Urteil des BGH vom 14.07.2003

BGH (gegenstand des verfahrens, antragsteller, beschwer, beschwerde, antrag, ermessen, begründung, bestellung, notar, bauer)

BGHR: ja
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 45/02
vom
14. Juli 2003
in dem Verfahren
wegen Bestellung eines Notarvertreters
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vor-
sitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Streck und Seiffert sowie die
Notare Dr. Lintz und Justizrat Dr. Bauer
am 14. Juli 2003
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den
Beschluß des 2. Notarsenats des Hanseatischen Oberlan-
desgerichts in Bremen vom 28. November 2002 wird ver-
worfen.
Der Antragsgegner hat die dem Antragsteller im Be-
schwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
10.000
festgesetzt.
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Gründe:
I. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und Notar in B. . Mit
Schreiben vom 22. Mai 2002 bat er den Antragsgegner, ihm wegen der
Wahrnehmung auswärtiger anwaltlicher Termine am 28. und 29. Mai
2002 für die Zeit vom 27. bis einschließlich 30. Mai 2002 einen Notar-
vertreter zu bestellen. Der 27. und 30. Mai sollten als Reisetage dienen.
Dem Antrag wurde durch Bescheid vom 24. Mai 2002 nur für den 27. und
30. Mai entsprochen. Die Bestellung eines Vertreters für den 28. und
29. Mai 2002 lehnte der Antragsgegner ab, weil die Wahrnehmung an-
waltlicher Termine nach § 10 Abs. 1 Satz 3 der Allgemeinen Verfügung
über Angelegenheiten der Notarinnen und Notare (AVNot) vom 4. Juli
2001 (Amtsbl. S. 525) keinen Fall der Verhinderung im Sinne von § 39
Abs. 1 BNotO darstelle.
Der Antragsteller hat gegen den Bescheid des Antragsgegners
vom 24. Mai 2002 gerichtliche Entscheidung beantragt mit dem Ziel fest-
zustellen, daß die Ablehnung der Vertreterbestellung für den 28. und
29. Mai 2002 rechtswidrig gewesen sei.
Das Oberlandesgericht hat dem Antrag durch Beschluß vom
28. November 2002 stattgegeben. Es hat den Bescheid schon deshalb
für rechtswidrig gehalten, weil nicht zu erkennen sei, daß der Antrags-
gegner das ihm durch § 39 Abs. 1 Satz 1 BNotO eingeräumte Ermessen
überhaupt ausgeübt habe. Zwar bestimme § 10 Abs. 1 Satz 3 AVNot,
daß die Aufsichtsbehörde bei einer Inanspruchnahme des Notars durch
anwaltliche Tätigkeiten in der Regel keinen Vertreter zu bestellen habe.
Aber selbst nach dieser engen Vorschrift habe das Ermessen dahin aus-
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geübt werden müssen, weshalb im konkreten Fall trotz der kurzen Abwe-
senheit des Antragstellers von nur vier Tagen die Vertreterbestellung
nicht für den gesamten Zeitraum habe bewilligt werden können. Dies sei
nicht geschehen, jedenfalls im Bescheid vom 24. Mai 2002 nicht darge-
legt. Im übrigen kollidiere § 10 Abs. 1 Satz 3 AVNot mit der bremischen
Ausgestaltung des Notariats als Anwaltsnotariat, weshalb sich die strikte
Anwendung dieser Bestimmung durch den Antragsgegner verbiete. Sie
wirke sich als Hemmnis für eine geordnete Rechtspflege aus. Es stelle
sich auch die Frage, ob die strikte Anwendung der Bestimmung nicht ein
im W ege der Verwaltungsanordnung unzulässiger Eingriff in die Berufs-
freiheit des Anwaltsnotars sei.
Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts hat der Antragsgeg-
ner sofortige Beschwerde eingelegt. Er erstrebt damit nicht die Aufhe-
bung des Beschlusses und die Zurückweisung des Antrags auf gerichtli-
che Entscheidung, sondern die Feststellung, daß sein Bescheid vom
24. Mai 2002 den Antragsteller nicht deshalb in seinen Rechten verletze,
weil § 10 Abs. 1 Satz 3 AVNot höherrangigem Recht widerspreche. Der
Antragsgegner stimmt dem Oberlandesgericht darin zu, daß der Be-
scheid wegen fehlender Ermessensausübung im konkreten Fall rechts-
widrig gewesen sei. Er wendet sich nur gegen die weitere Begründung
der Entscheidung, die strikte Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 3 AVNot
sei mit der Ausgestaltung des Notariats als Anwaltsnotariat nicht verein-
bar. Er befürchtet, das Oberlandesgericht werde auch in künftigen Fällen
diese Rechtsansicht vertreten.
Der Antragsteller hält die sofortige Beschwerde mangels Beschwer
für unzulässig und hilfsweise für unbegründet, weil die vom Antragsgeg-
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ner beanstandete Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts zutreffend
sei.
II. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, weil der Antragsgegner
mit seinem Rechtsmittel nicht die Beseitigung der durch den angefochte-
nen Beschluß geschaffenen Beschwer erstrebt. Da das Rechtsmittel un-
zulässig ist, kann hierüber ohne mündliche Verhandlung entschieden
werden (BGHZ 44, 25 ff.).
1. An einer Beschwer fehlt es, wenn der Rechtsmittelführer sich
allein gegen die Entscheidungsgründe wendet und lediglich denselben
Entscheidungstenor mit einer anderen Begründung erstrebt (Senatsbe-
schluß vom 24. November 1997 - NotZ 9/97 - unter II 1, nicht veröffent-
licht; BGH, Urteil vom 2. März 1994 - XII ZR 207/92 - NJW 1994, 2697
unter 2 a aa).
2. So liegt es hier. Gegenstand des Verfahrens auf gerichtliche
Entscheidung ist der Antrag des Antragstellers festzustellen, daß der
Bescheid des Antragsgegners vom 24. Mai 2002 rechtswidrig gewesen
ist. Daß dies der Fall ist, hat das Oberlandesgericht auch nach Auffas-
sung des Antragsgegners im Ergebnis zu Recht ausgesprochen. Der Be-
scheid war schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner - wie er
einräumt - sein Ermessen im konkreten Fall überhaupt nicht ausgeübt
hatte. Diese Begründung trägt den angefochtenen Beschluß. Die weite-
ren Ausführungen des Oberlandesgerichts sind danach ersichtlich nicht
entscheidungserhebliche Hilfserwägungen ("im übrigen"), die den An-
tragsgegner nicht beschweren. Sie hindern ihn nicht daran, in künftigen
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Fällen an seiner Auslegung von § 39 Abs. 1 BNotO festzuhalten und ei-
nen etwaigen ihm nachteiligen Beschluß des Oberlandesgerichts im Be-
schwerdeverfahren überprüfen zu lassen, wenn die streitige Rechtsfrage
entscheidungserheblich ist. Vorsorglich werden die Beteiligten darauf
hingewiesen, daß der Senat durch Beschluß vom 31. März 2003 (NotZ
31/02, zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, die Aufsichtsbe-
hörde sei nicht im Sinne einer Ermessensbindung verpflichtet, gemäß
§ 39 Abs. 1 Satz 1 BNotO einen Notarvertreter zu bestellen, wenn der
Rechtsanwalt und Notar infolge seiner anwaltlichen Tätigkeit verhindert
ist, das Amt des Notars im Nebenberuf auszuüben.
3. Eine Beschwer des Antragsgegners läßt sich auch nicht, wie er
wohl meint, aus der Rechtsprechung des Senats zur ausnahmsweisen
Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags herleiten (vgl. Be-
schluß vom 2. Dezember 2002 - NotZ 11/02 - NJW-RR 2003, 270 unter II
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1 m.w.N.). Diese Rechtsprechung dient allein dazu, einem Antragsteller
gegen Maßnahmen der Justizverwaltung den durch Art. 19 Abs. 4 GG
gewährleisteten effektiven Rechtsschutz zu verschaffen.
Rinne Streck Seiffert
Lintz Bauer