Urteil des BGH vom 27.03.2014
BGH: gesamtstrafe, geldstrafe, verfügung, vollstreckung, auflösung, anhörung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 5 7 4 / 1 3
vom
27. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. März 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Detmold vom 6. September 2013, soweit es ihn betrifft, im
Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststel-
lungen mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche
gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460,
462 StPO zu treffen ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem
für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen
Gericht vorbehalten.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls unter Einbezie-
hung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hagenow vom 8. April 2013
unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die mit der Verletzung
materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung
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des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen ist die Revision unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe aus der Freiheitsstrafe für
die verfahrensgegenständliche Tat und den noch nicht erledigten Einzelstrafen
aus dem Urteil des Amtsgerichts Hagenow vom 8. April 2013 hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen wurden die den einbezogenen Strafen zu
Grunde liegenden Taten am 2. Januar 2012, 6. Februar 2012 und 10. Mai 2012
begangen. Bis zu ihrer Aburteilung durch das Amtsgericht Hagenow wurde der
Angeklagte noch am 8. Mai 2012 durch das Amtsgericht Berlin-Tiergarten, am
19. Oktober 2012 durch das Amtsgericht Peine, am 6. Dezember 2012 durch
das Amtsgericht Wolfsburg und am 20. Februar 2013 durch das Amtsgericht
Bremen jeweils wegen Diebstahls zu Geldstrafen verurteilt. Den Voll-
streckungsstand der vom Amtsgericht Bremen verhängten Geldstrafe hat das
Landgericht nicht aufzuklären vermocht und die Gesamtstrafenbildung insoweit
dem Verfahren nach § 460 StPO überlassen. Zu den Geldstrafen aus den Urtei-
len der Amtsgerichte Berlin-Tiergarten, Peine und Wolfsburg lässt sich den Ur-
teilsgründen lediglich entnehmen, dass sie „den Angaben des Angeklagten zu-
folge“ bereits vollständig vollstreckt sind. Wann diese Vollstreckungen abge-
schlossen werden, teilt das Urteil ebenso wenig mit, wie die Tatzeiten hinsicht-
lich der Urteile vom 19. Oktober und 6. Dezember 2012.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann nicht ausgeschlossen
werden, dass die von den Amtsgerichten Berlin-Tiergarten und Peine verhäng-
ten Geldstrafen im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Hagenow am
8. April 2013 noch nicht erledigt waren und deshalb zwischen den vom Amtsge-
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richt Hagenow für die Taten vom 2. Januar und vom 6. Februar 2012 verhäng-
ten Einzelstrafen und der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Berlin-
Tiergarten vom 8. Mai 2012 sowie zwischen der vom Amtsgericht Hagenow für
die Tat vom 10. Mai 2012 festgesetzten Einzelstrafe und der vom Amtsgericht
Peine am 19. Oktober 2012 verhängten Geldstrafe jeweils eine Gesamtstrafen-
lage im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB bestand. Da eine Gesamtstrafenbil-
dung im Nachtragsverfahren nach § 460 StPO erst dann ausgeschlossen ist,
wenn sämtliche dafür in Betracht zu ziehenden Strafen vollständig erledigt sind
(BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007
– 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369, 370;
Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, 1987, Rn. 346; Nestler, JA 2011, 248,
253), stünde eine zwischenzeitlich eingetretene Vollstreckung der Geldstrafen
aus den Urteilen der Amtsgerichte Berlin-Tiergarten und Peine der Nachholung
einer unterbliebenen Gesamtstrafenbildung mit den vom Amtsgericht Hagenow
verhängten und noch nicht erledigten Einzelstrafen nicht entgegen. In diesem
Fall wären die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hagenow infolge
der Zäsurwirkung der zu diesem Zeitpunkt noch unerledigten Verurteilungen
durch die Amtsgerichte Berlin-Tiergarten (bezogen auf die Einzelstrafen für die
Taten vom 2. Januar und vom 6. Februar 2012) und Peine (bezogen auf die
Einzelstrafe für die Tat vom 10. Mai 2012) gesamtst
rafenrechtlich „verbraucht“
(vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011
– 4 StR 249/11, NStZ-RR 2011, 307;
Beschluss vom 28. Juli 2006
– 2 StR 215/06, NStZ 2007, 28, 29) und stünden
für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit der für die verfahrensgegen-
ständlichen Tat vom 23. Januar 2013 verhängten Strafe nicht mehr zur Verfü-
gung.
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Das nach §§ 460, 462 StPO zuständige Gericht wird den Vollstreckungs-
stand der für die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe bedeutsamen Verur-
teilungen klären müssen. Es hat auch über die Kosten des Rechtsmittels zu
entscheiden.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin
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