Urteil des BGH vom 05.04.2006

bundesligakarten.de Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 74/06 Verkündet
am:
11. September 2008
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
:
ja
BGHR
:
ja
bundesligakarten.de
BGB § 280 Abs. 1
Verkauft ein Erwerber den gekauften Gegenstand vertragswidrig weiter, steht dem Verkäufer
kein vertraglicher Anspruch auf Unterlassung möglicher weiterer Verstöße nach zukünftigen,
noch nicht erfolgten Vertragsabschlüssen zu.
UWG § 4 Nr. 10
a) Wer gegenüber einem Anbieter, der sein Produkt ausschließlich selbst vermarktet und
seinen Abnehmern den gewerblichen Weiterverkauf verbietet, seine Wiederverkäuferei-
genschaft verschweigt, handelt nicht nur vertrags-, sondern unter dem Gesichtspunkt des
Schleichbezugs auch wettbewerbswidrig nach §§ 3, 4 Nr. 10 UWG.
b) Wer in Anzeigen gegenüber der Allgemeinheit seine Bereitschaft bekundet, Eintrittskarten
zu Sportveranstaltungen anzukaufen, verleitet damit in der Regel nicht zum Vertragsbruch,
auch wenn er weiß, dass potentiellen Verkäufern der Weiterverkauf der Karten nach den
Geschäftsbedingungen des Veranstalters untersagt ist.
c) In einem derartigen Fall liegt grundsätzlich eine unlautere Ausnutzung fremden Vertrags-
bruchs auch dann nicht vor, wenn mit Hilfe des Weiterveräußerungsverbots legitime Inte-
ressen wie die Gewährleistung der Stadionsicherheit oder eines sozial verträglichen Preis-
gefüges verfolgt werden.
BGH, Urt. v. 11. September 2008 - I ZR 74/06 - OLG Hamburg
LG
Hamburg
- 2 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 11. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Born-
kamm und die Richter Dr. Schaffert, Dr. Bergmann, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 5. April 2006 unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt
und im Übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu
gefasst:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landge-
richts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 12. Mai 2005 unter Zu-
rückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abge-
ändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Internet und dort
insbesondere unter
spiele
zum Verkauf anzubieten und zu verkaufen und/oder Handel
mit solchen Eintrittskarten zu betreiben, sofern die Beklagten
die Eintrittskarten vom Kläger oder von durch den Kläger au-
torisierten Dritten unter Verschleierung der Wiederverkaufs-
absichterworben haben.
2. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ge-
gen die Verpflichtung zu Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu
250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten und im Wiederho-
lungsfall bis zu insgesamt höchstens zwei Jahren angedroht.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
- 3 -
Tatbestand:
1
Kläger ist der H. (H. ), der mit seiner Fußballmann-
schaft in der Bundesliga spielt. Die Eintrittskarten für seine Heimspiele vertrei-
ben er und von ihm autorisierte Dritte über offizielle Verkaufsstellen, im Direkt-
versand nach telefonischer Bestellung und über das Internet. Die Kartenverkäu-
fe erfolgen auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klä-
gers, die der Kläger in seinen Verkaufsstellen ausgehängt hat und In-
teressenten im Internet zugänglich macht.
Nummer 2 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet:
2
Der Vertrag kommt mit Aushändigung der Eintrittskarte an den Kartenerwerber zu-
stande. Dabei sagt der Erwerber verbindlich zu, die Eintrittskarte(n) ausschließlich
für private Zwecke zu nutzen. Jeglicher gewerblicher und kommerzieller Weiterver-
kauf der erworbenen Tickets ohne Einholung einer vorherigen Zustimmung durch
den Veranstalter ist verboten. Für jeden Verstoß gegen das vorgenannte Verbot
zahlt der Verursacher dem Veranstalter eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 €.
Weiterhin behält es sich der Veranstalter vor, Personen, die gegen das vorstehend
aufgeführte Verbot verstoßen, in Zukunft vom Ticketerwerb auszuschließen.
Die Beklagten bieten über die Internet-Seite www.bundesligakarten.de
gewerblich Karten für nationale und internationale Fußballspiele zu Preisen an,
die im Regelfall erheblich über dem offiziellen Verkaufspreis des Veranstalters
liegen. Sie erwerben die Eintrittskarten entweder direkt vom Veranstalter, ohne
sich als kommerzieller Anbieter zu erkennen zu geben, oder von Privatperso-
nen. Um den Erwerb von Privatpersonen zu ermöglichen, schalten sie entspre-
chende Suchanzeigen in Fachzeitschriften wie "Kicker" und "Sport Bild", wer-
ben im Internet für einen Ankauf oder ersteigern die Karten im Internetauktions-
haus eBay. In der Vergangenheit haben die Beklagten auch Karten für vom
Kläger veranstaltete Fußballspiele angeboten.
3
- 4 -
Der Kläger sieht darin ein vertrags- und wettbewerbswidriges Verhalten.
Er hat gegen die Beklagten vor dem Landgericht eine einstweilige Verfügung
erwirkt. Die Berufung gegen das die Verfügung bestätigende Urteil des Landge-
richts hat das Berufungsgericht zurückgewiesen (OLG Hamburg NJW 2005,
3003).
4
Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat der Kläger entsprechend dem
Tenor der einstweiligen Verfügung beantragt,
5
den Beklagten unter Androhung von näher bezeichneten Ordnungsmitteln zu ver-
bieten, im Geschäftsverkehr, insbesondere im Internet und dort insbesondere unter
der Internetseite www.bundesligakarten.de, Eintrittskarten des H.
für dessen Heimspiele zum Verkauf anzubieten und zu verkaufen
und/oder jeglichen Handel mit Eintrittskarten des H. für
dessen Heimspiele zu betreiben.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verur-
teilt. Ihre Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamburg OLG-Rep 2007,
66).
6
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückwei-
sung der Kläger beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageab-
weisung weiter.
7
Entscheidungsgründe:
8
A. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf sein Urteil im Verfü-
gungsverfahren sowohl einen vertraglichen als auch einen wettbewerbsrechtli-
chen Unterlassungsanspruch des Klägers bejaht. Zur Begründung hat es aus-
geführt:
- 5 -
Soweit die Beklagten Eintrittskarten direkt vom Kläger erworben hätten,
folge der geltend gemachte Unterlassungsanspruch schon aus § 280 Abs. 1
BGB. Die Beklagten hätten mit der gewerblichen Weiterveräußerung der Karten
gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers und damit gegen
eine vertragliche Vereinbarung verstoßen. Über den Gesetzeswortlaut hinaus
könne auch für künftige Vertragsverstöße ein vertraglicher Unterlassungsan-
spruch geltend gemacht werden. Daneben bestehe ein wettbewerbsrechtlicher
Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG. Der Verstoß gegen die Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen des Klägers erschöpfe sich nicht in einer reinen Vertrags-
verletzung. Der Kläger habe ein über die konkrete Vertragsbeziehung hinaus-
gehendes schutzwürdiges Interesse daran, einen "Schwarzhandel" mit seinen
Eintrittskarten zu unterbinden. Das Geschäftsmodell der Beklagten spekuliere
durch den frühzeitigen Ankauf der Karten auf eine Verknappung des Angebots,
um den Preis zum Nachteil der Verbraucher in die Höhe zu treiben. Dies könne
sich für den Kläger rufschädigend auswirken. Es bestehe zudem Nachah-
mungsgefahr.
9
Der Erwerb von Dritten, die an die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
des Klägers gebunden seien, sei unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzens ei-
nes fremden Vertragsbruchs wettbewerbswidrig. Die Beklagten umgingen durch
den Ankauf der Karten bei Dritten gezielt in unlauterer Weise das in den Allge-
meinen Geschäftsbedingungen des Klägers enthaltene gewerbliche Weiterver-
äußerungsverbot.
10
Der Erwerb von Dritten, die nicht an die Allgemeinen Geschäftsbedingun-
gen des Klägers gebunden seien, sei aus diesem Grund ebenfalls als Umge-
hungsgeschäft wettbewerbswidrig. Der Kläger habe auch aus ordnungs- und
sicherheitspolitischen Erwägungen wie der Trennung rivalisierender Fangrup-
11
- 6 -
pen ein anerkennenswertes Interesse daran, den Verkauf seiner Eintrittskarten
in gewissem Umfang übersehen und steuern zu können.
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B. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg, soweit ihnen der Handel
mit Eintrittskarten verboten worden ist, die sie vom Kläger oder seinen autori-
sierten Verkaufsstellen direkt erwerben (unten zu B I). Insoweit ist der Anspruch
des Klägers unter dem Aspekt des Schleichbezugs begründet. Hingegen führt
das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit den Beklag-
ten auch der Handel mit solchen Eintrittskarten untersagt worden ist, die sie von
Dritten kaufen (unten zu B II). Im Hinblick auf diese Eintrittskarten steht dem
Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus Vertrag noch
aus §§ 3, 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG bzw. § 1 UWG a.F. zu.
I. Im Falle des Direkterwerbs der Karten besteht zwar kein auf erst künftig
abzuschließende Verträge bezogener vertraglicher Unterlassungsanspruch. Die
Beklagten erwerben die Eintrittskarten aber im Wege eines unlauteren
Schleichbezugs, den zu unterlassen sie wettbewerbsrechtlich verpflichtet sind.
13
1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass die
Beklagten Eintrittskarten vom Kläger und seinen offiziellen Verkaufsstellen nur
auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers erwer-
ben können.
14
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger die Be-
klagten mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 unter Übersendung des vollstän-
digen Textes seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgemahnt und dabei
ausdrücklich auf deren Nummer 2 hingewiesen. Danach sagt der Erwerber ver-
bindlich zu, die Eintrittskarte(n) ausschließlich für private Zwecke zu nutzen;
jeglicher gewerblicher oder kommerzieller Weiterverkauf ohne vorherige Zu-
15
- 7 -
stimmung des Klägers ist - vertragsstrafebewehrt - verboten. Damit ist für die
Beklagten erkennbar und unmissverständlich der deutliche Wille des Klägers
zum Ausdruck gekommen, allen künftigen Kartenverkäufen an die Beklagten
diese Geschäftsbedingungen zugrunde zu legen. Im Rahmen der vom Beru-
fungsgericht angenommenen laufenden Geschäftsbeziehung der Parteien, die
von der Revision nicht in Frage gestellt wird, reichte das gegenüber den Be-
klagten aus, um die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers zur
Grundlage aller künftigen Kartenbestellungen der Beklagten bei ihm und seinen
offiziellen Verkaufsstellen zu machen (vgl. BGHZ 117, 190, 197). Hätten die
Beklagten dies verhindern wollen, so hätten sie - wie das Berufungsgericht zu
Recht annimmt - bei jeder Einzelbestellung von Karten der Geltung der Allge-
meinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich widersprechen müssen. Die Be-
klagten betreiben mit dem gewerblichen Bezug und Wiederverkauf von Bundes-
ligakarten ein Unternehmen i.S. des § 14 Abs. 1 BGB. Nach § 310 BGB finden
die Anforderungen des § 305 Abs. 2 und 3 BGB für die Einbeziehung Allgemei-
ner Geschäftsbedingungen zugunsten von Unternehmen keine Anwendung. Die
Revision tritt der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers
im Falle des Direktbezugs bei diesem oder seinen offiziellen Verkaufsstellen
auch nicht entgegen.
2. Anders als das Berufungsgericht annimmt, lässt sich der vom Kläger
begehrte Unterlassungsanspruch allerdings nicht mit Vertragsverletzungen der
Beklagten begründen. Die Beklagten haben zwar nach den von der Revision
nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch im Anschluss
an die Übersendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der Abmah-
nung vom 22. Oktober 2003 weiter Karten beim Kläger und dessen Verkaufs-
stellen erworben und gewerblich weiterverkauft. Sie haben damit gegen Klausel
Nummer 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen, die für diese
Kartenkäufe jedenfalls ab Erhalt der Abmahnung galt.
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- 8 -
17
Aus dieser Vertragsverletzung folgt jedoch kein Unterlassungsanspruch
des Klägers hinsichtlich künftiger Kartenkäufe. § 280 Abs. 1 BGB kann zwar
neben dem Anspruch auf Schadensersatz grundsätzlich auch einen Unterlas-
sungsanspruch begründen. Ein solcher Anspruch kommt in Betracht, solange
die Verletzungshandlung im konkreten Vertragsverhältnis noch andauert bzw.
der daraus resultierende Schaden noch nicht irreparabel ist (vgl. BGH, Urt. v.
12.1.1995 - III ZR 136/93, NJW 1995, 1284, 1285; Palandt/Heinrichs, BGB,
67. Aufl., § 280 Rdn. 33; Erman/H.P. Westermann, BGB, 12. Aufl., § 280
Rdn. 25; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 53). Ein vertraglicher
Unterlassungsanspruch kann dem Kläger danach im vorliegenden Fall aber
jeweils nur hinsichtlich des Weiterverkaufs konkreter Eintrittskarten zustehen,
welche die Beklagten bereits gekauft, aber noch nicht weiterverkauft haben.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erwerben die Beklagten die
Karten stets auf der Grundlage gesonderter Verträge. Der Kläger begehrt aber
allgemein Unterlassung im Hinblick auf die Verletzung künftiger noch nicht ge-
schlossener Verträge. Dafür gibt es im Vertragsrecht keine Grundlage. § 280
Abs. 1 BGB setzt das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraus.
3. Dem Kläger steht jedoch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsan-
spruch unter dem Gesichtspunkt des Schleichbezugs zu.
18
a) Auf das in die Zukunft gerichtete Begehren des Klägers sind die Be-
stimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004
anzuwenden. Soweit der Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr ge-
stützt ist, besteht er aber nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon
zur Zeit seiner Begehung im Jahr 2003 wettbewerbswidrig war. Nichts anderes
gilt für den Fall der Erstbegehungsgefahr, wenn sie auf einem Verhalten noch
unter der Geltung früheren Rechts beruht (BGHZ 175, 238 Tz. 14 - ODDSET,
19
- 9 -
zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Maßgebend ist insoweit das Gesetz
gegen den unlauteren Wettbewerb in der bis zum 7. Juli 2004 geltenden Fas-
sung.
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b) Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus
den §§ 3, 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG, § 1 UWG a.F. zu, soweit die
Beklagten - selbst oder über von ihnen beauftragte Dritte - Eintrittskarten direkt
beim Kläger oder dessen autorisierten Verkaufsstellen erwerben.
aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Be-
klagten bei dem beanstandeten Vorgehen im geschäftlichen Verkehr zu Wett-
bewerbszwecken gehandelt haben (§ 1 UWG a.F.) und ihr Verhalten auch eine
Wettbewerbshandlung i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellt.
21
bb) Das Wettbewerbsverhalten der Beklagten ist eine unlautere Mitbe-
werberbehinderung i.S. von § 4 Nr. 10 UWG bzw. § 1 UWG a.F. Es erfüllt den
Tatbestand des Schleichbezugs. Im geltenden Unlauterkeitsrecht ist der
Schleichbezug in die Fallgruppe der gezielten Mitbewerberbehinderung (§ 4
Nr. 10 UWG) einzuordnen. Der Schwerpunkt des Unlauterkeitsvorwurfs liegt in
der Behinderung eines Vertriebskonzepts, mit dem der Hersteller oder Dienst-
leistungserbringer legitime Absatzinteressen verfolgt (vgl. Seichter in Ullmann,
jurisPK-UWG, § 4 Nr. 10 Rdn. 74; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
UWG, 26. Aufl., § 4 Rdn. 10.63).
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(1) Die Beklagten können die Eintrittskarten jedenfalls seit der Abmahnung
vom 22. Oktober 2003 direkt beim Kläger oder seinen Verkaufsstellen nur durch
Täuschung über ihre Wiederverkaufsabsicht - selbst oder unter Einschaltung
von Strohmännern - erwerben. Der Kläger hat in der Abmahnung unter Beifü-
gung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen und unter ausdrücklichem
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- 10 -
Hinweis auf deren Nummer 2 unmissverständlich deutlich gemacht, dass er
gewerblichen Wiederverkäufern keine Eintrittskarten verkauft. Nach Nummer 2
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sagen die Beklagten bei jeder Karten-
bestellung verbindlich zu, die Karten ausschließlich für private Zwecke zu nut-
zen. Tatsächlich wollen sie diese aber von vornherein in Ausübung ihres Ge-
werbes weiterverkaufen. Ohne Täuschung über ihre Wiederverkaufsabsicht
können die Beklagten die Karten im Vertrieb des Klägers nicht erwerben. Denn
es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich die eigene Vertriebs-
organisation des Klägers über seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen hin-
wegsetzen und bewusst auch an Wiederverkäufer verkaufen würde.
Gegen die Wirksamkeit der formularmäßigen Erklärung des Kartenerwer-
bers zur privaten Nutzungsabsicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Beklagten bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. BGHZ 117, 280, 84).
Darauf, ob die Nummer 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Übrigen
vollständig inhaltlicher Überprüfung standhält, kommt es in diesem Zusammen-
hang nicht an.
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(2) Durch die Täuschung über ihre Wiederverkaufsabsicht behindern die
Beklagten den Kläger bei der Durchführung seines Vertriebssystems. Da grund-
sätzlich jeder Wettbewerb die Mitbewerber zu beeinträchtigen vermag, müssen
zwar weitere Umstände hinzutreten, damit von einer unzulässigen individuellen
Behinderung gesprochen werden kann (BGH, Urt. v. 21.2.2002 - I ZR 281/99,
GRUR 2002, 902, 905 = WRP 2002, 1050 - Vanity-Nummer; BGHZ 148, 1, 5
- Mitwohnzentrale.de; Urt. v. 24.6.2004 - I ZR 26/02, GRUR 2004, 877, 879 =
WRP 2004, 1272 - Werbeblocker). Bei der gebotenen Abwägung der maßgebli-
chen Einzelumstände und widerstreitenden Interessen erweist sich die Behin-
derung des Klägers aber als unlauter.
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- 11 -
Der Kläger hat die unternehmerische Entscheidung getroffen, außerhalb
seiner Vertriebsorganisation stehende, gewerbliche Kartenhändler nicht zu be-
liefern. Mit dieser Beschränkung seines Kartenvertriebs auf von ihm autorisierte
Verkaufsstellen verfolgt der Kläger legitime Interessen. Insbesondere kann er
auf diese Weise mit seiner Preispolitik den finanziellen Möglichkeiten auch we-
niger zahlungskräftiger Fußballanhänger Rechnung tragen und vor allem bei
Spitzenspielen darauf verzichten, für Eintrittskarten den am Markt erzielbaren
Höchstpreis zu verlangen. Ferner hat der Kläger ein berechtigtes Interesse dar-
an, zum Zweck der Gewährleistung besserer Sicherheit im Stadion die Abgabe
der Karten der eigenen Vertriebsorganisation vorzubehalten. Den Interessen
des Klägers steht zwar das - ebenfalls grundsätzlich rechtlich nicht zu bean-
standende - Bestreben der Beklagten gegenüber, mit Bundesligakarten als ver-
kehrsfähigem Wirtschaftsgut Handel zu treiben und sich dafür mit redlichen Mit-
teln auch Karten der Heimspiele des Klägers zu beschaffen. Die Beklagten ha-
ben aber kein rechtlich geschütztes Interesse, Eintrittskarten unter Täuschung
über ihre Wiederverkaufsabsicht und Zuwiderhandlung gegen eine ihnen wirk-
sam auferlegte Geschäftsbedingung bei der Verkaufsorganisation des Klägers
zu beziehen. Erwerben sie gleichwohl auf diese Weise Karten, liegt ein unlaute-
rer Schleichbezug vor.
26
cc) Der Unlauterkeitstatbestand des Schleichbezugs ist zwar zum Schutz
(seinerzeit zulässiger) Preisbindungssysteme und selektiver Vertriebssysteme
entwickelt worden (vgl. RGZ 136, 65, 73; 148, 364, 366 f.; BGHZ 40, 135, 137
- Trockenrasierer). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs gelten die
dort zum Schleichbezug entwickelten und nach wie vor anerkannten Grundsät-
ze (BGH, Beschl. v. 15.7.1999 - I ZR 130/96, GRUR 1999, 1113, 1114 = WRP
1999, 1022 - Außenseiteranspruch I) aber für Direktvertriebssysteme entspre-
chend (BGH, Urt. v. 14.7.1988 - I ZR 184/86, GRUR 1988, 916, 918 = WRP
1988, 734 - PKW-Schleichbezug; Urt. v. 7.2.1991 - I ZR 104/89, GRUR 1991,
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- 12 -
614, 615= WRP 1991, 391 - Eigenvertriebssystem). Gegenüber einer Täu-
schung über die Wiederverkaufsabsicht gebührt dem Anbieter von Waren oder
Dienstleistungen, der sich in zulässiger Weise dafür entschieden hat, sein An-
gebot selbst oder über von ihm weisungsabhängige Vertreter oder Agenturen
abzusetzen, derselbe wettbewerbsrechtliche Schutz wie dem Lieferanten, der
mit unabhängigen Händlern ein selektives Vertriebssystem errichtet hat. Der
Schleichbezug der Beklagten ist infolgedessen unabhängig davon unlauter, wie
- wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat - die Rechtsbe-
ziehungen zwischen dem Kläger und seinen Verkaufsstellen ausgestaltet sind.
c) Die für den Unterlassungsanspruch des Klägers erforderliche Wieder-
holungsgefahr liegt vor. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Fest-
stellungen des Berufungsgerichts haben die Beklagten auch im Anschluss an
die Übersendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch den Kläger
weiterhin Eintrittskarten bei ihm und seinen Verkaufsstellen erworben und ge-
werblich weiterverkauft, ohne danach eine die Wiederholungsgefahr beseiti-
gende strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
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II. Die Revision der Beklagten erweist sich als begründet, soweit sie Ein-
trittskarten von Dritten erwerben. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch
steht dem Kläger in diesem Fall nicht zu.
29
1. Erwerben die Beklagten Eintrittskarten von Dritten, die an die Allgemei-
nen Geschäftsbedingungen des Klägers gebunden sind, kommt ein Unterlas-
sungsanspruch des Klägers unter dem Aspekt des Verleitens zum Vertrags-
bruch oder des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs i.S. von § 4 Nr. 10
UWG bzw. § 1 UWG a.F. in Betracht. Die Voraussetzungen dafür liegen indes
nicht vor.
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a) Mit ihren in Zeitschriften und im Internet geschalteten Such- und Wer-
beanzeigen für den Ankauf von Eintrittskarten verleiten die Beklagten nicht zum
Vertragsbruch. Ein unlauteres Verleiten zum Vertragsbruch liegt nur vor, wenn
gezielt und bewusst darauf hingewirkt wird, dass ein anderer eine ihm oblie-
gende Vertragspflicht verletzt (vgl. BGHZ 171, 73 Tz. 14 - Außendienst-
mitarbeiter). Daran fehlt es im Streitfall.
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Nummer 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers ist zwar
auch für die hier maßgeblichen Dritten, bei denen es sich nach den Feststellun-
gen des Berufungsgerichts ausschließlich um Privatpersonen handelt, dahinge-
hend zu verstehen, dass ihnen eine Veräußerung der Eintrittskarten an gewerb-
liche Kartenhändler nicht gestattet ist. Die erforderliche gezielte Einwirkung auf
einen anderen, um ihn zum Vertragsbruch zu verleiten, liegt aber nicht vor. In-
soweit ist bereits fraglich, ob für die Annahme eines gezielten Verleitens eine an
einen konkreten Händler gerichtete Bestellung oder die ihm angezeigte Bereit-
schaft zum Einkauf ausreichen kann, wenn der Händler nur unter Bruch des
eigenen Vertrags zu liefern vermag (dafür Lubberger, WRP 2000, 139, 142;
Sack, WRP 2000, 447, 452; a.A. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 89 f.; Köhler
in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 10.36; Ohly in Piper/Ohly, UWG,
4. Aufl., § 4 Rdn. 10/56). Das kann im vorliegenden Fall indes dahinstehen. An
die Allgemeinheit gerichtete Anzeigen reichen für das Tatbestandsmerkmal des
Verleitens jedenfalls in aller Regel und so auch hier nicht aus. Bei den Suchan-
zeigen der Beklagten in Sportzeitschriften und ihrer Ankaufswerbung im Internet
handelt es sich um Aufforderungen zur Abgabe von Verkaufsangeboten (invita-
tio ad offerendum), die anzunehmen oder abzulehnen sich die Beklagten er-
kennbar schon deshalb noch vorbehalten, weil sie sich nicht schon bei Aufgabe
der Werbung unbegrenzt zum Ankauf von Eintrittskarten verpflichten wollen. Es
fehlt damit an einer gezielten Einwirkung auf konkrete Karteninhaber.
32
- 14 -
Hinzu kommt, dass vielfach als Verkäufer in Betracht kommende Privat-
personen nicht wirksam aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des
Klägers einem Weiterverkaufsverbot an gewerbliche Erwerber unterworfen sein
werden. So fehlt es etwa an einer derartigen Bindung, wenn Karten privat ver-
schenkt worden sind, der Erwerber am Besuch des Spiels plötzlich gehindert ist
oder wenn bei einer Kartenbestellung - aus welchen Gründen auch immer - die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers nicht wirksam einbezogen
wurden. Die Beklagten wenden sich mit ihren Suchanfragen also auch an Pri-
vatpersonen, die ihnen Karten anbieten können, ohne Vertragspflichten gegen-
über dem Kläger zu verletzen.
33
b) Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts haben die Beklagten
auch keinen fremden Vertragsbruch unlauter ausgenutzt.
34
aa) Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, ohne den ver-
traglich Gebundenen zu dem Vertragsbruch zu verleiten, ist grundsätzlich nur
unlauter, wenn besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten
(BGHZ 143, 232, 240 -
Außenseiteranspruch II; BGH, Urt. v. 6.6.2002
- I ZR 79/00, GRUR 2002, 795, 798 = WRP 2002, 993 - Titelexklusivität; BGHZ
171, 73 Tz. 15 - Außendienstmitarbeiter). Dem liegt der Gedanke zugrunde,
dass die schuldrechtliche Bindung zwischen dem Wettbewerber und seinem
Vertragspartner im Allgemeinen Dritten gegenüber keine rechtlichen Wirkungen
zu entfalten vermag und dass die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes schon
bei Ausnutzen fremden Vertragsbruchs gewissermaßen zu einer Verdinglichung
der schuldrechtlichen Verpflichtungen führen würde (BGHZ 171, 73 Tz. 15
- Außendienstmitarbeiter).
35
- 15 -
bb) Umstände, die einzeln oder in ihrer Gesamtschau die Unlauterkeit des
Ausnutzens eines Vertragsbruchs im Streitfall begründen könnten, liegen nicht
vor.
36
37
(1) Die Tatsache, dass die Beklagten Kenntnis davon haben oder haben
müssen, dass ihrem Vertragspartner häufig aufgrund seiner vertraglichen Bin-
dungen zum Kläger ein gewerblicher oder kommerzieller Weiterverkauf der Ein-
trittskarten nicht gestattet sein wird, vermag eine Unlauterkeit des Verhaltens
der Beklagten nicht zu begründen (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2006 - I ZR 92/03,
GRUR 2006, 879 Tz. 12 = WRP 2006, 1027 - Flüssiggastank; BGHZ 171, 73
Tz. 18 ff. - Außendienstmitarbeiter).
(2) Das systematische Ausnutzen fremden Vertragsbruchs ist ebenfalls
kein besonderer Grund, der die Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten be-
gründen kann. Systematisches und planmäßiges Vorgehen liegt vielmehr im
Wesen des Wettbewerbs. Planmäßigkeit des Handelns ist daher grundsätzlich
kein Kriterium der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung (BGH, Urt. v. 8.11.2001
- I ZR 124/99, GRUR 2002, 548, 549 = WRP 2002, 524 - Mietwagenkosten-
ersatz; Gutzeit, BB 2007, 113, 119; Ensthaler/Zech, NJW 2005, 3389, 3390 f.).
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(3) Eine Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten folgt auch nicht dar-
aus, dass sie die Karten nicht direkt beim Kläger beziehen. Dazu sind sie nicht
verpflichtet. Unerheblich ist deshalb, dass die Beklagten durch den Ankauf der
Karten von Dritten das Weiterveräußerungsverbot umgehen, das sie bei einem
Direkterwerb vom Kläger aufgrund dessen Allgemeiner Geschäftsbedingungen
binden würde.
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(4) Ebenso wenig ist das Handeln der Beklagten unlauter, weil sie mit ih-
rem Geschäftsmodell das Interesse des Klägers beeinträchtigen, einen
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- 16 -
"Schwarzhandel" mit seinen Karten zu unterbinden. Ein Schwarzhandel im ei-
gentlichen Sinne, das heißt ein Warenverkauf unter Umgehung polizeilicher
oder gesetzlicher Vorschriften zu überhöhten Preisen, liegt nicht vor. Es gibt
insbesondere kein Gesetz, das den Verkauf von Fußballkarten besonderen
Preisauflagen unterwirft (vgl. Weller, NJW 2005, 934). Die Revision weist mit
Recht darauf hin, dass es wettbewerbskonformem Verhalten entspricht, Ware
- auch vom Endkäufer - zu dem Zweck zu erwerben, sie zu einem höheren
Preis weiterzuverkaufen.
Der Kläger will erreichen, dass den Beklagten der Marktzutritt als Anbieter
von Karten für seine Heimspiele verwehrt wird. Dieses Interesse kann er im
Rahmen seines Vertriebssystems verfolgen und sich weigern, an gewerbliche
Wiederverkäufer wie die Beklagten zu verkaufen. Das Wettbewerbsrecht ge-
währt dem Kläger Schutz davor, dass sein legitimen Zielen dienendes Ver-
triebssystem in unredlicher Weise durch Täuschung unterlaufen wird. Der Klä-
ger kann jedoch aus dem Wunsch, sein Vertriebssystem zu schützen, kein lau-
terkeitsrechtlich beachtliches Interesse dafür ableiten, die Beklagten daran zu
hindern, Verkaufsangebote Dritter anzunehmen, die von den Beklagten weder
getäuscht noch zum Vertragsbruch verleitet worden sind. Das Bestreben eines
nicht autorisierten Händlers, in ein Vertriebssystem einzubrechen und einen
Anteil am Absatz einer von Kunden begehrten Ware oder Dienstleistung zu ge-
winnen, ist rechtlich grundsätzlich solange nicht zu beanstanden, wie es nicht
mit unredlichen Mitteln wie Schleichbezug oder Verleitung zum Vertragsbruch
durchgesetzt wird. Dieses Bestreben führt nicht schon als solches dazu, die
Ausnutzung eines fremden Vertragsbruchs als unlauter erscheinen zu lassen
(vgl. BGHZ 117, 280, 284; 143, 232, 235 ff. - Außenseiteranspruch II; speziell
zu Eintrittskarten der Fußballbundesliga vgl. Ensthaler/Zech, NJW 2005, 3389,
3391).
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(5) Soweit der Kläger angibt, seine Preispolitik diene auch sozialen Zwe-
cken, kann er bei seinem Kartenvertrieb dieses Ziel mittels zulässiger vertragli-
cher Regelungen verfolgen. Dasselbe gilt hinsichtlich seiner Pflicht, die Sicher-
heit im Stadion zu gewährleisten. Es ist jedoch auch dann nicht Aufgabe
außenstehender Dritter wie der Beklagten, für die Einhaltung vertraglicher Ab-
reden zu sorgen, die der Kläger mit den Käufern von Eintrittskarten vereinbart,
wenn der Kläger mit diesen Abreden legitime Interessen der Stadionsicherheit
oder eines sozial verträglichen Preisgefüges verfolgt.
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Nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass die Geschäftstätig-
keit der Beklagten die ohnehin schon bestehenden Gefahren für die Sicherheit
der Stadionbesucher in relevantem Maße konkret erhöht. Dazu hätte etwa zu-
mindest ein ernsthaftes Risiko dargelegt werden müssen, dass eine für Störun-
gen hinreichende Anzahl von Fußballanhängern über die Beklagten nahe zu-
sammenhängende Plätze in einem für sie nicht vorgesehenen Teil des Stadions
erwerben kann. Da die Beklagten verpflichtet sind, den Direkteinkauf beim Klä-
ger zu unterlassen, müssten sie diese räumlich verbundenen Karten von Privat-
personen erwerben. Das erscheint schwer vorstellbar.
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Im Übrigen hat der Kläger nicht dargetan, dass ihm nicht auch andere
Möglichkeiten zu Gebote stehen, um möglichst schon beim Kartenverkauf dafür
zu sorgen, dass gegnerische Fangruppen sich nicht unter die heimischen Fans
mischen. Der Kläger könnte sich beispielsweise bei Bestellung größerer Kar-
tenkontingente die Verwendung konkret bestätigen lassen. Zudem steht es dem
Kläger jederzeit frei, bestimmte Kartenkontingente, bei denen er einen block-
weisen Weiterverkauf befürchtet, nur personenbezogen abzugeben und durch
entsprechende Zugangskontrollen sicherzustellen, dass nur die auf der Ein-
trittskarte genannte Person Einlass zum Spiel erhält.
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(6) Auf die Entschließung des Rates der Europäischen Union vom 6. De-
zember 2001 betreffend ein Handbuch mit Empfehlungen für die internationale
polizeiliche Zusammenarbeit und Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämp-
fung von Gewalttätigkeiten und Störungen im Zusammenhang mit Fußballspie-
len von internationaler Dimension, die zumindest einen Mitgliedstaat betreffen
(ABl. EG Nr. C 22 v. 24.1.2002, S. 1), kann der Kläger sich ebenfalls nicht stüt-
zen. Diese Empfehlungen nehmen darauf Bezug, dass die Ordnungsbehörden
den Veranstaltern im Interesse der Ordnung und Sicherheit Auflagen für die
Durchführung von Fußballspielen machen können. Als Richtschnur hierfür ent-
halten die Empfehlungen eine Checkliste möglicher Auflagen, darunter die
Grundregeln, dass ein Verkauf von Karten auf dem Schwarzmarkt ausge-
schlossen und durch die Verkaufspolitik verhindert werden soll, dass Fans Kar-
ten für einen Block im Stadion erwerben können, der nicht für sie bestimmt ist.
Abgesehen davon, dass der Kläger unter keiner Verpflichtung steht, diesen
Empfehlungen ohne eine ordnungsbehördliche Auflage auch bei normalen
Bundesligaspielen zu folgen, könnten sich aus einer entsprechenden Auflage
immer nur Verhaltensvorgaben für den Veranstalter, nicht aber für Dritte erge-
ben. Dies kommt auch in der Entschließung zum Ausdruck, wenn das Hand-
buch in Kapitel 6 Abschnitt 2 empfiehlt, "die Vorgaben durch einzelstaatliche
Gesetze zu stützen". Hinzu kommt, dass der Kläger den Weiterverkauf von Ein-
trittskarten mit wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen gegen Wiederverkäufer nur
in höchst unvollkommener Weise bekämpfen kann. Möchte der Kläger der
Empfehlung der Checkliste entsprechen und einen "Verkauf von Karten auf
dem Schwarzmarkt" ausschließen, muss er ohnehin zu anderen Maßnahmen
greifen (vgl. oben unter B II 1 b bb (5)).
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2. Im Fall des Erwerbs der Eintrittskarten von nicht an die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen des Klägers gebundenen Dritten scheidet ein wettbe-
werbsrechtlicher Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG bzw. § 1 UWG a.F.
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ebenfalls aus. Als Grundlage dafür käme allein die Ausnutzung fremden Ver-
tragsbruchs in Betracht. Aus den oben unter B II 1 b dargestellten Gründen fehlt
jedoch im vorliegenden Fall das dafür erforderliche besondere Unlauterkeits-
moment.
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III. Der Handel der Beklagten ist schließlich auch nicht wegen einer Täu-
schung über die Verkehrsfähigkeit der Karten wettbewerbswidrig. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts können die Kunden der Beklagten durch
den Kartenkauf wirksam ein Zutrittsrecht zu dem entsprechenden Spiel erwer-
ben. Die Eintrittskarten sind damit ein verkehrsfähiges Wirtschaftsgut.
Soweit die Revisionserwiderung erstmals vorträgt, auf der Rückseite jeder
Eintrittskarte sei u.a. der Text aufgedruckt
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Die Ticketnutzung darf ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgen. Eine Veräu-
ßerung über Internet-Auktionshäuser und/oder mit Preisaufschlag ist untersagt,
kann dieser neue Sachvortrag in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt wer-
den (§ 559 ZPO). Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 139 ZPO liegt in
diesem Zusammenhang schon deshalb nicht vor, weil es aus seiner Sicht auf
Angaben auf den Karten nicht ankam.
Im Hinblick auf mögliche künftige Auseinandersetzungen der Parteien er-
achtet der Senat gleichwohl den Hinweis für geboten, dass es zweifelhaft er-
scheint, ob der oben wiedergegebene Aufdruck zu einer Beschränkung der
Nutzung der Eintrittskarte führen kann. Da es sich bei den Eintrittskarten um
sog. kleine Inhaberpapiere nach § 807 BGB handelt, kann der Kläger dem In-
haber der Karte zwar gemäß § 796 BGB Einwendungen entgegensetzen, deren
tatsächliche Grundlagen sich aus dem Inhalt der Karte ergeben. Dies können
insbesondere die Leistungsverpflichtung einschränkende Vermerke sein, wie
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Befristungen, Stundungen oder Teilleistungen (vgl. etwa Staudinger/Marburger,
BGB [2002], § 796 Rdn. 7; MünchKomm.BGB/Hüffer, 4. Aufl., § 796 Rdn. 6).
Ob die Veräußerung der Karte an den Inhaber mit Preisaufschlag erfolgt ist
oder ob die Karte im Wege einer Internetauktion erworben wurde, kann dem
Inhalt der Karte aber nicht entnommen werden.
C. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision insoweit aufzuhe-
ben, als es den Beklagten den Handel auch mit solchen Eintrittskarten des Klä-
gers untersagt, die sie von Privatpersonen erworben haben. Der Senat hat in
diesem Sinne gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.
Der Kläger begehrt eine umfassende Verurteilung der Beklagten zur Unterlas-
sung, die sowohl Karten, die von den Beklagten unter Verschleierung der Wie-
derverkaufsabsicht direkt beim Kläger oder seinen offiziellen Verkaufsstellen
bezogen wurden, als auch solche Karten umfasst, die die Beklagten von ge-
bundenen und nicht gebundenen Privatpersonen erworben haben. Indem die
Verurteilung nur hinsichtlich der direkt unter Verschleierung der Wiederver-
kaufsabsicht erworbenen Karten aufrechterhalten wird, wird dem Kläger kein
Aliud, sondern nur ein Minus zugesprochen.
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Soweit der Unterlassungsanspruch begründet ist, richtet er sich zwar an
sich darauf, dass die Beklagten den Schleichbezug beim Kläger unterlassen.
Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger nicht gestellt. Aus der Verpflich-
tung der Beklagten, den Schleichbezug zu unterlassen, ergibt sich aber auch,
dass ihnen verboten ist, mit den durch Schleichbezug erlangten Eintrittskarten
Handel zu treiben. Der Senat hat daher das Unterlassungsgebot durch Be-
schränkung des Klageantrags entsprechend gefasst.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
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Bornkamm Schaffert
Bergmann
Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.05.2005 - 315 O 586/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 05.04.2006 - 5 U 89/05 -