Urteil des BGH vom 16.08.2000

BGH (antragsteller, zahlung, amtsenthebung, konto, zahlungsverbot, verfügung, antrag, notar, beschwerde, wahl)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 23/00
Verkündet am:
26. März 2001
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Verfahren
wegen Amtsenthebung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Rinne, die Richter Dr. Wahl und Streck sowie die Notare Dr. Doyé
und Dr. Toussaint auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2001
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß
des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle
vom 16. August 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfah-
rens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfah-
ren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert wird für beide Rechtszüge auf 100.000 DM
festgesetzt.
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Gründe
I.
Der 1935 geborene Antragsteller ist seit 1970 als Rechtsanwalt und seit
1975 auch als Notar in H. M. tätig.
Mit Verfügung vom 27. Oktober 1999 wurde er vom Antragsgegner ge-
mäß § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO seines Amtes als Notar
vorläufig enthoben. Seinen hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Ent-
scheidung hat das Oberlandesgericht am 31. Januar 2000 als unzulässig ver-
worfen. Mit Verfügung vom 28. März 2000, die seinem (damaligen) Rechtsan-
walt am 31. März 2000 zugegangen ist und dem Antragsteller am 3. April 2000
zugestellt wurde, hat der Antragsgegner dem Antragsteller eröffnet, daß er sei-
ne endgültige Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO in Aus-
sicht genommen habe. Dagegen hat sich der Antragsteller mit dem Antrag nach
§ 50 Abs. 3 Nr. 3 BNotO gewandt.
Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß vom 16. August 2000 fest-
gestellt, daß die Voraussetzungen von § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorliegen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Be-
schwerde des Antragstellers.
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II.
Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
Die Voraussetzungen von § 50 Abs. 1 Nr. 8, 2. Alternative BNotO liegen
vor. Die Art der Wirtschaftsführung des Antragstellers gefährdet die Interessen
der Rechtsuchenden.
Die Wirtschaftsführung eines Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen
berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, ist schon als sol-
che nicht hinnehmbar (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 1990
- NotZ 21/89 - BGHR BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 7 Interessengefährdung 1 und
vom 20. November 2000 - NotZ 17/00 - ZNotP 2001, 117). Sie kann schon für
sich genommen die Amtsenthebung rechtfertigen, im übrigen aber jedenfalls
dann, wenn Umstände hinzutreten, die die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit
des Notars in bezug auf seine Wirtschaftsführung verstärken.
Dies ist hier der Fall:
Gegen den Antragsteller erging am 13. Mai 1998 ein rechtskräftig ge-
wordenes Teilversäumnisurteil, das ihn wegen notarieller Amtspflichtverletzung
zu einer Zahlung von 60.000 DM nebst 4 % Zinsen ab 1. August 1997 an die
Brüder K. verurteilte (Landgericht G. 4 O 503/97). Am 27. Juli 1999 erließt das
Amtsgericht H. M. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß (1 M 426/99)
in Höhe der titulierten Forderung nebst Zinsen und Kosten über 72.486,38 DM.
In diesem Zusammenhang erging auch ein vorläufiges Zahlungsverbot an die
Stadtsparkasse H. M. als Drittschuldnerin, das auch die Geschäftskonten des
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Antragstellers betraf. In diesem Zeitraum floß dem Antragsteller eine Zahlung
aus einer Erbangelegenheit zu, die dem dem vorläufigen Zahlungsverbot un-
terliegenden Geschäftskonto gutgeschrieben werden sollte. Daraufhin leistete
der Antragsteller die Zahlung kurzfristig auf das Konto seiner Schwiegermutter
um.
Teilweise mußten auch schon wegen kleiner und kleinster Beträge
Zwangsmaßnahmen ergriffen werden. So hat die Regierungsbezirkskasse H.
am 29. April 1998 und am 3. März 1999 Vollstreckungsaufträge nach der Ju-
stizbeitreibungsordnung über jeweils 80 DM aus den Verfahren 10 B 1437/95
und 10 B 1372/97 des Amtsgerichts H. M. erteilen müssen. Auch wegen nicht
abgeführter Notarkammerbeiträge für 1998 von 1.300 DM mußte erst ein Voll-
streckungsauftrag erteilt werden (§ 73 BNotO).
Auch soweit es nicht zu Zwangsmaßnahmen kam, hat der Antragsteller
Zahlungsverpflichtungen nur schleppend erfüllt. Er hatte der Rechtsanwältin
Sch. am 20. Januar 1998 zugesagt, ihre Ansprüche von 1.554,20 DM gegen
ihren Mandanten R., den Vertragspartner der Brüder K. in dem dem Verfahren
4 O 503/97 des Landgerichts G. zugrundeliegenden Geschäft, zu begleichen,
500 DM angezahlt und monatliche Ratenzahlungen von 250 DM versprochen.
Am 6. August 1998 teilte Rechtsanwältin Sch. der Rechtsanwalts- und Notar-
kammer mit, daß noch 683,13 DM offen und daß Zahlungsaufforderungen er-
folglos geblieben seien.
Ein gegen den Antragsteller vor dem anwaltlichen Ehrengericht in C. anhängig
gewesenes Verfahren (Generalstaatsanwaltschaft in B. - 2 EV 10/99 -) sollte
gegen Zahlung einer Geldbuße von 2.500 DM gemäß § 153 a StPO eingestellt
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werden. Mit Schreiben vom 19. Juli 1999 bat der Antragsteller um Zahlungsfrist
bis 15. August 1999 und kündigte für den Fall, daß ihm "vollständige Zahlung
nicht fristgerecht möglich sein" sollte, vollständige Zahlung bis 15. September
1999 an. Tatsächlich zahlte er erst im Juli 2000.
Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe die genannten Beträge von
jeweils 80 DM nur deshalb zunächst nicht bezahlt, weil er die Vorgänge nicht
habe "unterbringen" können. Auch wenn man davon ausgeht, daß er jederzeit
in der Lage war, Beträge dieser Größenordnung zu bezahlen, entlastet ihn das
nicht. Sein Vorbringen belegt vielmehr die Ungeordnetheit seiner Geschäfts-
führung (vgl. Senatsbeschluß vom 20. November 2000 aaO). Ob auch die Ver-
zögerungen bei der Erfüllung der Ansprüche der Notarkammer und der
Rechtsanwältin Sch. (bzw. ihres Mandanten R.) und die verzögerte Zahlung in
dem ehrengerichtlichen Verfahren nicht mit den Vermögensverhältnissen des
Antragstellers zusammenhängen, mag letztlich dahinstehen. Jedenfalls wirft
das Schreiben vom 19. Juli 1999 kein gutes Licht auf die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse des Antragstellers. Zumindest belegen aber auch diese Vorgänge,
daß die Art der Wirtschaftsführung des Antragstellers die Interessen der
Rechtsuchenden gefährdet. All dies gilt in noch viel höherem Maße für die For-
derungen der Brüder K., die auch erst nach umfangreichen Vollstreckungs-
maßnahmen mit erheblicher Verspätung erfüllt wurden. Unter diesen Umstän-
den kann auf sich beruhen, ob das Vorbringen des Antragstellers zu seinen
gegenwärtigen und künftig zu erwartenden wirtschaftlichen Verhältnissen ge-
eignet sein könnte, die Annahme des Oberlandesgerichts, auch die Vorausset-
zungen des § 50 Abs. 1 Nr. 8, 1. Alternative BNotO lägen vor, in Frage zu
stellen. Eine Wirtschaftsführung wie die festgestellte gefährdet die Interessen
der Rechtsuchenden nämlich auch dann, wenn sie nicht auf schlechte wirt-
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schaftliche Verhältnisse zurückzuführen sein sollte (Senat aaO). So spricht die
Umleitung der Zahlung auf das Konto der Schweigermutter gegen eine geord-
nete Wirtschaftsführung. Anhaltspunkte dafür, daß sich die Art der Wirt-
schaftsführung des Antragstellers inzwischen geändert hätte, sind nicht er-
sichtlich. Insbesondere folgt dies nicht daraus, daß nach dem Vorbringen des
Antragstellers seine auf den genannten Vorgängen beruhenden Schulden in-
zwischen beglichen sind.
Rinne
Wahl
Streck
Doyé
Toussaint