Urteil des BGH vom 12.12.2012

Polymerzusammensetzung Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 134/11
Verkündet am:
12. Dezember 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Polymerzusammensetzung
ZPO § 308
Greift der Kläger im Patentnichtigkeitsverfahren das Streitpatent nur im Umfang
einer von mehreren nebengeordneten technischen Lehren an, die Gegenstand
eines einzigen Patentanspruchs sind, geht das Gericht über den Klageantrag
hinaus, wenn es das Streitpatent im Umfang des gesamten Patentanspruchs für
nichtig erklärt. Dies ist im Berufungsverfahren von Amts wegen zu berücksichti-
gen.
EPÜ Art. 56; PatG § 4
Bei der Prüfung, ob der Stand der Technik ausgehend von einer Entgegenhal-
tung dem Fachmann die erfindungsgemäße Lösung nahegelegt hat, ist nicht
nur zu berücksichtigen, was sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig
aus dieser Entgegenhaltung ergibt, sondern gleichermaßen, was der Fachmann
kraft seines Fachwissens aus ihr ableiten kann.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 - X ZR 134/11 - Bundespatentgericht
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 12. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-
Beck, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, den Richter
Dr. Grabinski und die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 24. Mai 2011 verkündete Urteil des
3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf
Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das
Streitpatent nur insoweit für nichtig erklärt wird, als die in der Ur-
teilsformel bezeichneten Patentansprüche Zusammensetzungen
betreffen oder hierauf Bezug nehmen, in denen das mit Stärke in-
kompatible thermoplastische Polymer aus der Gruppe bestehend
aus aliphatisch-aromatischen Copolyestern, die von 30 bis 70 Mol-
prozent aliphatische Struktur enthalten und worin die aromatische
Struktur von Terephthalsäure und/oder Isophthalsäure abgeleitet
ist, ausgewählt ist.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des am 9. November 1997 unter Inanspruch-
nahme der Priorität zweier italienischer Patentanmeldungen vom 5. November
1996 und 9. Dezember 1996 angemeldeten europäischen Patents 0 947 559
(Streitpatents). Das Streitpatent umfasst 18 Patentansprüche, von denen die
Ansprüche 1 und 12 bis 18 in der Verfahrenssprache lauten:
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"1. Biodegradable heterophase polymeric compositions having good
resistance to ageing and to low humidity conditions, comprising
thermoplastic starch and a thermoplastic polymer incompatible
with starch, in which starch constitutes the dispersed phase and
the thermoplastic polymer constitutes the continuous phase,
wherein the thermoplastic polymer incompatible with starch is se-
lected from the group consisting of aliphatic-aromatic copolyes-
ters containing from 30 to 70% by moles of aliphatic structure and
wherein the aromatic structure derives from terephthalic acid
and/or isophthalic acid, polyester-amides deriving for 30 to 70%
by weight from an aliphatic amide, polyester-ethers, polyester-
etheramides, polyester-urethanes and polyester-ureas wherein
the content of units having aliphatic structure is from 30 to 70%
by moles, said compositions being obtainable by extrusion under
conditions wherein the content of water during the mixing of the
components is maintained from 1 to 5% by weight (content
measured at the exit of the extruder, prior to any conditioning).
12. Process for preparing a composition according to any of the pre-
ceding claims 1 to 11, comprising extruding the components of
the composition under conditions wherein the content of water is
maintained from 1 to 5% by weight during the mixing of the com-
ponents.
13. A composition according to claim 1, wherein the starch is dis-
persed in the copolyester matrix in the form of particles having
average numeral dimension less than 1
μm.
14. Compositions according to claim 13, wherein the starch particles
have average numeral dimension less than 0.5
μm and more than
70% of the particles have dimension less than 0.5
μm.
15. A film obtained from the compositions according to any of
claims 1 to 14.
16. Use of the films according to claim 15 in the manufacture of nap-
pies, of sanitary towels, of bags and of laminated paper.
17. Use of the films according to claim 15 in the agricultural field for
mulching application.
18. Use of the compositions according to any of claims 1 to 14 for the
manufacture of expanded moulded articles usable in packaging,
and of disposable articles."
Die Klägerin greift das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis
6, 8 bis 10 und 12 bis 18 an, soweit diese Ansprüche Zusammensetzungen be-
treffen oder Bezug nehmen auf Zusammensetzungen, in denen das mit Stärke
inkompatible thermoplastische Polymer ausgewählt ist aus der Gruppe beste-
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hend aus aliphatisch-aromatischen Copolyestern, die von 30 bis 70 Molprozent
aliphatische Struktur enthalten und worin die aromatische Struktur von Tereph-
thalsäure und/oder Isophthalsäure abgeleitet ist. Sie hat ihre Klage zunächst
auf den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützt, in der mündli-
chen Verhandlung vor dem Patentgericht auch darauf, dass der Gegenstand
des Streitpatents nicht ausführbar sei. Die Beklagte hat das Streitpatent zuletzt
in erster Linie beschränkt verteidigt. Danach soll Patentanspruch 1 folgende
Fassung erhalten:
"Biologisch abbaubare, heterophase, polymere Zusammensetzungen
mit hohem Widerstand gegen das Altern und gegen Feuchtigkeitsar-
mut, umfassend thermoplastische Stärke und ein thermoplastisches,
mit Stärke inkompatibles Polymer, wobei die Stärke die disperse
Phase und das thermoplastische Polymer die kontinuierliche Phase
konstituiert, wobei das mit Stärke inkompatible thermoplastische Po-
lymer ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus aliphatisch-
aromatischen Copolyestern, die von 30 bis 70 Molprozent aliphati-
sche Struktur enthalten und worin die aromatische Struktur von
Terephthalsäure und/oder Isophthalsäure abgeleitet ist, Polyester-
amiden, die für 30 bis 70 Gewichtsprozent von einem aliphatischen
Amid abgeleitet sind, Polyester-Ether, Polyester-Ether-Amide, Poly-
ester-Urethane und Polyester-Harnstoffe, wobei der Gehalt der Ein-
heiten mit aliphatischer Struktur von 30 bis 70 Molprozent reicht, wo-
bei die Zusammensetzungen durch Extrusion unter Bedingungen ge-
wonnen werden, bei denen der Wassergehalt während des Mischens
der Komponenten von 1 bis 5 Gewichtsprozent gehalten wird (Mes-
sung des Gehalts beim Austritt aus dem Extruder vor jeglicher Kondi-
tionierung), und wobei die Stärke in der Copolyestermatrix in Form
von Partikeln mit einer durchschnittlichen Dimension von weniger als
0,5
μm dispergiert ist, und mehr als 70% der Stärkepartikel Dimensi-
onen von weniger als 0,5
μm aufweisen."
Das Patentgericht hat wie folgt erkannt:
"Das europäische Patent 0 947 559 wird mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Pa-
tentansprüche 1 bis 6, 8 bis 10, soweit letztere nicht unmittelbar oder
mittelbar auf Patentanspruch 7 rückbezogen sind, seines Patentan-
spruchs 12, soweit letzterer nicht unmittelbar oder mittelbar auf die
Patentansprüche 7 oder 11 rückbezogen ist, im Umfang seiner Pa-
tentansprüche 13 und 14, im Umfang seiner Patentansprüche 15 bis
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18, soweit diese nicht unmittelbar oder mittelbar auf die Patentan-
sprüche 7 oder 11 rückbezogen sind, für nichtig erklärt."
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erst-
instanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt.
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Berufung ist zulässig.
Allerdings orientiert sich die Berufungsbegründung nicht an den Anforde-
rungen des neuen Berufungsrechts. Sie legt insbesondere nicht den Erforder-
nissen des § 112 Abs. 3 PatG entsprechend die Berufungsgründe dar, sondern
stützt sich maßgeblich auf neuen Sachvortrag, ohne sich an den Voraussetzun-
gen des § 117 PatG in Verbindung mit § 531 Abs. 2 ZPO zu äußern. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der § 112 Abs. 3 Nr. 2 PatG sach-
lich weitgehend entsprechenden Vorschrift des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4
ist die Berufung jedoch schon dann zulässig, wenn wenigstens ein Berufungs-
angriff geführt wird, mit dem in zulässiger Form eine Rechtsverletzung geltend
gemacht wird, die, läge sie vor, geeignet wäre, das angefochtene Urteil ganz
oder teilweise zu Fall zu bringen (BGH, Urteil vom 8. April 1991 - II ZR 35/90,
NJW-RR 1991, 1186, 1187; Urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00,
NJW 2002, 682, 683; Urteil vom 28. Februar 2007 - V ZB 154/06, NJW 2007,
1534 Rn. 12). An diesen Anforderungen hat die Neugestaltung des Rechts der
Berufung durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 nichts geändert
(BGH, Beschluss vom 14. März 2005 - II ZB 31/03, NJW-RR 2005, 793; Be-
schluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285). Damit ge-
nügt die von der Beklagten erhobenen Rüge, das Patentgericht habe rechtsfeh-
lerhaft die Einstellung eines Wassergehalts von 1 bis 5 Gewichtsprozent beim
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Mischen im Extruder für nahegelegt erachtet, weil die internationale Patentan-
meldung 96/31561 (K5) nicht hierauf hinweise, sondern den Fachmann viel-
mehr von einer solchen Maßnahme abhalte. Griffe diese Rüge nämlich durch,
brächte sie das angefochtene Urteil insgesamt zu Fall. Dass das Urteil, wie die
Klägerin geltend macht, gleichwohl aus anderen Gründen im Ergebnis zutref-
fend sein könnte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
B. In der Sache bleibt die Berufung jedoch im Wesentlichen ohne Er-
folg.
I.
Das Streitpatent betrifft biologisch abbaubare Polymerzusammenset-
zungen, die Stärke und ein thermoplastisches Polymer enthalten.
1. Die Streitpatentschrift bezeichnet es eingangs als bekannt, dass sich
die mechanischen Eigenschaften, insbesondere die Reißfestigkeit, von Produk-
ten aus thermoplastischer Stärke als disperser Phase und einem mit Stärke
inkompatiblen thermoplastischen Polymer beträchtlich verschlechterten, weil die
Stärke Wasser abgebe oder absorbiere, bis sie mit der Umgebungsfeuchtigkeit
im Ausgleich sei. Unter Bedingungen relativ niedriger Feuchtigkeit, beispiels-
weise bei 20% Feuchtigkeit, zeige das Material die Tendenz, fragil zu werden.
Wenn die die disperse Phase konstituierenden Stärkepartikel belastet seien,
könnten sie sich nicht verformen und die Belastung aufnehmen, sondern blie-
ben starr, was zum Zerreißen führe. Wasser sei zwar ein sehr wirksamer
Weichmacher für die Stärkephase, habe aber den Nachteil, dass es volatil sei
und zur Herstellung eines Gleichgewichts mit der Umgebungsfeuchtigkeit in
seiner Konzentration schwanke. Die wirksamsten Weichmacher mit hohem Sie-
depunkt (insbesondere Glycerol) tendierten demgegenüber dazu, dem System
verloren zu gehen, insbesondere wenn die Feuchtigkeit zyklischen Schwankun-
gen unterliege oder es im Kontakt mit anderen hydrophilen Materialien wie Zel-
lulose zur Migration komme.
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Das Streitpatent will vor diesem Hintergrund eine biologisch abbaubare
polymere Zusammensetzung angeben, die unter Bedingungen niedriger Feuch-
tigkeit gute mechanische Eigenschaften, insbesondere hohe Reißfestigkeit,
aufweist.
2. Zur Erläuterung der erfindungsgemäßen Lösung nimmt die Streitpa-
tentschrift Bezug auf die Stammanmeldung PCT-EP 97/06103. Diese beschrei-
be drei Typen von biologisch abbaubaren, heterophasen Zusammensetzungen,
die thermoplastische Stärke und ein mit Stärke inkompatibles thermoplastisches
Polymer aufwiesen, in denen die Stärke die disperse Phase und das Polymer
die kontinuierliche Phase ausmachten, die geeignet seien, gute mechanische
Eigenschaften auch bei geringer relativer Feuchtigkeit zu bewahren. Das Streit-
patent betreffe die dort genannte Gruppe C, bei der das mit Stärke inkompatible
thermoplastische Polymer ein Copolyester sei, das ausgewählt sei aus alipha-
tisch-aromatischen Copolyestern, Polyesteramiden, Polyesterethern, Polyester-
etheramiden, Polyesterharnstoffen und Polyesterurethanen, wobei die Zusam-
mensetzungen durch Extrusion der Komponenten unter Bedingungen gewon-
nen würden, bei denen der am Ausgang des Extruders vor der Konditionierung
gemessene Wassergehalt während der Mischung bei 1 bis 5 Gewichtsprozent
gehalten werde.
Im Stand der Technik, u. a. in der internationalen Patentanmeldung
96/31561 (K5), seien Zusammensetzungen beschrieben, die Stärke und Copo-
lyester enthielten wie aliphatisch-aromatische Copolyester, Polyesteramide und
Polyesterurethane. Dabei werde die Copolyester-Stärke-Mischung im Extruder
so gemischt, dass der Wassergehalt unter einem Gewichtsprozent gehalten
werde, da bei einem höheren Wassergehalt eine Hydrolyse und Degradierung
des Copolyesters mit entsprechender Beeinträchtigung der Eigenschaften des
Endprodukts erwartet werde (Absatz 114).
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Überraschenderweise habe sich herausgestellt, dass unter den erfin-
dungsgemäß für die Herstellung der Zusammensetzungen der Gruppe C ange-
wandten Bedingungen die Abnahme des Molekulargewichts des Polyesters
vernachlässigbar sei (Absatz 115). Wenn die Kompatibilisierungsbedingungen
während des Mischens mit dem Extruder ausreichend gut seien, um eine Stär-
ke-Dispersion in Form von Partikeln mit einer durchschnittlichen Größe von we-
niger als 1 µm, vorzugsweise weniger als 0,5
μm, zu gewinnen, wiesen die re-
sultierenden Zusammensetzungen zudem Eigenschaften auf, die denen des
Polyethylens ähnlich seien und auch bei relativ niedriger Feuchtigkeit praktisch
unverändert blieben (Absatz 116).
3. Die mit dem Hauptantrag der Berufung verteidigte Zusammenset-
zung lässt sich - unter Außerachtlassung der nicht angegriffenen Alternativen -
wie folgt gliedern [Nummerierung des Patentgerichts in eckigen Klammern]:
1. Die polymere Zusammensetzung umfasst
1.1 thermoplastische Stärke und
1.2 ein thermoplastisches, mit Stärke inkompatibles Polymer
[1.1].
2. Das Polymer ist ein aliphatisch-aromatischer Copolyester, der 30
bis 70 Molprozent einer aliphatischen Struktur enthält und bei
dem die aromatische Struktur von Terephthalsäure oder Isoph-
thalsäure abgeleitet ist [1.2].
3. Die Zusammensetzung ist durch eine Extrusion gewinnbar, bei
welcher der beim Austritt aus dem Extruder vor einer Konditionie-
rung gemessene Wassergehalt während des Mischens der Kom-
ponenten auf 1 bis 5 Gewichtsprozent eingestellt wird [2].
4. Die Zusammensetzung ist heterophas derart, dass
4.1 das Polymer die kontinuierliche Phase und
4.2 die Stärke die disperse Phase bildet [3].
5. Die Stärke ist in der Copolyestermatrix in Form von Partikeln mit
einer durchschnittlichen Dimension von weniger als 0,5 µm dis-
pergiert, wobei mehr als 70% der Stärkepartikel Dimensionen von
weniger als 0,5 µm aufweisen [3.3].
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6. Die Zusammensetzung ist
6.1 biologisch abbaubar [3.1] und
6.2 weist hohe Beständigkeit gegen das Altern und gegen Be-
dingungen geringer Feuchtigkeit auf [3.2].
II. Das Patentgericht hat diesen Gegenstand für nicht patentfähig er-
achtet und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Eine polymere Zusammensetzung mit den erfindungsgemäßen Merkma-
len ergebe sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Entgegen-
haltung K5 bzw. der Veröffentlichung von U. Seeliger "Biologisch abbaubar" in
Plastverarbeiter 1996, 62 (K6) in Verbindung mit der internationalen Patentan-
meldung 92/19680 (K10).
Als Fachmann sei ein Diplomchemiker der Fachrichtung makromolekula-
re Chemie bzw. Polymerchemie anzunehmen, der mit der Entwicklung von um-
weltverträglichen polymeren Zusammensetzungen betraut sei und sich durch
langjährige Praxis tiefgreifende Kenntnisse auf dem Gebiet der Herstellung sol-
cher Materialien erworben habe. Stehe ein solcher Fachmann vor dem Prob-
lem, biologisch abbaubare polymere Zusammensetzungen zu schaffen, die
auch bei niedriger Feuchtigkeit gute mechanische Eigenschaften, insbesondere
eine hohe Reißfestigkeit, bewahren, werde er die Entgegenhaltungen K5, K6
und K10 heranziehen. In der K6 werde ausgeführt, dass durch die gezielte
Auswahl von Monomeren und einen maßgeschneiderten Aufbau der Polymer-
struktur ein Kompromiss gefunden werden könne, der gleichzeitig ausreichende
Gebrauchseigenschaften, niedrige Herstellkosten und biologische Abbaubarkeit
ermögliche. Durch die Angaben in der K6 werde der Fachmann in die Lage ver-
setzt, statistische Copolyester aus 60 Molprozent Adipinsäure, 40 Molprozent
Terephthalsäure und 1,4-Butandiol in die Hand zu bekommen und in Mischun-
gen mit thermoplastischer Stärke entsprechend den Merkmalen 1, 2, 4 und 6
einzusetzen. Der Einwand der Beklagten, dass die in K6 beschriebenen Copo-
lyester aus aliphatischen Diolen sowie aliphatischen und aromatischen Dicar-
bonsäuren nur das Grundgerüst der - nach der K6 zu modifizierenden - Copoly-
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ester bildeten, sei nicht gerechtfertigt, weil auch die polymere Zusammenset-
zung des Streitpatents durch Einbau zusätzlicher Komponenten variiert werden
könne und die Ausführungen in der K6 zur Herstellung der Blends und deren
Eigenschaften eindeutig zeigten, dass die so hergestellten Copolyester als kon-
tinuierliche Phase vorlägen, während die thermoplastische Stärke feindispers
(inkompatibel) eingelagert sei.
Aus der K6 gehe allerdings nicht hervor, dass der Wassergehalt entspre-
chend Merkmal 3 während des Mischens der Komponenten im Bereich von 1
bis 5 Gewichtsprozent gehalten werde. Hinweise auf einen erstrebenswerten
Wassergehalt von unter 5 Gewichtsprozent in der Gesamtmischung habe der
Fachmann indessen der K10, die ebenfalls biologisch abbaubare polymere Zu-
sammensetzungen basierend auf Stärke und thermoplastischen Polymeren be-
treffe, entnehmen können. Die Herstellung gemäß K10 erfolge durch Mischen
der Komponenten in einem Extruder bei Temperaturen zwischen 100 und
220° C, wobei der Wassergehalt durch Entgasen während der Extrudierung auf
1,5 bis 5 Gewichtsprozent (vor der Konditionierung) eingestellt werde. Die
Extrusionsbedingungen wie Temperatur und Scherkräfte seien gemäß K10 so
auszuwählen, dass eine Kompatibilisierung zwischen Polymer und Stärke ge-
währleistet sei. Dies entspreche dem Vorgehen nach dem Streitpatent. Auch
aus der K5 habe der Fachmann den Hinweis entnehmen können, dass ein Ge-
samtwassergehalt in der fertigen Mischung bis zu 5 Gewichtsprozent erstre-
benswert sei.
Die anspruchsgemäße Dispersion der Stärke in der Copolyestermatrix
(Merkmal 5) ergebe sich zwangsläufig aufgrund der im Stand der Technik ent-
weder unmittelbar angewandten oder daraus sich in naheliegender Weise dem
Fachmann erschließenden Verfahrensführung. Eine Teilchengröße von weniger
als 0,5
μm habe auch im Hinblick auf die Veröffentlichungen von Tomka, Ther-
moplastic starch compounds: Physico-chemical backgrounds, processing condi-
tions and properties, 1993 (K7), von Simmons/Thomas, Structural Characteris-
tics of Biodegradable Thermoplastic Starch/Poly(ethylene-vinyl alcohol) Blends,
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Journal of Applied Polymer Science 1995, 2259 (K8) und von Tomka et al.,
Thermoplastic Starch/Polymer Blends: Structure, Properties, Application, 1991
(K9) im Blickfeld des Fachmanns gelegen. Der Einwand der Beklagten, die
Schriften K7 bis K9 beträfen andere Polymermatrizes, überzeuge nicht, weil die
Größenverteilung der dispergierten Phase nicht durch die Art der verwendeten
Polymermatrix beschränkt sei.
III. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Wesentlichen
stand.
1. Das angefochtene Urteil berücksichtigt allerdings nicht die - im Tat-
bestand wiedergegebene - Beschränkung des Klageangriffs auf Zusammenset-
zungen, in denen das mit Stärke inkompatible thermoplastische Polymer aus-
gewählt ist aus der Gruppe bestehend aus aliphatisch-aromatischen Copolyes-
tern, die von 30 bis 70 Molprozent aliphatische Struktur enthalten und bei denen
die aromatische Struktur von Terephthalsäure und/oder Isophthalsäure abgelei-
tet ist. Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt, hat das Patentgericht dazu
die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass auch ein
beschränkter Angriff auf das Patent zu dessen vollständiger Nichtigerklärung
führen könne, wenn die Patentinhaberin keine von ihr formulierte eingeschränk-
te Fassung der Patentansprüche vorgelegt habe.
Dies trifft nicht zu. Patentanspruch 1 sieht außer den aliphatisch-aroma-
tischen Copolyestern nach Merkmal 2 weitere Möglichkeiten für die Auswahl
des thermoplastischen Polymers vor und vereinigt damit nebengeordnete tech-
nische Lösungen in einem Anspruch. Greift in einem solchen Fall der Nichtig-
keitskläger nur eine der mit dem Patentanspruch unter Schutz gestellten techni-
schen Lehren an und hat er mit diesem Angriff Erfolg, so geht das Gericht über
den Klageantrag hinaus, wenn es das Streitpatent insgesamt für nichtig erklärt
(§ 308 ZPO). Ein Verstoß gegen § 308 ZPO ist von Amts wegen zu beachten
(BGH, Urteil vom 7. März 1989 - VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087; Urteil vom
21. Juni 2001 - I ZR 245/98, NJW-RR 2002, 257 Rn. 25 - Kinderhörspiele). Dies
führt hier dazu, dass die Nichtigerklärung entsprechend zu beschränken ist.
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2. Die Annahme des Patentgerichts, für den Fachmann, der sich bei der
Lösung des dem Streitpatent zugrunde liegenden Problems an der K6 orientie-
rent habe, habe es nahe gelegen, ein mit Stärke inkompatibles Polymer zu ver-
wenden, hält den Angriffen der Berufung stand.
a) Ohne Erfolg rügt die Berufung, angesichts der in der K6 vorgesehe-
nen Modifizierung des Copolyesters, zum Beispiel durch Einbau hydrophiler
Komponenten, verzweigend wirkender Monomere oder Verbindungen, die zu
einer Kettenverlängerung und damit Erhöhung des Molekulargewichts führten,
sei der Copolyester nicht zwingend im Sinne des Merkmals 1.2 mit Stärke in-
kompatibel.
Dies ist schon deshalb unerheblich, weil das Patentgericht, anders als in
seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG, die Entgegenhaltung K6 nicht unter
dem Gesichtspunkt möglicher Neuheitsschädlichkeit erörtert hat, sondern unter
dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit. Dafür ist es aber unerheblich,
ob der K6 "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist, dass der eingesetzte
Copolyester mit Stärke inkompatibel ist, oder ob die Schrift dem Fachmann le-
diglich die Möglichkeit eröffnet hat, einen mit Stärke inkompatiblen Copolyester
zu verwenden. Letzteres bezweifelt aber auch die Berufung nicht.
Für die Frage, ob erfinderische Tätigkeit zu verneinen ist, kommt es an-
ders als bei der Neuheitsprüfung nicht darauf an, ob eine Entgegenhaltung ein
Merkmal "unmittelbar und eindeutig" offenbart. Vielmehr ist maßgeblich, ob der
Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfin-
dung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen
durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und
Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des techni-
schen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Hinzukommen muss
zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu be-
schreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen
Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger
Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb
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einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR
2010, 407 - einteilige Öse; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10,
GRUR 2012, 378 Rn. 16 - Installiereinrichtung). Bei der Prüfung, ob der Stand
der Technik ausgehend von einer Entgegenhaltung dem Fachmann die erfin-
dungsgemäße Lösung nahe gelegt hat, ist nicht nur zu berücksichtigen, was
sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dieser Entgegenhaltung
ergibt, sondern gleichermaßen, was der Fachmann kraft seines Fachwissens
aus ihr ableiten kann.
b) Schon deshalb kann die Berufung auch nicht mit dem Einwand
durchdringen, aus der Tatsache, dass nach der K6 die Stärke die disperse
Phase bilde, die in die Copolyestermatrix eingebettet sei, könne nicht abgeleitet
werden, dass Stärke und Copolyester miteinander inkompatibel seien, da, wie
sich aus der - mit der Berufungsbegründung vorgelegten - Veröffentlichung von
Koning u.a., Strategies for Compatibilization of Polymer Blends, 1998 (NB10)
ergebe, auch kompatible (teilweise mischbare) Blends aus verschiedenen Po-
lymeren disperse Systeme bildeten.
Im Übrigen setzt sich die Berufung damit in Widerspruch zu der nach
§ 117 Satz 1 PatG, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Berufungsentscheidung zu-
grunde zu legenden Feststellung des Patentgerichts, dass nach der K6 eine mit
dem Polyester inkompatible Stärke fein dispers in die kontinuierliche Copolyes-
terphase eingelagert ist. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit
dieser Feststellung begründen könnten, werden von der Berufung nicht darge-
tan.
Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Anlage NB10. Dabei kann
dahinstehen, ob dies schon deswegen gilt, weil das auf den Inhalt der - im Übri-
gen nachveröffentlichten - Schrift von Koning gestützte Berufungsvorbringen
seinerseits nach § 117 Satz 1 PatG, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen
ist, weil es nicht bereits im ersten Rechtszug geltend gemacht und nicht darge-
tan ist, dass dies nicht auf Nachlässigkeit beruht (s. dazu BGH, Urteil vom
28. August 2012 - X ZR 99/11, GRUR 2012, 1236 Rn. 35 ff. - Fahrzeugwech-
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selstromgenerator). Denn wie die von der Klägerin vorgelegten Auszüge aus
dem Lehrbuch Polymer Chemistry von Seymour/Carraher (K31) und dem Werk
Polymer Rheology and Processing von Collyer/Utracki (K32) belegen, werden
im Allgemeinen kompatible und mischbare/einphasige Polymerblends gleichge-
setzt. Der unter Hinweis auf die NB10 angeführte Umstand, dass auch teilweise
mischbare Blends, bei denen ein kleiner Teil einer Blendkomponente in der an-
deren gelöst ist, als kompatibel zu bezeichnen sein mögen, rechtfertigt nicht die
Annahme, die K6, die keinerlei Hinweise auf eine solche teilweise Lösung ent-
hält, lege eine mit der Polymerkomponente kompatible Stärke zugrunde. Erst
recht rechtfertigt er nicht die Annahme, die K6 schließe die Verwendung inkom-
patibler Komponenten aus.
3. Ebenso wenig dringt die Berufung mit der Rüge durch, das Patentge-
richt habe zu Unrecht eine Einstellung des Wassergehalts während des Mi-
schens in einem 1 bis 5 Gewichtsprozent entsprechenden Bereich für aus
fachmännischer Sicht wünschenswert erachtet.
a) Die Berufung stützt diesen Angriff zum einen darauf, dass das ther-
moplastische Polymer nach der Entgegenhaltung K10, auf die sich das Patent-
gericht insoweit bezogen hat, zwar neben aliphatischen Hydroxysäuren auch
Monomere aus Terephthalsäure umfasse, jedoch keine aliphatisch-aroma-
tischen Copolyester gemäß Merkmal 2. Sie meint, erfindungsgemäße Extrusi-
onsbedingungen führten bei den Polymerblends nach K10 nicht notwendiger-
weise zu einer feinen Teilchenstruktur, wie sie Merkmal 5 definiere. Dies ver-
kennt jedoch die Begründung des Patentgerichts, das der K10 lediglich ent-
nommen hat, dass der von der K6 ausgehende Fachmann einen in dem erfin-
dungsgemäßen Bereich liegenden Wassergehalt als erstrebenswert erkennen
konnte.
b) Der Berufung kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie die Annah-
me des Patentgerichts beanstandet, der Fachmann erhalte nicht nur in der K10,
sondern auch in der K5 den Hinweis, dass ein Gesamtwassergehalt in der ferti-
gen Mischung von bis zu 5 Gewichtsprozent sinnvoll sei, und werde hierdurch
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auf eine Einstellung des Wassergehalts nach Merkmal 3 hingelenkt. Die Beru-
fung führt dazu aus, der Fachmann sei durch die K5 von der Einstellung eines
solchen Wassergehalts während des Mischens abgehalten worden, da die K5
lehre, den Wassergehalt auf weniger als ein Gewichtsprozent zu drücken, um
unerwünschte Hydrolysereaktionen zu vermeiden und eine molekulare Kopp-
lung zwischen Stärke und Copolyester zu ermöglichen.
(1) Allerdings vermag der Senat nicht der Annahme des Patentgerichts
beizutreten, die Bemerkung in der K5, die extrudierte trockene Schmelze werde
in einem Wasserbad gekühlt, damit sie 2 bis 6 Gewichtsprozent Wasser auf-
nehme, gebe den Hinweis auf einen erstrebenswerten Gesamtwassergehalt in
der fertigen Mischung und es liege "davon ausgehend" die Herstellung einer
solchen Zusammensetzung unter Merkmal 3 entsprechenden Extrusionsbedin-
gungen "auf der Hand". Denn dass die fertige Mischung nach der K5 einen ge-
wissen Wasseranteil aufnehmen soll, ändert nichts daran, dass die Schrift, wie
das Patentgericht an anderer Stelle zutreffend ausführt, darauf Wert legt, dass
der Wassergehalt vor oder beim Mischen auf weniger als ein Gewichtsprozent
reduziert wird (K5, S. 9, Abs. 2; S. 11, Abs. 2: "geforderte Wasserfreiheit"; "
weist die Schmelze einen äußerst geringen Wassergehalt auf, vorzugsweise <
0,5 bzw. < 0,1 Gewichtsprozent").
(2) Dies rechtfertigt jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass es aus
fachmännischer Sicht angezeigt erschien, nicht mit dem in der K10 angegebe-
nen Wassergehalt während des Mischens zu arbeiten, sondern Maßnahmen zu
ergreifen, um im Einklang mit der K5 eine nahezu wasserfreie Schmelze erzeu-
gen zu können. Dazu müsste dem Fachmann die K5 als die "höhere Autorität"
erschienen sein. Dafür wird von der Berufung jedoch nichts dargetan. Dagegen
spricht, dass die K5 ausdrücklich nur die "Vermutung" äußert, dass beim Mi-
schen der beiden Polymere unter Ausschluss von Wasser die in den Molekül-
ketten des (Co-)Polyesters eingebauten Estergruppen Veresterungsreaktionen
mit der thermoplastischen Stärke eingingen, womit die so reagierenden Mole-
külketten mit der Stärke einen Phasenvermittler bildeten, der eine molekulare
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Kopplung der beiden Phasen ermögliche, und es werde im Fall von Feuchtigkeit
diese Reaktion konkurrenziert, indem die Säureestergruppen bei Anwesenheit
von Wasser nicht mit der Stärke zu Bildung des Phasenvermittlers reagierten,
sondern hydrolisierten (K5, S. 10 Abs. 2). Abgesehen davon, dass nicht darge-
tan und nicht erkennbar ist, was dafür hätte sprechen sollen, dass etwa bei ei-
nem geringfügig über einem Gewichtsprozent liegenden Wasseranteil eine et-
waige Konkurrenzreaktion die Bildung eines Phasenvermittlers vollständig oder
weitgehend verhindern würde, hatte der Fachmann, wenn es die in der K5 ge-
äußerte Vermutung fraglich erscheinen ließ, ob der in der K10 zugrunde gelegte
Wassergehalt hinnehmbar war, zumindest Anlass zu erproben, ob diese Be-
denken gerechtfertigt waren. Hätte der Fachmann dies getan, wäre er zu der in
der Beschreibung des Streitpatents (Absatz 115) wiedergegebenen Erkenntnis
gelangt, dass die befürchtete Abnahme des Molekulargewichts des Polyesters
vernachlässigbar ist.
4. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Patentgericht
auf der Grundlage seiner bisher erörterten Annahmen auch eine erfindungsge-
mäße Zusammensetzung für nahegelegt erachtet hat, bei der die in der Copo-
lyestermatrix dispergierten Stärketeilchen eine durchschnittliche Größe von we-
niger als 0,5
μm aufweisen und zu mehr als 70% aus Teilchen solcher Größe
bestehen.
a) Das Streitpatent gibt außer den vorstehend erörterten keine weiteren
Maßnahmen an, mit denen sich eine solche feine Dispersion erreichen lässt. Es
ist daher berufungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Patentgericht an-
genommen hat, dass sie auch mit dem durch die K6 in Verbindung mit der K10
nahegelegten Verfahren erreichbar war. Auf die Ergebnisse von Nacharbei-
tungsversuchen zu den Entgegenhaltungen K5 und K10, bei denen sich eine
dementsprechende feine Dispersion nicht ergeben haben soll, kommt es da-
nach nicht an.
b) Ergänzend hat das Patentgericht darauf hingewiesen, dass etwa die
Entgegenhaltung K7 für eine Zusammensetzung aus thermoplastischer Stärke
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und hydrophoben Polymerkomponenten eine Teilchengröße der dispersen
Phase von weniger als 0,2
μm angibt. Der Angriff der Berufung, die in der K7
offenbarte Lehre sei für den Fachmann nicht ausführbar, ist unerheblich. Das
Patentgericht hat die K7 lediglich herangezogen, um zu belegen, dass es für
den Fachmann, gerade auch dann, wenn er gute mechanische Eigenschaften
und insbesondere eine gute Wasserbeständigkeit anstrebte, wünschenswert
sein musste, das Verfahren so zu führen, dass er eine feine Dispersion erhielt.
c) Soweit schließlich die Berufung rügt, aus den in Tabelle 1 der K6
dargestellten Reißfestigkeitswerten könne nicht gefolgert werden, dass diese
Reißfestigkeiten bei niedriger Umgebungsfeuchte weitgehend erhalten blieben,
da die Schrift nicht offenbare, bei welchem Wassergehalt die Stärke-Polyester-
Mischung erhalten werde, und deshalb nicht gefolgert werden könne, dass die
in K6 offenbarten Verfahrensbedingungen unmittelbar und zwangsläufig zu den
Merkmalen 5 und 6.2 entsprechenden Eigenschaften des Endprodukts führten,
geht dies hiernach aus den vorstehend zu 2 a erörterten Gründen ebenfalls
fehl.
5. Auf die Angriffe der Berufung gegen die weitere Annahme des Pa-
tentgerichts, dem Fachmann sei der Gegenstand des Streitpatents auch durch
die K5 in Verbindung mit der K10 nahegelegt worden, kommt es nach alledem
nicht mehr an.
6. Soweit schließlich die Beklagte im Schriftsatz vom 8. Oktober 2012
verschiedene Verfahrensrügen erhebt, sind diese schon deshalb unbeachtlich,
weil sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erhoben worden sind
(§ 117 PatG, § 529 Abs. 2 ZPO, § 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b PatG).
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung
mit § 92 Abs. 2 ZPO.
Meier-Beck
Richter am Bundesgerichtshof
Mühlens
Keukenschrijver ist in den Ru-
hestand getreten und kann
deshalb nicht unterschreiben.
Meier-Beck
Grabinski
Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.05.2011 - 3 Ni 3/10 (EU) -
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