Urteil des BGH vom 06.05.2014

BGH: wiedereinsetzung in den vorigen stand, charta der vereinten nationen, genfer abkommen, bekämpfung des terrorismus, republik, gerichtshof für menschenrechte, rechtliches gehör, ermächtigung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 2 6 5 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vori-
gen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird zurückge-
wiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlan-
desgerichts Hamburg vom 13. Februar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-
gen.
Gründe:
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in ei-
ner terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision
macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und beanstandet die
Verletzung formellen und materiellen Rechts. Außerdem erstrebt er die Wie-
dereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge.
Sämtliche Begehren bleiben ohne Erfolg.
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Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts übernahm der Ange-
klagte ab Mai 2007 als hauptamtlicher Kader die Aufgabe des Gebietsleiters
der "Partiya Karkeren Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans"; im Folgenden:
PKK) bzw. deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" ("Kurdi-
sche Demokratische Gesellschaft"; im Folgenden: CDK) in Hamburg und von
Juni 2007 bis April 2008 zusätzlich die neu eingerichtete Region Hamburg, der
die Gebiete Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg angehörten. Er kontrollierte
und koordinierte die Aktivitäten der PKK in diesen Gebieten, indem er etwa
Konflikte entschied, die Disziplinargewalt ausübte und die finanziellen Angele-
genheiten sowie die Organisation von Demonstrationen, Veranstaltungen und
Kadertreffen überwachte. Außerdem fungierte er als Bindeglied zu dem dama-
ligen Deutschlandverantwortlichen der PKK. Im April 2008 begab sich der An-
geklagte in den Nordirak und schloss sich dort der PKK-Guerilla in den Bergen
des türkisch-irakischen Grenzgebietes an. Im September 2008 kehrte er nach
Europa zurück.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung
der Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Verwertung der Erkenntnisse
aus der am 12. Oktober 2011 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des
Angeklagten ist unzulässig.
Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt,
da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - in zulässiger
Weise geltend gemachten - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.;
vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.;
vom 3. September 1987 - 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1;
vom 1. November 1988 - 5 StR 488/88, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3).
Auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in unvoll-
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ständiger Weise erhoben worden. Es widerspricht der Systematik des Revisi-
onsverfahrens, in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zur ergänzenden Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Re-
visionsführer durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft von der Form-
widrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat. Eine besondere Verfahrenslage,
bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
(Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGH, Be-
schluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrens-
rüge 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.), liegt nicht vor.
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht; die nach § 129b Abs. 1 Satz 3
StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die
Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger
Taten mit Deutschlandbezug der Europaführung, des Deutschlandverantwortli-
chen und der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden
Sektoren bzw. Regionen und Gebiete der PKK und CDK erteilt. Mit Schreiben
vom 29. April 2013 hat es mitgeteilt, dass diese Ermächtigung nicht zurückge-
nommen werde. Zudem hat es unter dem 4. Mai 2012 eine Verfolgungser-
mächtigung für Taten des Angeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit
für die PKK und CDK erteilt. Diese Ermächtigungen genügen den an sie zu
stellenden Anforderungen.
Bezüglich der formellen Einwände der Revision wird auf die Darlegungen
in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2012 und der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
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In der Sache bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Ermächtigung
nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB inhaltlich jeder gerichtlichen Kontrolle entzo-
gen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 30;
NK-StGB/Ostendorf, 4. Aufl., § 129b Rn. 12; Altvater, NStZ 2003, 179, 182;
Stein, GA 2005, 433, 457 f.; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigun-
gen im Ausland, 2007, S. 311) oder - ähnlich wie dies für einen von einer ho-
heitlich handelnden Behörde gestellten Strafantrag vertreten wird (vgl. SK-
StGB/Rudolphi/Wolter, 39. Lfg., § 77 Rn. 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl.,
§ 77 Rn. 17) - jedenfalls in begrenztem Maße auf Willkür überprüfbar ist (vgl.
OLG München, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 6 St 1/07, NJW 2007, 2786,
2789; offen gelassen in MK/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 26). Anhaltspunkte,
die für eine willkürlich erteilte Verfolgungsermächtigung sprechen könnten, sind
nicht zu erkennen. Die Ermächtigung vom 6. September 2011 ist allgemein bis
zur Ebene der Gebietsverantwortlichen erteilt. Sie erfasst somit alle für die PKK
in herausgehobener Funktion Tätigen, ohne in sachwidriger Weise zwischen
einzelnen Mitgliedern zu differenzieren. Hinweise darauf, dass das Bundesmi-
nisterium die Ermächtigung aus sonstigen Gesichtspunkten in willkürlicher Wei-
se erteilt hat, sind nicht ersichtlich.
3. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in
seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
4. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Über-
prüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht
ergeben. Der ergänzenden Erörterung über die Ausführungen in der Antrags-
schrift des Generalbundesanwalts hinaus bedürfen lediglich die folgenden Ge-
sichtspunkte:
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a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist nach dem im Revi-
sionsrecht geltenden begrenzten Prüfungsmaßstab (BGH, Urteil vom 9. Juni
2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbe-
sondere auch, soweit das Oberlandesgericht sich davon überzeugt hat, dass
die Führung der PKK spätestens ab August 2004 die terroristischen Aktivitäten
der Vereinigung gegen zivile Objekte und Personen durch den Deckmantel der
vermeintlich eigenständig agierenden "TAK" (Teyrebazen Azadiya Kurdistan =
Freiheitsfalken Kurdistan) zu verschleiern suchte und die in der Folgezeit verüb-
ten Anschläge, zu denen sich "TAK" bekannte, daher tatsächlich der PKK zuzu-
rechnen sind.
b) Für die Straftaten, auf die die Tätigkeit der PKK gerichtet ist, besteht
kein Rechtfertigungsgrund.
Dies betrifft ohne Weiteres diejenigen Attentate, die unter dem Deck-
mantel der "TAK" gegen zivile Objekte und Personen durchgeführt wurden.
Auch diejenigen Anschläge, die durch die Unterorganisation HPG (Hezen
Parastina Gel = Volksverteidigungskräfte) vor allem im Osten der Republik Tür-
kei auf militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen verübt wur-
den, sind weder nach nationalem Recht noch gemäß den Regeln des Völker-
rechts gerechtfertigt. Dies entspricht der langjährigen, ständigen Rechtspre-
chung der mit Staatsschutzstrafsachen befassten Gerichte in der Bundesrepu-
blik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - AK 1 und 2/12,
BGHR StGB § 129b Vereinigung 2; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 29 ff.). Das
Revisionsvorbringen bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen; auch eine Vor-
lage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht ange-
zeigt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang zu den von der
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Verteidigung aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragestellungen sowohl in den
schriftlichen Urteilsgründen als auch in seinem ausführlich begründeten Hin-
weisbeschluss vom 28. November 2012 zutreffend dargelegt, dass die der PKK
zuzurechnenden Straftaten weder durch Völkervertrags- noch durch Völkerge-
wohnheitsrecht gerechtfertigt sind. Der Senat schließt sich den dortigen Aus-
führungen einschließlich der umfangreichen Nachweise aus dem völkerrechtli-
chen Schrifttum vollumfänglich an und bemerkt auf der Grundlage der vom
Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lediglich zu-
sammenfassend bzw. ergänzend:
aa) Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Ab-
kommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Kon-
flikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; im Folgenden: ZP I) kommt als
Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht; denn sowohl die formellen als auch die
materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften sind
nicht erfüllt.
Art. 43 ZP I statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht
der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar
an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von
militärischen Gegnern. Es steht allerdings grundsätzlich nur Kämpfern in inter-
nationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche be-
waffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde
Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf
Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und
in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche
Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der
Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.
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(1) Formelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des ZP I als Teil des
Völkervertragsrechts wäre, dass sowohl die Republik Türkei als auch die PKK
dem Zusatzprotokoll rechtswirksam beigetreten sind. Dies ist jedoch bereits
deshalb nicht der Fall, weil die Republik Türkei bis heute eine entsprechende
Beitrittserklärung nicht abgegeben hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung,
ob die PKK überhaupt als "Organ, das ein Volk vertritt" im Sinne des Art. 96
Abs. 3 ZP I angesehen werden kann und sich ihrerseits gemäß dieser Vor-
schrift durch eine an den Verwahrer gerichtete Erklärung verpflichtet hat, die
Genfer Abkommen und das ZP I in Bezug auf den Konflikt mit der Türkischen
Republik anzuwenden.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das ZP I im Rahmen der
Anwendung deutschen (Straf-)Rechts auch nicht deshalb anwendbar, weil die
Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beigetreten ist. Die Bundes-
republik Deutschland ist nicht Partei in dem Konflikt zwischen der Republik Tür-
kei und der PKK. Ihr Beitritt zu dem ZP I kann deshalb für diese keine Rechts-
folgen bezüglich der Rechtfertigung von im Rahmen des Konflikts begangenen
Straftaten bis hin zu Tötungshandlungen auslösen. Die völkervertragsrechtliche
Regelung der Art. 43, Art. 1 Abs. 4 ZP I erlangt vielmehr nur Geltung, wenn die
am Konflikt Beteiligten selbst Vertragspartner sind; durch die Ratifizierung des
Abkommens durch einen unbeteiligten Staat können diesen keine Rechte und
Pflichten aus dem Vertrag auferlegt werden.
(3) Hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 1 Abs. 4 ZP I
kann dahinstehen, ob auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffe-
nen Feststellungen die Voraussetzungen "bewaffneter Konflikt" und "Volk" er-
füllt sind (vgl. hierzu GBA, Verfügung vom 20. Juni 2013 - 3 BJs 7/12-4, NStZ
2013, 644, 645). Der türkisch-kurdische Konflikt stellt jedenfalls keinen Kampf
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der PKK gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches
Regime dar.
Die Republik Türkei hat die überwiegend von Kurden bevölkerten Pro-
vinzen nicht zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung oder aus anderen
Gründen besetzt. Die Zugehörigkeit eines Teils der kurdischen Gebiete zur Re-
publik Türkei ist letztlich ein Ergebnis des 1. Weltkrieges und des damit ver-
bundenen Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, nach dem die türki-
schen Staatsgrenzen neu bestimmt wurden. Die Auffassung der Revision, die
Fremdheit türkischer Besetzung liege darin, dass die Entwicklung zu einem
kurdischen Staat nach dem ersten Weltkrieg insbesondere durch den Vertrag
von Sèvres vom 10. August 1920, in dem den Kurden unter den dort näher ge-
regelten Voraussetzungen ein Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde,
nur unterbrochen worden sei, geht fehl. Der Vertrag von Sèvres wurde bereits
durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 wieder aufgehoben. Die auf
türkischem Hoheitsgebiet liegenden kurdischen Provinzen sind deshalb völker-
rechtlich als Teil der Republik Türkei anzusehen; eine "fremde" Besetzung
scheidet somit aus.
Die Republik Türkei ist schließlich kein rassistisches Regime im Sinne
des Art. 1 Abs. 4 ZP I. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen; nach
der Entstehungsgeschichte des ZP I sollte es insbesondere das früher in Süd-
afrika bestehende Apartheitsregime erfassen. Das Oberlandesgericht hat zwar
festgestellt, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe und ihre Repräsentanten
in der Republik Türkei verschiedenen Repressionen ausgesetzt waren, was u.a.
in mehreren Fällen zur Verurteilung der Republik Türkei durch den Europäi-
schen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Die Voraussetzungen eines ras-
sistischen Regimes im hier relevanten Sinne sind aber nicht schon dann gege-
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ben, wenn einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Erforderlich ist
vielmehr, dass diese vom politischen Prozess vollständig ausgeschlossen wer-
den. Derart weitgehende Maßnahmen seitens der Republik Türkei sind nicht
festgestellt.
bb) Die der PKK zuzurechnenden Straftaten sind auch nicht nach den
Maßgaben des Völkergewohnheitsrechts gerechtfertigt.
Die Entstehung eines universell geltenden Völkerrechtssatzes setzt
grundsätzlich eine in der Staatengemeinschaft hinreichend verfestigte Praxis
und eine entsprechende Rechtsüberzeugung voraus. Zu den in Art. 1 Abs. 4
ZP I niedergelegten Grundsätzen hat sich bisher keine einhellige Staatenpraxis
entwickelt. Es fehlt - auch mit Blick auf das von der Verteidigung angeführte
Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 Nr. 2 der UN-Charta (vgl. hierzu BGH,
Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65 - NJW 1966, 310) - an einer von ei-
ner ausreichend einhelligen Rechtsüberzeugung getragenen Praxis für ein ius
ad bellum etwa nationaler Befreiungsbewegungen; ein kollektives Recht auf
bewaffneten Widerstand zugunsten einer Bevölkerungsgruppe gegen die Re-
gierung des eigenen Landes hat sich bisher im Völkergewohnheitsrecht nicht
herausgebildet (zur nicht gegebenen Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen
wegen menschenrechtswidriger Versagung der Ausreisefreiheit vgl. BGH, Urteil
vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99, NJW 2000, 3079; BVerfG, Beschluss vom
30. November 2000 - 2 BvR 1473/00, NStZ 2001, 187; zu den neueren Ent-
wicklungen des Völkerrechts in einem Bürgerkrieg vgl. Kreß, JZ 2014, 365). Im
Übrigen besteht im hier konkret zu beurteilenden Fall gerade keine Überzeu-
gung der Staatengemeinschaft dahin, der bewaffnete Kampf der PKK und ihrer
Unterorganisationen und die damit verbundene Begehung von Straftaten sei
gerechtfertigt. Die PKK wird vielmehr international weitgehend als terroristische
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Organisation eingeordnet (vgl. etwa aus dem Bereich der Europäischen Union
in neuerer Zeit Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10. Februar 2014 zur
Aktualisierung und Änderung der Liste der Personen, Vereinigungen und Kör-
perschaften, für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts
2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämp-
fung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses
2013/395/GASP, Anhang Ziffer 2.16. und 25., ABl. L 40/56; vgl. auch die
Nachweise in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28,
39).
Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Gericke Spaniol