Urteil des BGH vom 25.06.2014
BGH: anstiftung, untersuchungshaft, gespräch, überprüfung, täterschaft, freispruch, geschichte, mord, beweiswert, gewissheit
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 9 2 / 1 4
vom
25. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
25. Juni 2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Erster Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Traunstein vom 6. November 2013 mit den
zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Straf-
kammer des Landgerichts Landshut zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 13. März 2012
wegen tateinheitlich begangener Waffendelikte in Tatmehrheit mit Brandstiftung
unter Einbeziehung anderweitig rechtskräftig gewordener Einzelstrafen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von
dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord hatte es ihn aus tatsächli-
chen Gründen freigesprochen. Während die gegen den Schuldspruch gerichte-
te Revision des Angeklagten vom Senat verworfen worden ist, ist auf die Revi-
sion der Staatsanwaltschaft das Urteil aufgehoben worden, soweit der Ange-
klagte freigesprochen worden war. Nunmehr hat das Landgericht den Ange-
klagten hinsichtlich des noch nicht rechtskräftigen Teils erneut aus tatsächli-
chen Gründen freigesprochen (vgl. zur richtigen Tenorierung BGH, Beschluss
vom 4. Februar 2014
– 2 StR 526/13). Gegen diesen Freispruch wendet sich
die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, die sie auf eine Aufklärungsrüge und
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die Sachrüge stützt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat
mit der Sachrüge Erfolg.
I.
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, aus der
Untersuchungshaft heraus einen Auftrag zur Ermordung des D. erteilt zu
haben. Hintergrund soll gewesen sein, dass der Angeklagte den in einem um-
fangreichen Betrugsverfahren Mitbeschuldigten D. töten lassen wollte,
um ihn daran zu hindern, auszusagen. Er habe beabsichtigt, diese Tat für
10.000 € von dem ihm als Scharfschützen bekannten K. ausführen zu las-
sen. Rechtsanwalt B. , dem damaligen Verteidiger des Angeklagten, soll
am 20. April 2010 mitgeteilt worden sein, dass D. aus der Haft entlassen
worden sei. Daraufhin habe Rechtsanwalt B. den Angeklagten am
20. oder 21. April 2010 in der Untersuchungshaft besucht. Hierbei soll der Plan
des Angeklagten zur Tötung des D. besprochen worden sein. Rechts-
anwalt B. soll sich bereit erklärt haben, den Auftrag zur Ermordung des
D. weiterzuleiten und soll am 21. April 2010 einen Aktenvermerk gefertigt
haben, indem er festhielt: „K. soll für 10.000,00 den D. verramma, er
erledigt die Geschichte“. Entsprechend dem Tatplan des Angeklagten soll
Rechtsanwalt B. den Vermerk sodann an die Ehefrau des Angeklagten
weitergeleitet haben. Diese soll den Tötungsauftrag jedoch nicht wie geplant
weitergegeben haben, da ihr der Plan zu weit gegangen sei.
2. Das Landgericht hat hierzu im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Im August 2009 äußerte der Angeklagte in einem Telefonat gegenüber
dem in dem Betrugsverfahren Mitbeschuldigten S. , dass D.
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„auspacke“ und nun große Schwierigkeiten auf sie zukämen. Rechtsanwalt
B. fertigte am 21. April 2010, nach einer Besprechung mit dem Angeklag-
ten in der Justizvollzugsanstalt, einen Aktenvermerk, in dem es heißt: „K.
soll für 10.000,00 den D.
verramma, er erledigt die Geschichte“. Diesen
Vermerk leitete Rechtsanwalt B. am 22. April 2010 an die Ehefrau des
Angeklagten weiter. In den Schreiben Rechtsanwalt B. s an den Ange-
klagten vom 3. Mai 2
010 ist ausgeführt: „D. wird etwas mehr als nur die
Fresse poliert bei passender Gelegenheit, so diese Seite“ und „mit K. ist
noch nicht gesprochen worden, brauchts im Moment wohl auch nicht“. Sieben
Tage später schrieb B. an den Angeklag
ten: „Tatsache ist, dass D.
sich
zum Kronzeugen aufbaut.“ K. erfuhr nichts von dem Mordauftrag.
3. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht ausgeführt, es
fehle bereits am Nachweis des „objektiven Sachverhalts“ zum Gespräch zwi-
schen B. und dem Angeklagten am 21. April 2010. Hierzu wisse die
Strafkammer lediglich, dass B. bei seiner polizeilichen Beschuldigtenver-
nehmung ausgesagt habe, das Wort „verramma“, welches verräumen, beiseite
schaffen, verstecken, wegräumen bedeute, sei vom Angeklagten gekommen.
Damit stehe aber nur fest, was der Angeklagte nach B. s Meinung gesagt
habe. Dies sei nicht ausreichend. Auch die subjektive Tatseite sei nicht nach-
gewiesen. So lasse der Aktenvermerk keine ausdrücklichen Handlungsanwei-
sungen erkennen. Zwar habe der Angeklagte irgendwann einmal gegenüber
S. geäußert, er bringe jeden um, der gegen ihn auspacke, hingegen in
dem Telefonat mit S. aus August 2009 nichts Entsprechendes geäu-
ßert.
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II.
Das freisprechende Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht
stand, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht mehr bedarf.
Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tat-
gericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft
nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich
darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-
rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar
oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze
verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Be-
weiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert
zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamt-
abwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzu-
nehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob über-
spannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit ge-
stellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 27. April 2010
– 1 StR
454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011
– 1 StR 408/10 und vom
7. Juni 2011
– 5 StR 26/11). Nach diesem Maßstab erweist sich die Beweis-
würdigung als rechtsfehlerhaft, da sie lückenhaft ist und eine umfassende Ge-
samtwürdigung der gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vermissen
lässt.
Die Feststellung des Landgerichts, es könne sich zum Ablauf des Ge-
sprächs zwischen B. und dem Angeklagten nur auf die späteren Anga-
ben B. s stützen, die für eine Überzeugungsbildung zum Ablauf des Ge-
sprächs nicht ausreichend seien, lässt mehrere Aspekte unerörtert. So wäre
zunächst in den Blick zu nehmen gewesen, dass der Angeklagte sich zum Ge-
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brauch des Wortes „verramma“ eingelassen hat. Ausweislich der Urteilsgründe
hat er hierzu einerseits angegeben, damit Gegenstände gemeint zu haben, die
dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen werden sollten, anderer-
seits keine Erinnerung daran zu haben, dieses Wort verwendet zu haben. Eine
Würdigung dieses Aussageverhaltens und eine Auseinandersetzung damit zur
Ermittlung des Inhalts des fraglichen Gesprächs
– auch unter Berücksichtigung
des Inhalts und der Entstehungsweise des Vermerks von B.
– lässt sich
den Urteilsgründen nicht entnehmen. Zum anderen findet der Umstand, dass
B. den Aktenvermerk nach den Feststellungen im unmittelbaren zeitli-
chen Zusammenhang mit dem Gespräch mit dem Angeklagten fertigte und als-
bald dessen Ehefrau zuleitete, keine Berücksichtigung in der Beweiswürdigung
der Strafkammer zum Ablauf des Gesprächs. Dies wäre aber erforderlich ge-
wesen. Anders als die Angaben B. s in seiner Beschuldigtenvernehmung,
auf die sich die Strafkammer im Hinblick auf mögliche Entlastungstendenzen
B. s für seine eigene Person nicht allein stützen wollte, erfolgte dieser
Vermerk nicht erkennbar für die Strafverfolgungsbehörden. Die Art und der
Zweck seiner Abfassung
– auch wenn es sich dabei nur um eine Zusammen-
fassung durch B. handelte
– wäre damit ein tauglicher Anknüpfungspunkt
für Rückschlüsse auf den Inhalt des Gesprächs und der dabei verfolgten Inten-
tion des Angeklagten. Dabei wäre auch der Zusammenhang des Wortes „ver-
ramma“ mit „10.000,00“ und der Bezug auf D. – und nicht etwa auf Ge-
genstände
– einzubeziehen gewesen.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei einer die-
se Aspekte miteinbeziehenden Gesamtwürdigung zu einem anderen Schluss
hinsichtlich des Inhalts des Gesprächs zwischen B. und dem Angeklag-
ten am 21. April 2010 insbesondere bezüglich eines entsprechenden Vorsatzes
des Angeklagten gekommen wäre.
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III.
Da die bisher
– ohnehin mit Rechtsfehlern – getroffenen Feststellungen
auch nicht ausreichen, um tragfähig einen wirksamen Rücktritt vom Versuch
der Anstiftung anzunehmen, war der Freispruch aufzuheben. Die Sache bedarf
insoweit erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat von der Mög-
lichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO Gebrauch gemacht und die Sache
an ein anderes Gericht zurückverwiesen.
Rothfuß Jäger Cirener
Radtke Mosbacher
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