Urteil des BGH vom 11.02.2004
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 127/03
Verkündet am:
11. Februar 2004
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Zur Frage der bestimmten Angabe des Klagegrundes.
BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 127/03 - KG Berlin
LG Berlin
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Februar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die
Richter Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst und Felsch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des
Kammergerichts in Berlin vom 13. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung des Kaufpreises in Hö-
he von insgesamt 14.585,18 DM für Sanitärartikel, welche die S. S.
GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin) gemäß
mehreren Einzelrechnungen an die Beklagte verkauft und geliefert hatte. Sie
macht geltend, die offenen Kaufpreisforderungen der Gemeinschuldnerin gegen
die Beklagte seien vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an sie, die Klägerin,
aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts im voraus abgetreten wor-
den. Für den Fall, daß die Vorausabtretung nicht eingreife, beruft sich die Klä-
gerin hilfsweise auf eine ihr vom Insolvenzverwalter erteilte Ermächtigung, die
Forderungen der Gemeinschuldnerin einzuziehen.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Be-
klagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung
des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klage sei nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, weil sich aus ihr
nicht ergebe, wem die Forderungen, die Gegenstand der Klage seien, eigentlich
zustünden. Die Klägerin mache geltend, die Kaufpreisansprüche der Gemein-
schuldnerin gegen die Beklagte, die als solche auch nicht streitig seien, stünden
ihr aufgrund einer Vorausabtretung im Zusammenhang mit der Vereinbarung
eines verlängerten Eigentumsvorbehalts zu. Dies setze jedoch voraus, daß die
Gemeinschuldnerin die an die Beklagte verkauften Waren - über die Zwischen-
lieferantin Dr. G. GmbH - letztlich von der Klägerin bezogen habe. Davon
könne jedoch nicht ausgegangen werden, weil es an entsprechenden Darle-
gungen seitens der Klägerin fehle. Der Klägerin helfe auch nicht, wenn sie sich
hilfsweise auf die ihr vom Insolvenzverwalter eingeräumte Einziehungsermäch-
tigung stütze. Zwar stehe danach fest, daß die Klägerin hinsichtlich der geltend
gemachten Kaufpreisforderung in jedem Fall - entweder aufgrund der Voraus-
abtretung oder aufgrund der Einziehungsermächtigung - aktivlegitimiert sei.
Daraus folge aber nichts für die Bestimmtheit der Klageforderung. Die Klägerin
mache ohne nähere Bestimmung Kaufpreisforderungen geltend, die entweder
ihr, der Gemeinschuldnerin oder möglicherweise auch nicht bekannten Dritten
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zustünden, ohne klarzustellen, wem welcher Teil der geltend gemachten Forde-
rungen zustehe. Daß sich im vorliegenden Fall bei der Prüfung der materiellen
Begründetheit der Einwände der Beklagten Unterschiede möglicherweise nicht
ergäben, sei unerheblich, weil die Frage der Zulässigkeit der Klage vorab zu
klären sei und nicht von der materiellen Begründetheit der von der Beklagten im
konkreten Fall erhobenen Einwände abhängen könne.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die
Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Klage ist zulässig. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muß die Klageschrift
- neben einem Antrag, dessen Bestimmtheit hier nicht zweifelhaft ist - die be-
stimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspru-
ches enthalten. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebens-
sachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klage-
anspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden ist; vielmehr ist es
- entsprechend dem Zweck der Klageerhebung, dem Schuldner den Willen des
Gläubigers zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen - im allge-
meinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (st.Rspr.,
vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, WRP 2003, 1458 = BGH-
Report 2003, 1438, unter II 3 a m.w.Nachw.; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl.,
§ 253 Rdnr. 12 a). Die gebotene Individualisierung der Klagegründe kann
grundsätzlich auch durch eine konkrete Bezugnahme auf andere Schriftstücke
erfolgen (BGH, aaO; Zöller/Greger aaO). Diese Anforderungen an eine ord-
nungsgemäße Klageerhebung sind im vorliegenden Fall erfüllt.
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1. Die Klägerin hat ihren Antrag, die Beklagte zur Zahlung von
14.585,18 DM nebst Zinsen zu verurteilen, damit begründet, ihr stünden an sie
als Vorbehaltslieferantin abgetretene Kaufpreisansprüche der Gemeinschuldne-
rin gegen die Beklagte zu, die sich aus den der Klagebegründung als Anlagen
K 1 bis K 23 beigefügten Einzelrechnungen der Gemeinschuldnerin in Höhe von
17.010,87 DM ergäben; nach Abzug von Gutschriften auf die Rechnungen K 1
bis K 3 in Höhe von 2.425,69 DM gemäß den Anlagen K 24 bis K 28 errechne
sich die Klageforderung. Damit hat die Klägerin, wovon auch das Berufungsge-
richt ausgeht, Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend
bestimmt. Mehr hatte die Klägerin nicht vorzutragen, um den Anforderungen
des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen. Entgegen der Auffassung des Beru-
fungsgerichts kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Klä-
gerin im einzelnen dargelegt hat, daß sich die der Klageforderung zugrundelie-
genden Rechnungen auf Waren beziehen, welche die Gemeinschuldnerin tat-
sächlich über einen Zwischenlieferanten von der Klägerin bezogen hatte. Ob
die Klägerin diese Voraussetzung für den behaupteten Forderungserwerb sub-
stantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt hat, betrifft die Begründetheit und
nicht die Zulässigkeit ihrer Klage.
2. Daran ändert sich nichts dadurch, daß sich die Klägerin mit ihrem
Hilfsvorbringen auf die ihr vom Insolvenzverwalter erteilte Einzugsermächtigung
für den Fall stützt, daß die von ihr behauptete Vorausabtretung zu ihren Guns-
ten nicht eingreife. Der Bestimmtheit des Gegenstandes der Klage steht nicht
entgegen, daß die Klägerin die streitgegenständlichen Kaufpreisforderungen mit
ihrem Hauptvorbringen als durch Abtretung erworbene eigene Forderungen
geltend macht und sie diese mit ihrem Hilfsvorbringen im Wege einer Pro-
zeßstandschaft als fremdes Recht im eigenen Namen einklagt.
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Zu Unrecht meint demgegenüber das Berufungsgericht, die Klägerin
hätte - als Voraussetzung für die Zulässigkeit ihrer Klage - darlegen müssen, ob
und in welchem Umfang die Kaufpreisforderungen ihr oder dem Insolvenzver-
walter zustünden. Auch dies ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Be-
gründetheit der Klage. Die unterschiedliche Rechtskraftwirkung einer Verurtei-
lung der Beklagten entweder aufgrund des Haupt- oder aufgrund des Hilfsvor-
bringens der Klägerin ändert daran entgegen der Auffassung des Berufungsge-
richts nichts. Das Berufungsgericht verkennt, daß die Klägerin nicht offenläßt,
ob sie mit ihrer Klage ein (an sie abgetretenes) eigenes Recht oder ein fremdes
Recht (im eigenen Namen) geltend macht. Durch das Eventualverhältnis ihres
Vorbringens hat die Klägerin klargestellt, daß sie in erster Linie ein eigenes
Recht einklagt und daß sie nur für den Fall, daß die behauptete Abtretung des
Rechts an sie nicht eingreifen sollte, als weiteren Streitgegenstand (vgl. BGH,
Urteil vom 19. September 1985 - VII ZR 15/85, NJW 1986, 1046 unter 2 b;
Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., Einleitung Rdnr. 75) ein fremdes Recht auf-
grund einer ihr erteilten Einziehungsermächtigung im eigenen Namen geltend
macht. Gegen die prozessuale Zulässigkeit eines solchen Hilfsvorbringens be-
stehen - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts - keine Bedenken. Das
Berufungsgericht ist an die von der Klägerin vorgegebene Reihenfolge ihres
Begehrens gebunden und hat zunächst zu prüfen, ob ihr der Anspruch aus ei-
genem Recht zusteht. Erst wenn es dies verneint, hat es die Zulässigkeit und
Begründetheit des in Prozeßstandschaft verfolgten Anspruchs der Gemein-
schuldnerin zu untersuchen. Da Umfang und Reichweite der Rechtskraftwir-
kung davon abhängen, ob eine etwaige Verurteilung der Beklagten auf dem
Hauptvorbringen oder auf dem Hilfsvorbringen der Klägerin beruht, hat sich aus
den Entscheidungsgründen zu ergeben, ob und inwieweit das Berufungsgericht
der Klägerin den Anspruch aus eigenem Recht oder aus dem Recht der Ge-
meinschuldnerin zugesprochen hat.
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III.
Da das Berufungsgericht tatsächliche Feststellungen zur Begründetheit
der Klage nicht getroffen hat, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Sie
ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dr. Deppert Dr. Beyer Wiechers
Dr. Wolst Felsch