Urteil des BGH vom 10.03.2006
BGH: ortsüblicher mietzins, immobilie, mietvertrag, unentgeltlichkeit, miete, verfügung, beweiswürdigung, bereicherungsanspruch, beweismittel, dokumentation
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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 W 72/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 157 BGB, § 535 BGB, § 612
Abs 2 BGB, § 632 Abs 2 BGB
(Gewerbemietvertrag ohne Bestimmung der Miethöhe)
Leitsatz
Zur Wirksamkeit eines Mietvertrags trotz fehlender Vereinbarung über die Miethöhe
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zwar zulässig (§§ 567 Abs. 1, 127
Abs. 2 Satz 2 ZPO). In der Sache hat sie indessen keinen Erfolg, da das
Landgericht dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu Recht
mangels hinreichender Erfolgsaussicht seine Rechtsverfolgung versagt hat (§ 114
ZPO).
Der Antragsteller begründet seinen Regressanspruch gegen den Antragsgegner
damit, dass dieser es unterlassen habe, gegen das im Vorprozess 2 O 446/99 LG
Gießen gegen ihn ergangene Versäumnisurteil fristgerecht Einspruch einzulegen,
und er bei Fortsetzung jenes Verfahrens obsiegt hätte, da die dort vom
Konkursverwalter als damaligem Kläger gegen ihn erhobene Klage auf
Nutzungsentschädigung für das ihm von der Gemeinschuldnerin überlassene
Grundstück abgewiesen worden wäre, weil Unentgeltlichkeit der
Grundstücksüberlassung vereinbart worden sei.
Für die Frage, ob der Mandant den Vorprozess bei sachgemäßer anwaltlicher
Vertretung gewonnen hätte, ist maßgeblich, wie jener Prozess nach Auffassung
des Gerichts, das mit dem Regressanspruch befasst ist, richtigerweise hätte
entschieden werden müssen (BGH NJW 2000, 1572, 1573). Insoweit gelten die
Beweislastregeln des Vorverfahrens grundsätzlich auch für den Regressprozess
(BGH, a.a.O.; BGHZ 133, 110, 111). Daraus folgt, dass der Antragsteller die
Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung darzulegen und zu beweisen gehabt
hätte, wobei davon auszugehen ist, dass ihm bei Fortsetzung des
erstinstanzlichen Verfahrens die Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten,
auf die er sich im Prozesskostenhilfe-Verfahren beruft (Parteivernehmung, Zeugen
Z1 und Z2) und deren er sich auch dann, wenn sie ihm seinerzeit noch nicht zur
Verfügung standen, im Regressprozess bedienen kann (BGH NJW 96, 2501).
In rechtlicher Hinsicht ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass –
entgegen der Auffassung des Konkursverwalters im Vorprozess – kein
Bereicherungs-, sondern ein mietvertraglicher Anspruch in Rede steht (§ 535
BGB). Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ergibt sich aus dem
Schreiben des Zeugen Z1 vom 24.12.1997 (Anlage K 3), dass er mit dem
Antragsteller letztlich vereinbart hatte, die Immobilie an ihn zu vermieten
(Unterstreichung nicht im Original). Dass aus diesem Schreiben nicht hervorgeht,
zu welchem Mietzins dies geschehen sollte, steht der Wirksamkeit des
Abschlusses eines Mietvertrags – etwa wegen Fehlens eines „essentialium negotii“
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Abschlusses eines Mietvertrags – etwa wegen Fehlens eines „essentialium negotii“
– nicht entgegen. Selbst ohne jegliche Vereinbarung über den Mietzins kann ein
Mietvertrag zustande kommen, sofern die Parteien sich bindend über eine
entgeltliche Überlassung des Gebrauchs der Mietsache einigen. In diesem Fall gilt
eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart, sei es im Wege
ergänzender Vertragsauslegung, sei es entsprechend §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2
BGB (BGH NJW 97, 2671, 2672; NJW-RR 92, 517), wovon auch im Regressprozess
auszugehen ist (BGH NJW 2001, 146).
Da der Kläger im Vorprozess behauptet hat, die Parteien hätten sich auf eine
entgeltliche Nutzungsüberlassung der Immobilie, also auf deren Anmietung,
geeinigt, oblag seinerzeit und obliegt im Regressprozess dem Antragsteller und
damaligen Beklagten der Beweis dafür, dass die Unentgeltlichkeit der
Gebrauchsüberlassung vereinbart worden ist (vgl. BGH NJW 87, 2742 zu den hier
nach den vorstehenden Ausführungen entsprechend anzuwendenden §§ 611 Abs.
2 und 632 Abs. 2 BGB). Auf die Frage des Wegfalls der Bereicherung, die bei dem
Antragsteller trotz Erzielung von Einnahmen aus der (Weiter-) Vermietung des
Objekts an Drittunternehmen möglicherweise eingetreten ist und die sich nur bei
einem Anspruch aus § 812 BGB stellt (§§ 818 Abs. 4, 819 BGB), kommt es in
diesem Fall nicht an, da als Rechtsgrundlage für den im Vorprozess erhobenen
Anspruch auch ein Mietvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und dem jetzigen
Antragsteller nahe lag.
Soweit der Kläger im Vorprozess seinen Zahlungsanspruch gegen den
Antragsteller nur auf einen Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB und nicht auch
auf Miete gestützt hat, ist dies unerheblich. Die Rechtsanwendung steht
grundsätzlich nicht zur Disposition der Parteien. Das Gericht ist daher an die
rechtliche Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen nicht
gebunden. Eine Bindung besteht nur an die Anträge der Parteien (§ 308 ZPO),
nicht jedoch an die vom Kläger genannten Anspruchsgrundlagen (BAG DB 91, 549
unter B II 2 b; Musielak, 4. Aufl., § 308 ZPO, Rdnr. 15; Zöller/Greger, 25. Aufl., § 253
ZPO, Rdnr. 12).
Die vom Antragsteller nunmehr angetretenen Beweise dafür, dass ihm die
Immobilie unentgeltlich zur Nutzung überlassen worden ist, rechtfertigen es nicht,
die Erfolgsaussicht seiner beabsichtigten Rechtsverfolgung zu bejahen.
Bezüglich des Zeugen Z1 ergibt sich dies aus einer zulässigen
vorweggenommenen Beweiswürdigung. Eine Beweisantizipation im
Prozesskostenhilfe-Verfahren ist erlaubt, wenn die Gesamtwürdigung aller schon
feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zu Gunsten
des Hilfsbedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lässt (OLG Köln OLGR 95, 133;
Zöller/Philippi, § 114 ZPO, Rdnr. 26; vgl. auch BGH NJW 88, 266, 267). Diese
Voraussetzungen liegen hier bezüglich des Zeugen Z1 vor. Denn es erscheint
angesichts seines bereits zitierten Schreibens vom 24.12.1997 als
ausgeschlossen, dass er bei seiner Vernehmung von seiner dortigen Äußerung, er
habe das streitgegenständliche Objekt an den Antragsteller vermietet, abrückt.
Der Beweisantritt Z2 für die behauptete unentgeltliche Überlassung der Immobilie
ist, wie das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss zutreffend ausgeführt hat,
unerheblich, weil keine konkreten Beweistatsachen benannt sind. Insoweit handelt
es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Eine Vernehmung des
Antragstellers als Partei nach § 447 ZPO kommt schon deswegen nicht in
Betracht, weil davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner ihr widerspricht. Für
eine Vernehmung des Antragstellers nach § 448 ZPO besteht mangels Vorliegens
jeglichen Anfangsbeweises kein Grund.
Auch der Höhe nach begegnete der im Vorprozess geltend gemachte Anspruch
keinen Bedenken. Der Kläger jenes Verfahrens hatte ihn, ausgehend von einem
Bereicherungsanspruch gegen den seinerzeitigen Beklagten und jetzigen
Antragsteller, nach der ortsübliche Miete berechnet, die der Antragsteller für ein
solches Objekt hätte zahlen müssen, wenn ein Mietvertrag zwischen ihm und der
Gemeinschuldnerin nicht zustande gekommen wäre. Hiergegen hat der
Antragsteller auch in dem den Regressprozess betreffenden Prozesskostenhilfe-
Verfahren keine substantiierten Einwendungen erhoben. Diese Beträge sind daher
unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen von ihm auch als
ortsüblicher Mietzins geschuldet, wenn, wofür nach der derzeitigen Beweislage
alles spricht, zwischen den Parteien ein Mietverhältnis ohne Einigung auf einen
bestimmten Mietzins zustande gekommen ist.
10 Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da
sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 22 Abs. 1 GKG i. V. m. KV 1811).
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.