Urteil des BGH vom 04.12.2008
Willkommen im Leben Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 48/08
vom
4. Dezember 2008
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung Nr. 304 33 527.4
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
Willkommen im Leben
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 39 Abs. 1
a) Die Eintragung der Waren und Dienstleistungen im Verzeichnis kann nach
ihrem Inhalt beschränkt werden (hier: Beschränkung der Eintragung der
Waren und Dienstleistungen "Bild- und Tonträger, Druckereierzeugnisse,
Anbieten und Mitteilen von auf einer Datenbank gespeicherten Informatio-
nen" auf bestimmte Themengebiete).
b) Die Wortfolge "Willkommen im Leben" ist für die Waren und Dienstleistun-
gen "Bild- und Tonträger, Druckereierzeugnisse, Anbieten und Mitteilen von
auf einer Datenbank gespeicherten Informationen" nicht unterscheidungs-
kräftig i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
BGH, Beschl. v. 4. Dezember 2008 - I ZB 48/08 - Bundespatentgericht
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Dezember 2008
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss des
29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts
vom 26. März 2008 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 €
festgesetzt.
Gründe:
I. Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Ein-
tragung der Wortfolge
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Willkommen im Leben
für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 38, 41 und 42
begehrt.
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Die Markenstelle für die Klasse 38 hat die Anmeldung wegen fehlender
Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen, und zwar für die Waren und
Dienstleistungen
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Bild- und Tonträger; Datenträger zur Wiedergabe von Ton und Bild; CD-
ROM; Druckwerke aller Art, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften, Bü-
cher, Reiseführer; Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Anbieten und Mit-
teilen von auf einer Datenbank gespeicherten Informationen; Rundfunk-,
Film- und Fernsehproduktion.
Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin ein bezogen auf die von
der Zurückweisung betroffenen Waren und Dienstleistungen eingeschränktes
Verzeichnis eingereicht. Das Bundespatentgericht hat danach seiner Prüfung
folgende Waren und Dienstleistungen zugrunde gelegt:
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Klasse 9:
Bild- und Tonträger zu den Themen Kochen, Backen, Ernährung, Ge-
sundheit, Fitness, Wellness, Lifestyle, Medizin, Business, Partnerschaft,
Tiere, Garten, Einrichtung und Innenausstattung;
Klasse 16:
Druckereierzeugnisse, nämlich Kochbücher, Backbücher, Rezeptsamm-
lungen zum Kochen und Backen, Rezeptsammlungen zu Kaffeespezialitä-
ten, Cocktails und anderen Getränken, Diätkochbücher, Diätbackbücher,
Kochbücher für Diabetiker; Backbücher für Diabetiker, Gesundheitsratge-
ber, Fitnessratgeber, Wellnessratgeber, Lifestyleratgeber, Psychologiebü-
cher, medizinische Ratgeber, Businessratgeber, Nachschlagewerke zu
Bewerbungssituationen, Sprachen, sozialer Kompetenz und Psychologie,
Partnerschaftsratgeber, Tierbücher, Gartenbücher, Ratgeber zur Garten-
gestaltung, Einrichtungsbücher, Ratgeber zur Innenausstattung;
Klasse 38:
Anbieten und Mitteilen von auf einer Datenbank gespeicherten Informati-
onen zu den Themen Kochen, Backen, Ernährung, Gesundheit, Fitness,
Wellness, Lifestyle, Medizin, Business, Partnerschaft, Tiere, Garten, Ein-
richtung und Innenausstattung.
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Die gegen die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts
gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (BPatG, Beschl. v. 26.3.2008
- 29 W (pat) 23/05, juris).
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Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der (zugelassenen) Rechts-
beschwerde.
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II. Das Bundespatentgericht hat die angemeldete Marke für die in Rede
stehenden Waren und Dienstleistungen mangels Unterscheidungskraft i.S. von
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für nicht eintragungsfähig gehalten und ausgeführt:
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Die im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 31. Januar 2006 erfolg-
te Einschränkung des Verzeichnisses sei in dem Umfang zulässig, in dem sie
sich auf Waren und Dienstleistungen beziehe, die Gegenstand der Zurückwei-
sung durch das Deutsche Patent- und Markenamt gewesen seien. Im Hinblick
auf diese Waren und Dienstleistungen fehle dem Zeichen jegliche Unterschei-
dungskraft. Nicht unterscheidungskräftig seien allgemeine werbliche Aussagen
und Anpreisungen und unmittelbare Sachaussagen. Die angemeldete Wortfolge
lasse sich als allgemeine Redewendung in den in Rede stehenden Branchen
belegen. Sie diene in der Werbung zur Vermittlung einer positiven Stimmung
und als Buch- oder Fernsehtitel oder zur Beschreibung einer Fernsehserie. Das
angemeldete Zeichen erschöpfe sich in dem titelartigen Hinweis auf den Inhalt
der Waren oder Dienstleistungen. Selbst wenn die Wortfolge auf unterschiedli-
che Art und Weise interpretiert werden könne, handele es sich um austausch-
bare Bedeutungen, den dadurch vermittelten allgemeinen Aussagen fehle die
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Eignung, auf ein Unternehmen hinzuweisen. Auf Voreintragungen der Wortfolge
in Österreich und der Schweiz komme es nicht an.
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
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1. Das Bundespatentgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die
Anmelderin im Beschwerdeverfahren das Verzeichnis der Waren und Dienst-
leistungen rechtswirksam in dem Umfang beschränkt hat, den das Bundespa-
tentgericht seiner weiteren Prüfung zugrunde gelegt hat (§ 39 Abs. 1 Halbsatz 2
MarkenG). Allerdings ist es unzulässig, die Anmeldung in der Art und Weise
einzuschränken, dass die Waren oder Dienstleistungen ein bestimmtes Merk-
mal nicht aufweisen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.2.2004 - C-363/99, Slg. 2004, I-1619
= GRUR 2004, 674 Tz. 114 f. - Postkantoor). Von einer derartigen unzulässigen
Einschränkung ist aufgrund der hier in Rede stehenden Beschränkung des Wa-
ren- und Dienstleistungsverzeichnisses nicht auszugehen. Dieses enthält viel-
mehr eine Begrenzung der jeweils weiten Waren- und Dienstleistungsbegriffe
"Bild- und Tonträger", "Druckereierzeugnisse" und "Anbieten und Mitteilen von
auf einer Datenbank gespeicherten Informationen" auf bestimmte Inhalte. Ge-
gen eine derartige Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnis-
ses bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken.
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2. Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei das Eintragungshinder-
nis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) be-
jaht. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben keinen
Erfolg.
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a) Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist
die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unter-
scheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen
eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu
werden. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von ei-
nem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unter-
scheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH,
Beschl. v. 24.4.2008 - I ZB 21/06, GRUR 2008, 1093 Tz. 13 = WRP 2008, 1428
- Marlene-Dietrich-Bildnis, m.w.N.). Kann einem Wortzeichen kein für die fragli-
chen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender
Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein
gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das
vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Wer-
bung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die vorerwähnte
Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH,
Beschl. v. 28.6.2001 - I ZB 1/99, GRUR 2002, 64 f. = WRP 2001, 1445
- INDIVIDUELLE; BGHZ 167, 278 Tz. 18 f. - FUSSBALL WM 2006).
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Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wort-
folgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unter-
scheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortzeichen gerechtfertigt
sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich
produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihr über diesen hinaus eine, wenn
auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder
Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb
bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen
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und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unter-
scheidungskräftig werden des weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein.
Indizien für die Eignung, die Waren und Dienstleistungen eines bestimmten An-
bieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine ge-
wisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit
und Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage kann einen Anhalt für eine
hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an
die Eigenart im Rahmen der Bewertung der Unterscheidungskraft von Wortfol-
gen nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen
Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abge-
sprochen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 17.5.2001 - I ZB 60/98, GRUR 2001,
1043, 1044 f. = WRP 2001, 1202 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; Beschl. v.
13.6.2002 - I ZB 1/00, GRUR 2002, 1070, 1071 = WRP 2002, 1281 - Bar jeder
Vernunft).
b) Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, das angemeldete Zeichen
"Willkommen im Leben" sei eine allgemeine Redewendung, die im Zusammen-
hang mit der Begrüßung von Neugeborenen und mit schwierigen Lebenssituati-
onen zur Bezeichnung eines positiven Neubeginns verwendet werde. Die Wort-
folge solle in der Werbung eine positive Stimmung vermitteln. Sie werde als
Titel oder Inhaltsangabe für Bücher zu den unterschiedlichsten Themen und als
Titel oder Kurzbezeichnung von Fernsehserien verwandt. Der Wortfolge komme
danach keine Funktion als Herkunftshinweis, sondern nur eine allgemeine
Sachaussage ohne jede Eigenart zu.
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c) Diese Beurteilung des Bundespatentgerichts hält einer rechtlichen
Nachprüfung stand. Das Bundespatentgericht ist zutreffend davon ausgegan-
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gen, dass der angemeldeten Wortfolge auch bei Anlegung des gebotenen
großzügigen Maßstabs jegliche Unterscheidungskraft fehlt, wenn sie sich für die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einer beschreibenden Sachan-
gabe erschöpft (vgl. BGH, Beschl. v. 17.2.2000 - I ZB 33/97, GRUR 2000, 882,
883 = WRP 2000, 1140 - Bücher für eine bessere Welt; Beschl. v. 23.11.2000
- I ZB 34/98, GRUR 2001, 735, 736 = WRP 2001, 692 - Test it.; Beschl. v.
1.3.2001 - I ZB 42/98, GRUR 2001, 1151, 1152 = WRP 2001, 1082 - markt-
frisch). Die Wortfolge "Willkommen im Leben" weist für die noch beanspruchten
Waren und Dienstleistungen nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellun-
gen des Bundespatentgerichts eine allgemeine Sachaussage auf.
Ohne Erfolg hält dem die Rechtsbeschwerde entgegen, die inländischen
Verkehrskreise würden nach der im Beschwerdeverfahren erfolgten themati-
schen Einschränkung bei Bild- und Tonträgern und Druckereierzeugnissen so-
wie beim Anbieten und Mitteilen von auf einer Datenbank gespeicherten Infor-
mationen der Wortfolge keinen beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen; es
handele sich nicht um eine gebräuchliche Wortfolge. Die vom Bundespatentge-
richt herangezogene Internetrecherche belege nur eine werbemäßige Verwen-
dung durch die Anmelderin.
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Das Bundespatentgericht hat aufgrund einer Reihe von Beispielen eine
Verwendung der Wortfolge als allgemeine Redewendung in der Werbung und
als Kurzbezeichnung von Fernsehsendungen und Büchern sowohl durch die
Anmelderin als auch durch Dritte festgestellt. Es hat hieraus zu Recht den
Schluss gezogen, die Wortfolge "Willkommen im Leben" bezeichne auch im
Zusammenhang mit den in Rede stehenden thematisch beschränkten Waren
und Dienstleistungen einen titelartigen Hinweis auf den Inhalt und vermittele die
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Vorstellung, die Aufgaben des Lebens engagiert und erfolgreich zu bewältigen.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde fassen die angesprochenen Ver-
kehrskreise danach die Wortfolge nicht als Herkunftshinweis, sondern nur als
eine allgemein verständliche positiv besetzte Aussage auf.
Unterscheidungskraft erlangt die Wortfolge "Willkommen im Leben" auch
nicht durch eine gewisse inhaltliche Unschärfe. Zwar kann die Mehrdeutigkeit
und Interpretationsbedürftigkeit einer Aussage einen Anhalt für eine hinreichen-
de Unterscheidungskraft bieten. Im vorliegenden Fall erlangt die Wortfolge auf-
grund unterschiedlicher Interpretationsmöglichkeiten aber keine auch nur gerin-
ge Unterscheidungskraft, weil sämtliche Bedeutungen sich auf ohne weiteres
verständliche Sachaussagen beschränken.
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d) Schließlich beruft sich die Rechtsbeschwerde auch ohne Erfolg auf
Voreintragungen des Zeichens in Österreich und der Schweiz. Die Eintragung
der Wortfolge im deutschsprachigen Ausland kann keine Bindungs- oder Indiz-
wirkung für eine Beurteilung des Schutzhindernisses fehlender Unterschei-
dungskraft haben (vgl. auch EuGH, Urt. v. 12.2.2004 - C-218/01, Slg. 2004,
I-1725 = GRUR 2004, 428 Tz. 63 f. = WRP 2004, 475 - Henkel; GRUR 2004,
674 Tz. 43 - Postkantoor). Der Umstand der Voreintragung ist lediglich in die
umfassende Beurteilung zur Frage des Vorliegens des Schutzhindernisses mit-
einzubeziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 Tz. 63 - Henkel; BGH, Beschl. v.
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20.11.2003 - I ZB 18/98, GRUR 2004, 506, 507 = WRP 2004, 755 - Stab-
taschenlampen II). Im vorliegenden Fall hat das Bundespatentgericht aufgrund
der Voreintragungen zu Recht keine Veranlassung gesehen, eine auch nur ge-
ringe Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu bejahen.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff
Koch
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 26.03.2008 - 29 W(pat) 23/05 -