Urteil des BGH vom 25.04.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 198/04 Verkündet
am:
25. April 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 278, 280 Abs. 1, 662, 675 Abs. 1 und 2;
BGB-InfoV §§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1
a) Es bleibt offen, ob zwischen einem Reisebüro, das Agenturverträge mit verschie-
denen Reiseveranstaltern geschlossen hat, und dem Beratung bei der Auswahl
einer Pauschalreise wünschenden Reisekunden ein eigenes Vertragsverhältnis
mit Haftungsfolgen für das Reisebüro zustandekommt.
b) Nach getroffener Auswahlentscheidung des Reisekunden wird das Reisebüro bei
den Informationen über die Durchführung der konkreten gewählten Reise jeden-
falls nur noch als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters tätig.
c) Insbesondere die Information über die Pass- und Visumerfordernisse gehört in der
Regel nicht zu der möglicherweise vom Reisebüro geschuldeten Auswahlbera-
tung, sondern ist allein Pflicht des Reiseveranstalters bei den Verhandlungen über
den gewählten Reisevertrag (§§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB-InfoV). Sofern sich
der Reiseveranstalter zur Erfüllung dieser Pflicht des Reisebüros bedient, haftet er
für dessen Verschulden (§ 278 BGB).
BGH, Urt. v. 25. April 2006 - X ZR 198/04 - LG Bremen
AG
Bremen
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 25. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Rich-
ter Scharen, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter Prof.
Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts
Bremen vom 5. August 2004 wird auf Kosten der Klägerin zurück-
gewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Reisebüro, das ihr eine Pau-
schalreise vermittelte, Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung über
die Einreisebestimmungen.
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Die Klägerin ließ sich bei dem Beklagten, der Pauschalreisen mehrerer
Reiseveranstalter vertreibt, beraten und buchte dann für sich und ihre Familie
eine Pauschalreise nach Bulgarien. Für die Einreise in diesen Staat ist ein Rei-
sepass erforderlich. Der 16jährige Sohn der Klägerin besaß keinen solchen. Er
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wurde deshalb am geplanten Abreisetag am Schalter des Reiseveranstalters im
Flughafen Hannover zurückgewiesen. Die Klägerin buchte daraufhin den Flug
auf den nächsten Tag ab Rostock um, und die Familie fuhr mit einem Mietwa-
gen zunächst zurück nach Bremen, wo sie den fehlenden Reisepass beschaff-
te, und von dort am nächsten Tag nach Rostock. Durch die Umbuchungsgebühr
und die Mietwagen- und Benzinkosten entstand ein Aufwand von insgesamt
678,75 €, welchen die Klägerin zuzüglich einer Entschädigung von 221,71 € für
einen verlorenen Reisetag vom Beklagten ersetzt verlangt.
Nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des erst-
instanzlichen Urteils hat die Klägerin ihre Behauptung, die sie beratende Mitar-
beiterin des Beklagten habe ihr auf Nachfrage erklärt, für die Einreise genüge
ein Personalausweis, nicht beweisen können, hat aber andererseits auch der
Beklagte nicht bewiesen, dass seine Angestellte der Klägerin einen Reisepros-
pekt aushändigte, aus dessen Preisteil sich das Erfordernis des Reisepasses
ergab. Unstreitig ist, dass die Mitarbeiterin des Beklagten die Klägerin über die-
se Einreisevoraussetzung nicht von sich aus mündlich aufklärte.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist
erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-
folgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht ei-
nen Schadensersatzanspruch der klagenden Reisekundin gegen das beklagte
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Reisebüro verneint. Nicht das Reisebüro, sondern allein der Reiseveranstalter
war verpflichtet, die Kundin über das Passerfordernis zu informieren.
I. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Ein Reisebüro brauche
den Reisekunden nicht über die Notwendigkeit eines Reisepasses aufzuklären.
Anders als der Reiseveranstalter, den weitergehende Hinweispflichten träfen,
weil er die Reise selbst durchführe und für den Erfolg einzustehen habe, sei das
Reisebüro nur Vermittler und schulde dem Kunden nur Beratung bei der Aus-
wahl derjenigen Reise, die den Erwartungen und Bedürfnissen des Kunden am
Besten entspreche. Die Beratungspflicht des Reisebüros beziehe sich deshalb
nur auf die für die Auswahl der Reise entscheidenden Umstände, also z.B. La-
ge, Klima und touristische Angebote des Urlaubsorts, Abflug- und Ankunftsflug-
hafen, Fluggesellschaft, Größe und Lage des Hotels, nicht aber auf die für die
Auswahl in der Regel nicht bedeutsame Frage, ob ein Reisepass erforderlich
sei. Unabhängig davon dürfe das Reisebüro davon ausgehen, es sei dem Kun-
den bekannt, dass der Reisepass das klassische Legitimationspapier für das
Ausland darstelle und deshalb grundsätzlich für jeden Auslandsaufenthalt ein
Reisepass erforderlich sei. Ausnahmen von diesem Grundsatz gälten zwar in
den Ländern der Europäischen Union, für die ein Personalausweis genüge, je-
doch habe der Beklagte die Klägerin nicht über die Selbstverständlichkeit auf-
klären müssen, dass Bulgarien nicht Mitglied der Europäischen Union sei.
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II. Zumindest die Hauptbegründung des Berufungsurteils hält der rechtli-
chen Nachprüfung stand.
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1. Das Berufungsgericht ist mit der ganz herrschenden Meinung in der
Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur davon ausgegangen,
dass zwischen einem Reisebüro, das mehrere Reiseveranstalter vertritt, und
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einem Kunden, den es bei der Auswahl einer Pauschalreise berät, stillschwei-
gend ein selbständiger Vertrag mit Haftungsfolgen zustandekommt, der zumeist
als Reisevermittlungsvertrag bezeichnet wird (s. nur LG Frankfurt a.M. RRa
1999, 55; LG Kleve RRa 2000, 210; LG Frankfurt a.M. RRa 2002, 26; AG Kro-
nach RRa 2002, 83; LG Baden-Baden RRa 2003, 82; Baumbach/Hopt, HGB,
32. Aufl., § 84 Rdn. 49; Dewenter, Die rechtliche Stellung des Reisebüros, S. 42
f.; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rdn. 701; MünchKomm/Tonner, BGB, 4. Aufl., §
651a Rdn. 44; Neuner, ACP 1993, S. 1, 23; Nies, Reisebüro, 2. Aufl., Rdn. 10;
Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., vor § 651 a Rdn. 4). Der Bundesgerichtshof hat
diese Frage bisher offengelassen (Urt. v. 19.11.1981 - VII ZR 238/80, BGHZ 82,
219, 223 f.; v. 10.12.2002 - X ZR 193/99, NJW 2003, 743). Auch der vorliegen-
de Fall nötigt den erkennenden Senat insoweit nicht zu einer Entscheidung.
2. Denn zu Recht hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der von
ihm grundsätzlich für möglich erachteten eigenen vertraglichen Haftung des
Reisebüros weiter entschieden, dass im konkreten Fall der Klägerin gleichwohl
kein Schadensersatzanspruch zusteht (§ 280 Abs. 1 BGB), weil der Beklagte
nicht gegen seine eigenen Beratungspflichten verstoßen hat, als er die Klägerin
nicht über das Passerfordernis für die empfohlene Reise nach Bulgarien infor-
mierte.
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a) Sollte zwischen dem Reisebüro und dem Kunden ein eigener Vertrag
zustandegekommen sein, so hat das Berufungsgericht für diesen Fall zutreffend
ausgeführt, dass das Reisebüro dem Kunden Beratung nur bei der Auswahl der
Reise schuldet, während die davon zu trennende Durchführung der gewählten
Reise mitsamt den dabei anfallenden weiteren Aufklärungs- und Hinweispflich-
ten Sache des Reiseveranstalters ist, und dass - zumindest im Regelfall - die
Unterrichtung über ein Pass- oder Visumerfordernis nicht zur Beratung bei der
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Auswahl, sondern zur Durchführung der Reise gehört (so auch schon LG
Frankfurt aaO; LG Kleve aaO; AG Kronach aaO; LG Baden-Baden aaO; im Er-
gebnis gegen eine Pflicht des Reisebüros zur ungefragten Belehrung auch
MünchKomm/Tonner, aaO Rdn. 38; Niehuus, ZAP 2003, Fach 6, S. 753, 757;
a.A. Tempel, RRa 1999, 56, 57). "Durchführung" ist dabei in dem Sinne zu ver-
stehen, dass auch schon die Buchung der ausgewählten Reise dazugehört.
aa) Falls das Reisebüro eigene vertragliche Beratungspflichten gegen-
über dem Reisekunden hat, so enden diese im Allgemeinen in dem Zeitpunkt,
in dem die Auswahlberatung abgeschlossen ist und der Kunde sich für eine be-
stimmte Reise - oder zunächst nur für einen bestimmten Veranstalter - ent-
scheidet. Nach dieser Auswahlentscheidung beginnen die Verhandlungen über
den konkreten Reisevertrag des Kunden mit einem bestimmten Reiseveranstal-
ter und setzt damit die vorvertragliche Haftung dieses Reiseveranstalters für ein
Verhandlungsverschulden des Reisebüros als seines Erfüllungsgehilfen ein
(Dewenter, S. 68). Somit entsteht keine Schutzlücke für den Reisekunden,
wenn die Haftung des Reisebüros mit der Auswahlentscheidung endet. Neben
der Haftung des Reiseveranstalters fortbestehende eigene Vertragspflichten
des Reisebüros würden zu einer konkurrierenden Haftung und Gesamtschuld-
nerschaft von Reisebüro und Veranstalter führen (so Dewenter, S. 70; Führich,
Rdn. 704; konkludent auch LG Frankfurt a.M. RRa 2002, 26), die indessen nicht
erforderlich ist, weil der Reisekunde keinen doppelten Schutz benötigt. Insbe-
sondere die für die Durchführung der von ihm ausgewählten Reise erforderli-
chen Informationen braucht der Kunde weder in doppelter Ausführung noch
braucht er für den Fall der unterlassenen oder unrichtigen Information einen
zweiten Haftungsgegner. Es besteht mithin keine Notwendigkeit, auch das Rei-
sebüro mit diesen schon den Veranstalter treffenden Informationspflichten zu
belasten.
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Deshalb ist auch kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, vom
Grundsatz der fehlenden Vertragsbeziehungen zwischen Handelsvertreter und
Kunden abzuweichen. Ein Reisebüro, das sich durch einen Agenturvertrag ei-
nem Reiseveranstalter verpflichtet, dessen Reisen zu vertreiben, und von die-
sem dafür Provision erhält, ist dessen Handelsvertreter (§ 84 Abs. 1 Satz 1
HGB; st. Rspr. d. BGH, zuletzt SenUrt., NJW 2003, 743; vgl. auch Urt. v.
25.03.1987 - IVa ZR 224/85, NJW 1988, 60 für den Versicherungsvertreter).
Zwischen dem Handelsvertreter und den Kunden des von ihm vertretenen Un-
ternehmers kommt in der Regel kein eigener Vertrag zustande (Baum-
bach/Hopt, aaO). Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens des Han-
delsvertreters bei seinen Verhandlungen mit dem Kunden über den zwischen
diesem und dem Unternehmer abzuschließenden Hauptvertrag richten sich
deshalb grundsätzlich allein gegen den Unternehmer, der für den Handelsver-
treter als seinen Erfüllungsgehilfen einstehen muss (§ 278 BGB). Nur aus-
nahmsweise kann der Vertreter persönlich neben dem Unternehmer haften,
wenn er entweder gegenüber dem Vertragspartner in besonderem Maße Ver-
trauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen oder den Ver-
tragsschluss erheblich beeinflusst hat (§§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB) oder
wenn er am Vertragsschluss ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interes-
se hat (st. Rspr. d. BGH; vgl. nur Urt. v. 03.04.1990 - XI ZR 206/88, NJW 1990,
753). Beide Voraussetzungen sind bei einem Reisebüro normalerweise nicht
gegeben. Dass das Reisebüro mit seiner Sachkunde wirbt, bedeutet keine In-
anspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. Diese liegt nicht schon
dann vor, wenn der Vertreter über die für seine Tätigkeit erforderliche besonde-
re Sachkunde verfügt und darauf hinweist. Erforderlich ist vielmehr, dass er
dem Kunden zusätzlich in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt, er
werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des
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Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der Kunde dem Geschäftsherrn
nicht oder nur wenig vertraut (BGH, aaO). Das ist bei einem Reisebüro nicht der
Fall (LG Frankfurt a.M. RRa 1999, 55; LG Kleve NJW-RR 2002, 558; AG Kro-
nach aaO; a.A. Neuner, S. 20; offengelassen von Tempel, S. 58). Das Reisebü-
ro hat an der Buchung der Pauschalreise auch kein unmittelbares eigenes wirt-
schaftliches Interesse. Der Provisionsanspruch eines Handelsvertreters reicht
dafür nicht aus, weil dieser lediglich ein mittelbares wirtschaftliches Interesse
begründet (BGH, Urt. v. 17.10.1989 - XI ZR 173/88, NJW 1990, 506).
Somit trifft die Pflicht, dem Kunden diejenigen Informationen zu erteilen,
die nur für die von ihm ausgewählte konkrete Reise eines bestimmten Veran-
stalters von Bedeutung sind, allein den Reiseveranstalter.
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bb) Zu diesen allein vom Reiseveranstalter geschuldeten Informationen
gehört die Belehrung darüber, dass ein Reisepass erforderlich ist. Sie ist bei der
vom Reisebüro geschuldeten Auswahlberatung im Allgemeinen ohne Bedeu-
tung und wird erst erforderlich, wenn der Kunde sich für eine bestimmte Reise
entschieden hat.
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Im Rahmen der Auswahlberatung muss das Reisebüro mit der Sorgfalt
eines ordentlichen Reisebürokaufmanns die Wünsche des Kunden erforschen,
eine Produktauswahl vorlegen, die seinen Wünschen und Möglichkeiten ent-
spricht (Nies, Rdn. 105), und ungefragt diejenigen Umstände offenlegen, von
denen die Kunden erfahrungsgemäß ihre Entscheidung abhängig machen. Da-
zu gehören alle wesentlichen Merkmale der Reise, unter anderem die vom Be-
rufungsgericht beispielhaft genannten Faktoren Lage, Klima und touristische
Angebote des Urlaubsorts, Größe und Lage des Hotels, Abflug- und Ankunfts-
flughafen und Fluggesellschaft, sowie der Reisepreis. Hingegen spielt die Fra-
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ge, ob für die Einreise in das Urlaubsland der Personalausweis genügt oder
aber ein Reisepass bzw. ein Visum erforderlich ist, in der Regel bei der Auswahl
der Reise keine nennenswerte Rolle. Die verhältnismäßig geringen zusätzlichen
Mühen und Kosten, die mit der Beschaffung eines Reisepasses oder Visums
verbunden sind, schrecken den Reiseinteressenten von einer ansonsten seinen
Wünschen entsprechenden Reise nicht ab.
Im Fall der Klägerin liegen auch keine Besonderheiten vor, die eine an-
dere Beurteilung rechtfertigen würden. Zwar muss das Reisebüro, das seine
Beratung an den persönlichen Wünschen und Bedürfnisses des einzelnen Kun-
den auszurichten hat, im Einzelfall außer den Faktoren, die erfahrungsgemäß
für die meisten Reisekunden von Bedeutung sind, auch noch weitere Umstände
unaufgefordert darlegen, wenn es erkennen kann, dass es dem betreffenden
Kunden aufgrund seiner speziellen persönlichen Situation auf diese Umstände
ankommt. Zutreffend ist deshalb in der Rechtsprechung die Pflicht des Reisebü-
ros, ungefragt auf Einreisebedingungen hinzuweisen, für den Fall bejaht wor-
den, dass deren Relevanz für die vom Kunden beabsichtigte Reise naheliegt
(LG Frankfurt a.M. RRa 2002, 26). Die Klägerin hat indessen nicht vorgetragen,
dass für ihre Auswahlentscheidung das von ihr angenommene Fehlen des
Passzwangs ausnahmsweise von Bedeutung war, sondern sie hat im Gegenteil
erklärt, dass die rechtzeitige Beschaffung des Passes ihr keine Schwierigkeiten
bereitet hätte.
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cc) Das Reisebüro braucht den Interessenten auch nicht etwa deshalb
unaufgefordert über das Pass- oder Visumerfordernis zu belehren, weil der Inte-
ressent ansonsten möglicherweise Gefahr laufen würde, eine Reise zu buchen,
für die er das notwendige Einreisepapier nicht oder nicht rechtzeitig beschaffen
kann. Denn nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB-InfoV ist der Veranstalter der
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Reise verpflichtet, den Kunden schon vor der Buchung über etwaige Pass- oder
Visumerfordernisse und die Fristen zur Erlangung dieser Dokumente zu unter-
richten. Im faktischen Geschehensablauf wird diese Unterrichtung zwar oft vom
Reisebüro vorgenommen -
das zum Beispiel einen Prospekt
übergibt, der die Belehrung vor der Buchung entbehrlich macht (§ 5 letzter
Halbsatz BGB-InfoV) -, jedoch handelt das Reisebüro dann als Erfüllungsgehilfe
des Reiseveranstalters (Dewenter, S. 72).
dd) Die durch §§ 4, 5 BGB-InfoV konkretisierten Informationspflichten
des Reiseveranstalters bestimmen nicht etwa gleichzeitig den Umfang der Hin-
weispflichten des Vermittlers. Vielmehr spricht die Unterrichtungspflicht des
Reiseveranstalters nach §§ 4, 5 BGB-InfoV eher gegen eine konkurrierende
inhaltsgleiche Pflicht des Reisebüros (so schon LG Kleve NJW-RR 2002, 558).
Die Richtlinie 90/314/EWG, deren Umsetzung die deutsche BGB-Informations-
pflichten-Verordnung dient, hat es dem nationalen Gesetzgeber ausdrücklich
freigestellt, ob "der Veranstalter und/oder der Vermittler" den Verbraucher vor
Vertragsschluss schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form über die
Pass- und Visumerfordernisse unterrichtet (Art. 4 Abs. 1 lit. a der Richtlinie). Da
der deutsche Gesetzgeber sich angesichts dieser Wahlmöglichkeit bewusst da-
für entschieden hat, nur den Veranstalter zu verpflichten, bestehen Bedenken,
ob die Gerichte überhaupt befugt wären, im Wege der Auslegung des Reise-
vermittlungsvertrages dieselbe Pflicht auch dem Vermittler aufzuerlegen. Auf
jeden Fall hat der Gesetzgeber ihnen eine derartige Auslegung nicht vorgege-
ben.
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b) Da nach alledem das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat,
dass das Reisebüro dem Kunden schon deshalb keine unaufgeforderte Beleh-
rung über ein Pass- oder Visumerfordernis schuldet, weil diese Pflicht allein den
Reiseveranstalter trifft, kann dahinstehen, ob auch die weitere Begründung, mit
der das Berufungsgericht eine Informationspflicht des Reisebüros wegen feh-
lender Belehrungsbedürftigkeit der Klägerin verneint hat, der rechtlichen Nach-
prüfung standhalten würde.
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Melullis
Scharen
Ambrosius
Mühlens
Meier-Beck
Vorinstanzen:
AG Bremen, Entscheidung vom 30.01.2004 - 2 C 416/03 -
LG Bremen, Entscheidung vom 05.08.2004 - 2 S 122/04 -