Urteil des BGH vom 12.02.2014
IP-Attorney (Malta) Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZR 42/13
vom
12. Februar 2014
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
IP-Attorney (Malta)
PatG § 113 Satz 1; PatAnwO § 5 Abs. 1; PatAnwZEignPrG § 1 Abs. 1
Die  Eintragung  als  "IP  Attorney"  beim  Nationalen  Amt  für  Geistiges  Eigentum
der Republik Malta berechtigt  nicht dazu,  Parteien vor dem Bundesgerichtshof
als Patentanwalt zu vertreten.
BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 - X ZR 42/13 - Bundespatentgericht
- 2 -
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Februar 2014 durch
den  Vorsitzenden  Richter  Prof.  Dr.  Meier-Beck,  die  Richter  Dr.  Grabinski,
Dr. Bacher, Hoffmann und die Richterin Schuster
beschlossen:
Die  Berufung  gegen  das  Urteil  des  2.  Senats  (Nichtigkeitssenats)
des Bundespatentgerichts vom 29. November 2012 wird auf Kosten
der Beklagten verworfen.
Der  Streitwert
für  das  Berufungsverfahren  wird  auf  1.500.000  €
festgesetzt.
Der  Kostenbegünstigungsantrag  der  Beklagten  wird  zurückgewie-
sen.
Gründe:
I.
Die  Beklagte  ist  eingetragene  Inhaberin  des  deutschen  Patents
102 20 060, das vom Patentgericht für nichtig erklärt worden ist. Hiergegen hat
die  Beklagte  Berufung  eingelegt.  Der  Berufungsschriftsatz  ist  von  einem  Be-
vollmächtigten  unterzeichnet,  der  in  einem  Register  des  Nationalen  Amtes  für
Geistiges Eigentum der Republik Malta als IP Attorney eingetragen ist.
II.  Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 PatG als
unzulässig  zu  verwerfen,  weil  sie  nicht  innerhalb  der  Frist  des  §  110  Abs.  3
PatG  durch  einen  nach  §  113  Satz  1  PatG  vertretungsberechtigten  Rechtsan-
walt oder Patentanwalt als Bevollmächtigten eingelegt worden ist.
1
2
- 3 -
1.  Gemäß  §  113  PatG  müssen  sich  die  Parteien  eines  Patentnichtig-
keitsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof durch einen Rechtsanwalt oder ei-
nen  Patentanwalt  als  Bevollmächtigten  vertreten  lassen;  dieser  Vertretungs-
zwang  besteht  bereits  für  die  Berufungseinlegung  (vgl.  Begr.  zum
2. PatGÄndG, BlPMZ 1998,  393, 406). Bei Vertretung einer Partei durch einen
Patentanwalt muss es sich um einen nach der Patentanwaltsordnung zugelas-
senen  Patentanwalt  handeln  (BGH,  Beschluss  vom  12. Dezember  2000
- X ZR 119/99,  Mitt. 2001, 137;  Benkard/Rogge,  PatG,  10.  Aufl., § 111 Rn. 10;
Busse/Keukenschrijver,  PatG,  7.  Aufl.,  § 113  Rn.  4).  Der  Bevollmächtigte  der
Beklagten  ist  nicht  zur  Patentanwaltschaft  zugelassen,  die  Berufung  folglich
nicht formgerecht eingelegt.
2.  Ob  ihr  Bevollmächtigter  zur  Patentanwaltschaft  zugelassen  werden
müsste,  wie  die  Beklagte  meint,  ist  unerheblich.  Zur  Vertretung  vor  dem  Bun-
desgerichtshof  ist  aus  Gründen  der  Rechtssicherheit  und  Rechtsklarheit  nur
berechtigt,  wer  zur  Patentanwaltschaft  zugelassen  ist,  nicht  schon  derjenige,
der  die  Zulassungsvoraussetzungen  erfüllt.  Im  Übrigen  erfüllt  der  Bevollmäch-
tigte der Beklagten aber auch die Zulassungsvoraussetzungen nicht.
a)  Nach  §  5  Abs.  1  Satz  1  PatAnwO  kann  zur  Patentanwaltschaft  nur
zugelassen  werden,  wer  nach  Absatz  2  die  Befähigung  für  den  Beruf  des  Pa-
tentanwalts  erlangt  oder  die  Eignungsprüfung  nach  dem  Gesetz  über  die
Eignungsprüfung  für  die  Zulassung  zur  Patentanwaltschaft  vom  6. Juli  1990
(PatAnwZEignPrG)  bestanden  hat.  Diese  Voraussetzungen  sind  nicht  erfüllt;
weder hat der Bevollmächtigte die Befähigung für den Beruf des Patentanwalts
nach § 5 Abs. 2 PatAnwO erlangt, noch hat er die Eignungsprüfung bestanden.
b)  Wiederum  unerheblich  ist,  ob  der  Bevollmächtigte  zur  Eignungsprü-
fung zugelassen werden müsste. Jedoch ist auch dies nicht der Fall.
3
4
5
6
- 4 -
(1) Nach  §  4  Abs.  2  PatAnwZEignPrG  wird  die  Zulassung  zur  Prüfung
versagt, wenn der Antragsteller die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Zu diesen Voraussetzungen gehört nach § 1 Abs. 1 PatAnwZEignPrG, dass der
Antragsteller in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ein Diplom erlangt
hat, aus dem hervorgeht, dass der Inhaber über die beruflichen Voraussetzun-
gen  verfügt,  die  für  den  unmittelbaren  Zugang  zu  einem  der  in  der  Anlage  zu
dieser Vorschrift aufgeführten Berufe erforderlich ist. Die von dem Bevollmäch-
tigten der Beklagten aufgrund der Eintragung im Register des Nationalen Amtes
für  Geistiges  Eigentum  geführte  Bezeichnung  "IP  Attorney  (Malta)"  ist  nicht  in
der Anlage zu § 1 Abs.  1  PatAnwZEignPrG als Patentanwaltsberuf aufgeführt;
die Zulassungsvoraussetzungen sind mithin nicht erfüllt.
(2)  Ohne  Erfolg  macht  die  Beklagte  demgegenüber  geltend,  der  deut-
sche  Gesetzgeber  habe  die  Richtlinie  2006/123/EG  des  Europäischen  Parla-
ments  und  des  Rates  vom  12.  Dezember  2006  über  Dienstleistungen  im  Bin-
nenmarkt (ABl. EG 2006, L 376, 36) mit den §§ 154a und 154b  PatAnwO und
dem  Gesetz  über  die  Eignungsprüfung  für  die  Zulassung  zur  Patentanwalt-
schaft  nur  unzureichend  umgesetzt;  in  der  Anlage  nach  §  1  PatAnwZEignPrG
seien  Patentanwaltsberufe  nicht  aus  allen  Mitgliedstaaten  der  Europäischen
Union  und  anderen  Vertragsstaaten  des  Abkommens  über  den  Europäischen
Wirtschaftsraum aufgeführt und nicht berücksichtigt worden seien insbesondere
Patentanwälte, die wie ihr Bevollmächtigter in Malta niedergelassen seien. Ab-
gesehen davon, dass damit allenfalls begründet werden könnte, warum der Be-
vollmächtigte der Beklagten nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie
2006/123  in  deren  unmittelbarer  Anwendung  zur  Eignungsprüfung  zugelassen
werden müsste, nicht aber, dass er einem zur Patentanwaltschaft zugelassenen
Patentanwalt gleichzustellen sei, geht auch diese Berufung auf das Unionsrecht
fehl.
7
8
- 5 -
(a) Nach  Art.  17  Nr.  6  der  Richtlinie  2006/123  findet  deren  Art.  16,  der
die  Dienstleistungsfreiheit  betrifft,  keine  Anwendung  bei  Angelegenheiten,  die
unter Titel  II der  Richtlinie  2005/36/EG  des Europäischen Parlaments  und  des
Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen
(ABl.  EG  2005,  L  255,  22)  fallen,  sowie  Anforderungen  im  Mitgliedstaat  der
Dienstleistungserbringung,  die  eine  Tätigkeit  den  Angehörigen  eines  bestimm-
ten Berufs vorbehalten. Ist die Aufnahme oder Ausübung eines reglementierten
Berufs in einem Aufnahmemitgliedstaat von dem Besitz bestimmter Berufsquali-
fikationen  abhängig,  sieht  Art.  13  Abs.  1  der  Richtlinie  2005/36  vor,  dass  die
zuständige  Behörde  dieses  Mitgliedstaats  den  Antragstellern,  die  den  Befähi-
gungs- oder Ausbildungsnachweis besitzen, der in einem anderen Mitgliedstaat
erforderlich  ist,  um  in  dessen  Hoheitsgebiet  die  Erlaubnis  zur  Aufnahme  und
Ausübung dieses Berufs zu erhalten, die Aufnahme oder Ausübung dieses Be-
rufs  unter  denselben  Voraussetzungen  wie  Inländern  gestattet.  Damit  steht  es
in Einklang, dass zur Patentanwaltschaft zugelassen werden kann, wer die Eig-
nungsprüfung bestanden hat, und die Zulassung zur Eignungsprüfung demjeni-
gen  eröffnet  ist,  der  den  erforderlichen  Befähigungsnachweis  eines  anderen
Mitgliedstaats besitzt.
Nach § 1 Abs. 2 PatAnwZEignPrG sind Diplome im Sinne des Gesetzes
über  die  Eignungsprüfung  für  die  Zulassung  der  Patentanwaltschaft  Diplome,
Prüfungszeugnisse  oder  sonstige  Befähigungsnachweise  im  Sinne  des  Art. 1
Buchst.  a  der  Richtlinie  89/48/EWG  des  Rates  vom  21.  Dezember  1988,  über
die  allgemeine  Regelung  zur  Anerkennung  der  Hochschuldiplome,  die  eine
mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. EG 1989, L 19, 16).
Dies  steht,  auch  nachdem  die  Richtlinie  89/48  durch  Art.  64  der  Richtlinie
2005/36  aufgehoben  worden  ist,  in  Einklang  mit  dem  Unionsrecht,  da  Art. 11
Buchst.  d  der  Richtlinie  2005/36  ein  entsprechendes  Qualifikationsniveau  vor-
aussetzt.
9
10
- 6 -
Auch  das  Erfordernis  einer  Eignungsprüfung  ist  unionsrechtskonform.
Nach Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 kann bei einer Niederlassung in ei-
nem anderen Mitgliedstaat der Aufnahmemitgliedstaat bei Berufen, deren Aus-
übung eine genaue Kenntnis des einzelstaatlichen Rechts erfordert und bei de-
nen  Beratung  oder  Beistand  in  Bezug  auf  das  einzelstaatliche  Recht  ein  we-
sentlicher und beständiger Teil der Berufsausübung ist, entweder einen Anpas-
sungslehrgang oder eine Eignungsprüfung vorschreiben. Dies ist bei einem Pa-
tentanwalt als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege mit den ihm durch
die  Patentanwaltsordnung  zugewiesenen  Aufgabenbereichen  nach  §§ 1  und 3
PatAnwO  der  Fall  und  spiegelt  sich  auch  in  den  Prüfungsfächern der  in  Über-
einstimmung  mit  den  Vorgaben  der  der  Richtlinie  2005/36  vorgesehenen
Eignungsprüfung nach § 5 PatAnwZEignPrG wieder.
(b)  Die hiernach unionsrechtskonformen Voraussetzungen für die Zulas-
sung  zur  Eignungsprüfung  sind  bei  dem  Bevollmächtigten  der  Beklagten  nicht
erfüllt.  Dass  die  Berechtigung  zur  Führung  der  Bezeichnung  eines  IP  Attorney
einem Diplom entspricht, das eine mindestens dreijährige Berufsausbildung als
Patentanwalt  abschließt,  ist  von  der  Beklagten  nicht  aufgezeigt  worden  und
auch  sonst  nicht  ersichtlich.  Die  Beklagte  trägt  lediglich  vor,  dass  ihr  Bevoll-
mächtigter in einem amtlichen Register als IP Attorney eingetragen sei. Daraus
ergibt  sich  nichts  für  die  hierfür  erforderliche  Qualifikation  und  Berufsausbil-
dung.
11
12
- 7 -
III.  Eine Kostenbegünstigung nach § 144 PatG kommt in Anbetracht der
Vermögenslosigkeit  der  Beklagten  nicht  in  Betracht  (vgl.  BGH,  Beschluss  vom
3. September 2013 - X ZR 1/13 und 2/13, GRUR 2013, 1288 - Kostenbegünsti-
gung III).
Meier-Beck
Grabinski
Bacher
Hoffmann
Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.11.2012 - 2 Ni 26/11 -
13