Urteil des BGH vom 04.05.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 285/04
vom
4. Mai 2006
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR:
ja
InsO §§ 37, 47; BGB § 1422
a) In der Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten gehört dessen Anteil am Ge-
samtgut nicht zur Insolvenzmasse.
b) Der verwaltende Ehegatte kann im Insolvenzverfahren des nicht verwaltenden die
Gegenstände des Gesamtguts aussondern.
BGH, Beschluss vom 4. Mai 2006 - IX ZB 285/04 - LG Amberg
AG
Amberg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Kayser, Vill und Dr. Detlev Fischer
am 4. Mai 2006
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Amberg vom 8. November 2004 wird auf Kosten
der weiteren Beteiligten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
4.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die weitere Beteiligte hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen der Schuldnerin beantragt, die ein Baugeschäft betreibt. Diese
lebt im Güterstand der Gütergemeinschaft. Das Gesamtgut wird von ihrem
Ehemann allein verwaltet. Das Amtsgericht hat den Eröffnungsgrund der Zah-
lungsunfähigkeit als nicht glaubhaft gemacht angesehen. Das Landgericht hat
die hiergegen gerichtete Beschwerde der weiteren Beteiligten mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die
Verfahrenskosten deckenden Masse abgewiesen wird. Hiergegen wendet sich
die weitere Beteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 7 InsO
statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2
ZPO nicht gegeben sind.
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1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) hat eine Rechts-
sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klä-
rungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von
Fällen stellen kann. Um dies ordnungsgemäß darzutun, ist es erforderlich, die
durch die angefochtene Entscheidung aufgeworfenen Rechtsfragen konkret zu
benennen sowie ihre Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung für eine unbestimm-
te Vielzahl von Fällen im Einzelnen aufzuzeigen.
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a) Die Rechtsbeschwerde will vorliegend geklärt wissen, ob der Rechts-
standspunkt des Beschwerdegerichts, der Anteil des nicht verwaltenden Ehe-
gatten am Gesamtgut gehöre nicht zu seiner Insolvenzmasse, was zur Folge
habe, dass der verwaltende Ehegatte im Insolvenzverfahren des nicht verwal-
tenden das Gesamtgut aussondern könne (§ 47 InsO, § 1422 BGB), zutrifft.
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aa) Diese Rechtsfrage ist geklärt. Die Auffassung des Berufungsgerichts
entspricht dem übereinstimmend vertretenen Standpunkt im rechtswissen-
schaftlichen Schrifttum (vgl. FK-InsO/Schumacher, 4. Aufl. § 37 Rn. 6; Jae-
ger/Henckel, InsO § 37 Rn. 21; HK-InsO/Eickmann, 4. Aufl. § 37 Rn. 2; Holzer
in Kübler/Prütting, InsO § 37 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Schumann, § 37
Rn. 28; MünchKomm-InsO/Ganter, § 47 Rn. 445; Nerlich/Römermann/Andres,
InsO § 37 Rn. 10; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 37 Rn. 8). Sie kann sich auf den
- eindeutigen - Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 3 InsO stützen. Auch aus § 860
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Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 InsO folgt, dass der nicht
pfändbare Anteil am Gesamtgut nicht massezugehörig ist. Dies gilt auch für den
hier gegebenen Fall, dass der nicht verwaltende Ehegatte ein Erwerbsgeschäft
betreibt. Denn § 37 Abs. 1 Satz 3 InsO enthält für diesen Fall keine Ausnahme
(vgl. Jaeger/Henckel, aaO § 37 Rn. 21).
bb) Es besteht auch kein Raum für eine Rechtsfortbildung. Die Vorschrift
des § 37 InsO ist der Vorgängerregelung des § 2 KO nachgebildet worden (vgl.
BT-Drucks. 12/2443 S. 122 f). Schon zur Konkursordnung ist die Problematik,
dass der Konkurs des nicht verwaltenden Ehegatten, der selbständig ein Er-
werbsgeschäft betreibt, das Gesamtgut nicht berührt, diskutiert worden (vgl.
Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 2 Rn. 19 m.w.N.). Der Gesetzgeber der Insol-
venzordnung hat gleichwohl keine Veranlassung gesehen, in der Insolvenzord-
nung eine abweichende Regelung zu treffen. Dies ist aus Gründen des Gläubi-
gerschutzes auch nicht zwingend nötig, weil der verwaltende Ehegatte den
Gläubigern des nicht verwaltenden persönlich als Gesamtschuldner für ihre Ge-
samtgutsansprüche haftet (§
1437 Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. FK-InsO/
Schumacher, aaO § 37 Rn. 6).
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b) Soweit die Rechtsbeschwerde weiter meint, der Schuldnerin stehe aus
dem Innenverhältnis gegen ihren Ehemann der Anspruch zu, die Schulden aus
dem von ihm verwalteten Gesamtgut zu erfüllen, wird ein Zulassungsgrund
nicht hinreichend dargelegt. Ob ein solcher Anspruch im Einzelfall tatsächlich
besteht, ob er durchsetzbar ist und ob dies der Annahme der Massearmut ent-
gegensteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Dass die Vorinstanz aus diesem
Blickwinkel in rechtsgrundsätzlicher Weise § 26 InsO verkannt hat, zeigt die
Rechtsbeschwerde nicht auf.
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2. Die von der Rechtsbeschwerde schließlich geforderte Überprüfung der
Kostenentscheidung scheitert daran, dass ein Rechtsmittel zur Hauptsache
nicht zulässig eingelegt ist (§ 4 InsO in Verbindung mit § 99 Abs. 1 ZPO; vgl.
Musielak/Wolst, ZPO 4. Aufl. § 99 Rn. 8; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 99
Rn. 4).
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Dr. Gero Fischer
Dr. Ganter
Kayser
Vill
Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
AG Amberg, Entscheidung vom 28.11.2003 - 13 IN 74/03 -
LG Amberg, Entscheidung vom 08.11.2004 - 34 T 66/04 -