Urteil des BGH vom 15.11.2012
BGH: embargo, strafzumessung, verfügung, veröffentlichung, verordnung, tatbestandsirrtum, geschäftsführer, gesellschafter, verfall, rüge
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 295/12
vom
15. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines
Rechtsaktes der EG u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
15. November 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Berlin vom 19. Dezember 2011 im Ausspruch über die
Einzelstrafe im Fall II.2 der Urteilsgründe und im Ausspruch
über die Gesamtgeldstrafe mit den zugehörigen Feststellun-
gen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Verstoßes ge-
gen das Außenwirtschaftsgesetz (Embargoverstoß) sowie wegen fahrlässigen
Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (Embargoverstoß) in fünf Fällen
zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 90
€ verurteilt und gegen
die Nebenbeteiligte, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der
Angeklagte ist, den Verfall eines Geldbetrages angeordnet. Die auf die Rüge
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der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den
aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Einzelstrafenausspruch im Fall II.2 der Urteilsgründe hält revisions-
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Kammer hat nicht feststellen können,
dass der Angeklagte wusste, dass die von seiner Gesellschaft in diesem Fall zu
beliefernde A. (A. ) in Anhang IV der Ver-
ordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maß-
nahmen gegen den Iran (Iran-Embargo-VO) genannt wird. Diese Listung hat
zur Folge, dass es nach Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO verboten ist, der A.
wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, worunter das zu liefernde
Tritium zu subsumieren ist. Mit der Veröffentlichung der Iran-Embargo-VO im
Bundesanzeiger am 8. Mai 2007 ist ein Verstoß gegen dieses Bereitstellungs-
verbot gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG mit Strafe bedroht.
Zutreffend hat die Strafkammer ausgeführt, dass die (mögliche) Un-
kenntnis von der Listung den Vorsatz des Angeklagten unberührt lässt, weil der
Irrtum über den Inhalt und oder die Reichweite einer Ausfüllungsnorm, auf die
ein Blankettstraftatbestand wie § 34 Abs. 4 AWG ausdrücklich verweist, sich
als Verbots-, nicht aber als Tatbestandsirrtum darstellt (BGH, Beschluss vom
23. August 2006 - 5 StR 105/06, NStZ 2007, 644; Urteil vom 11. Juli 1995
- 1 StR 242/95, NStZ-RR 1996, 24, 25; vgl. auch Schuster, Das Verhältnis von
Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, 2012, S. 92,
116, 209). Nicht zu beanstanden ist auch, dass sie einen solchen Irrtum für
vermeidbar gehalten hat.
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Da das Landgericht damit aber das Vorliegen eines vermeidbaren Ver-
botsirrtums nicht ausgeschlossen, sondern für zumindest möglich gehalten hat,
hätte es sich im Rahmen der Strafzumessung auch mit der Frage auseinander-
setzen müssen, ob der - wegen Versuchs bereits nach § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49
Abs. 1 StGB gemilderte - Strafrahmen des § 34 Abs. 4 AWG gegebenenfalls
gemäß § 17 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB ein weiteres Mal zu mildern war.
Der Senat kann trotz der maßvollen Strafe nicht ausschließen, dass das Land-
gericht bei Anwendung des zweifach gemilderten Strafrahmens zu einer gerin-
geren Einzelstrafe gelangt wäre.
Der Wegfall der im Fall II.2 verhängten Einsatzstrafe entzieht dem Ge-
samtstrafenausspruch die Grundlage.
Becker Hubert Schäfer
Mayer Gericke
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