 127,
132; SSW/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 113 f.; Hecker, Europäisches Strafrecht,
4. Aufl., 2012, § 10 Rn. 17, 21; Satzger, Internationales und Europäisches Straf-
recht, 6. Aufl., 2013, § 9 Rn. 104 f.; Ruhs in Festschrift für Rissing-van Saan,
2011, S. 567, 579 ff.; vgl. auch Dannecker, ZStW 2005, 697, 711 f.), folgt der
Senat dieser Ansicht nicht.
Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung wird überwiegend
aus Art. 4 Abs. 3 EUV (früher: Art. 10 EGV) und aus Art. 288 Abs. 3 AEUV (frü-
her: Art. 249 Abs. 3 EGV) abgeleitet (vgl. Satzger in Sieber u.a., Europäisches
Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 52; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10
Rn. 6 ff.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 37). Richtlinien-
konform auszulegen sind dabei zunächst diejenigen Vorschriften, die unmittel-
bar der Umsetzung einer EU-Richtlinie dienen (Satzger in Sieber u.a., Europäi-
sches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 63; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl.,
§ 10 Rn. 10); darüber hinaus ist aber auch das sonstige nationale Recht im Ein-
klang mit den Vorgaben des Unionsrechts auszulegen, selbst wenn es sich um
Vorschriften handelt, die vor oder unabhängig von dem Erlass der Richtlinie
ergangen sind (EuGH, Urteil vom 13. November 1990
– C-106/89; Urteil vom
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14. Juli 1994
– C-91/92, NJW 1994, 2473, 2474; Urteil vom 16. Juli 1998
– C-355/96, NJW 1998, 3185, 3187).
Infolgedessen besteht die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung
auch im Bereich des Strafrechts (Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts,
2001, S. 560; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., § 9
Rn. 104; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 10 ff.). Sie kann
dazu führen, dass unter mehreren vertretbaren Auslegungsvarianten einer
Strafnorm diejenige zugrunde zu legen ist, die dem Unionsrecht am besten ge-
recht wird (s. Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 46; Satzger in
Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 55; ders., Internationales
und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 93; Hecker, Europäisches Straf-
recht, 4. Aufl., § 10 Rn. 15; LK-Weigend, StGB, 12. Aufl., Einleitung Rn. 87;
Schönke/Schröder/Eser/Hecker, StGB, 29. Aufl., Vorbemerkungen vor § 1
Rn. 28).
Im Hinblick darauf, dass das Landgericht das Betreiben der von dem An-
geklagten gestalteten Internetseite seit dem 2. Juli 2007 als Täuschungshand-
lung gewertet hat und die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung spätestens
mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie besteht (EuGH, Urteil vom 4. Juli
2006
– C-212/04, NJW 2006, 2465, 2468), war die gemäß Art. 19 bis zum
12. Juni 2007 umzusetzende Richtlinie 2005/29/EG im Tatzeitraum zwar an-
wendbar; sie erfordert indes keine strafbarkeitseinschränkende Auslegung des
Betrugstatbestands.
(1) Auch wenn sich die innerstaatliche Rechtsanwendung an den gesam-
ten Wertungsvorgaben des Unionsrechts zu orientieren hat (vgl. Satzger in
Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 51), unterliegt die Pflicht
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zur richtlinienkonformen Auslegung Grenzen. Sie setzt grundsätzlich erst dann
ein, wenn der Inhalt der Richtlinie insgesamt oder im angewendeten Bereich
eindeutig ist (BGH, Beschluss vom 3. Juni 1993
– I ZB 9/91, GRUR 1993, 825,
826; Urteil vom 5. Februar 1998
– I ZR 211/95, BGHZ 138, 55, 61). Dies gilt
auch für den Bereich des Strafrechts. Ein absoluter Vorrang der richtlinien-
konformen Auslegung im Bereich des materiellen Strafrechts liefe Gefahr, in
Konflikt mit der eingeschränkten Rechtsetzungskompetenz der Europäischen
Union auf dem Gebiet des Strafrechts und dem Grundsatz der möglichst
weitgehenden Schonung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu geraten
(vgl. Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 520, 550 f., 563;
Schröder, Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht, 2002, S. 434,
452 f.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., 2011, § 11 Rn. 51). Richt-
linienvorgaben können aus diesem Grund nicht in jedem Fall vorbehaltlos in
das Strafrecht übertragen werden, zumal der Richtliniengeber die Auswirkun-
gen einer andere Lebensbereiche betreffenden Richtlinie auf das Strafrecht
eines jeden Mitgliedsstaates mitunter nicht im Blick hat bzw. haben kann (vgl.
Schröder, aaO, S. 444, 450). Es bedarf daher der Prüfung, ob der Regelungs-
inhalt der Richtlinie nach deren Sinn und Zweck auf die Strafnorm durchschlägt
(Schröder, aaO, 2002, S. 452 f.; Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwar-
tung im Verbraucherschutzstrafrecht, 2009, S. 119; Rönnau/Wegner, GA 2013,
561, 564). Dabei ist zu beachten, dass der normative Gehalt einer nationalen
Vorschrift im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nicht grundlegend neu
bestimmt werden darf (vgl. Jarass, EuR 1991, 211, 218; Satzger, Die Europäi-
sierung des Strafrechts, 2001, S. 533).
Nach diesen Maßstäben scheidet eine einschränkende Auslegung des
Betrugstatbestands aufgrund der Richtlinie 2005/29/EG aus. Das Leitbild des
durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbrauchers hat
– dem
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Zweck des Lauterkeitsrechts entsprechend
– primär den Schutz der Dispositi-
onsfreiheit des Verbrauchers im Blick und zielt darauf ab ihn generalpräventiv
vor unlauteren Beeinflussungen vor, bei oder nach Vertragsschluss zu schützen
und damit seine (rechtsgeschäftliche) Entscheidungsfreiheit und mittelbar den
Schutz der Mitbewerber sowie einen unverfälschten Wettbewerb zu gewähr-
leisten (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 1 Rn. 17;
Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 1 Rn. 20 f.; Fezer, WRP 1995,
671, 675; Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucher-
schutzstrafrecht, 2009, S. 129 f.). Gemäß Art. 1 bezweckt auch die Richtlinie
2005/29/EG, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der
Mitgliedsstaaten über unlautere Geschäftspraktiken zu einem reibungslosen
Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucher-
schutzniveaus beizutragen. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es keiner Ein-
schränkung des strafrechtlichen Vermögensschutzes. Die Richtlinie verfolgt
nicht den Zweck, Geschäftspraktiken straffrei zu stellen, die zu einer Verletzung
von Rechtsgütern der Verbraucher führen, und Verhaltensweisen zu privilegie-
ren, die auf die Täuschung unterdurchschnittlich aufmerksamer und verständi-
ger Verbraucher gerichtet sind (Vergho, wistra 2010, 86, 90 f.). Irreführende
Geschäftspraktiken, die dazu dienen, den Verbraucher durch gezielte Täu-
schung an seinem Vermögen zu schädigen, werden von dem Schutzzweck der
Richtlinie daher nicht erfasst (vgl. Erb, ZIS 2011, 368, 376; Rönnau/Wegner,
GA 2013, 561, 566).
Es kommt hinzu, dass eine Begrenzung der Betrugsstrafbarkeit auf sol-
che Täuschungshandlungen, die geeignet sind, einen durchschnittlich verstän-
digen und aufmerksamen Verbraucher zu täuschen, dem durch § 263 StGB
intendierten Rechtsgüterschutz widerspräche. Eine richtlinienkonforme Ausle-
gung des Betrugstatbestands darf nicht so weit gehen, dass dessen Schutzbe-
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reich gegenüber Personen eingeschränkt wird, die intellektuell oder situativ
nicht zu einem normativ „durchschnittlichen“ Maß an Selbstschutz in der Lage
sind (Fischer, aaO Rn. 55a). Denn dadurch würde der strafrechtliche Rechtsgü-
terschutz gerade solchen Verbrauchern versagt, die in besonderem Maße
schutzwürdig sind (Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Ver-
braucherschutzstrafrecht, 2009, S. 298 f.). Zu bedenken ist überdies, dass es
keinerlei Hinweis dafür gibt, dass der Europäische Richtliniengeber, der den
Verbraucherschutz mit seinen Regelungen stärken wollte, diesen Personen-
kreis zum Zwecke der Harmonisierung dem strafrechtlichen Schutz einzelner
Mitgliedsländer entziehen wollte.
Eine Beschränkung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes auf durch-
schnittlich verständige Verbraucher führte überdies zu einer die Grenzen der
richtlinienkonformen Auslegung überschreitenden Normativierung des Täu-
schungs- und Irrtumsbegriffs. Anders als der Begriff des durchschnittlich infor-
mierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der normativ geprägt
(vgl. Fezer, WRP 1995, 671, 676; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG,
5. Aufl., § 2 Rn. 94, 96; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5,
Rn. 1.49 mwN) und deshalb hinsichtlich seiner Reichweite von den Gerichten
selbständig zu bestimmen ist (vgl. den Erwägungsgrund 18 der Richtlinie
2005/29/EG sowie EuGH, Urteil vom 18. Oktober 2012
– C-428/11, GRUR
2012, 1269, 1272), setzt der Betrugstatbestand nach seinem Wortlaut die Erre-
gung eines durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums voraus. Der Irrtum ist als
Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit eine
psychologische Tatsache (vgl. Fischer, aaO Rn. 54; NK-Kindhäuser, 4. Aufl.,
§ 263 Rn. 170), sein Vorliegen ist Tatfrage (Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl.,
§ 263 Rn. 33). Es kommt daher nicht darauf an, was der Getäuschte hätte ver-
stehen müssen, sondern was er tatsächlich verstanden hat (vgl. Vergho, wistra
30
- 17 -
2010, 86, 89; Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 32a). Mit diesen
Grundsätzen wäre eine Auslegung des Betrugstatbestands nicht in Einklang zu
bringen, die
– ungeachtet eines bestehenden Täuschungsvorsatzes – Fehlvor-
stellungen von Verbrauchern, die dem Leitbild des durchschnittlichen Verbrau-
chers nicht entsprechen, dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz entzieht.
(2) Selbst wenn man den vorstehenden grundsätzlichen Erwägungen
nicht folgte, käme jedenfalls in der hier vorliegenden Fallgestaltung eine Ein-
schränkung des Betrugstatbestands aufgrund einer die Vorgaben und Wertun-
gen der Richtlinie 2005/29/EG berücksichtigenden Auslegung nicht in Betracht.
Auch dem der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entnommenen
Leitbild des Durchschnittsverbrauchers (grundlegend EuGH, Urteil vom 16. Juli
1998
– C-210/96, WRP 1998, 848, 851) liegt kein besonders aufmerksamer und
gründlicher Idealtypus zugrunde (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG,
32. Aufl., § 5 Rn. 1.48). Vielmehr ist die Sicht eines situationsadäquat aufmerk-
samen Verbrauchers maßgeblich. Die an den Grad der Aufmerksamkeit zu stel-
lenden Anforderungen bestimmen sich dabei nach dem angesprochenen Per-
sonenkreis (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001
– I ZR 193/99, GRUR 2002,
550, 552; Urteil vom 20. Dezember 2001
– I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716)
und der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen, so dass die
Aufmerksamkeit insbesondere dort eher gering, d.h. flüchtig ist, wo es um den
Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs geht (BGH, Urteil
vom 20. Oktober 1999
– I ZR 167/97, NJW-RR 2000, 1490, 1491; Urteil vom
19. April 2001
– I ZR 46/99, NJW 2001, 3193, 3195; Urteil vom 2. Oktober 2003
– I ZR 150/01, GRUR 2004, 244, 245). Die Anforderungen an einen aufmerk-
samen und verständigen Verbraucher, der willens und in der Lage ist, Informa-
tionen zur Kenntnis zu nehmen, dürfen deshalb gerade im auf schnelle Bot-
31
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schaften und schnelle Abschlüsse gerichteten Verkehr nicht überspannt werden
(Hefendehl in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 263 Rn. 50).
Auch nach Art. 5 (2) b) und Art. 5 (3) der Richtlinie 2005/29/EG ist bei der
Beurteilung, ob eine Geschäftspraktik unlauter ist, die Sicht eines leichtgläubi-
gen Verbrauchers immer dann maßgeblich, wenn gerade ein solcher Verbrau-
cher für eine Geschäftspraxis oder das ihr zugrunde liegende Produkt beson-
ders anfällig ist; in diesem Fall muss der Verbraucherschutz dadurch sicherge-
stellt werden, dass die Praxis aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser
Verbrauchergruppe beurteilt wird (vgl. auch den Erwägungsgrund 19). Wird da-
her
– wie hier – die Entgeltlichkeit einer angebotenen Leistung bewusst ver-
schleiert, um die Unaufmerksamkeit oder Leichtgläubigkeit bestimmter Ver-
kehrskreise auszunutzen, ist kein Raum für eine einschränkende Auslegung
des Betrugstatbestands. Dies wird auch durch die im Anhang I der Richtlinie
aufgeführten Geschäftspraktiken bestätigt, „die unter allen Umständen als un-
lauter gelten“. Dieser Anhang enthält unter der Nummer 21 als irreführende Ge-
schäftspraxis die Fallkonstellation, dass Werbematerialien eine Rechnung oder
ein ähnliches Dokument mit einer Zahlungsaufforderung beigefügt wird, die
dem Verbraucher den Eindruck vermitteln, er habe das beworbene Produkt
bereits bestellt, obwohl dies nicht der Fall ist. Auch hier ist für den Verbraucher
bei sorgfältiger Prüfung erkennbar, dass es sich bei der Zahlungsaufforderung
nicht um die Geltendmachung einer bestehenden Forderung handelt. Ein
hiermit weitgehend vergleichbarer Sachverhalt lag bereits der Entscheidung
BGHSt 47, 1 zugrunde. Die ausdrückliche Aufnahme dieser Fallkonstellation in
den Anhang der Richtlinie 2005/29/EG, die durch das Erste Gesetz zur Ände-
rung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008
(BGBl. I, S. 2949) als Ziffer 22 in den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG übernommen
worden ist, stützt die schon in der vorgenannten Entscheidung des Bundesge-
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richtshofs (Urteil vom 26. April 2001
– 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 6 f.) vertre-
tene Rechtsansicht, wonach weder die Leichtgläubigkeit des Opfers noch die
Erkennbarkeit der Täuschung eine Strafbarkeit wegen Betrugs ausschließen
(vgl. auch Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucher-
schutzstrafrecht, 2009, S. 316).
(3) Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der
Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst. Die dargelegte
Auslegung der Richtlinie ist offenkundig und zweifelsfrei („acte-claire-Doktrin“,
vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982
– 283/81, NJW 1983, 1257; BGH, Be-
schluss vom 25. Oktober 2010
– 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 16).
b) Infolge der Täuschung sollte bei den Nutzern ein Irrtum erregt werden.
Das Verhalten des Angeklagten zielte darauf ab, den Besuchern der Internet-
seite eine kostenfreie Nutzung des Routenplanerangebots vorzuspiegeln, um
sie damit zunächst zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages und nach
Rechnungsstellung zu einer Zahlung der sich aus dem Vertrag ergebenden
Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung für ein Routenplanerabonnement zu veran-
lassen.
c) Der Vorsatz des Angeklagten war auch auf die Herbeiführung eines
Vermögensschadens gerichtet. Unabhängig davon, ob
– wovon das Landge-
richt ausgegangen ist
– bereits das Eingehen der (vermeintlichen) Verbindlich-
keit einen Vermögensschaden begründet hätte, war der Vorsatz des Angeklag-
ten darauf gerichtet, unter Umgehung eines möglichen Widerrufsrechts die täu-
schungsbedingt eingegangene Verpflichtung durchzusetzen und den im Be-
stellvorgang eines „praktisch wertlosen“ Routenplaners angelegten Schaden zu
realisieren (vgl. UA S. 73). Infolge der Zahlung des Abonnementpreises wäre
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- 20 -
nicht nur eine Vermögensgefährdung, sondern bereits ein Erfüllungsschaden
eingetreten (ausdrücklich zur Abofalle im Internet Fischer, aaO Rn. 178).
Der Angeklagte nahm auch zumindest billigend in Kauf, dass die Gegen-
leistung in Form des dreimonatigen Abonnements den Vermögensverlust nicht
kompensieren würde. Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung tritt aufgrund
der Verfügung ein Schaden ein, soweit die Vermögensminderung nicht durch
den wirtschaftlichen Wert des Erlangten ausgeglichen wird (BGH, Urteil vom
7. März 2006
– 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15).
Für das Landgericht war es nicht entscheidend, ob die vom Angeklagten
versprochene Leistung
– das dreimonatige „Abonnement“ – „möglicherweise
objektiv i
hren Preis wert war“ (UA S. 74). Es hat angenommen, dass selbst in
diesem Fall jedenfalls ein Schaden im Sinne eines „persönlichen Schadensein-
schlags“ eingetreten sei (UA S. 73/75), weil „die Leistung im Internet auch um-
sonst erhältlich“ war (UA S. 73) und die Nutzer an der Inanspruchnahme eines
kostenpflichtigen Routenplaners keinerlei Interesse hatten (UA S. 8). Diese Er-
wägungen lassen im Ergebnis keinen den Angeklagten beschwerenden Rechts-
fehler erkennen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt die Annahme
eines Vermögensschadens auch bei objektiv gleichwertigen Leistungen unter
anderem dann in Betracht, wenn der Erwerber, der sich zum Abschluss eines
Vertrags entschlossen hat, die versprochene Leistung nicht oder nicht in vollem
Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumut-
barer Weise verwenden kann (grundlegend Beschluss vom 16. August 1961
– 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 326; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Fe-
bruar 1983
– 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; Beschluss vom 9. März 1999
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- 21 -
– 1 StR 50/99, NStZ 1999, 555; Urteil vom 7. März 2006 – 1 StR 385/05,
NStZ-RR 2006, 206, 207). Dasselbe gilt auch für Fälle der so genannten Unter-
schriftserschleichung, in denen der Getäuschte gar nicht weiß, dass er einen
Vertrag abgeschlossen hat und vertragliche Verpflichtungen eingegangen ist
(BGHSt 22, 88, 89; ebenso OLG Hamm, NJW 1969, 624, 625; 1778; OLG
Frankfurt am Main, NStZ-RR 2002, 47, 49). Wer durch Täuschung zum Ab-
schluss eines entgeltlichen Vertrages veranlasst wird, erleidet einen Ver-
mögensschaden jedenfalls dann, wenn
– wie hier – die vertragliche Gegen-
leistung unter Beachtung der persönlichen Bedürfnisse für ihn praktisch und
damit auch wirtschaftlich wertlos ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 1970
– 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 304; Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00,
BGHSt 47, 1, 8; Urteil vom 19. Juli 2001
– 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387;
Senatsbeschluss vom 24. August 2011
– 2 StR 109/11, ZWH 2012, 191, 192).
Wird ein Verbraucher, der einmalig einen kostenlosen Routenplaner-
Service in Anspruch nehmen will, durch Täuschung zu einem „Abonnement“
über drei Monate in der Absicht verleitet, hierdurch ein Entgelt zu erlangen, liegt
daher hierin ein auf einen Vermögensschaden gerichteter Betrugsversuch (vgl.
auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 403), ohne dass es darauf an-
käme, ob das Abonnement (mit seinen Zusatzleistungen) möglicherweise nach
objektiven Maßstäben seinen Preis wert war. Denn für die hier betroffenen und
vom Angeklagten gezielt über den Abschluss eines Vertrags getäuschten Nut-
zer war diese Gegenleistung subjektiv sinnlos und daher wertlos, da im Internet
jederzeit zahlreiche kostenlose Routenplaner verfügbar sind. Dies war dem An-
geklagten auch bewusst; ebenso der Umstand, dass der Vermögensverlust für
die Nutzer nicht dadurch kompensiert wurde, dass das erworbene „Abonne-
ment“ ohne Weiteres und in zumutbarer Weise in Geld umzusetzen gewesen
wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014
– 5 StR 510/13). Einen Markt
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für die Veräußerung und den Erwerb kostenpflichtiger Routenplanerabonne-
ments gibt es nicht. Der Vorsatz des Angeklagten war damit auf die Verur-
sachung eines Vermögensschadens bei den getäuschten Nutzern gerichtet.
2. Kein Zweifel besteht daran, dass der Angeklagte zur Verwirklichung
des Tatbestands unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB), indem er das Angebot
für ein kostenpflichtiges Routenplanerabonnement auf der von ihm verantwort-
lich gestalteten Internetseite eingestellt hat, ohne die Kostenpflichtigkeit hinrei-
chend kenntlich zu machen. Dass sich das Landgericht, das lediglich drei der
insgesamt 261 Nutzer als Zeugen vernommen hat, nicht die Überzeugung vom
tatsächlichen Vorliegen einer Täuschung bzw. eines Irrtums von Internetnutzern
verschaffen konnte und deshalb
– obwohl zehn Anzeigeerstatter Zahlungen
erbracht hatten
– nicht von einem vollendeten Betrug ausgegangen ist, lässt
auch erkennen, dass sich das Landgericht der von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung eingeräumten Möglichkeiten zur Feststellung von Täuschung
bzw. Irrtum bei gleichförmigen und massenhaften Geschäften nicht bewusst
war (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009
– 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434
[insoweit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt]; aus jüngerer Zeit: BGH, Beschluss
vom 6. Februar 2013
– 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; Urteil vom 22. No-
vember 2013
– 3 StR 162/13, wistra 2014, 97, 98). Die Verurteilung lediglich
wegen versuchten Betrugs beschwert den Angeklagten indes nicht.
3. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit Kenntnis der
gegen ihn bzw. gegen die von ihm geführten Unternehmen ergangenen zivil-
rechtlichen Entscheidungen im Sommer 2007 die Einsicht gehabt, Unrecht zu
tun, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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Aufgrund dieser Entscheidungen war dem Angeklagten bekannt, dass
die von ihm gewählte Gestaltung der Internetseiten gegen zivilrechtliche Nor-
men, unter anderem gegen die Preisangabenverordnung, verstieß. Damit war
die Grundlage für das bis dahin aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme
angenommene Fehlen des Unrechtsbewusstseins entfallen. Soweit er in der
Folgezeit (weiter) womöglich meinte, aus seiner Sicht bestehende Strafbarkeits-
lücken auszunutzen, schließt dies jedenfalls
– worauf das Landgericht unter
Hinweis auf verfassungsrechtliche Rechtsprechung zutreffend hinweist (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006
– 2 BvR 954/02) – dann, wenn – wie
auch hier
– zum Tatzeitpunkt höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vor-
liegen, die Vorstellung der Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation
der Gesetzeslage strafbar zu machen, und legt zumindest die Annahme einer
bedingten Unrechtseinsicht nahe. Die Strafkammer hat ungeachtet dessen im
Sommer 2007 Verschleierungshandlungen des Angeklagten, etwa die Einschal-
tung von Scheingeschäftsführern, Umfirmierungen und Sitzverlegungen, fest-
gestellt, für die er nachvollziehbare Gründe nicht anzugeben vermochte. Soweit
sie daraus schließt, diese Maßnahmen hätten dazu gedient, seine eigene Ver-
antwortlichkeit zu verdecken und eine (persönliche) Inanspruchnahme zu er-
schweren, belegt dies nachhaltig, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt das
erforderliche Unrechtsbewusstsein tatsächlich besessen hat.
4. Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls
stand.
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sowohl gewerbs-
mäßig als auch in der Absicht gehandelt, durch die fortgesetzte Begehung von
Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Ver-
mögenswerten zu bringen, und dadurch die Regelbeispiele des § 263 Abs. 3
42
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Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB erfüllt, ist nicht zu beanstanden. Wie das Land-
gericht festgestellt hat, betrieb der Angeklagte neben der Internetseite
„www.routenplaner-server.com“ weitere Internetseiten, die „ein nahezu identi-
sches Layout“ aufwiesen (UA S. 8). Damit hat das Landgericht die Absicht des
Angeklagten, durch mehrere Straftaten eine große Anzahl von Internetnutzern
zu täuschen und an ihrem Vermögen zu schädigen und sich dadurch eine fort-
währende Einnahmequelle zu verschaffen, hinreichend belegt.
Die konkurrenzrechtliche Einordnung der abgeurteilten Handlungen als
eine Tat schließt ein gewerbsmäßiges Handeln im Sinne des § 263 Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 StGB nicht aus, wenn sich die Absicht des Angeklagten
– wie
hier
– auf die fortgesetzte Begehung von Betrugstaten richtete (Senatsbe-
schluss vom 8. Oktober 2013
– 2 StR 342/13). Gleiches gilt für das Regelbei-
spiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB, das auch den Fall des Massenbe-
trugs mit jeweils geringen Schadenssummen erfasst. Liegt die erforderliche Ab-
sicht der Begehung von wenigstens zwei für den Täter rechtlich selbständigen
Betrugstaten vor (vgl. Fischer, aaO Rn. 219; Schönke/Schröder/Perron,
29. Aufl., § 263 Rn. 188d), begründet bereits die einmalige Tatbegehung einen
besonders schweren Fall des Betrugs (BGH, Beschluss vom 9. November 2000
– 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319, 320).
Allerdings hat das Landgericht, das den Strafrahmen des § 263 Abs. 3
StGB gemäß § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, nicht er-
örtert, ob der vertypte Strafmilderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB
– gege-
benenfalls zusammen mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen
– geeignet
war, von der Annahme eines besonders schweren Falls abzusehen (vgl. Se-
natsbeschluss vom 27. März 2012
– 2 StR 41/12, NStZ-RR 2012, 207). Auf-
grund des Tatbildes und des Umstandes, dass der Angeklagte zwei Regelbei-
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spiele des § 263 Abs. 3 StGB erfüllt hat, schließt der Senat jedoch aus, dass
das Landgericht bei entsprechender Prüfung einen für den Angeklagten günsti-
geren Strafrahmen zugrunde gelegt hätte.
5. Die Entscheidung des Landgerichts, infolge einer rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung einen Vollstreckungsabschlag von vier Monaten auf die
verhängte Strafe zu gewähren, lässt unter Berücksichtigung des im Rahmen
der Sachrüge eröffneten Prüfungsumfangs (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Ok-
tober 2013
– 2 StR 392/13) einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfeh-
ler nicht erkennen.
Fischer
Appl
Krehl
Ott
Zeng
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