Urteil des BGH vom 24.01.2005
BGH (ehemann, fonds, bank, anleger, rückzahlung, darlehensvertrag, finanzierung, widerklage, kreditvertrag, sache)
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 408/02
Verkündet am:
24. Januar 2005
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der  II. Zivilsenat  des  Bundesgerichtshofes  hat  auf  die  mündliche
Verhandlung  vom  24. Januar  2005  durch  den  Vorsitzenden  Richter
Dr. h.c. Röhricht  und  die  Richter  Prof. Dr. Goette,  Dr. Kurzwelly,  Münke  und
Dr. Gehrlein
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. September 2002 aufgehoben.
Die  Sache  wird  zur  neuen  Verhandlung  und  Entscheidung,  auch
über  die  Kosten  des  Revisionsverfahrens,  an  das  Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die  Parteien  streiten  über  Ansprüche  aus  einem  Darlehen,  das  die  Be-
klagte  der  Klägerin  und  ihrem  Ehemann  zur  Finanzierung  ihrer  Beteiligung  an
dem geschlossenen Immobilienfonds der H.-Gruppe, der F. L. GmbH & Co. KG
(im folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft), im April 1998 gewährte.
Die Klägerin und ihr Ehemann beteiligten sich an dem Fonds mit je einer
Einlage  von  30.000,00 DM.  Beide  Einlagen  zusammen  ließen  sie  durch  einen
mit  einer  Risikolebensversicherung  besicherten  Tilgungskredit  der  Beklagten
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finanzieren. Die Beklagte zahlte die Darlehensvaluta, wie der Vertrag es vorsah,
an  die  Treuhänderin,  die  S.  St.  Treuhand-  und  Steuerberatungsgesellschaft
mbH,  aus.  Die  Fondsbeteiligung  und  deren  Finanzierung  waren  der  Klägerin
und  ihrem  Ehemann  durch  A.  R.,  der  mit  ihnen  als  Vertreter  der  H.  Fi.  GmbH
einen Finanzierungsvermittlungsvertrag schloß, vermittelt worden.
Da  der  Fonds  ab  15. Februar  2000  keine  Miet-  bzw.  Mietgarantieaus-
schüttungen  an  die  Anleger  mehr  vornahm,  stellten  die  Klägerin  und  ihr  Ehe-
mann  die  Bedienung  des  Darlehens  ein.  Die  Beklagte  kündigte  das  Darlehen
zum 15. Juni 2000. Die Klägerin und ihr Ehemann haben ihre die Fondsbeteili-
gung betreffenden Willenserklärungen vorprozessual mit Anwaltsschreiben vom
5. September 2000 und ihre auf den Darlehensvertrag gerichteten Erklärungen
während des Rechtsstreits mit Anwaltsschreiben vom 25. Juni 2002 widerrufen
lassen.
Die  Klägerin  behauptet,  von  dem  Vermittler  R.  sowohl  hinsichtlich
der Belastungen durch den Darlehensvertrag als auch in Bezug auf die mit der
Fondsbeteiligung  verbundenen  Risiken  falsch  informiert  worden  zu  sein.
Außerdem beruft sie sich darauf, daß die nach dem  Emissionsprospekt vorge-
sehene Plazierung der Fondsanteile nicht möglich gewesen sei.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß der Beklag-
ten aus dem Kreditvertrag keine Ansprüche gegen sie mehr zustehen (Klagean-
trag 1) und die Beklagte verpflichtet ist, ihr die auf den Kreditvertrag geleisteten
Zahlungen  zurückzuerstatten  (Klageantrag 2).  Die  Beklagte  hat  Klageabwei-
sung beantragt und widerklagend Zahlung des offenen Darlehensbetrages von
64.722,06 DM nebst Zinsen verlangt.
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Das  Landgericht  hat  die  Klage  abgewiesen  und  der  Widerklage  bis  auf
einen geringen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Die Berufung der Klägerin,
mit der sie die Abweisung der Widerklage und die Feststellung begehrt hat, daß
sich ihr ursprünglicher Klageantrag 1 erledigt habe, und außerdem auf Verurtei-
lung der Beklagten zur Erstattung geleisteter Zinsen von 5.877,83 € angetragen
hat, blieb erfolglos. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klä-
gerin ihre Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen
Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach  dem  für  das  Revisionsverfahren  als  richtig  zu  unterstellenden
Vortrag  der  Klägerin,  wonach  sie  und  ihr  Ehemann  zum  Fondsbeitritt  durch
Täuschung veranlaßt wurden, sind ihre Berufungsanträge begründet und ist die
Widerklage der Beklagten unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf
die  Rückzahlung  des  Darlehens  und  ist  zur  Rückzahlung  der  erhaltenen  Zins-
leistungen verpflichtet. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3, Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG
in dessen bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung.
1. Das  Berufungsgericht  meint,  der  Klägerin  stünden  keine  Einwendun-
gen  zu,  die  sie  nach  § 9  Abs. 3  VerbrKrG  berechtigten,  die  Rückzahlung  des
Darlehens zu verweigern. Voraussetzung des sog. Einwendungsdurchgriffs sei
ein Anspruch gegen die Fondsgesellschaft, die für die von der Klägerin behaup-
teten Täuschungen und Pflichtverletzungen des Vermittlers und der Fondsinitia-
toren jedoch nicht einzustehen habe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch
auf  Rückzahlung  geleisteter  Zinsen,  ein  sog.  "Rückforderungsdurchgriff"  sei
abzulehnen.
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Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
2. a) Auf  einen  Kredit  zur  Finanzierung  einer  Beteiligung  an  einer  Anla-
gegesellschaft  finden  gemäß  § 9  Abs. 4  VerbrKrG  die  Vorschriften  des  § 9
Abs. 1-3  VerbrKrG  Anwendung  (vgl.  Sen.Urt.  v.  14. Juni  2004  - II ZR 393/02,
ZIP  2004,  1394,  1396  und  II ZR 395/01,  ZIP  2004,  1402,  1405  m.w.Nachw.).
Der Beitritt der Klägerin und ihres Ehemanns zur Fondsgesellschaft und ihr zur
Finanzierung  des  Beitritts  geschlossener  Darlehensvertrag  mit  der  Beklagten
bilden ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1 VerbrKrG. Dessen Voraus-
setzungen  liegen  nach  der  Rechtsprechung  des  Senats  vor,  wenn  sich  die
Fondsgesellschaft  und  die  Bank  derselben  Vertriebsorganisation  bedienen
(Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 aaO). Die Beklagte hat sich bei der Darlehensverga-
be  des  nach  ihrer  eigenen  Darstellung  von  den  Fondsinitiatoren  bzw.  der  von
diesen  beauftragten  Vertriebsgesellschaft,  der  H.-Gruppe,  eingeschalteten
Vermittlers  R.  bedient:  R.  übermittelte  der  Beklagten  die  zur  Bo-
nitätsprüfung  erforderlichen  Angaben  der  Klägerin  und  ihres  Ehemannes,  die
Beklagte  gab  den  von  ihr  ausgefüllten  Darlehensvertrag  zur  Unterzeichnung
durch  die  Klägerin  und  ihren  Ehemann  an  R.,  der  ihn  nach  Einholung
der Unterschriften wiederum der Beklagten zurückreichte.
b) Der bei seinem Beitritt über die Bedingungen der Fondsbeteiligung ge-
täuschte Anleger kann nicht nur seine Beteiligung kündigen und die daraus fol-
genden  Ansprüche  der  Bank  entgegenhalten,  sondern  darüber  hinaus  dem
Finanzierungsinstitut  alle  Ansprüche  entgegensetzen,  die  er  gegenüber  den
Prospektverantwortlichen  und  Gründungsgesellschaftern  des  Fonds  hat.  Denn
diese sind in dem Dreiecksverhältnis des Verbundgeschäfts Kunde - Verkäufer
-  Bank  wie  ein  Verkäufer  zu  behandeln.  Die gegenüber  den Gründungsgesell-
schaftern des Fonds bestehenden Schadensersatzansprüche aus Prospekthaf-
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tung,  Verschulden  bei  Vertragsschluß  und  ggf.  § 823  Abs. 2  BGB  i.V.  mit
§ 264 a StGB sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er der
Fondsgesellschaft nicht  beigetreten  und  hätte  mit  dem  den  Beitritt  finanzieren-
den  Institut  keinen  Kreditvertrag  geschlossen  (Sen.Urt.  v.  14. Juni  2004
- II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406).
Das bedeutet im Rahmen des § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG, daß der Anle-
ger der Bank nur seine Fondsanteile einschließlich der aus der Fehlerhaftigkeit
des  Erwerbs  resultierenden  Schadensersatzansprüche  abzutreten  hat,  daß  er
die Darlehensvaluta, die nicht an ihn, sondern an den Treuhänder geflossen ist,
jedoch nicht zurückzuzahlen braucht. Zugleich hat er im Wege des Rückforde-
rungsdurchgriffs  entsprechend  § 9  Abs. 2  Satz 4  VerbrKrG  (vgl.  Sen.Urt.  v.
21. Juli 2003, BGHZ 156, 46, 54 ff.) gegen die Bank Anspruch auf Rückgewähr
der  von  ihm  auf  Grund  des  Darlehensvertrages  erbrachten  Leistungen,  soweit
sie aus seinem Vermögen und nicht aus Erträgnissen des Fonds stammten. Im
Wege des Vorteilsausgleichs muß er sich die Steuervorteile anrechnen lassen,
denen  keine  Nachzahlungsansprüche  des  Finanzamts  gegenüberstehen  (vgl.
Sen.Urt.  v.  14. Juni  2004  - II ZR 393/02,  ZIP  2004,  1394,  1400  und
II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1407).
c) Danach  braucht  die  Klägerin  - ausgehend  von  ihrem  für  das  Revisi-
onsverfahren maßgeblichen Vorbringen - der Beklagten das Darlehen nicht zu-
rückzuzahlen, sondern sie und ihr Ehemann  müssen der Beklagten nur die ihr
als  Sicherheit  verpfändeten  Fondsbeteiligungen  endgültig  überlassen  und  ihre
Schadensersatzansprüche  gegen  die  Initiatoren  und  Gründungsgesellschafter
abtreten, § 255 BGB.
Die  Klägerin  beansprucht  zu  Recht  Rückgewähr  der  5.877,83 €.  Dieser
Betrag ergibt sich nach der insoweit übereinstimmenden Darstellung der Partei-
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en  allein  aus  Zahlungen  der  Eheleute  Stu.  und  enthält  keine  Fondser-
trägnisse.  Die  Klägerin  kann den  Gesamtbetrag  verlangen,  ohne  sich  auf  eine
entsprechende Abtretung der Rechte ihres Ehemannes berufen zu müssen. Sie
und  ihr  Ehemann  sind  auch  hinsichtlich  des  Zinsrückzahlungsanspruchs  als
Gesamtgläubiger anzusehen, da sie nach den Darlehensbedingungen jeder für
sich zur Empfangnahme des Darlehens berechtigt sein sollten.
II. Die  Sache  ist  an  das  Berufungsgericht  zurückzuverweisen,  damit  es
klärt,  ob  die  Klägerin  und  ihr  Ehemann  durch  falsche  Prospektangaben  oder
den  Gründungsgesellschaftern  und  Fondsinitiatoren  zuzurechnende  falsche
Angaben des Vermittlers zum Fondsbeitritt veranlaßt wurden.
Röhricht
Goette
Kurzwelly
Münke
Gehrlein