Urteil des BGH vom 05.10.2005
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 57/05
Verkündet am:
5. Oktober 2005
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:  ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 546 a Abs. 1
Zum Umfang der Nutzungsentschädigung bei Vorenthaltung der Mietsache nach Ver-
tragsbeendigung.
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2005 - VIII ZR 57/05 -  LG Berlin
AG Berlin-Charlottenburg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom  5. Oktober  2005  durch  die  Vorsitzende  Richterin  Dr. Deppert,  Richter
Dr. Beyer, Ball und Dr. Leimert sowie die Richterin Hermanns
für Recht erkannt:
Die  Revision  der  Beklagten  gegen  das  Urteil  der  Zivilkammer  64
des  Landgerichts  Berlin  vom  28. Januar  2005  wird  zurückgewie-
sen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die  Klägerin  war  Mieterin,  die  Beklagte  Vermieterin  einer  Wohnung  in
B.        ,  R.                -Straße              .  Mit  Schreiben  vom  28. Januar 2003  kün-
digte  die  Klägerin  das  Mietverhältnis  zum  30. April  2003.  Die  Rückgabe  der
Wohnung erfolgte am 15. Mai 2003. Die Parteien streiten nur noch darüber, ob
die Klägerin für den gesamten Monat Mai 2003 Nutzungsentschädigung zu zah-
len  hat. Insoweit  hat  das  Berufungsgericht,  das  der  Beklagten einen  Anspruch
auf Nutzungsentschädigung für die zweite Hälfte des Monats Mai 2003 versagt
hat, die Revision zugelassen. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin
eine volle Nutzungsentschädigung für den Monat Mai 2003.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Ab Mitte Mai 2003 habe der Beklagten eine weitere Nutzungsentschädi-
gung  nach  Rückgabe  nicht  zugestanden.  Nutzungsentschädigung  gemäß
§ 546 a  BGB  könne  nach  dem  Gesetz  nur  für  die  Zeit  der  Vorenthaltung  ge-
währt  werden.  Erwägungen  aus  dem  Schadensersatzrecht  führten  nicht  zur
Verlängerung  dieses  gesetzlichen  Zeitraumes,  so  dass  eine  Beweiserleichte-
rung  für  den  Zeitraum  im  Monat  nicht  vorzunehmen  sei.  Für  diesen  Zeitraum
gelte ebenso wie für die Folgezeit, dass zur Darlegung eines Schadensersatz-
anspruches  die  Notwendigkeit  bestehe,  substantiiert  die  Vermietungsgelegen-
heit  darzutun.  Schadensersatzansprüche  wegen  Nichtvermietbarkeit  der  Woh-
nung ab Monatsmitte seien nicht hinreichend dargetan.
II.
Dies  hält  der  revisionsrechtlichen  Prüfung  stand.  Die  Revision  der  Be-
klagten  ist  daher  zurückzuweisen.  Die  Beklagte  hat  gegen  die  Klägerin  einen
Anspruch  auf  Nutzungsentschädigung  gemäß  § 546 a  Abs. 1  BGB  nur  bis  zur
Rückgabe der Wohnung am 15. Mai 2003.
1.  Ob  im  Falle  der  Rückgabe  der  Mietsache  an  einem  zwischen  den
Mietvertragsparteien nicht vereinbarten Tag innerhalb eines Monats Nutzungs-
entschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB bis zum Schluss der Mietzinsberech-
nungsperiode  oder  nur  bis  zum  Übergabetag  geschuldet  wird,  ist  umstritten.
Während eine Ansicht einen Anspruch aus § 546 a Abs. 1 BGB nur für die Zeit
bis  zur  Rückgabe  des  Mietobjekts  bejaht  und  den  Vermieter  im  Übrigen  auf
Schadensersatzansprüche  (vgl.  § 546 a  Abs. 2  BGB)  verweist  (vgl.  z.B.  OLG
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Rostock,  NJW-RR  2002,  1712;  KG  Berlin,  Grundeigentum  2003,  253;  OLG
Köln,  ZMR  1993,  77;  Schilling  in  MünchKommBGB,  4. Aufl.,  § 546 a  Rdnr. 16;
Emmerich/Sonnenschein,  Miete,  8. Aufl.,  § 546 a  Rdnr. 16),  wird  andererseits
vertreten, dass bei Erfüllung der Rückgabeverpflichtung "zur Unzeit" Nutzungs-
entschädigung nach § 546 a BGB bis zum Schluss der Mietzinsberechnungspe-
riode oder bis zum nächsten üblichen Miettermin zu bezahlen sei (vgl. z.B. OLG
Düsseldorf, Grundeigentum 2002, 1428; KG Berlin, Grundeigentum 2001, 989;
Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 546 a Rdnr. 11).
2.  § 546 a  Abs. 1  BGB  (früher  § 557  Abs. 1 BGB)  ist  von  dem  der  Inte-
ressenlage  entsprechenden  Gedanken  getragen,  dass  es  unter  keinem  Ge-
sichtspunkt  gerechtfertigt  erscheint, den  Mieter,  der  die  Mietsache  nach  Been-
digung  des  Mietverhältnisses  dem  Vermieter  vorenthält,  besser  zu  stellen,  als
er  bei  Fortdauer  des  Mietvertrages  gestanden  hätte.  Er  soll  für  die  Dauer  der
Vorenthaltung  mindestens  die  vereinbarte  Miete  weiter  entrichten,  weil  es  nur
an ihm liegt, dass er noch im Besitz der Mietsache ist, und weil er es selbst in
der Hand hat, sich durch die Herausgabe der Mietsache seiner Verpflichtung zu
entledigen.  Die  Bestimmung  gewährt  dem  Vermieter  eine  Mindestentschädi-
gung,  die in  ihrer  Höhe  weder  davon  abhängig ist, ob  und  inwieweit  dem  Ver-
mieter  aus  der  Vorenthaltung  der  Mietsache ein  Schaden  erwachsen ist,  noch
davon,  ob  der  Mieter  aus  dem  vorenthaltenen  Mietgegenstand  einen  entspre-
chenden  Nutzen  hat  ziehen  können.  Durch  die  Regelung  des  § 546 a  Abs. 1
BGB (§ 557 Abs. 1 BGB a.F.) wird Druck auf den Mieter ausgeübt, die geschul-
dete Rückgabe der Mietsache zu vollziehen; es liegt allein an ihm, die Rechts-
folgen des § 546 a Abs. 1 BGB (§ 557 Abs. 1 BGB a.F.) zu vermeiden oder zu
beenden (BGHZ 107, 123, 128, 129). Nur für die Dauer der Vorenthaltung der
Mietsache  kann  der  Vermieter  als  Entschädigung  den  vereinbarten  Mietzins
verlangen.  Für  die  Zeit  danach  bleibt  ihm  bei  Vorliegen  der  entsprechenden
Voraussetzungen die Geltendmachung eines Schadens infolge einer erst späte-
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ren Vermietung vorbehalten (vgl. § 546 a Abs. 2 BGB). Der Begriff der Vorent-
haltung  besagt  nach  der  ständigen  Rechtsprechung  des  Bundesgerichtshofs,
dass  der  Mieter  die  Mietsache  nicht  zurückgibt  und  das  Unterlassen  der  Her-
ausgabe  dem  Willen  des  Vermieters  widerspricht  (Senat,  Urteil  vom  7. Januar
2004 - VIII ZR 103/03, NJW-RR 2004, 558 unter II 2 a).
3.  Im  vorliegenden  Fall  hat  die  Klägerin  die  Wohnung  am  15. Mai  2003
zurückgegeben. Nur bis zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin die Wohnung der
Beklagten vorenthalten im Sinne des § 546 a Abs. 1 BGB. Die Klägerin ist des-
halb nur  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  zur  Fortzahlung der  Miete  verpflichtet.  Einen
weiteren Schaden für die Zeit danach (vgl. § 546 a Abs. 2 BGB) hat die Beklag-
te nicht dargelegt.
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Ball
Dr. Leimert
Hermanns
Vorinstanzen:
AG Charlottenburg, Entscheidung vom 17.05.2004 - 236 C 27/04 -
LG Berlin, Entscheidung vom 28.01.2005 - 64 S 265/04 -
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