Urteil des BGH vom 17.07.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 31/06 Verkündet
am:
17. Juli 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ nein
BGHR ja
BGB §§ 275, 280, 283, 326 Abs. 2 C, 362 Abs. 1, 631 Abs. 1
a) Erbringt ein Nachunternehmer noch ausstehende Teile seiner dem Hauptunter-
nehmer geschuldeten Leistung aufgrund eines gesondert geschlossenen Vertra-
ges direkt für dessen Auftraggeber, reicht der Eintritt des Leistungserfolgs als sol-
cher nicht aus, um insoweit zugleich eine Bewirkung der Leistung des Nachunter-
nehmers an den Hauptunternehmer anzunehmen.
b) Bei der Ermittlung der dem Nachunternehmer gegen den Hauptunternehmer noch
zustehenden Restvergütung ist regelmäßig zu berücksichtigen, ob und inwieweit
der Nachunternehmer seinen Anspruch auf die Gegenleistung behalten haben
könnte, aber sich den vom Auftraggeber erhaltenen Werklohn anrechnen lassen
muss, bzw. ob umgekehrt der Nachunternehmer für dem Hauptunternehmer ent-
gangenen Gewinn und ggfs. für weitere Schäden aufzukommen hat.
BGH, Urt. v. 17. Juli 2007 - X ZR 31/06 - Schleswig-Holsteinisches OLG
LG
Kiel
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 17. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter
Gröning
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 10. Februar 2006 ver-
kündete Urteil des 14. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgerichts in Schleswig aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte wurde Anfang August 2004 von den H.
(H. ) mit Ausbaggerungsarbeiten im K. Hafenbecken und der
Entsorgung des Baggerguts beauftragt. Die Beklagte, die nur die Baggerarbei-
ten selbst ausführen wollte, beauftragte ihrerseits die Klägerin damit, das Bag-
gergut zu entsorgen. In diesem Zusammenhang schrieb die Klägerin der Be-
klagten unter dem 9. August 2004:
1
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"… Aufgrund der Vorgaben des Auftraggebers, der H. K. , wer-
den alle Rechnungen an H. immer im Folgemonat des Rech-
nungseingangs am 20. des Monats bezahlt.
Dies bedeutet, dass die Leistungen bis 31.08.2004 bei H. abge-
rechnet und vorliegen müssen, um am 20.09.2004 die erste Zah-
lung zu erhalten. Diese, wie alle weiteren Abrechnungen, werden
von Ihnen an die H. erstellt und Sie erhalten die Zahlungen von
H. .
Gemeinsam wird hiermit festgelegt, dass Sie die am 20.09.2004 er-
folgenden und entsprechend alle weiteren Zahlungen von H. zur
sofortigen Zahlung unserer an Sie gestellten Rechnungen verwen-
den."
Es fielen 4.445,11 t Baggergut an, die die Klägerin zu ihrer Deponie in
G. transportierte. Das Baggergut musste noch mit Massezusätzen auf-
bereitet werden, weil es ohne diese nicht endlagerungsfähig war. Um die da-
nach zu erwartende Gesamtmenge in G. endlagern zu können, hatte
die Klägerin zunächst in Absprache mit der zuständigen Behörde den Ausbau
der Deponie geplant.
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Die Klägerin stellte der Beklagten für ihre Leistungen drei Teilrechnun-
gen vom 20. August sowie 2. und 20. September 2004 über insgesamt
357.704,54 €, wobei sich die Rechnung vom 2. September 2004 im Wesentli-
chen auf die Entsorgung von 2.400 t Baggergut bezog. Diese Leistung hatte die
Beklagte ihrerseits in ihrer ersten H. gestellten Abschlagsrechnung vom
27. August 2004 mit 184.579,20 € inkl. MwSt. berücksichtigt. Auf diese Ab-
schlagsrechnung, die sich insgesamt auf 300.297,99 € belief, zahlte H. an
die Beklagte 267.571,20 €.
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Zur ordnungsgemäßen Endlagerung des Baggerguts kam es in der Fol-
ge zunächst nicht. Die Klägerin machte die ausbleibende Zahlung des Werk-
lohns seitens der Beklagten dafür verantwortlich, das von ihr mit dem Ausbau
der Deponie beauftragte Unternehmen nicht mehr bezahlen zu können, wes-
halb dieses die Arbeiten einstellte.
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Im Juni 2005 lagerte die Klägerin im direkten Auftrag von H.
3.121,30 t des in G. befindlichen, konditionierten Baggerguts um und
erhielt von H. dafür 211.393,42 € inkl. MwSt. Die Schlussrechnung der Be-
klagten erkannte H. nur noch in Höhe eines geringfügigen Restbetrages an.
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Bereits im Oktober 2004 hatte die Klägerin Klage auf Zahlung der ge-
samten Rechnungsbeträge über 357.704,54 € nebst Zinsen erhoben. Das
Landgericht hat die Beklagte mit der Begründung zur Zahlung von 184.579,20 €
nebst Zinsen verurteilt, der Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 9. August
2004 sei nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens
Vertragsinhalt geworden und die Beklagte sei verpflichtet, diesen Betrag aus
der von H. erhaltenen Abschlagszahlung an die Klägerin weiterzuleiten. Im
Übrigen hat es die Klage mangels Fälligkeit der weiteren Klageforderung abge-
wiesen. Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung mit dem Ziel der vollständi-
gen Klageabweisung eingelegt und außerdem widerklagend beantragt, die Klä-
gerin zu verurteilen, ihr eine prüfbare Schlussrechnung über die von der Kläge-
rin im Zusammenhang mit dem Verbringen des Baggerguts erbrachten Leistun-
gen zu erteilen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurück- und die Wider-
klage abgewiesen. Mit der vom Senat im Umfang der Zurückweisung ihrer Be-
rufung zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsan-
trag weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht hat sich die Entscheidungsgründe des landge-
richtlichen Urteils zu eigen gemacht und zur Begründung ergänzend ausgeführt:
Durch die Umlagerung von 3.121,30 t sei die ordnungsgemäße Entsor-
gung des gesamten Baggerguts bewirkt und die geschuldete Werkleistung da-
mit vollständig fertig gestellt worden.
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Dass die Klägerin die geschuldete endgültige Entsorgungsleistung in ei-
nem gesonderten Vertragsverhältnis entgeltlich für H. erbracht habe, bedeu-
te nicht, dass ihr deshalb die (vollständige) Erbringung der gegenüber der Be-
klagten geschuldeten Leistung nachträglich unmöglich und diese von ihrer
Pflicht zur Zahlung des Werklohns nach § 326 Abs. 1, § 275 Abs. 1 und 4 BGB
frei geworden wäre. Vielmehr habe die Klägerin zugleich den Anspruch der Be-
klagten auf ordnungsgemäße Entsorgung des Baggerguts gemäß § 362 Abs. 1
BGB erfüllt; unter Leistung im Sinne dieser Vorschrift sei nicht die Leistungs-
handlung, sondern der Eintritt des Leistungserfolges zu verstehen, der hier dar-
in liege, dass die Beklagte nunmehr ebenso wie H. von einer eventuellen
öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme als Abfallerzeuger bzw. -besitzer (§ 11
Abs. 1 KrW-/AbfG) befreit sei.
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Die Werklohnforderung der Klägerin sei jedenfalls in Höhe des ausgeur-
teilten Betrags fällig: Von dem Gesamtrechnungsbetrag von 357.704,54 € sei
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zunächst ein von H. ausgehandelter Nachlass von 2,75% (9.836,37 €) abzu-
ziehen, den auch die Klägerin zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen ha-
be. Selbst wenn mit 77.696,69 € des Weiteren der Betrag abgezogen werde,
den die Klägerin selbst infolge der mit H. vereinbarten Umlagerung eines
Teils des Entsorgungsguts der Klägerin gutzuschreiben bereit sei (von H.
gezahlter Werklohn für die Umlagerung des Baggerguts, soweit es die Menge
von 4.445,11 t überstieg) und selbst wenn zugunsten der Klägerin angenom-
men werde, dass die von H. vorgenommene Kürzung der ersten Abschlags-
rechnung der Beklagten über 32.726,79 € in vollem Umfang Rechnungspositio-
nen der Klägerin betroffen habe, verbleibe immer noch ein fälliger Betrag von
237.444,19 €.
Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf das Fehlen einer prüffähigen
Schlussrechnung berufen, weil ihr mit den drei erteilten Teilrechnungen in einer
Weise Aufschluss über die berechneten Leistungen verschafft worden sei, die
ihren Informations- und Kontrollbedürfnissen genüge.
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II. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung haben Erfolg. Auf der
Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen ist die Verurteilung der Be-
klagten nicht gerechtfertigt.
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1. Soweit das Berufungsgericht im Anschluss an das Landgericht eine
"Vorleistungspflicht" der Beklagten aus dem Schreiben der Klägerin vom 9. Au-
gust 2004 hergeleitet hat, fehlen Feststellungen dazu, dass die darin ausbe-
dungene Weiterleitung von H. geleisteter Zahlungen Vertragsinhalt gewor-
den ist. Den Feststellungen im Berufungsurteil zufolge hat die Beklagte der Klä-
gerin am 4. August 2004 den Auftrag zur Entsorgung des Baggerguts ein-
schließlich der erforderlichen Vor- und Nebenleistungen erteilt. Dass dabei be-
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reits über die Weiterleitung der von H. geleisteten Zahlungen in einer Weise
verhandelt worden war, dass der Inhalt des Schreibens vom 9. August 2004
nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens Vertrags-
inhalt werden konnte (vgl. dazu Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 346
Rdn. 17 ff.), ist weder dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen land-
gerichtlichen Urteil zu entnehmen, noch hat es dies selbst festgestellt. Der
Wortlaut des für die Modifikation der Zahlungspflicht entscheidenden Passus
("Gemeinsam wird hiermit festgelegt …") spricht weniger für die Bestätigung
eines vorverhandelten Vertragsinhalts, als vielmehr für eine nachgeschobene
Klausel.
Selbst auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte das Berufungs-
gericht der Klägerin im Übrigen nicht mehr zubilligen dürfen, als diese der Be-
klagten berechnet hatte, nämlich 157.800 € zzgl. MwSt. und nicht mit 159.120 €
+ MwSt. den Betrag, den die Beklagte H. in Rechnung gestellt hatte.
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2. Nicht beigetreten werden kann der Auffassung des Berufungsgerichts,
die Klägerin habe den vertraglichen Anspruch der Beklagten auf Entsorgung
des Baggerguts im Zuge der Umlagerung der Teilmenge von 3.121,30 t voll-
ständig erfüllt.
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a) Nach § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete
Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Unter "Schuldverhältnis" ist dabei die
einzelne Leistungspflicht einer Partei zu verstehen (BGHZ 10, 391, 395). Zwar
tritt die Erfüllungswirkung regelmäßig als objektive Folge der Leistungsbewir-
kung ein, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssten, wenn der Schuld-
ner den geschuldeten Leistungserfolg herbeiführt. Voraussetzung ist aber, dass
die Leistung einem bestimmten Schuldverhältnis zugeordnet werden kann, was
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etwa der Fall ist, wenn es sich dabei um die allein geschuldete handelt und kei-
ne andere, gleichartige Schuld besteht, auf welche die Leistung daneben oder
statt dessen erbracht worden sein könnte und der Schuldner keine Bestimmung
trifft (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1990 - II ZR 215/89, NJW 1991, 294 f.; Münch-
KommBGB/Wenzel, § 362 Rdn. 12; Staudinger/Olzen, Vor §§ 362 ff. Rdn. 14).
Unproblematisch lässt sich der Erlöschenstatbestand ferner feststellen, wenn
der Schuldner (einem einzigen Gläubiger) aus mehreren Schuldverhältnissen
verpflichtet ist und das Geleistete zur Tilgung aller Verbindlichkeiten ausreicht
(BGH, aaO). Eine rechtsgeschäftliche Einigung oder einseitige Tilgungsbe-
stimmung des Schuldners ist in solchen Fällen nicht notwendig.
Es ist indes anerkannt, dass es besondere Sachverhaltsgestaltungen
geben kann, in denen die bloße Bewirkung der Leistung für deren eindeutige
Zuordnung nicht genügt (vgl. Olzen, aaO Rdn. 14 a. E.), etwa, weil die Leistung
nicht ausreicht, um alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Verbindlich-
keiten abzudecken (Wenzel, aaO), aber auch dann, wenn aufgrund der Interes-
senlage der Beteiligten Zweifel daran bestehen, dass eine Leistung mehreren
Schuldverhältnissen zugeordnet werden kann. Um einen solchen Fall handelt
es sich, was das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt hat, hier.
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b) Die von der Klägerin für H. erbrachte, abfallrechtskonforme Entsor-
gung eines Teils des Baggerguts durch Umlagerung auf eine andere Deponie,
war nicht die allein geschuldete Leistung, sondern die Klägerin war zugleich
weiterhin gegenüber der Beklagten verpflichtet, das gesamte Baggergut ord-
nungsgemäß endzulagern. Durch die Teilumlagerung ist zwar im Ergebnis das
gesamte Baggergut ordnungsgemäß entsorgt worden, weil die Umlagerung er-
sichtlich so bemessen war, dass der in G. verbliebene Rest die Kapazi-
tät der dortigen Deponie nicht mehr überschritt. Das von der Klägerin zusätzlich
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infolge der Beauftragung durch H. Geleistete hat dementsprechend, äußer-
lich betrachtet, ausgereicht, um alle Verbindlichkeiten abzudecken. Jedoch be-
standen diese nicht, wie in der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom
3. Dezember 1990 erörterten Fallgestaltung, gegenüber einem einzigen Gläubi-
ger, sondern gegenüber zwei unterschiedlichen. Diese waren zudem in Bezug
auf die von der Klägerin für H. geleisteten Arbeiten als Gläubiger und
Schuldner vertraglich verbunden, weil die Beklagte mit der Entsorgungsleistung,
um deren Erfüllung es hier geht, als Hauptunternehmerin gegenüber H. in
der Pflicht stand.
c) Erbringt der Nachunternehmer Teile seiner dem Hauptunternehmer
noch geschuldeten Leistung aufgrund eines gesonderten Vertrages direkt für
dessen Auftraggeber, kann dies entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
nicht bestimmungsgemäß zugleich dem Nachunternehmer-Vertragsverhältnis
zugeordnet werden. Mit der Fälligkeit des Nachunternehmer-Werklohns würde
dann grundsätzlich - vorbehaltlich etwaiger Gegenrechte bzw. Schadensersatz-
ansprüche - zugleich die Vergütung des Hauptunternehmers durch seinen Auf-
traggeber fällig. Diese Rechtsfolge im Vertragsverhältnis zwischen Hauptunter-
nehmer und Auftraggeber wollen Nachunternehmer und Auftraggeber regelmä-
ßig nicht herbeiführen, wenn sie gesondert eine teilweise Leistungserbringung
durch den Nachunternehmer vereinbaren. Ein Auftraggeber, der sich veranlasst
sieht, zur Herbeiführung des ausstehenden werkvertraglichen Erfolgs einen
weiteren Vertrag mit dem Subunternehmer seines eigentlichen Vertragspartners
abzuschließen, will naturgemäß vermeiden, für die in der Folge vom Subunter-
nehmer für ihn ausgeführte und diesem vergütete Leistung zugleich dem
Hauptunternehmer zur Zahlung verpflichtet zu sein, und zwar auch dann, wenn
das Risiko einer weiteren Inanspruchnahme wegen möglicher Gegenrechte
oder Schadensersatzansprüche herabgesetzt erscheinen mag. Der Auftragge-
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ber wird insbesondere mit Blick auf die Voraussetzungen für etwaige Scha-
densersatzansprüche rechtliche Unwägbarkeiten sehen, denen er nach den
Regeln wirtschaftlicher Vernunft und unternehmerischer Vorsicht und für seine
Vertragspartner erkennbar möglichst vorbeugen will. Mit Blick auf die vergü-
tungsrechtlichen Konsequenzen der Erfüllung der Verpflichtungen des Werkun-
ternehmers entspricht es dem - für die Beteiligten erkennbaren - Willen des Auf-
traggebers allein, dass der Nachunternehmer der einen Teil der Leistung direkt
für ihn ausführt und dafür von ihm vergütet wird, diesen Teil nicht zugleich für
den Hauptunternehmer erbringt, um diesem (weiterhin) den Einwand der feh-
lenden Leistungserbringung entgegenhalten zu können. Aus der maßgeblichen
Sicht des Auftraggebers erbringt der Nachunternehmer, zumal, wenn es sich
dabei, wie hier, um ein formkaufmännisches Unternehmen (§ 6 Abs. 1 HGB)
handelt, die konkret abgesprochene Leistung deshalb stillschweigend nur für
ihn und nicht auch für den Hauptunternehmer. Ob etwas anderes gelten kann,
wenn der Nachunternehmer Abweichendes gegenüber dem Hauptunternehmer
verlautbart, etwa durch eine zusätzliche Tilgungsbestimmung, oder ob eine sol-
che Bestimmung unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen bzw. treuwid-
rigen Verhaltens unwirksam wäre, kann dahinstehen, weil die Beklagte im
Streitfall erst im Rahmen der mit H. geführten Auseinandersetzung von der
Teilumlagerung erfahren hat.
d) Hat der Nachunternehmer nach den vorstehenden Ausführungen teil-
weise nicht an den Hauptunternehmer geleistet, so folgt daraus nicht, dass ihm
gegen den Letzteren überhaupt keine Werklohnansprüche zustehen können.
Der im Streitfall geschlossene Werkvertrag hat teilbare Leistungen zum Ge-
genstand. Der Umstand, dass die Klägerin einen Teil des Leistungsprogramms
direkt für den Auftraggeber ihres Vertragspartners erbracht hat, hat, wie bereits
ausgeführt, zur Folge, dass im Ergebnis das gesamte Baggergut entsorgt und
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damit die werkunternehmerischen Pflichten erfüllt sind. Deshalb hat die Klägerin
für den Teil, den sie für die Beklagte erbracht hat, entsprechende Werklohnan-
sprüche gegen diese, während ihr die Erfüllung des Teils, den sie direkt für
H. erbracht hat, im Verhältnis zur Beklagten unmöglich geworden ist (§ 275
Abs. 1 BGB). Ob sie auch insoweit Werklohnansprüche gegen die Beklagte hat
und sich nur ersparte Aufwendungen und die von H. erhaltene Vergütung
anrechnen lassen muss, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen von § 326
Abs. 2 BGB vorliegen. Zu alledem hat das Berufungsgericht, worauf zurückzu-
kommen sein wird (vgl. nachstehend unter 4.), keine Feststellungen getroffen.
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der ausgeurteilte
Betrag der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Durchgriffsfälligkeit
(§ 641 Abs. 2 BGB) zu. Der Rechtsstreit ist auch unter diesem Gesichtspunkt
der Höhe nach nicht zur Endentscheidung reif. Die von H. an die Beklagte
geleistete Abschlagzahlung bezog sich zwar u. a. auch auf von der Klägerin
erbrachte Entsorgungsleistungen. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Ver-
handlung vor dem Berufungsgericht waren diese auch vollständig erbracht. Je-
doch hatte H. die Abschlagrechnung um rd. 11% gekürzt, so dass jedenfalls
Feststellungen dazu hätten getroffen werden müssen, ob diese Kürzungen
auch die Leistungen der Klägerin betrafen. Im Übrigen kann nach allgemeinen
Grundsätzen (§ 242 BGB) einer Partei auch unter dem Gesichtspunkt der
Durchgriffsfälligkeit nicht etwas zugesprochen werden, wenn sie es umgehend
an die zahlungspflichtige Gegenpartei zurückerstatten muss. Im Streitfall be-
stand, wie nachstehend dargelegt, Anlass, dies zu prüfen.
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4. Der Rechtsstreit muss nach allem an das Berufungsgericht zurück-
verwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens ein-
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schließlich des Verfahrens über die Nichtzulassung der Revision zu entschei-
den haben wird. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
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Ob bzw. in welcher Höhe der Klägerin Werklohn gegen die Beklagte zu-
steht, hängt zum einen davon ab, welchen Teil des gesamten Leistungspro-
gramms die Klägerin für H. und welchen sie für die Beklagte erbracht hat
und, wie bereits erwähnt (oben II.2.d), zum anderen davon, ob die Beklagte die
Verzögerung und die Teilbeauftragung der Klägerin durch H. zu vertreten hat
oder umgekehrt.
a) Für die Gewichtung der Teile, die die Klägerin für H. bzw. die Be-
klagte erbracht hat, liegt es in entsprechender Anwendung von § 441 Abs. 1
Satz 1, 2. Halbs. BGB (vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., § 275 Rdn. 7) nahe, auf
das Mengenverhältnis des umgelagerten Teils des Entsorgungsguts zu dem in
G. verbliebenen abzustellen. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung
des verbliebenen und des umgelagerten Teils dürfte nach dem als Vertrags-
grundlage eingereichten Telefax (Anlage BK 1, GA Bl. 197 f.) nicht das Netto-
gewicht des abgebaggerten Guts (4.445,11 t), sondern die Bruttomenge unter
Einschluss der zugesetzten Massen sein, weil der Entsorgungspreis pro Tonne
Baggergut die Zusätze ersichtlich einbezog.
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Ob die Vor- und Nebenleistungen (Baustelleneinrichtung, Einrichtung
und Rückbau des Zwischenlagers, wetterfeste Plane, Pumpleistungen) quotal
umzulegen oder dem Vertragsverhältnis zur Klägerin bzw. dem zu H. zuzu-
ordnen sind, hängt davon ab, ob diese Leistungen auf das Entsorgungsgut ins-
gesamt zu beziehen sind oder nur auf Teile davon. Dazu werden Feststellungen
zu treffen sein.
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b) Steht der Teil fest, den die Klägerin für die Beklagte erbracht hat,
hängt die tatsächliche Höhe ihres Werklohnanspruchs von Folgendem ab:
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Ist die Beklagte zumindest weit überwiegend dafür verantwortlich, dass
H. die Klägerin selbst beauftragt hat, dann kann die Klägerin im Ausgangs-
punkt von der Beklagten den gesamten Werklohn verlangen (§ 326 Abs. 2
Satz 1 BGB). Eine zumindest überwiegende Verantwortung der Beklagten
kommt in Betracht, wenn sie vorleistungspflichtig und die Klägerin infolge der
Nichterfüllung dieser Pflicht nicht in der Lage war, das Baggergut vertragsge-
recht zu entsorgen. Dazu ist der von den Parteien geschlossene Vertrag auszu-
legen und dabei ist insbesondere zu prüfen, ob das Schreiben der Klägerin vom
9. August 2004 Vertragsinhalt geworden ist (vgl. oben II.1).
Auch wenn die Beklagte zumindest überwiegend für die Verzögerung
verantwortlich ist, muss sich die Klägerin bezüglich des Teils, den sie für H.
erbracht hat, den dafür von H. gezahlten Werklohn anrechnen lassen. Au-
ßerdem muss sie sich eventuelle ersparte Aufwendungen anrechnen lassen
(§ 326 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dafür könnten ersparte Kosten für den geplanten
Ausbau der Deponie in G. infrage kommen, sofern diese Ersparnis
größer ist, als der zusätzliche Aufwand, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie
einen Teil des Baggerguts umgelagert hat.
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c) Ist umgekehrt die Klägerin selbst für die Verzögerung und damit dafür
verantwortlich, dass H. sie zum Zwecke der Ersatzvornahme (§ 637 BGB)
beauftragt hat, behält die Klägerin zwar im Ausgangspunkt ihren Werklohnan-
spruch für den Teil, den sie für die Beklagte erbracht hat. Es kommen dann je-
doch Schadensersatzansprüche bzw. Gegenrechte der Beklagten gegen die
Klägerin in Betracht (§§ 275, 280, 283 ff. BGB). Diese können daraus resultie-
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ren, dass der Beklagten Gewinn entgangen ist, nachdem H. ihr über die
einmalige Abschlagzahlung von 267.571,20 € hinaus nur noch eine geringfügi-
ge Schlusszahlung geleistet hat. Im Übrigen kann die Beklagte sich selbst ge-
genüber H. durch die Verzögerung schadensersatzpflichtig gemacht und die
Klägerin dafür gegenüber der Beklagten einzustehen haben.
Melullis RiBGH
Keukenschrijver
ist
Ambrosius
urlaubsbedingt
abwesend
und
daher
verhindert
zu
unterschreiben
Melullis
Mühlens
Gröning
Vorinstanzen:
LG Kiel, Entscheidung vom 29.04.2005 - 14 O 142/04 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 10.02.2006 - 14 U 93/05 -