Urteil des BGH vom 21.12.2005

BGH (stgb, sexuelle handlung, mutter, missbrauch, vergewaltigung, person, ergebnis, vernehmung, geschlechtsverkehr, stv)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 245/05
vom
21. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Hauptverhandlung
vom 7. Dezember 2005 in der Sitzung am 21. Dezember 2005, an denen teil-
genommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Professor Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Frankfurt am Main vom 24. Januar 2005 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-
heit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Miss-
brauch von Schutzbefohlenen in sechs Fällen, schwerem sexuellen Missbrauch
von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in
einem Fall und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jah-
ren verurteilt und im Adhäsionsverfahren ein Schmerzensgeld in Höhe von
10.000 Euro zuzüglich Zinsen für die Nebenklägerin festgesetzt. Die Revision
des Angeklagten, die sich auf Verfahrensrügen und die Sachrüge stützt, ist im
Ergebnis unbegründet.
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1. Die Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt zutref-
fend dargelegten Gründen unbegründet. Insoweit ist nur Folgendes anzumer-
ken:
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Die Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 252 StPO durch Verwer-
tung der Vernehmung der Nebenklägerin durch die als Zeugin vernommene
Polizeibeamtin M. ist unbegründet. Die Nebenklägerin war in der Hauptver-
handlung darüber belehrt worden, dass diese Vernehmung sowie ihre auf Vi-
deoband aufgezeichnete ermittlungsrichterliche Vernehmung nur verwertet
werden könnten, wenn sie hierzu ihre Zustimmung gab. Die Nebenklägerin er-
klärte: "Ich möchte, dass die Videovernehmung abgespielt wird"; im Übrigen
erklärte sie, dass sie unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht keine
Aussage machen wolle.
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Damit hat die Nebenklägerin, wie der Generalbundesanwalt zutreffend
dargelegt hat, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie (nur) eine
Vernehmung in der Hauptverhandlung ablehne, mit der Verwertung ihrer frühe-
ren Aussagen aber einverstanden sei (vgl. BGHSt 45, 203, 209).
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Der von der Revision gerügte Verstoß gegen § 265 StPO liegt offensicht-
lich nicht vor. Die Strafvorschriften, auf welche hingewiesen werden sollte, wa-
ren in den rechtlichen Hinweisen des Landgerichts unmissverständlich bezeich-
net und für den Angeklagten und seinen Verteidiger ohne Weiteres erkennbar.
Die ersichtlich nur irrtümliche Fehlzitierung der gesetzlichen Nummerierung be-
gründete daher keinen Verstoß gegen § 265 StPO.
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2. Auch die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt kei-
nen Rechtsfehler. Die Verurteilung hält namentlich auch in den Fällen II.3 bis
II.7 rechtlicher Überprüfung stand.
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a) Nach den Feststellungen des Landgerichts lebte der Angeklagte von
1996 bis Anfang 2001 mit der Nebenklägerin, seiner am 20. April 1987 gebore-
nen Stieftochter, und deren Mutter zusammen. Der Angeklagte war für die Er-
ziehung der Nebenklägerin mit verantwortlich und überwachte deren Lebens-
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führung. Der Angeklagte wendete in dem genannten Zeitraum sowohl gegen
seine Ehefrau als auch gegen seine Stieftochter mehrfach Gewalt an, indem er
sie mit der Hand, gelegentlich aber auch mit einem Gürtel schlug. Ein unmittel-
barer Zusammenhang solcher Gewalthandlungen mit sexuellen Übergriffen auf
die Nebenklägerin ist nicht festgestellt.
Die Nebenklägerin hatte auf Grund der wiederholten Gewalttätigkeiten
des Angeklagten Angst vor diesem. Nach den auf das Gutachten einer Sach-
verständigen gestützten Feststellungen des Landgerichts verfügte sie über eine
nur gering ausgeprägte soziale Kompetenz auf dem Hintergrund massiver
Selbstunsicherheit. Ihre Beziehung zu dem Angeklagten war durch Abhängig-
keit und Gefügigkeit geprägt. Erst im Rahmen der Trennung ihrer Mutter von
dem Angeklagten vermochte auch die Nebenklägerin sich vom Angeklagten
innerlich und äußerlich abzugrenzen.
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b) Die abgeurteilten Taten ereigneten sich zwischen dem Spätsommer
1998 und Anfang 2001.
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Im Fall II.1 veranlasste der Angeklagte die Nebenklägerin mit der Dro-
hung, er werde sie sonst schlagen, ihn auf den Balkon zu begleiten. Dort ent-
kleideten sich der Angeklagte und die Nebenklägerin; sodann vollzog der Ange-
klagte den Geschlechtsverkehr.
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Im Fall II.2 weckte der Angeklagte die Nebenklägerin, forderte sie auf, ins
Wohnzimmer zu kommen, und vollzog dort mit ihr den Geschlechtsverkehr. Die
Mutter der Nebenklägerin schlief währenddessen im Schlafzimmer. Aus Angst
davor, der Angeklagte werde unter Umständen seine Ehefrau schlagen, unter-
ließ es die Nebenklägerin, ihre Mutter um Hilfe zu rufen.
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Im Fall II.3 nahm der Angeklagte die Nebenklägerin mit in sein neues
und zur Tatzeit leeres Büro. In der dortigen Toilette zog sie sich auf seine Auf-
forderung hin aus; sodann vollzog er mit ihr den Geschlechtsverkehr.
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In den Fällen II.4 bis II.7 vollzog der Angeklagte jeweils nachmittags in
Abwesenheit seiner Ehefrau den Geschlechtsverkehr mit seiner Stieftochter,
entweder in deren Zimmer oder im Schlafzimmer. Die Wohnungstür verschloss
er jeweils zuvor, damit seine Ehefrau nicht unverhofft die Wohnung betreten
konnte. In dem letzten der genannten Fälle teilte die Nebenklägerin dem Ange-
klagten mit, dass sie Schmerzen habe; er antwortete hierauf: "Warte, ich bin
gleich fertig." Zum subjektiven Vorstellungsbild der Nebenklägerin in den Fällen
II.3 bis II.7 enthält das Urteil keine ausdrücklichen konkretisierenden Feststel-
lungen.
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Im Fall II.8 schlug der Angeklagte die Nebenklägerin mit einem Gürtel,
weil sie nach seiner Ansicht zu spät nach Hause gekommen war.
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Nach der Trennung der Mutter der Nebenklägerin von dem Angeklagten
wollte dieser die Nebenklägerin an einem Tag vor ihrem 14. Geburtstag wieder-
um in das Kinderzimmer ziehen. Sie weigerte sich und sagte zum Angeklagten,
es tue ihr zu sehr weh, was er ihr antue. Sie wolle das nicht mehr, er habe sie
genug gequält und solle sie endlich in Ruhe lassen und weggehen. Der Ange-
klagte ließ daraufhin von ihr ab; es fand kein weiterer sexueller Übergriff statt.
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c) Das Landgericht hat - jeweils tateinheitlich zu schwerem sexuellen
Missbrauch eines Kindes gemäß §§ 176 Abs. 1, 176 a Abs. 1 Nr. 1 a.F. StGB
und zu sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1
Nr. 1 StGB - im Fall II.1 eine Vergewaltigung in der Tatvariante der Drohung
gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen. In den Fällen II.3
bis II.7 hat das Landgericht eine Vergewaltigung unter Ausnutzen einer schutz-
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losen Lage angenommen (§ 177 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB). Im Fall II.3
habe die Nebenklägerin sich in einiger Entfernung von der mütterlichen Woh-
nung allein mit dem Angeklagten in dessen Büro befunden und keine Aussicht
auf fremde Hilfe gehabt. In den Fällen II.4 bis II.7 habe weder eine ausdrückli-
che noch eine konkludente Drohung und auch keine Gewalt vorgelegen, da das
Absperren der Wohnungstür nicht der Freiheitsberaubung des Tatopfers, son-
dern allein der Verhinderung von Störungen diente.
Jedoch habe der Angeklagte hier eine schutzlose Lage ausgenutzt. Die
Nebenklägerin habe sich mit dem Angeklagten allein in der Wohnung befunden.
Lautes Rufen werde in Mehrfamilienhäusern meist nicht gehört. Überdies habe
die Nebenklägerin auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur alles getan, um Ruhe
in der Familie zu haben. Lautes Rufen oder Schreien sei ihr fremd. Die Schutz-
losigkeit habe sich insoweit aus Umständen in der Person des Opfers ergeben.
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3. Die Sachrüge ist offensichtlich unbegründet, soweit sie sich gegen die
Schuld- und Strafaussprüche in den Fällen II.1, II.2 und II.8 sowie gegen die
Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Miss-
brauch einer Schutzbefohlenen in den Fällen II.3 bis II.7 wendet. Sie ist im Er-
gebnis aber auch insoweit unbegründet, als sie die Verurteilung auch wegen
Vergewaltigung in den letztgenannten Fällen beanstandet.
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a) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, dass der Tatrichter hier jeweils
die Voraussetzungen einer schutzlosen Lage im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 3
StGB bejaht hat. Diese setzt voraus, dass das Tatopfer sich objektiv in einer
Lage befindet, in welcher es möglichen "Einwirkungen" des Täters, d.h. nöti-
genden Gewalthandlungen (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 177 Rdn. 24 ff.;
Renzikowski in MüKo-StGB § 177 Rdn. 40; Wolters/Horn in SK-StGB § 177
Rdn. 13 b; Laufhütte/Roggenbuck in LK 11. Aufl. Nachtrag zu § 177 Rdn. 2),
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schutzlos ausgeliefert wäre. Eine solche Schutzlosigkeit ergibt sich, wie der
Bundesgerichtshof mehrfach festgestellt hat, nicht schon ohne Weiteres aus
dem Vorliegen eines isolierten Umstands in der äußeren Tatsituation oder in
der Persönlichkeit des Tatopfers oder des Täters, etwa aus dem Alleinsein von
Täter und Opfer an einem Ort (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 44; BGH bei Pfister
NStZ-RR 2004, 355 Nr. 12; BGH StV 2005, 267; Tröndle/Fischer aaO § 177
Rdn. 28 f.) oder einer persönlichkeitsbedingt eingeschränkten psychischen
Durchsetzungskraft des Tatopfers (vgl. BGH NStZ 2003, 533). Der Begriff der
Schutzlosigkeit beschreibt vielmehr ein konkretes Verhältnis zwischen den Mög-
lichkeiten des Täters, seinen Willen gegebenenfalls mit Gewalt durchzusetzen,
und den Möglichkeiten des Tatopfers, sich solchen Einwirkungen zu entziehen,
ihnen erfolgreich körperlichen Widerstand entgegenzusetzen oder die Hilfe Drit-
ter zu erlangen. Daher kommt es stets auf die Gesamtheit äußerer Umstände
und persönlicher Voraussetzungen von Täter und Opfer im Einzelfall an. Weder
einzelne äußere Umstände als solche (z. B. Abgeschiedenheit oder Belebtheit
des Ortes, Tageszeit) noch einzelne Gegebenheiten in der Person von Täter
oder Tatopfer (z. B. körperliche Verfassung und Leistungsfähigkeit, psychische
Disposition) oder von dritten Personen erlauben für sich allein eine abschlie-
ßende Beurteilung, ob die Lage des Opfers zum Tatzeitpunkt sich als "schutz-
los" gegenüber möglichen Gewalthandlungen des Täters darstellt.
Soweit in Entscheidungen des 3. Strafsenats (BGH NStZ 2003, 533, 534;
StV 2005, 269, 270) und des 4. Strafsenats (BGH NStZ 2005, 267, 268; StraFo
2005, 344) eine Unterscheidung zwischen Schutzlosigkeit aus "objektiven" und
aus "in der Person des Opfers" liegenden Gründen vorgenommen wurde, hat
der Senat Zweifel an der Tragfähigkeit und Notwendigkeit einer solchen Unter-
scheidung. Das ergibt sich aus dem Begriff der Schutzlosigkeit als Gesamtbe-
wertung der Möglichkeiten des Tatopfers, denkbaren Einwirkungen des Täters
Erfolg versprechenden Widerstand zu leisten oder sich ihnen zu entziehen.
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Diese Lage setzt sich notwendig stets aus äußeren und in den Personen lie-
genden Faktoren zusammen (vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 31 a
f.).
Zwar hat das Landgericht vorliegend der Feststellung von Schutzlosigkeit
in den Fällen II.3 bis II.7 eine solche Gesamtbewertung nicht ausdrücklich
zugrunde gelegt, sondern die Feststellung ohne Weiteres auf das Alleinsein des
zur Tatzeit 11- bis 13-jährigen Tatopfers mit dem Angeklagten in dessen Büro
(Fall II.3) bzw. in der elterlichen Mietwohnung (Fälle II.4 bis II.7) gestützt. Aus
dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich aber hier weitere
Feststellungen zur Persönlichkeit der Beteiligten und zu ihrem Verhältnis zuein-
ander, welche die Annahme einer objektiven Lage schutzlosen Ausgeliefert-
seins im Ergebnis rechtfertigen.
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b) Es fehlt hier auch nicht an hinreichenden Feststellungen dazu, dass
der Angeklagte das Tatopfer unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage genötigt
hat, sexuelle Handlungen zu dulden.
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aa) Der Senat hat in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass sich die
Vollendung des Tatbestands des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB im Ausnutzen der
schutzlosen Lage erschöpfe, der Tatbestand somit schon mit der Vornahme
einer sexuellen Handlung ohne oder gegen den Willen des Tatopfers gegeben
sei, wenn der Täter hierbei eine schutzlose Lage ausnutzt (vgl. Senatsentschei-
dungen BGHSt 45, 253, 260; NStZ-RR 2003, 42; NStZ 2004, 440, 441; ebenso
der 4. Strafsenat im Urteil vom 25. Oktober 2001 - 4 StR 262/01, NStZ 2002,
199, 200). Im Urteil vom 28. Januar 2004 - 2 StR 351/03 (NStZ 2004, 440) hat
der Senat hieraus die Folgerung gezogen, dass es, wenn sich das Tatopfer ob-
jektiv in einer schutzlosen Lage befindet, welche der Täter bewusst zur Vor-
nahme einer sexuellen Handlung ausnutzt, nicht darauf ankommt, ob das Opfer
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selbst die Schutzlosigkeit seiner Lage erkennt und ob es sich vor Zwangshand-
lungen des Täters fürchtet; erforderlich und ausreichend sei vielmehr, dass das
Opfer die sexuelle Handlung nicht will und dass der Täter dies erkennt oder
mindestens billigend in Kauf nimmt.
Diese Rechtsprechung des Senats ist in der Literatur auf Kritik gestoßen
(vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 177 Rdn. 38 ff., Renzikowski in MüKo-
StGB § 177 Rdn. 46 f.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl.
§
177 Rdn. 11; Wolters/Horn in SK-StGB 8. Aufl., §
177 Rdn.
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a;
Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 177 Rdn. 6 a; Gössel, Das neue Sexualstraf-
recht, 2005, § 2 Rdn. 39; Fischer NStZ 2000, 142; Graul JR 2001, 117 ff.;
Güntge NJW 2004, 3750 ff.; Folkers NStZ 2005, 181, 183 f.;
Hiebl/Bendermacher StV 2005, 264 ff.). Der 3. und 4. Strafsenat wollen ihr je-
denfalls in solchen Fällen nicht folgen, in denen die Schutzlosigkeit des Tatop-
fers sich aus Gründen in der Person des Opfers ergab (BGH, Urt. vom 27. März
2003 - 3 StR 446/02 = NStZ 2003, 533; Beschl. vom 14. Februar 2005 - 3 StR
230/04 = StV 2005, 269; Beschl. vom 1. Juli 2004 - 4 StR 229/04 = NStZ 2005,
267; vgl. auch Pfister NStZ-RR 2004, 356).
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bb) Ob diesen Einwänden, auch unter Berücksichtigung der Gesetzge-
bungsgeschichte des 33. StÄG (vgl. BTDrucks. 13/323, S. 5; BTDrucks. 2463,
S. 6; BTDrucks. 4543, S. 7; BTDrucks. 13/7324, S. 6; zum Gesetzgebungsver-
fahren vgl. BGHSt 44, 228 ff.; 45, 253 ff.) zu folgen oder an der in der Senats-
entscheidung vom 28. Januar 2004 - 2 StR 351/03 (NStZ 2004, 440, 441) dar-
gelegten Rechtsansicht festzuhalten ist, kann offen bleiben. Im vorliegenden
Fall kommt es hierauf nicht an. Zwar hat das Landgericht ausdrücklich konkreti-
sierte Feststellungen zum subjektiven Vorstellungsbild des Tatopfers in den Fäl-
len II.3 bis II.7 nicht getroffen. Es hat aber einleitend festgestellt, die Nebenklä-
gerin habe angesichts der mehrfachen Gewalttätigkeiten des Angeklagten ge-
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gen sie selbst und gegen ihre Mutter Angst vor dem Angeklagten verspürt und
"anlässlich des jeweiligen Geschlechtsverkehrs … keine große Gegenwehr"
geleistet (UA S. 6). Im Fall II.2 hat es überdies festgestellt, die Nebenklägerin
habe ihre Mutter nicht um Hilfe gerufen, weil sie Angst hatte, der Angeklagte
werde diese wieder schlagen.
Aus diesem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich nach Auffas-
sung des Senats mit hinreichender Sicherheit, dass die Nebenklägerin sich
auch in den Fällen II.3 bis II.7 dem sexuellen Ansinnen des Angeklagten gegen
ihren Willen nur fügte, weil sie sich für den Fall des Widerstands im Hinblick auf
ihre schutzlose Lage vor Gewalttätigkeiten des Angeklagten fürchtete. Daher
sind auch bei einschränkender Auslegung des Tatbestands die Voraussetzun-
gen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB gegeben. Von dem vom 4. Strafsenat im Be-
schluss vom 1. Juli 2004 - 4 StR 229/04 (NStZ 2005, 267) entschiedenen Fall
unterscheidet sich der vorliegende dadurch, dass in jenem Fall das Ausmaß
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nicht konkret tatbezogener Gewalttätigkeiten des Täters deutlich geringer war
und dass hier der Angeklagte in den Fällen II.4 bis II.7 die Wohnungstür ver-
schlossen hatte, um die Taten ungestört begehen zu können.
Rissing-van Saan Bode Otten
Fischer Roggenbuck