Urteil des BGH vom 07.06.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 211/12
Verkündet am:
7. Juni 2013
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 28 Abs. 1
In dem Gesamtwirtschaftsplan müssen die (künftigen) Hausgeldvorschüsse der
Wohnungseigentümer nicht ausdrücklich als Einnahmen aufgeführt werden.
BGH, Urteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 211/12 - LG Berlin
AG Schöneberg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juni 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 85 des Landge-
richts Berlin vom 13. April 2012 wird auf Kosten der Kläger zu-
rückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Ei-
gentümerversammlung vom 7. Dezember 2010 stand als TOP 5 Folgendes zur
Abstimmung:
„Beschlussfassung über den Gesamtwirtschaftsplan 2011 mit einem
Gesamtaufwand von 32.970,00 EURO und den dazugehörigen Einzel-
wirtschaftsplänen. Die hier genannte Summe ist ein Vorschlag durch die
Verwaltung.“
Das den Klägern übermittelte Exemplar des Wirtschaftsplans enthält eine
Erläuterung der Verteilungsschlüssel. Es folgt eine Rubrik, in der die
„umlage-
fähigen Nebenkosten
“ im Einzelnen aufgeführt werden. Ausgewiesen sind je-
weils die Gesamtbeträge und die auf die Kläger entfallenden Anteile. Ferner
finden sich dort die gesamten und anteilig auf die Kläger entfallenden Zinserträ-
ge der Gemeinschaft. In einer weiteren Rubrik wird die Rücklagenzuführung
behandelt, wobei ebenfalls der Gesamtbetrag wie auch der von den Klägern zu
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tragende Anteil aufgeführt sind. Es folgt eine Zusammenfassung der Ergebnis-
se. Als Summe wird
ein Gesamtbetrag von 32.970 € und der auf die Kläger ent-
fallende Anteil mit
1.583,48 € ausgewiesen. Im anschließenden Fließtext heißt
es:
„Ihr Anteil an dem neuen Wirtschaftsplan beträgt: 1.583,48 €. Somit be-
trägt I
hr Hausgeld ab dem 01.01.2011 € 131,96 …“
Die auf die anderen Wohnungseigentümer entfallenden Hausgeldvor-
schüsse sind nicht aufgeführt.
Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2011 wurde gegen die Stimmen der
Kläger mehrheitlich beschlossen.
Die Kläger haben u.a. den Beschluss zu TOP 5 angefochten. Das Amts-
gericht hat diesen Beschluss für ungültig erklärt. Auf die Berufung der Beklag-
ten hat das Landgericht die Klage insoweit abgewiesen. Mit der zugelassenen
Revision, deren Zurückweisung die Gegenseite beantragt, möchten die Kläger
die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Beschluss über die Genehmigung des
Wirtschaftsplans für das Jahr 2011 entspreche in formeller und materieller Hin-
sicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Er verstoße insbesonde-
re nicht gegen die in § 28 Abs. 1 WEG enthaltenen Anforderungen an den In-
halt eines Wirtschaftsplans. In ihm seien die im Jahr 2011 geplanten Ausgaben
ebenso wie die Zinserträge aufgeführt. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss,
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dass zur Deckung des Differenzbetrages Einnahmen erforderlich seien, die im
Wege der Erhebung von Hausgeldvorschüssen erwirtschaftet würden. Die Hö-
he der erforderlichen Einnahmen entspreche zwangsläufig den geplanten Aus-
gaben. Es sei nicht geboten, dass jedem Eigentümer alle Einzelwirtschaftspläne
vorlägen. Die auf die jeweiligen Einheiten entfallenden Hausgeldvorschüsse
ließen sich unter Zuhilfenahme der geltenden Kostenverteilungsschlüssel be-
rechnen.
II.
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht geht ohne
Rechtsfehler davon aus, dass der Beschluss über die Genehmigung des Wirt-
schaftsplans für das Jahr 2011 den inhaltlichen Anforderungen des § 28 Abs. 1
WEG entspricht.
1. Der notwendige Inhalt eines Wirtschaftsplans wird in § 28 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 bis 3 WEG festgelegt. Der Plan hat zunächst die voraussichtlichen
Einnahmen und Ausgaben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigen-
tums zu enthalten (Nr. 1). Sie müssen in übersichtlicher und nachprüfbarer
Weise nach Grund und Höhe aufgeführt sein (vgl. Becker in Bärmann, WEG,
12. Aufl., § 28 Rn. 19). Diese Einnahmen-Ausgaben-Kalkulation bildet den Ge-
samtwirtschaftsplan, während die erforderliche Darstellung der anteilsmäßigen
Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung (Nr. 2)
die Pflicht zur Erstellung von Einzelwirtschaftsplänen betrifft. Die Beitragsleis-
tung der Wohnungseigentümer zu der in § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG vorgesehenen
Instandhaltungsrückstellung (Nr. 3) sind sowohl im Gesamt- als auch in den
Einzelwirtschaftsplänen gesondert aufzuführen (vgl. Becker in Bärmann, WEG,
12. Aufl., § 28 Rn. 31 f.). Der Gesamt- und der Einzelwirtschaftsplan können
zusammengefasst werden (Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl.,
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Rn. 1140; Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 28 Rn. 38; Spielbauer/Then,
WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 10).
2. Zu den voraussichtlichen Einnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 WEG gehören zunächst alle Zuflüsse zu dem Vermögen der Gemein-
schaft, die die Vorschussverpflichtung der Wohnungseigentümer mindern
(Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG Rn. 94; Bub, Das Finanz- und Rech-
nungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft, 1996, II 5 b Rn. 25;Tim-
me/Batschari, WEG, Stand: 1. Januar 2013, § 28 Rn. 11). Soweit daraus der
Schluss gezogen wird, dass die Summe der im kommenden Wirtschaftsjahr zu
leistenden Hausgeldvorschüsse nicht zu den Einnahmen im Sinne des § 28
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WEG gehört (Müller, WE 1993, 11, 14), kann dem nicht ge-
folgt werden. Zutreffend ist allerdings, dass der Finanzierungsbedarf der Ge-
meinschaft nur durch Schätzung der voraussichtlichen Ausgaben und der vor-
aussichtlichen Erträge, die nicht aus laufenden Hausgeldzahlungen bestehen,
ermittelt werden kann. Indessen kann aus der vorzunehmenden Berechnungs-
methode noch nicht auf eine teleologische Einschränkung des weiten Begriffs
der Einnahmen in § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WEG geschlossen werden. Der
Wirtschaftsplan zielt nicht allein auf den Ausweis der anteiligen Vorschussver-
bindlichkeit des einzelnen Wohnungseigentümers. Vielmehr muss er auch er-
kennen lassen, ob die Liquidität der Gemeinschaft gewährleistet ist. Daher
müssen auch die voraussichtlichen Hausgeldeinnahmen der Gemeinschaft aus
dem Wirtschaftsplan hervorgehen. Sie sind das Gegenfinanzierungsmittel für
die gemeinschaftlichen Lasten und Kosten (Köhler, Anwaltshandbuch, Woh-
nungseigentumsrecht, 3. Aufl., Teil 6 Rn. 39) und unter diesem Aspekt Einnah-
men der Gemeinschaft. Damit ist jedoch noch keine Aussage über die Art der
Ausweisung der Hausgeldvorschüsse im Wirtschaftsplan getroffen.
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3. Hinsichtlich der Gestaltung des Wirtschaftsplans ist es nicht zu bean-
standen, wenn die Hausgeldvorschüsse nicht ausdrücklich als erwartete Ein-
nahmen bezeichnet werden. Vielmehr ist es ausreichend, wenn sich aus dem
Gesamtzusammenhang ergibt, dass die durch die sonstigen Vermögenszuflüs-
se nicht gedeckten voraussichtlichen Ausgaben durch Hausgeldvorschüsse
aufgebracht werden sollen (Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 12, 16;
ähnlich Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28
Rn. 28; Bub, Das Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentümerge-
meinschaft, 1996, II 7 a aa Rn. 65). Letzteres versteht sich in aller Regel von
selbst, da der Wirtschaftsplan gerade das Ziel hat, die erforderlichen finanziel-
len Mittel durch die Belastung der Wohnungseigentümer entsprechend den gel-
tenden Verteilungsschlüsseln aufzubringen.
a) Allerdings wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass im Wirtschafts-
plan weitergehende Angaben erforderlich seien. So wird gefordert, dass alle
Einzelwirtschaftspläne an sämtliche Wohnungseigentümer zu versenden seien
(Wanderer in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 5. Aufl.,
Rn. 1461) oder eine Vorschussliste zu erstellen sei, aus der sich ergeben müs-
se, welche Hausgeldvorschüsse jeder einzelne Wohnungseigentümer jährlich
und monatlich zu zahlen habe (Köhler, Anwaltshandbuch Wohnungseigentums-
recht, 3. Aufl., Teil 6 Rn. 38). Ohne Angabe zu den nach Maßgabe der Einzel-
wirtschaftspläne zu leistenden Hausgeldvorauszahlungen lasse der Gesamt-
wirtschaftsplan aus sich heraus keine Überprüfung zu, ob er ordnungsgemäß
nach dem Kostendeckungsprinzip aufgestellt worden sei. Erst aufgrund solcher
aus dem Wirtschaftsplan herzuleitender Informationen könnten sich weitere Er-
kenntnisse darüber ergeben, ob andere Fehler vorhanden seien. Ein Wirt-
schaftsplan, der dies nicht beachte, sei für ungültig zu erklären (Wanderer in
Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 5. Aufl., Rn. 1500).
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b) Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. § 28 Abs. 1 WEG
gibt keine konkrete Form der Gestaltung des Wirtschaftsplans vor. Die in den
§§ 238 ff. HGB normierten Vorschriften über die Handelsbücher, insbesondere
die über die Aufstellung einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung
sind nicht anwendbar, da die Gemeinschaft kein Kaufmann im Sinne der §§ 1
 ff. HGB ist (Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 28 Rn. 18). Auch lassen sich
§ 28 Abs. 1 WEG solche Vorgaben nicht entnehmen. Geboten ist lediglich eine
für den Wohnungseigentümer nachvollziehbare Darstellung, die sich an der
Funktion des Wirtschaftsplans ausrichtet.
Der Wirtschaftsplan dient der Ermittlung und Festsetzung der Beitrags-
verpflichtung der Wohnungseigentümer und damit der Aufbringung der für eine
ordnungsgemäße Verwaltung der Wohnungseigentümer erforderlichen finan-
ziellen Mittel (Bub, Das Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentü-
mergemeinschaft, 1996, II 1. Rn. 1). Seine eigentliche Bedeutung liegt darin,
dass er die Belastung der Wohnungseigentümer mit Vorschüssen nach § 28
Abs. 2 WEG verbindlich regelt und deren Zahlungsverpflichtung erst entstehen
lässt (Senat, Beschluss vom 2. Juni 2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 179 f.;
Beschluss vom 20. April 1990 - V ZB 1/90, BGHZ 111, 148, 153).
Daher kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass die aus
dem Wirtschaftsplan ersichtliche Deckungslücke zwischen den voraussichtli-
chen Ausgaben und den sonstigen Vermögenszuflüssen der Gemeinschaft, die
entweder ausdrücklich als Summe genannt wird oder sich durch Addition der
einzelnen Posten ermitteln lässt, durch die Belastung der Wohnungseigentümer
mit Hausgeldvorschüssen ausgeglichen werden soll. Für den einzelnen Woh-
nungseigentümer können - auch wenn dieser nur die Höhe des auf ihn entfal-
lenden Hausgeldes erfährt - keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass
nicht nur er, sondern auch die anderen Wohnungseigentümer nach den im
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Wirtschaftsplan erläuterten Verteilungsschlüsseln belastet werden und das Ko-
stendeckungsprinzip (vgl. dazu OLG Düsseldorf, WE 1991, 131; Staudin-
ger/Bub, BGB [2005], § 28 Rn. 93; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 19. Aufl., § 28
Rn. 5; Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 28 Rn. 42; J. Scheel in Hügel/
Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 3. Aufl., Teil II, Rn. 43) gewahrt
ist.
Die Mitteilung der auf die anderen Wohnungseigentümer konkret entfal-
lenden Hausgeldvorschüsse ist auch nicht deshalb erforderlich, weil Haus-
geldansprüche bei einzelnen Wohnungseigentümern auf Dauer uneinbringlich
oder im betreffenden Wirtschaftsjahr mutmaßlich nicht einbringbar sein können.
Die Einnahmenseite darf in diesem Fall nicht gekürzt werden, da dies nicht zu
einer ausgeglichenen Liquiditätsplanung führen würde. Vielmehr muss auch ein
insolventer Wohnungseigentümer in den Wirtschaftsplan einbezogen werden,
da er andernfalls nicht zur Zahlung des Hausgeldes verpflichtet würde (Senat,
Beschluss vom 15. Juni 1989 - V ZB 22/88, BGHZ 108, 44, 47 f.; Becker in
Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 28 Rn. 24; Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Aufl.,
§ 28 Rn. 39; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 28 Rn. 11; Staudin-
ger/Bub, BGB, [2005], § 28 WEG Rn. 106; Weitnauer/Gottschalg, WEG,
9. Aufl., § 28 Rn. 1; J. Scheel in Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungsei-
gentum, 3. Aufl., Teil II, Rn. 324). Die Uneinbringlichkeit von Hausgeldern ist vor
diesem Hintergrund ausgabenerhöhend zu berücksichtigen und muss sich aus
dem Gesamtwirtschaftsplan ergeben (Bub, Das Finanz- und Rechnungswesen
der Wohnungseigentümergemeinschaft, 1996, II 5 c Rn. 38
).
4. Der hier zu beurteilende Wirtschaftsplan genügt den genannten Maß-
stäben.
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Die Wohngeldvorschüsse sind zwar nicht ausdrücklich als erwartete Ein-
nahmen ausgewiesen. Vielmehr sind den Ausgaben nur die sonstigen Einnah-
men in Gestalt der Zinserträge gegenüber gestellt. Bei der vorzunehmenden
Gesamtschau ergeben sich aber keine vernünftigen Zweifel, dass der ausge-
wiesene Differenzbetrag insgesamt von allen Eigentümern über Wohngeldvor-
schüsse zu finanzieren ist. Zur Beschlussfassung standen ausdrücklich neben
den Gesamtwirtschaftsplan auch die Einzelwirtschaftspläne. In dem den Klä-
gern vorliegenden Einzelwirtschaftsplan wird ihr Anteil an den Gesamtausgaben
in nachvollziehbarer Weise ermittelt. Unter Berücksichtigung der angegeben
Verteilungsschlüssel - Umlage der Verwaltungskosten nach der Zahl der Einhei-
ten, ansonsten nach den Miteigentumsanteilen - lassen sich bei dem vorliegen-
den Wirtschaftsplan anhand der Miteigentumsanteile der anderen Wohnungsei-
gentümer unschwer deren Vorschüsse errechnen. Dafür, dass die anderen Ein-
zelwirtschaftspläne dem im Wege der elektronischen Datenverarbeitung erstell-
ten Muster nicht folgen, besteht kein Anhaltspunkt.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
AG Schöneberg, Entscheidung vom 17.06.2011 - 771 C 2/11 WEG -
LG Berlin, Entscheidung vom 13.04.2012 - 85 S 183/11 WEG -
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