Urteil des BGH vom 05.11.2002

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 381/01
Verkündet am:
5. November 2002
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB § 812
Liegt der Zahlung eine bloße "Scheinanweisung" des vermeintlichen Darle-
hensnehmers zugrunde, so ist ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich zwi-
schen Zahlendem und Zuwendungsempfänger nach den Regeln der Nichtlei-
stungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) vorzunehmen, und zwar
auch dann, wenn dieser von einer Zahlung seines vermeintlichen Schuldners
ausging (Ergänzung zu BGHZ 147, 145 ff.).
BGH, Urteil vom 5. November 2002 - XI ZR 381/01 - LG München II
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 5. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermann
für Recht erkannt:
Auf die Sprungrevision des Beklagten wird das Teilur-
teil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landge-
richts München II vom 11. September 2001 insoweit
aufgehoben, als es den Beklagten zur Rechnungsle-
gung über Nutzungen oder ersparte Zinsaufwendun-
gen im Zusammenhang mit einem erstrangigen Teil-
betrag von 100.000 DM der Hauptforderung verurteilt
hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Sprungrevision zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der
Kosten des Nebenintervenienten der Klägerin hat der
Beklagte zu tragen. Die Nebenintervenienten zu 1) und
2) des Beklagten tragen ihre Kosten selbst.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die klagende Gemeinde nimmt den beklagten Landkreis auf Rück-
zahlung eines überwiesenen Geldbetrages in Anspruch. Dem liegt fol-
gender Sachverhalt zugrunde:
Die Prozeßparteien sowie eine Vielzahl anderer Gemeinden, kom-
munaler Gesellschaften und Landkreise mit liquiden Mitteln und solcher
mit Kreditbedarf nahmen die Dienste des Finanzmaklers K. in Anspruch.
Er vermittelte zwischen ihnen den Abschluß von Darlehensverträgen mit
kurzer Laufzeit. Die Anlagezinsen lagen über, die Kreditzinsen unter den
banküblichen Zinsen. K. sprach die Kommunen und Landkreise jeweils
unabhängig voneinander an, ohne daß sie selbst miteinander in unmit-
telbaren Kontakt traten. Dabei gelang es ihm durch Täuschung, einige
der Beteiligten zu Zahlungen an ihn persönlich zu veranlassen und viele
Millionen DM zunächst unbemerkt beiseite zu schaffen. Zur Vertuschung
dadurch entstandener Lücken spiegelte er in der Folgezeit an einer Kre-
ditvergabe interessierten Kommunen vor, daß der von ihm genannte
Vertragsgegner ein Darlehen zu den angegebenen Konditionen aufneh-
men wolle. Zum Teil gab er hierbei an, daß die Darlehensvaluta auf Wei-
sung des Darlehensnehmers direkt an dessen - vermeintlichen - Gläubi-
ger zu zahlen sei.
Auf diese Weise hatte K. den Beklagten im Sommer 1996 durch
die wahrheitswidrige Benennung der Stadt P. als Darlehensnehmerin
veranlaßt, ihr 3,5 Millionen DM zu einem Zinssatz von 3,45% p.a. zur
Verfügung zu stellen. Mit Schreiben vom 19. November 1996 kündigte K.
dem Beklagten die fristgemäße Rückzahlung der am 21. November 1996
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fälligen "Termingeldeinlage" einschließlich angefallener Zinsen an. Den
dazu erforderlichen Betrag in Höhe von 3.529.194,55 DM überwies die
Klägerin unter Angabe des Verwendungszwecks "Ablösung Stadt P."
taggenau auf das Konto des Beklagten, weil K. ihr mit Schreiben eben-
falls vom 19. November 1996 ohne Rücksprache mit den Organen der
Stadt P. folgendes mitgeteilt hatte:
"... vereinbarungsgemäß überlassen Sie eine Termingeldeinlage zu
folgenden Konditionen:
Geldnehmer:
Stadt P. ...
Betrag:
DM 3.529.194,55
Laufzeit:
56 Zinstage, vom 21.11.1996 bis 17.01.1997
Zinssatz:
3,2% p.a.
Die Anschaffung des Betrages veranlassen Sie bitte valutagerecht
zu Gunsten:
LRA W . ...
Verwendungszweck: Ablösung Stadt P."
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte müsse die seinem
Konto gutgeschriebenen 3.529.194,55 DM mangels Anweisung und Til-
gungsbestimmung der Stadt P. nach Bereicherungsrecht an sie zurück-
zahlen und darüber hinaus die aus der rechtsgrundlosen Kapitalüberlas-
sung gezogenen Nutzungen oder erlangten Gebrauchsvorteile in Form
ersparter Zinsaufwendungen herausgeben.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von
3.529.194,55 DM zuzüglich Verzugszinsen seit dem 3. Mai 2000 sowie
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zur Auskunft und Rechnungslegung darüber verurteilt, welche Nutzungen
er aus dem Hauptbetrag im Zeitraum vom 21. November 1996 bis zum
2. Mai 2000 gezogen oder in welcher Höhe er Zinsaufwendungen erspart
habe. Mit der Sprungrevision hat der Beklagte das Urteil insoweit ange-
fochten, als er zur Zahlung eines erstrangigen Teilbetrags von
100.000 DM nebst anteiliger Zinsen und zur Auskunft und Rechnungsle-
gung über die aus diesem Teilbetrag gezogenen Nutzungen bzw. die
deswegen ersparten Zinsaufwendungen verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Sprungrevision des Beklagten ist nur zu einem geringen Teil
begründet.
I.
Das Landgericht hat einen Bereicherungsanspruch der Klägerin
bejaht und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Bei der Überweisung von 3.529.194,55 DM handele es sich um
eine Leistung der Klägerin im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
Die Klägerin habe ausschließlich einen eigenen Leistungszweck verfolgt,
nämlich die Auszahlung des vermeintlich mit der Stadt P. vereinbarten
kurzfristigen Kassenkredits an den ihr als Zahlungsempfänger benannten
Beklagten. Daß dieser bei der Zuwendung angenommen habe, ein der
Stadt P. gewährtes Darlehen vertragsgemäß zurückzuerhalten, rechtfer-
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tige keine andere rechtliche Beurteilung. Zwar werde in bestimmten Fäl-
len von Dreiecksbeziehungen in Zweifelsfällen, wem im bereicherungs-
rechtlichen Sinne eine Leistung zuzurechnen sei, auf den Horizont des
Leistungsempfängers abgestellt. Der Empfängerhorizont könne aber
dann nicht mehr maßgebend sein, wenn es an einem Mehrpersonenver-
hältnis mit verschiedenen Leistungsbeziehungen in Wirklichkeit fehle.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht im Hinblick auf die vom
Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle, in denen ein Bereicherungsaus-
gleich bei einer von Anfang an fehlenden Anweisung ausnahmsweise im
Deckungsverhältnis vorzunehmen sei, wenn der Zuwendungsempfänger
das Fehlen einer Anweisung nicht gekannt und sich die Zahlung aus sei-
ner Sicht als eine Leistung des Überweisenden im Sinne des § 812
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB dargestellt habe. Die von K. selbst stammenden
Erklärungen seien der Stadt P. nicht zuzurechnen. Bei der Vermittlung
der Kreditgeschäfte sei er niemals als Vertreter der Vertragsparteien,
sondern immer als selbständiger Finanzmakler aufgetreten. Auf seinen
Eindruck, die Stadt P. sei Leistende, könne sich der Beklagte nicht be-
rufen. Nach einem in der Rechtsscheinslehre allgemein anerkannten
Grundsatz werde der gutgläubige Vertragsgegner bei fehlender Zure-
chenbarkeit des Rechtsscheins nicht geschützt. Entgegen der Auffas-
sung des Beklagten habe die Klägerin auch nicht als Dritte im Sinne des
§ 267 BGB gezahlt, da sie nicht eine fremde, sondern eine eigene Ver-
bindlichkeit habe erfüllen wollen.
Der Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die
Klägerin sei nicht entreichert, weil sie später von anderen Kommunen die
aufgrund nicht wirksamer Verträge hingegebenen Darlehen zurückerhal-
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ten habe. Dieser Umstand beseitige die Unmittelbarkeit der Vermögens-
verschiebung nicht. Der Bereicherungsanspruch setze zudem keinen
Schaden voraus.
Neben der Hauptforderung stehe der Klägerin gemäß § 818 Abs. 1
BGB ein Anspruch auf Herausgabe von Kapitalnutzungen zu. Da der
Klägerin nicht bekannt sei, ob und inwieweit der Beklagte aus der Kapi-
talüberlassung tatsächlich Nutzen gezogen oder durch sie Zinsaufwen-
dungen erspart habe, sei er sowohl zur Auskunftserteilung als auch zur
Rechnungslegung verpflichtet.
II.
Diese Ausführungen halten - bis auf die Annahme eines Anspruchs
der Klägerin auf Rechnungslegung - der rechtlichen Überprüfung im Er-
gebnis stand.
1. Das Landgericht hat zu Recht einen Bereicherungsanspruch der
Klägerin gegen den Beklagten bejaht. Der Bereicherungsausgleich ist
jedoch nicht im W ege der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
BGB), sondern der Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2
BGB) vorzunehmen.
a) In den Fällen der Leistung kraft Anweisung vollzieht sich der
Bereicherungsausgleich grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Lei-
stungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden und
dem Angewiesenen im sogenannten Deckungsverhältnis und zum ande-
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ren zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger im so-
genannten Valutaverhältnis. Nach dem bereicherungsrechtlichen Lei-
stungsbegriff bewirkt der Angewiesene, der von ihm getroffenen, allseits
richtig verstandenen Zweckbestimmung entsprechend, mit seiner Zu-
wendung an den Anweisungsempfänger zunächst eine eigene Leistung
an den Anweisenden und zugleich eine Leistung des Anweisenden an
den Anweisungsempfänger (st.Rspr., siehe BGHZ 40, 272, 276; 61, 289,
291; 66, 362, 363; 66, 372, 374; 67, 75, 77; 87, 393, 395; 88, 232, 234;
102, 152, 157; 147, 145, 149 ff.; 147, 269, 273).
b) Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. So entspricht
es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß dem Ange-
wiesenen jedenfalls dann ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch ge-
gen den Anweisungsempfänger als Nichtleistungskondiktion gemäß
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zusteht, wenn dem Anweisungsempfän-
ger das Fehlen einer Anweisung und damit einer Tilgungsbestimmung
bei Empfang des Leistungsgegenstandes bekannt ist (vgl. BGHZ 66,
362, 364 f.; 66, 372, 374 f.; 67, 75, 78; 87, 393, 397 f.; 147, 269, 274).
Aber auch in den Fällen, in denen der Zahlungsempfänger das Fehlen
einer wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung nicht kannte,
steht dem vermeintlich Angewiesenen ein unmittelbarer bereicherungs-
rechtlicher Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu (BGHZ 111,
382, 386 f.; Senat BGHZ 147, 145, 151 m.w.Nachw.; vgl. auch
BGHZ 147, 269, 274). Denn ohne eine gültige Anweisung kann die Zah-
lung dem - vermeintlich - Anweisenden nicht als seine Leistung zuge-
rechnet werden. Eine andere Betrachtungsweise ließe - wie das Landge-
richt zutreffend ausgeführt hat - den in der Rechtsscheinslehre allgemein
anerkannten Grundsatz außer acht, daß der gutgläubige Vertragsgegner
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nur dann geschützt werden kann, wenn der andere Vertragsteil den
Rechtsschein in zurechenbarer Weise hervorgerufen hat. Der soge-
nannte Empfängerhorizont des Zahlungsempfängers vermag deshalb die
fehlende Tilgungs- und Zweckbestimmung des - vermeintlich - Anwei-
senden auch dann nicht zu ersetzen, wenn dieser den gezahlten Betrag
dem Zuwendungsempfänger tatsächlich in vollem Umfang schuldete.
Außerdem wird der auf eine wirksame Anweisung und Tilgungsbestim-
mung vertrauende Zahlungsempfänger durch die in § 818 Abs. 3 BGB
normierten Regeln über den Wegfall der Bereicherung vor den rechtli-
chen Folgen einer Direktkondiktion des Angewiesenen im allgemeinen
hinreichend geschützt (Senat BGHZ 147, 145, 151 m.w.Nachw.). Diese
Grundsätze kommen auch hier zum Tragen.
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte die Klägerin
mit der Überweisung von 3.529.194,55 DM an den Beklagten ihren ver-
meintlich mit der Stadt P. geschlossenen Darlehensvertrag erfüllen und
den Kassenkredit auf eine angebliche Weisung der Stadt P. an den ver-
meintlich empfangsberechtigten Beklagten auszahlen, also eine Leistung
an die Stadt P. erbringen. Es handelt sich daher um den Fall einer Zah-
lung ohne bereicherungsrechtliche Anweisung, so daß die Klägerin als
vermeintlich Angewiesene einen unmittelbaren Anspruch aus § 812
Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) gegen den Beklagten
hat. Auf dessen Sicht als Zahlungsempfänger kommt es mangels einer
Tilgungsbestimmung der Stadt P. als vermeintlicher Schuldnerin und
Anweisenden von vornherein nicht an. Erst eine tatsächlich getroffene
Tilgungsbestimmung schafft die Grundlage für eine Auslegung aus dem
Blickwinkel eines vernünftigen Zahlungsempfängers, wenn über die Per-
son des Leistenden unterschiedliche Ansichten bestehen. Die bloßen
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Vorstellungen des Beklagten als Zahlungsempfänger reichen allein nicht
aus, ein Leistungsverhältnis oder einen Rechtsgrund zu begründen. Auf
den durch K. geschaffenen Rechtsschein einer Leistung der Stadt P.
kann sich der Beklagte nicht berufen. Weder der Kläger noch die Stadt
P. haben diesen Rechtsschein in zurechenbarer Weise veranlaßt.
aa) Der Einwand der Revision, die Klägerin habe als Dritte im Sin-
ne des § 267 Abs. 1 BGB geleistet, um die Stadt P., wenn auch nicht von
einer Darlehensschuld, so aber doch von dem dem Beklagten zustehen-
den bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch zu befreien, ist mit
den Feststellungen des Landgerichts unvereinbar. Danach wollte die
Klägerin eine eigene Verbindlichkeit aus einem vermeintlichen Darle-
hensvertrag mit der Stadt P. erfüllen. Es fehlt daher der erforderliche
Wille, eine fremde Schuld gemäß § 267 Abs. 1 BGB zu tilgen (vgl.
BGHZ 75, 299, 303; 137, 89, 95). Daß es nach dieser Vorschrift nicht auf
die innere Vorstellung des Dritten ankommt, sondern darauf, wie der
Zahlungsempfänger sein Verhalten vernünftigerweise verstehen durfte
(st.Rspr., siehe z.B. BGHZ 72, 246, 248 f.; 137, 89, 95; BGH, Urteil vom
26. September 1994 - II ZR 166/93, W M 1994, 2286), rechtfertigt keine
andere rechtliche Beurteilung. Angesichts des bei der Überweisung an-
gegebenen Verwendungszwecks "Ablösung Stadt P." spricht nichts da-
für, daß der Beklagte die Klägerin zum Zeitpunkt der Zuwendung für eine
Dritte im Sinne des § 267 Abs. 1 BGB und nicht für eine von der Stadt P.
Angewiesene gehalten hat bzw. halten durfte.
bb) Die Zahlungsanweisung des Finanzmaklers K. an die Klägerin ist
der Stadt P. entgegen der Ansicht der Revision weder nach den Grundsät-
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zen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht noch unter einem anderen
Gesichtspunkt zuzurechnen.
(1) Wie sich aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt, ist K.
bei der jahrelangen Vermittlung der Kreditgeschäfte niemals als Vertreter
der beteiligten Kommunen und Landkreise gemäß § 164 Abs. 1 BGB,
sondern immer als selbständiger Finanzmakler aufgetreten. Für eine An-
wendung der Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht fehlt
daher
jede
Grundlage.
Bei
der
Anweisung
an
die
Klägerin,
3.529.194,55 DM mit dem Verwendungszweck "Ablösung Stadt P." an
den Beklagten zu überweisen, kann K. allenfalls als Scheinbote der Stadt
P. angesehen werden. Die von ihm eigenmächtig abgegebene rechtsge-
schäftliche Erklärung bindet die Stadt P. nicht, ohne daß es einer An-
fechtung nach § 120 BGB bedarf.
(2) Daß die Stadt P. viele "Dreiecksgeschäfte" getätigt und sich
niemals bei den beteiligten Kommunen und Landkreisen nach dem kon-
kreten Anlaß der "Drittleistung" erkundigt hat, rechtfertigt es entgegen
der Auffassung der Revision nicht, ihren Einwand, die von K. eigen-
mächtig und in Täuschungsabsicht abgegebenen Erklärungen gingen sie
nichts an, als ein widersprüchliches Verhalten zu werten. Zwar ist den
Organen der Stadt P. ebenso wie denen der Parteien im Zusammenhang
mit den Täuschungen von K. Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Dies rechtfer-
tigt es aber nicht, die Stadt P. nach dem Grundsatz von Treu und Glau-
ben im Ergebnis so zu behandeln, als habe sie die deliktischen Handlun-
gen von K. bewußt geduldet.
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cc) Entgegen der Auffassung der Revision stehen einer Direktkon-
diktion der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auch keine
anderen Hinderungsgründe entgegen.
(1) Der Beklagte kann sich im Rahmen des Bereicherungsaus-
gleichs nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er ist im übrigen nicht we-
sentlich schutzwürdiger als die Klägerin, die Stadt P. oder andere betei-
ligte Kommunen und Landkreise. Sie alle haben in blindem Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben von K. davon abgesehen, sich mit ihren
vermeintlichen Vertragspartnern in Verbindung zu setzen, und ohne
wirksame Verträge Millionenbeträge überwiesen oder entgegengenom-
men. Nichts spricht angesichts dessen dafür, den Beklagten von einem
Anspruch der Klägerin zu entlasten. Das gilt besonders, da sich der Be-
klagte wegen der Überlassung von 3,5 Millionen DM am 21. August
1996, die unter Berücksichtigung angefallener Zinsen durch die von K.
veranlaßte Überweisung der Klägerin ausgeglichen werden sollte, im
Wege der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB an
die Stadt P. als Zahlungsempfängerin halten kann. Mit der Überweisung
von 3,5 Millionen DM wollte der Beklagte einen in Wirklichkeit nicht be-
stehenden Anspruch der Stadt P. auf Auszahlung eines Darlehens erfül-
len.
Daß sich die Überweisung aus der Sicht der Stadt P. als Erfüllung
ihrer Ansprüche auf Rückzahlung von Darlehen darstellte, die sie angeb-
lich dem Klinikum O. und den Städten D. und E. gewährt hatte, ändert an
dem Kondiktionsanspruch der Beklagten gegen die Stadt P. aus § 812
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nichts. Wie bereits dargelegt, reichen bloße
Vorstellungen des Zahlungsempfängers allein nicht aus, ein Leistungs-
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verhältnis oder einen Rechtsgrund zu begründen. Wollte man dies an-
ders sehen, so könnte - abhängig von der Willkür des Finanzmaklers K. -
eine Kommune, die weder eine Vermögensverschiebung bewirkt noch
eine Tilgungsbestimmung getroffen hat, als Leistende anzusehen sein.
Auf den durch K. geschaffenen Rechtsschein von Leistungen des Klini-
kums O. und der Städte D. und E. kann sich die Stadt P. nicht berufen,
da der Beklagte den Rechtsschein nicht in zurechenbarer Weise veran-
laßt hat.
(2) Der Revision ist auch nicht zu folgen, soweit sie meint, der
Klägerin sei es aufgrund eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2,
§ 32 KWG im Hinblick auf § 817 Satz 2 BGB versagt, den Beklagten in
Anspruch zu nehmen. Ihrem klaren Wortlaut nach findet die auf Sankti-
onszwecken beruhende Ausnahmevorschrift des § 817 Satz 2 BGB auf
die Nichtleistungskondiktion im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB
keine Anwendung (vgl. BGHZ 39, 87, 91; BGH, Urteil vom 25. September
1967 - VII ZR 42/65, W M 1967, 1217, 1218; Staudinger/Lorenz, BGB
13. Bearb. 1999 § 817 Rdn. 10; Erman/H. P. W estermann, BGB 10. Aufl.
§ 817 Rdn. 3; MünchKomm/Lieb, BGB 3. Aufl. § 817 Rdn. 15). Abgese-
hen davon handelt es sich bei § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und § 32 KWG nur
um gewerberechtliche Ordnungsvorschriften, deren Verletzung nicht zur
Nichtigkeit von Kreditgeschäften nach § 134 BGB führt (vgl. BGHZ 76,
119, 126; BGH, Urteil vom 21. April 1972 - V ZR 52/70, W M 1972, 853).
(3) Auch die Ausführungen des Landgerichts zum Einwand der
fehlenden Entreicherung der Klägerin lassen entgegen der Ansicht der
Revision keine Rechtsfehler erkennen. Ein Schaden im Sinne der Diffe-
renzbetrachtung, nach der sich der Geschädigte mit dem schädigenden
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Ereignis unmittelbar zusammenhängende Vermögensvorteile mit gewis-
sen Einschränkungen anrechnen lassen muß, ist für einen Bereiche-
rungsanspruch nicht notwendig (vgl. BGHZ 36, 232, 233; BGH, Urteil
vom 28. Juni 1967 - VIII ZR 59/65, NJW 1968, 197). Für eine Anrech-
nung der Vorteile aus von anderen Landkreisen an die Klägerin aufgrund
vermeintlicher Darlehensverträge gezahlten Beträgen ist infolgedessen
von vornherein kein Raum.
2. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Auskunft über
die gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugebenden Nutzungen oder er-
stattungsfähigen Gebrauchsvorteile verurteilt.
Ein Anspruch auf Auskunft besteht nach dem Grundsatz von Treu
und Glauben, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das
Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und er sich
die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen
Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann, während
der Verpflichtete sie unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu ge-
ben vermag. Zwischen den Beteiligten muß eine besondere rechtliche
Beziehung bestehen, wobei ein gesetzliches Schuldverhältnis genügt
(st.Rspr., siehe etwa BGHZ 81, 21, 24; 95, 285, 287; 126, 109, 113).
Diese Anspruchsvoraussetzungen sind nach den zutreffenden und von
der Revision nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts sämt-
lich erfüllt.
3. Dem Landgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es
darüber hinaus auch einen Anspruch der Klägerin auf Rechnungslegung
bejaht hat.
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Eine Rechnungslegung ist eine besonders genaue Art der Auskunft
(vgl. BGHZ 93, 327, 329), die nach § 259 Abs. 1 BGB eine geordnete, in
sich verständliche Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben er-
fordert und den Betroffenen zur Vorlage von Belegen, soweit solche er-
teilt zu werden pflegen, verpflichtet (BGH, Urteil vom 16. April 1962
- VII ZR 252/60, WM 1962, 706, 707). Eine solche weitgehende Pflicht
trifft im allgemeinen nur Personen, die fremde Angelegenheiten besorgen
(vgl. etwa BGHZ 10, 385, 386 f.; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1978
- VIII ZR 273/77, WM 1979, 472, 474). Ferner kann ein rechtswidriger
Eingriff in fremde Rechte - wie etwa bei der Verletzung von Urheber-
rechten und Rechten aus Arbeitnehmererfindungen - unter bestimmten
Umständen eine Rechnungslegungspflicht des Betroffenen begründen
(vgl. BGHZ 126, 109, 113; BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 - KZR 42/95,
WM 1997, 2007, 2010). Dagegen führt der Kondiktionsschuldner ge-
wöhnlich keine fremden Geschäfte und ist bei wertender Betrachtung
auch nicht mit einem in fremde Rechte eingreifenden Schuldner zu ver-
gleichen. Von ihm kann daher in aller Regel nicht nach Treu und Glau-
ben erwartet werden, daß er Belege oder sonstige Urkunden aufhebt, um
sie dem Kondiktionsgläubiger später gegebenenfalls vorlegen zu können.
Für die Annahme einer Rechnungslegungspflicht bei der auf § 818
Abs. 1 BGB beruhenden Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen
oder anderen geldwerten Vorteilen fehlt infolgedessen die notwendige
Rechtsgrundlage (RGZ 137, 206, 212; vgl. ferner BGHZ 19, 51, 68).
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III.
Die Sprungrevision des Beklagten war daher abgesehen von der
Verurteilung zur Rechnungslegung zurückzuweisen.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann