Urteil des BGH vom 03.07.2003
MAZ Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 36/00
vom
3. Juli 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR: ja
MAZ
MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3
Das rechtliche Gehör kann verletzt sein, wenn das Beschwerdegericht in der
mündlichen Verhandlung die Zurückverweisung der Sache zur weiteren Aufklä-
rung als sicher darstellt und deshalb der Beschwerdeführer davon absieht, zu
einem gerichtlichen Hinweis Stellung zu nehmen.
BGH, Beschluß vom 3. Juli 2003 - I ZB 36/00 - Bundespatentgericht
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juli 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Starck, Pokrant,
Dr. Büscher und Dr. Schaffert
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den am 14. August
2000 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluß des 32. Senats
(Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird zu-
rückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000
festgesetzt.
Gründe:
I. Die Anmelderin hat mit der am 30. September 1997 eingereichten An-
meldung die Eintragung des Zeichens
MAZ
als Wortmarke für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16,
38 und 41 beantragt.
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Die Markenstelle des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung für die
Waren der Klassen 9 (Verlagserzeugnisse im Bereich der elektronischen Medi-
en) und 16 (Waren aus Papier, Verlagserzeugnisse, insbesondere Zeitschriften,
Zeitungen u.a.) wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Frei-
haltebedürfnisses zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Anmelderin ist hinsichtlich der Waren der Klasse 16
"Zeitschriften, Zeitungen, Magazine und Werbematerialien" erfolglos geblieben.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der (nicht zugelassenen)
Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt und
geltend macht, der angefochtene Beschluß sei nicht mit Gründen versehen.
II. Das Bundespatentgericht hat die Auffassung vertreten, die angemel-
dete Marke sei gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die Waren "Zeitschriften,
Zeitungen, Magazine und Werbematerialien" von der Eintragung ausgeschlos-
sen. Es hat ausgeführt:
Für die Waren, deren Eintragung versagt worden sei, sei "MAZ" eine die
Art und den Ursprung beschreibende Angabe. Der Buchstabenbestandteil "AZ"
stelle für Zeitschriften, Zeitungen und Magazine die im Verkehr gebräuchliche
Abkürzung für den Gattungsbegriff "Allgemeine Zeitung" dar. Dabei sei es üb-
lich, der Abkürzung "AZ" den Anfangsbuchstaben des Ortsnamens oder der
Region voranzustellen. An derartigen Abkürzungen bestehe für Zeitschriften,
Zeitungen und Magazine sowie darauf bezogene Werbematerialien ein Frei-
haltebedürfnis, ohne daß es darauf ankomme, ob und wie häufig eine derartige
Abkürzung bereits verwendet werde.
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III. Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat keinen Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne
Zulassung durch das Bundespatentgericht statthaft, weil die Anmelderin im Ge-
setz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfah-
rensmängel konkret rügt (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2002 - I ZB 27/00, GRUR
2003, 546 f. = WRP 2003, 655 - TURBO-TABS).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die gerügten
Verfahrensmängel nicht gegeben sind.
a) Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Anmelderin
nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1
GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfah-
rens, daß sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung
zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und daß das
Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE
86, 133, 144).
Die Rechtsbeschwerde rügt, der Anmelderin habe keine angemessene
Frist zur Verfügung gestanden, sich zu dem in der mündlichen Verhandlung vor
dem Bundespatentgericht neu hervorgetretenen Gesichtspunkt zu äußern, das
Zeichen "MAZ" sei auf dem Zeitungssektor als gebräuchliche Abkürzung eine
freizuhaltende Angabe. Eine substantiierte Stellungnahme hierzu sei in der
mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen. Eine Schriftsatzfrist habe der
Verfahrensbevollmächtigte der Anmelderin beim Bundespatentgericht nicht be-
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antragt, weil das Gericht zu erkennen gegeben habe, daß es den angefochte-
nen Beschluß des Deutschen Patentamts aufheben und die Sache zur weiteren
Aufklärung zurückverweisen werde.
Aus dem Vorbringen der Anmelderin ergibt sich keine Verletzung des
rechtlichen Gehörs. Die Frage eines Freihaltebedürfnisses des Zeichens "MAZ"
für die in Rede stehenden Waren des Zeitungssektors ist in der mündlichen
Verhandlung vor dem Bundespatentgericht erörtert worden (§ 76 Abs. 4
MarkenG). Sie war schon durch den Vortrag in der Beschwerdebegründung
veranlaßt. Hierin hatte die Anmelderin zum Beleg der Vieldeutigkeit von "MAZ"
als Abkürzung außer für die vom Deutschen Patentamt ermittelten Begriffe
"magnetische Bildaufzeichnung" und "Magnetaufzeichnung" darauf hingewie-
sen, daß die Abkürzung auch für "Märkische Allgemeine Zeitung" stehe. Soweit
der Anmelderin eine Stellungnahme zu dem ihr neu erscheinenden rechtlichen
Gesichtspunkt, diese Abkürzung sei für Zeitungen freizuhalten, in der mündli-
chen Verhandlung nicht möglich war, hätte sie eine Schriftsatzfrist zur Stellung-
nahme beantragen, § 82 Abs. 1 MarkenG i.V. mit § 283 ZPO, oder auf die Wie-
dereröffnung der mündlichen Verhandlung hinwirken können, § 82 Abs. 1 Mar-
kenG i.V. mit § 156 ZPO (vgl. hierzu BGHZ 140, 365, 371). Etwas anderes wür-
de nur dann gelten, wenn das Bundespatentgericht ungeachtet seiner Aufgabe,
Tatsachen selbst zu ermitteln und festzustellen, in der mündlichen Verhandlung
die Aufhebung der patentamtlichen Entscheidung und die Zurückverweisung
der Sache zur weiteren Sachaufklärung als sicher dargestellt und dadurch die
Anmelderin von weiterem Sachvortrag nach der mündlichen Verhandlung ab-
gehalten hätte. Denn die wirksame Wahrnehmung des durch Art. 103 Abs. 1
GG garantierten Anhörungsrechts bedingt, daß ein Gericht, das von Hinweisen
an die Partei zur Sach- oder Rechtslage oder zum weiteren Verfahrensgang
wiederum abrücken will, den Parteien erneut Gelegenheit zur Stellungnahme
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gibt. Im Streitfall ist jedoch nicht davon auszugehen, daß das Bundespatentge-
richt in der mündlichen Verhandlung eine Aufhebung der Entscheidung des
Deutschen Patentamts und eine Zurückverweisung der Sache als sicher darge-
stellt und dadurch die Anmelderin veranlaßt hat, nach Schluß der mündlichen
Verhandlung nicht mehr zur Frage eines Freihaltebedürfnisses vorzutragen.
Soweit in der Begründung der Rechtsbeschwerde und der ihr beigefügten Äu-
ßerung des Vertreters der Anmelderin in dem Verfahren vor dem Bundespa-
tentgericht geltend gemacht wird, das Bundespatentgericht habe deutlich zu
erkennen gegeben, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache
an das Deutsche Patentamt zurückzuverweisen, enthält dies nur eine Wieder-
gabe des Eindrucks des Verfahrensbevollmächtigten aufgrund der mündlichen
Verhandlung. Dagegen folgt aus der von der Rechtsbeschwerde ebenfalls in
Bezug genommenen Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der An-
melderin vom 25. Mai 2000 zum Verlauf der mündlichen Verhandlung vom
Vortag nicht, daß das Bundespatentgericht die abschließende Beurteilung des
Freihaltebedürfnisses von "MAZ" für Zeitungen nach einer Zurückverweisung
dem Deutschen Patentamt überlassen wollte. In dem Sitzungsbericht heißt es:
"
Der Senat beabsichtigt deshalb, die Sache in diesem Punkt an das Deutsche
Patent- und Markenamt zurückzuverweisen und dieses aufzufordern, von den
beteiligten Verbänden wie etwa dem Verband der Zeitungsverleger eine Stel-
lungnahme darüber einzuholen, ob eine Notwendigkeit gesehen wird, die Be-
zeichnung MAZ freizuhalten. Ob eine solche Bitte um Stellungnahme über-
haupt etwas bringt, kann man im vorhinein natürlich nicht sagen. Es ist je-
denfalls durchaus üblich, daß entweder das Bundespatentgericht selbst oder
auch das Deutsche Patent- und Markenamt eigene Ermittlungen durch Ein-
holung solcher Stellungnahmen anstellt."
Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2000 äußerte sich die Anmelderin gegenüber
dem Beschwerdegericht wie folgt:
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"...
sind die Waren "Zeitungen, Zeitschriften und Magazine" für die Marken-
anmelderin nicht verzichtbar, so daß um Entscheidung gebeten wird. Die
Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH verfügt übrigens über die eingetragene
Deutsche Marke 2034777, Wort: F.A.Z. Ausweislich des in der Anlage beige-
fügten Datenbankauszugs ist diese Marke offensichtlich auch ohne Geltend-
machung einer Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden."
Aus alledem ergibt sich, daß nach dem Verfahrensablauf die Anmelderin
sich nicht gewiß sein durfte, daß das Beschwerdegericht zu der offen gebliebe-
nen Frage keine abschließende Entscheidung treffen würde und sich deshalb
weitere Ausführungen zur Sache erübrigten.
b) Die Rüge der Anmelderin, der Beschluß sei nicht mit Gründen verse-
hen (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG), greift ebenfalls nicht durch.
Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Begründung der Beschwer-
deentscheidung sei völlig inhaltslos und beschränke sich auf leere Redensar-
ten. Das vom Bundespatentgericht angenommene Freihaltebedürfnis sei nicht
andeutungsweise durch tatsächliche Feststellungen belegt. Mit diesem Vorbrin-
gen hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Begrün-
dungszwang sichern. Es kommt deshalb darauf an, ob erkennbar ist, welcher
Grund - mag dieser tatsächlich vorgelegen haben oder nicht, mag er rechtsfeh-
lerhaft beurteilt worden sein oder nicht - für die Entscheidung über die einzelnen
Ansprüche und Verteidigungsmittel maßgebend gewesen ist; dies kann auch
bei lückenhaften und unvollständigen Begründungen der Fall sein. Dem Erfor-
dernis einer Begründung ist deshalb schon dann genügt, wenn die Entschei-
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dung zu jedem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel Stellung nimmt,
das ein Verfahrensbeteiligter vorgebracht hat oder dessen Behandlung sich
aufdrängt (vgl. BGH GRUR 2003, 546, 548 - TURBO-TABS, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluß gerecht. Ihm ist
zu entnehmen, aus welchen Gründen das Bundespatentgericht das angemel-
dete Zeichen für die Waren des Zeitschriftensektors als freihaltebedürftig ange-
sehen hat. Die Angabe dieser Gründe macht erkennbar, welche Tatsachen für
die Entscheidung des Bundespatentgerichts maßgebend waren.
Ullmann Starck Pokrant
Büscher Schaffert