Urteil des BGH vom 28.04.2006

BGH (blw, genehmigung, erwerb, verbesserung, vorkaufsrecht, landwirtschaft, landwirt, grund, zweck, zeitpunkt)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
BLw 32/05
vom
28. April 2006
in der Landwirtschaftssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RSiedlG § 6 Abs. 3 Satz 1, § 10
GrundstücksverkehrsG § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
a) Für die Entscheidung über Einwendungen gegen die Ausübung des gesetzlichen
Vorkaufsrechts durch das Siedlungsunternehmen, die sich darauf gründen, dass die
Genehmigung nicht nach § 9 GrdstVG zu versagen gewesen wäre, kommt es auf die
Verhältnisse in dem in § 6 Abs. 3 GrdstVG für die Ausübung des Vorkaufsrechts
bestimmten Zeitpunkt an. Die Vertragsparteien können das ausgeübte Vorkaufsrecht
nicht dadurch zu Fall bringen, dass sie erst im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens
die Voraussetzungen schaffen, aus denen der Versagungsgrund ausgeräumt werden
kann (Fortführung von Senat, Beschl. v. 8. Mai 1998, BLw 2/98, NJW-RR 1998,
1472, 1473 sowie Beschl. v. 26. April 2000, BLw 24/01, veröffentlicht in juris).
b)
Das Erwerbsinteresse eines aufstockungsbedürftigen Landwirts begründet
grundsätzlich einen Versagungsgrund gegen den Erwerb eines landwirtschaftlichen
Grundstücks durch einen Nichtlandwirt, der nur durch konkrete, in absehbarer Zeit zu
verwirklichende Absichten und Vorkehrungen des Erwerbers ausgeräumt werden
kann, aus denen sich ergibt, dass die beabsichtigte Veräußerung an ihn Maßnahmen
zur Verbesserung der Agrarstruktur nicht widerspricht. Das gilt für die von dem
Erwerber vorgetragenen Absichten zur Aufnahme einer eigenen Landwirtschaft wie
zu anderen förderungsfähigen nichtlandwirtschaftlichen Maßnahmen in gleicher
Weise.
BGH, Beschl. v. 28. April 2006 - BLw 32/05 - OLG Dresden
AG Bautzen
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 28. April 2006
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Lemke und
Dr. Czub sowie die ehrenamtlichen Richter Ehlers und Böhme
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Land-
wirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 20.
Oktober 2005 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin, die
den anderen Beteiligten auch die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu erstatten hat, zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
60.000 €
Gründe:
I.
Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eine offene Handelsgesellschaft mit
Sitz in Berlin. Gegenstand des Unternehmens waren nach dem Gesellschafts-
vertrag Geschäfte mit Immobilien. Sie erwarb in der Folgezeit mit Genehmigung
der Beteiligten zu 4 landwirtschaftliche Grundstücke in G. /Sachsen,
Ortsteil C. , mit einer Gesamtfläche von ca. 40 ha und errichtete dort
eine Zweigniederlassung.
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Mit notariellem Vertrag vom 29. Juli 2004 kaufte die Rechtsbeschwerde-
führerin ein aus mehreren überwiegend land- und teilweise forstwirtschaftlich
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genutzten Flurstücken bestehendes Grundstück von dem Beteiligten zu 1 in
C. mit einer Gesamtfläche von 22,1711 ha zu einem Kaufpreis von
60.000 €.
Der beurkundende Notar beantragte am 28. August 2004 bei der
Beteiligten zu 4 die Genehmigung des Kaufvertrages nach dem Grundstücks-
verkehrsgesetz. Nach Verlängerung der Prüfungsfrist auf drei Monate durch
Zwischenbescheid vom 6. September 2004 teilte die Rechtsbeschwerdeführerin
im Oktober 2004 der Beteiligten zu 4 mit, dass sie die Errichtung eines
Schulbauernhofes für die Kinder der Gesellschafter und mittelfristig die
Errichtung eines Tagungshotels beabsichtigte. Der überwiegende Teil der
gekauften Flächen solle - wie bisher - zunächst auch weiterhin an die Agrar-
genossenschaft "O. E. " R. e.G. (im Folgenden: Agrar-
genossenschaft) verpachtet werden. Die verbleibenden Flächen wolle die
Rechtsbeschwerdeführerin selbst durch Schafhaltung und Aufforstung nutzen.
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Am 1. November 2004 meldete die Rechtsbeschwerdeführerin den
Betrieb eines Gewerbes der Forst- und Landwirtschaft bei der zuständigen
Gemeinde an. Ihr Gesellschaftszweck wurde dahin erweitert, dass nunmehr
auch die Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlicher Flächen dazu gehört.
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Im Verlauf des Genehmigungsverfahrens bekundeten der Landwirt M.
und die Agrargenossenschaft ihr Interesse an einem Erwerb des verkauften
Grundbesitzes. Das Siedlungsunternehmen (die Beteiligte zu 3) erklärte die
Ausübung des Vorkaufsrechts; die Mitteilung darüber wurde am 20. November
2004 den Vertragsparteien zugestellt.
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Die mit dem Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin auf gerichtliche Ent-
scheidung erhobenen Einwendungen gegen die Ausübung des siedlungs-
rechtlichen Vorkaufsrechts hat das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht -
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zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht
- Landwirtschaftssenat - zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Rechts-
beschwerde will die Rechtsbeschwerdeführerin unter Aufhebung der voran-
gegangen Entscheidungen die Genehmigung des Kaufvertrages erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die Beteiligte zu 3 habe ihr gesetzliches
Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt. Der Kaufvertrag sei nach § 2 GrdstVG ge-
nehmigungsbedürftig, aber nicht nach § 9 Abs. 1 GrdstVG genehmigungsfähig.
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In dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Ausübung des
gesetzlichen Vorkaufsrechts sei die Rechtsbeschwerdeführerin Nichtlandwirtin
gewesen. Sie habe auch noch keine Vorkehrungen zur Übernahme einer
leistungsfähigen Landwirtschaft zumindest als Nebenerwerbsbetrieb getroffen
gehabt. Angesichts des konkurrierenden Erwerbsinteresses der aufstockungs-
bedürftigen Agrargenossenschaft hätte ein Erwerb des landwirtschaftlichen
Grundstücks durch die Rechtsbeschwerdeführerin daher zu einer ungesunden
Verteilung des Grund und Bodens nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG geführt.
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Der Erwerb durch die Rechtsbeschwerdeführerin als Nichtlandwirtin hätte
den Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur nach § 9 Abs. 2 GrdstVG
widersprochen. Zur Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes seien
entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht die Agrarberichte der
Bundesregierung heranzuziehen, denen sich keine fassbare Definition
entnehmen lasse, sondern der in langjähriger Rechtsprechung entwickelte
Grundsatz maßgebend, dass sämtliche Maßnahmen zur Verbesserung der
Agrarstruktur auf die Gründung und den Erhalt leistungsfähiger landwirt-
schaftlicher Betriebe ausgerichtet seien.
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III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde (§ 24 Abs. 1 LwVG) bleibt ohne Erfolg.
Das Beschwerdegericht hat zu Recht die von der Rechtsbeschwerdeführerin
gem. § 10 RSG erhobenen Einwendungen gegen das Vorkaufsrecht zurück-
gewiesen. Die Beteiligte zu 3 hat ihr gesetzliches Vorkaufsrecht wirksam aus-
geübt.
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1. Rechtsfehlerfrei ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass
die Veräußerung ein genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft nach § 2
GrdstVG war und der Beteiligten zu 3 nach § 4 Abs. 1, 3 RSG das siedlungs-
rechtliche Vorkaufsrecht zustand.
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a) Der von der Rechtsbeschwerdeführerin und dem Beteiligten zu 1
geschlossene Kaufvertrag zur Veräußerung eines überwiegend land- und zum
Teil fortwirtschaftlich genutzten Grundstücks bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 1
i.V.m. § 1 Abs. 1 GrdstVG der Genehmigung.
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b) Das Beschwerdegericht hat zutreffend ausgeführt, dass das aus
mehreren Flurstücken bestehende Grundstück, dessen Gesamtfläche die ge-
setzlich genannte Mindestgröße von 2 ha überschreitet, dem sied-
lungsrechtlichen Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 3 unterliegt.
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Dem steht auch nicht der von der Rechtsbeschwerdeführerin geltend
gemachte Umstand entgegen, dass ihr eine Genehmigung zur Aufforstung von
14 ha Fläche des 22 ha großen Grundstücks erteilt worden ist. Zwar erstreckt
sich das gesetzliche Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 3 nach § 4 Abs. 1 Satz 1
nicht auf Waldflächen. Das Grundstück wird jedoch überwiegend land-
wirtschaftlich genutzt. Eine das gesetzliche Vorkaufsrecht des Siedlungs-
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unternehmens ausschließende Nutzungsänderung durch Aufforstung ist bisher
auch nicht erfolgt.
2. Frei von Rechtsfehlern und von der Rechtsbeschwerde nicht ange-
griffen sind auch die Ausführungen des Beschwerdegerichts dazu, dass die
Genehmigung nicht nach § 6 Abs. 2 GrdstVG infolge des Versäumens von
Fristen im Verfahren durch die Beteiligte zu 4 als erteilt galt, so dass es die
Beteiligte zu 3 ihr Vorkaufsrecht ausüben konnte.
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3. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist auch die Annahme des
Beschwerdegerichts, dass die für die nach § 2 Abs. 1 GrdstVG für die Ver-
äußerung des landwirtschaftlichen Grundstücks erforderliche Genehmigung
nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG zu versagen gewesen wäre.
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Nach dieser Bestimmung ist das der Fall, wenn die Genehmigung eine
ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutete. Nach § 9 Abs. 2
GrdstVG liegt eine solche Verteilung in der Regel vor, wenn die Veräußerung
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.
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a) Das Beschwerdegericht hat im Ausgangspunkt in Übereinstimmung
mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 75, 81, 93; 94, 292, 292,
295 und 112, 86, 88) diese Vorschriften dahin ausgelegt, dass der Versagungs-
grund in der Regel vorliegt, wenn ein landwirtschaftliches Grundstück an einen
Nichtlandwirt veräußert wird, obwohl ein Landwirt die Fläche zur Aufstockung
seines Betriebes benötigt und bereit und in der Lage ist, das Land zu den
Bedingungen des Kaufvertrages zu erwerben.
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Das ergibt sich aus dem Zweck des Gesetzes, weil die in § 9 Abs. 2
GrdstVG angesprochenen Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur in
erster Linie auf die Gründung und den Erhalt landwirtschaftlicher Betriebe zielen
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(Senat, Beschl. v. 8. Mai 1998, BLw 2/98, NJW-RR 1998, 1472). Die Freiheit
des Verkehrs mit Grundstücken wird insoweit in dem öffentlichen Interesse an
der Verbesserung der Agrarstruktur eingeschränkt (BVerfGE 21, 73, 80). Das
Grundstücksverkehrsgesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der
Grund und Boden in der Land- und Forstwirtschaft im Unterschied zur
gewerblichen Wirtschaft nicht nur Standort, sondern der maßgebende Pro-
duktionsfaktor ist (vgl. BVerfG AgrarR 1985, 12, 14). Das Gesetz dient der
Unterstützung und der Entwicklung einer lebensfähigen Land- und Forstwirt-
schaft im Hinblick auf Erwägungen sozialer Art und der Raumordnung, in dem
es die Veräußerung von einer Genehmigung abhängig macht (vgl. zur Zu-
lässigkeit einer solchen Regelung auch unter Berücksichtigung der durch
Art. 56 EG-Vertrag garantierten Freiheit der Kapitalverkehrs: EUGHE I 2003,
9743, 9803).
b) Diese Voraussetzungen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei
festgestellt.
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Die Rechtsbeschwerdeführerin war bei Ausübung des Vorkaufsrechts
Nichtlandwirtin und kann bei der Prüfung ihrer Einwendungen gegen dessen
Ausübung einem Landwirt auch nicht gleichgestellt werden.
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aa) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die
Frage, ob es sich bei dem Erwerber um einen Landwirt handelt, nach den
tatsächlichen Umständen in dem durch § 6 Abs. 1 Satz 3 RSG festgelegten
Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Siedlungsunternehmen
zu beurteilen ist. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v.
8. Mai 1998, BLw 2/98, NJW-RR 1998, 1472, 1473 und Beschl. v. 26. April
2002, BLw 24/01, veröffentlicht in juris). Der Käufer kann dem
Siedlungsunternehmen dessen Rechtsstellung, die es durch die Ausübung des
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Vorkaufsrechts erlangt hat, nicht dadurch wieder entziehen, dass er erst im
Verlauf des gerichtlichen Verfahrens zur Prüfung seiner gegen die Ausübung
des Vorkaufsrechts erhobenen Einwendungen die Voraussetzungen
herbeiführt, unter denen die Behörde die Veräußerung an ihn hätte genehmigen
müssen. Die Vertragsparteien können das durch Mitteilung der Erklärung des
Siedlungsunternehmens ausgeübte Vorkaufsrecht gem. § 10 RSG nur noch
durch die Einwendung zu Fall bringen, dass die Voraussetzungen für die
Ausübung des Rechts nicht vorlagen, weil die Veräußerung keiner
Genehmigung nach § 2 GrdstVG bedurfte oder diese nach § 9 GrdstVG nicht
zu versagen wäre (vgl. BGHZ 41, 114, 122 und Senat, Beschl. v. 13. Mai 1982,
V BLw 8/81, NJW 1983, 41).
bb) In diesem Zeitpunkt war die Rechtsbeschwerdeführerin nach den
Feststellungen des Beschwerdegerichts Nichtlandwirtin. Die dagegen erhobe-
nen Angriffe der Rechtsbeschwerde sind unbegründet. Das Beschwerdegericht
hat dazu nach Anhörung ihrer Gesellschafter festgestellt, dass die Beschwerde-
führerin in diesem Zeitpunkt keine Landwirtschaft betrieben hat. Die Rechts-
beschwerdeführerin war damit kein landwirtschaftliches Unternehmen im Sinne
der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 4 ALG, was bereits dazu führt, dass sie als
Nichtlandwirtin anzusehen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 29. November 1996,
BLw 10/96, NJW 1997, 1073, 1074; OLG Jena, AgrarR 2001, 120, 121). Allein
das Eigentum an landwirtschaftlichen Grundstücken und die Anmeldung eines
landwirtschaftlichen Betriebes machten die Rechtsbeschwerdeführerin noch
nicht zur Landwirtin. Dazu bedarf es der Ausübung einer unternehmerischen
Tätigkeit, die eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende planmäßige Aufzucht
von Pflanzen oder eine damit verbundene Tierhaltung zum Gegenstand hat.
Auch die Rechtsbeschwerde räumt ein, dass in diesem Zeitpunkt noch keine
eigene Bewirtschaftung vorgelegen hat.
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cc) Die Rechtsbeschwerdeführerin war auch nicht wegen ihrer Absichten
zur künftigen landwirtschaftlichen Nutzung des gekauften Grundstücks einem
Landwirt gleichzustellen.
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(1) Die Ausführungen im angefochtenen Beschluss, dass eine solche
Gleichstellung erfolgen kann, wenn der Nichtlandwirt konkrete und in ab-
sehbarer Zeit zu verwirklichende Absichten und Vorkehrungen zur Übernahme
einer mindestens leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirtschaft getroffen hat,
entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 116, 348, 351;
Beschl. v. 29. November 1996, BLw 10/96, NJW 1997, 1073 f. insoweit in
BGHZ 134, 166 nicht abgedruckt; Beschl. v. 8. Mai 1998, BLw 2/98, NJW-RR
1998, 1472). Diese Voraussetzungen müssen im Einzelfall festgestellt werden,
wobei bei der Prüfung der Absichten und Vorkehrungen der Käufer, die bisher
keinen landwirtschaftlichen Beruf ausgeübt haben, ein strenger Maßstab an-
gezeigt ist (Senat, Beschl. v. 8. Mai 1998, BLw 2/98, NJW-RR 1998, 1472). Es
ist daher nicht zu beanstanden, wenn das Beschwerdegericht die Ausführungen
der Rechtsbeschwerdeführerin nicht einfach übernommen, sondern durch
Auswertung des gesamten Akteninhalts sowie einer Anhörung ihrer
Gesellschafter geprüft hat, ob konkrete und in absehbarer Zeit zu verwirk-
lichende Absichten und Vorkehrungen zu eigener Übernahme einer Landwirt-
schaft zumindest als Nebenerwerbsbetrieb vorlagen.
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(2) Die tatrichterliche Würdigung dahin, dass die Vorstellungen der
Rechtsbeschwerdeführerin zwar verschiedene Geschäftsideen aufzeigten, die
je nach Entwicklung weiter verfolgt oder zurückgestellt werden könnten, aber
keine konkrete, in absehbarer Zeit zu verwirklichende Planung für eine land-
wirtschaftliche Erwerbstätigkeit enthielten, lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, dass das Beschwerdegericht auf
Grund des von der Rechtsbeschwerdeführerin im gerichtlichen Verfahren
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vorgelegten Betriebskonzeptes zu einem anderen Schluss hätte gelangen
müssen, versucht sie lediglich, diese tatrichterliche Würdigung durch ihre
eigene zu ersetzen.
Der umfängliche neue Tatsachenvortrag in der Rechtsbeschwerdebe-
gründung über den zwischenzeitlichen Erwerb weiterer landwirtschaftlicher
Grundstücke in dem Gemeindegebiet und über die Absichten zur künftigen
landwirtschaftlichen Nutzung ist nach § 27 Abs. 2 LwVG i.V.m. § 559 Abs. 1
ZPO nicht Gegenstand der Beurteilung durch das Rechtsbeschwerdegericht,
das allein die Richtigkeit der Rechtsanwendung durch das Beschwerdegericht
auf der Grundlage des diesem unterbreiteten Sachverhalts nachzuprüfen hat.
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dd) Der Rechtsbeschwerdeführerin steht in Gestalt der Agrargenossen-
schaft ein Vollerwerbslandwirt gegenüber, der erwerbsbereit und aufstockungs-
bedürftig ist. Das Beschwerdegericht hat diese Voraussetzung für eine Ver-
sagung, die zur Wahrung der schützenswerten Interessen eines Nichtlandwirts
am Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke auch bei der Ausübung des
gesetzlichen Vorkaufsrechts durch das staatliche Siedlungsunternehmen auf-
zuzeigen ist (Senat, BGHZ 67, 330, 332), rechtsfehlerfrei festgestellt.
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Die Aufstockungsbedürftigkeit der Agrargenossenschaft ergibt sich aus
dem geringen Eigenlandanteil von 6,6 vom Hundert der bewirtschafteten
Fläche, bei dem auch dessen nur geringe Vergrößerung einer wünschens-
werten wirtschaftlichen Stärkung des Betriebs dient (Senat, Beschl. v.
29. November 1996, BLw 10/96, NJW 1997, 1073, 1075, insoweit in BGHZ 134,
166 nicht abgedruckt; Beschl. v. 26. April 2002, BLw 36/01, NJW-RR 2002,
1169).
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Die von der Rechtsbeschwerde gerügte Auswahlentscheidung der Be-
teiligten zu 3 zu Gunsten einer Weiterveräußerung an die Agrargenossenschaft
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und gegen einen Verkauf an den erwerbswilligen Landwirt M. betrifft die
Rechte der Rechtsbeschwerdeführerin als Nichtlandwirtin dagegen nicht. Schon
das Erwerbsinteresse eines der beiden Landwirte führt dazu, dass der Verkauf
des landwirtschaftlichen Grundstücks an sie als Nichtlandwirtin nach § 9 Abs. 1
GrdstVG zu versagen war.
c) Der vorstehende Versagungsgrund wird auch durch die von der
Rechtsbeschwerdeführerin vorgetragenen Absichten zu den nichtlandwirt-
schaftlichen Nutzungen nicht ausgeräumt. Die Zulassung des Beschwerde-
gerichts wie auch die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen dessen Auslegung
des § 9 Abs. 2 GrdstVG betreffen eine nicht entscheidungserhebliche
Rechtsfrage.
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aa) Die Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks an einen
Nichtlandwirt kann allerdings in Ausnahmefällen nach der Rechtsprechung des
Senats selbst dann nicht versagt werden, wenn ein erwerbsbereiter und
aufstockungsbedürftiger Landwirt vorhanden ist. Das ist der Fall, wenn die
beabsichtigte Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks an den
Nichtlandwirt wegen des von diesem mit dem Erwerb verfolgten Zwecks den in
den jährlichen Agrarberichten der Bundesregierung bezeichneten Maßnahmen
zur Verbesserung der Agrarstruktur nicht widerspricht (vgl. Senat, BGHZ 94,
292, 295; Beschl. v. 29. November 1996, BLw 25/99, RdL 1997, 47, 48).
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Das Beschwerdegericht ist von dieser Rechtsprechung abgewichen, die
auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1967
(BVerfGE 21, 73, 81) zurückgeht, an der sich der Senat in ständiger Recht-
sprechung orientiert hat (BGHZ 94, 292, 295; 112; 86, 89 und Beschl. v.
29. November 1996, BLw 25/99, RdL 1997, 47, 48).
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bb) Die Rechtsfrage, deretwegen das Beschwerdegericht die Rechts-
beschwerde zugelassen hat, kann indes dahinstehen. Sie ist nur dann
entscheidungserheblich, wenn mit dem Erwerb des landwirtschaftlichen
Grundstücks ein nichtlandwirtschaftlicher Zweck verfolgt werden soll, der den in
den Agrarberichten erwähnten Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen
Raumes, zur Verbesserung der Umwelt usw. entspricht. Der von dem Erwerber
verfolgte nichtlandwirtschaftliche Zweck vermag nur dann den sonst aus dem
Erwebsinteresse und dem Aufstockungsbedarf eines Landwirts begründeten
Versagungsgrund auszuräumen, wenn der Erwerb der Umsetzung einer
staatlich befürworteten und nach dem Agrarbericht förderungsfähigen
Maßnahme dient (vgl. Senat, BGHZ 94, 292, 296; Beschl. v. 29. November
1996, BLw 25/96, RdL 1997, 47, 48).
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Dazu bedarf es indes konkreter und in absehbarer Zeit zu realisierender
Absichten und Vorkehrungen des Erwerbers zur Herbeiführung des vorge-
brachten Zwecks. Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie für die Prü-
fung einer vom Erwerber vorgetragenen Absicht künftiger Erwerbstätigkeit in
der Landwirtschaft. Unklare oder unverbindliche Absichtserklärungen reichen
nicht aus. Ein strenger Prüfungsmaßstab ist schon deshalb angezeigt, um die
Erteilung einer Genehmigung auf Grund eines nur vorgeschobenen Erwerbs-
zwecks für eine Maßnahme zur Verbesserung der Agrarstruktur auszu-
schließen.
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Daran fehlt es hier jedoch. Die Rechtsbeschwerdeführerin hat in der
Beschwerdeinstanz ausgeführt, dass der beabsichtigte Betrieb einer Landwirt-
schaft nicht bloß ein Nebenzweck für die später einmal zu realisierenden
Projekte (Schulbauernhof und Tagungshotel) sei, sondern erst die Grundlagen
dafür schaffe, dass diese einmal realisiert werden könnten. Diese Vorstellungen
zu den Projekten sind vom Beschwerdegericht zutreffend als unverbindliche,
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veränderbare Geschäftsideen gewürdigt worden. Aus ihnen geht danach nicht
hervor, dass in absehbarer Zeit eine förderungsfähige Maßnahme zur
Entwicklung des ländlichen Raumes realisiert werden wird. Nach den
Feststellungen des Beschwerdegerichts ist vielmehr von einem Vorratserwerb
landwirtschaftlicher Grundstücke auszugehen, bei dem sich der Erwerber
verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten offen halten will. Ein derartiger Erwerb
ist mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur nicht zu vereinbaren,
unabhängig davon, ob man den Zweck des Gesetzes auf die Gründung und
den Erhalt leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe begrenzt oder andere
in den Agrarberichten bezeichnete Fördermaßnahmen einbezieht.
Soweit die Rechtsbeschwerde nunmehr neuen Sachvortrag über eine
Befürwortung der beabsichtigten Maßnahmen durch Behörden des Freistaates
Sachsen in das Verfahren einführen will, kann dieses neue Vorbringen aus den
bereits oben (unter a) bb)(2)) dargestellten Gründen in der Rechtsbeschwerde-
instanz nicht mehr berücksichtigt werden.
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cc) Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob an der bisherigen
Rechtsprechung festzuhalten ist, die Agrarberichte zur Auslegung des § 9
Abs. 2 GrdstVG heranzuziehen, um eine Versagung der Genehmigung in den
Fällen zu vermeiden, in denen der Erwerb durch einen Nichtlandwirt für nicht-
landwirtschaftliche Zwecke Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur
nicht widerspricht (vgl. BVerfGE 21, 73, 81). Dafür sprechen allerdings die wohl
besseren Argumente.
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Es ist zwar zu konzedieren, dass die von dem Beschwerdegericht
vertretene Auffassung die Handhabung des Gesetzes vereinfachte und die
Voraussehbarkeit der behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen über
Genehmigungsanträge damit erhöhte. Die Auffassung des Beschwerdegerichts
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dürfte indes mit dem durch die Einfügung des Absatzes 2 in § 9 GrdstVG im
Gesetzgebungsverfahren verfolgten Zweck unvereinbar sein. Ein Antrag, die
Fassung des Versagungsgrundes in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG im Hinblick auf
die gesicherten Ergebnisse der bisherigen Rechtsprechung darauf zu beschrän-
ken, dass der Erwerb eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden zur
Folge habe, wurde im Gesetzgebungsverfahren zwar gestellt, ist aber nicht
Gesetz geworden (dazu BVerfGE 21, 73, 81). Der Zweck des Absatzes 2
besteht darin, Wandlungen in den agrarpolitischen Zielsetzungen Rechnung zu
tragen, wodurch auch vormals bestehende Versagungsgründe gegen einen
Erwerb landwirtschaftlich genutzter Grundstücke durch Nichtlandwirte
ausgeräumt werden können. Schließlich dürfte es mit einem die Grundrechte
einschränkenden Genehmigungsvorbehalt nicht zu vereinbaren sein, wenn den
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur nicht widersprechende
Veräußerungen an Nichtlandwirte bei der Entscheidung über die Genehmigung
nach § 9 GrdstVG selbst dann unberücksichtigt bleiben müssten, wenn der
beabsichtigte Erwerb unter Berücksichtigung der Zielvorstellungen in den
Agrarberichten zur Entwicklung der ländlichen Räume nicht missbilligt werden
kann (vgl. BVerfGE 21, 73, 82).
c) Unbegründet ist schließlich der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass
die Beteiligte zu 4 den Kaufvertrag unter der Auflage einer Veräußerung oder
Verpachtung nach § 10 GrdstVG hätte genehmigen müssen. Für eine solche
Veräußerungsauflage ist nur Raum, wenn besondere Gründe dafür bestehen,
dass der Käufer zumindest vorübergehend Eigentümer des Grundstücks wird
(Senat, Beschl. v. 17. Dezember 1964, V BLw 10/64, RdL 1965, 45, 47). Ein
solches Bedürfnis ist vorliegend nicht erkennbar. Eine Verpachtungsauflage
kam ebenfalls nicht in Betracht, da sie nicht zur Erhöhung des Eigenlandanteils
des aufstockungsbedürftigen, erwerbswilligen Landwirts beigetragen hätte.
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 44, 45 LwVG.
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Krüger Lemke Czub
Vorinstanzen:
AG Bautzen, Entscheidung vom 01.04.2005 - 30 XV 21/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 20.10.2005 - W XV 543/05 -