Urteil des BGH vom 03.11.2005
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 181/04
Verkündet am:
3. November 2005
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
InsO §§ 52, 168 Abs. 3, § 170 Abs. 2; BGB §§ 765, 767 Abs. 1 Satz 3, § 776
a) Verwertet der Insolvenzverwalter einen Gegenstand in der Weise, dass ihn der
absonderungsberechtigte Gläubiger übernimmt, wird ein durch die Weiterver-
äußerung erzielter Mehrerlös nicht auf die Insolvenzforderung angerechnet.
b) Haftet für die Forderung des absonderungsberechtigten Gläubigers ein Bürge,
so kann der Gläubiger diesen in Höhe des durch die Weiterveräußerung nach
Abzug der Kosten erlangten Mehrerlöses nicht in Anspruch nehmen.
BGH, Urteil vom 3. November 2005 - IX ZR 181/04 - OLG Hamm
LG Münster
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Hamm vom 28. Juni 2004 wird auf Kosten der Kläge-
rin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin gewährte der E. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin)
am 23. August 1999 einen Nettokredit in Höhe von 122.500 DM. Das Darlehen
diente der Finanzierung eines Mobil-Baggers, welcher der Klägerin siche-
rungsübereignet wurde. Außerdem übernahm der Beklagte, Geschäftsführer
der Schuldnerin, eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von
141.260 DM.
Am 4. Dezember 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermö-
gen der Schuldnerin eröffnet. Der Insolvenzverwalter lehnte die Fortführung
des Darlehensvertrages ab. Mit Schreiben vom 6. Januar 2003 bestätigte er
der Klägerin eine Vereinbarung, wonach dieser die eigenständige Verwertung
des Baggers gegen Auskehrung der Feststellungs- und Verwertungskosten-
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pauschale in Höhe von 9% aus 12.000 € (1.080 €) überlassen wurde. Zu die-
sem Zeitpunkt betrug die Restforderung der Klägerin 26.604,31 € zuzüglich
Zinsen von 184,74 €.
Die Klägerin hat selbst für den Bagger einen Erlös von 27.500 € netto
erzielt. Sie meint, davon sei nur ein Betrag von 12.000 € auf die Hauptforde-
rung anzurechnen, und hat den Beklagten deshalb auf der Grundlage folgen-
der Abrechnung in Anspruch genommen:
Restforderung
26.604,31 €
Zinsen
184,74 €
Feststellungs- und Verwertungskosten
1.080,00 €
27.869,05 €
abzüglich Verwertungserlös
12.000,00 €
15.869,05 €
Das Landgericht hat den vollen Erlös aus der Verwertung des Baggers
abzüglich angefallener Gutachterkosten von 279,39 € berücksichtigt und der
Klage deshalb nur in Höhe von 648,44 € stattgegeben. Die Berufung der Klä-
gerin hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Begeh-
ren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt: Der Bagger sei der Klägerin nicht nach § 170 Abs. 2 InsO vom Insolvenz-
verwalter überlassen worden. Vielmehr habe dieser den Bagger nach § 166
Abs. 1, § 168 Abs. 3 InsO veräußert, also freihändig verwertet. Es möge sein
- wie dies im Schrifttum nahezu einhellig vertreten werde -, dass bei einem sol-
chen Selbsteintritt des Gläubigers in die Verwertung er den von ihm erzielten
Mehrerlös sich nicht auf seine Insolvenzforderung anrechnen lassen müsse.
Gleichwohl könne der Gläubiger den Bürgen nur unter Berücksichtigung des
gesamten durch die eigene Verwertung erzielten Betrages in Anspruch neh-
men. Dieser habe bei Abgabe seiner Verpflichtungserklärung nicht damit zu
rechnen brauchen, dass er selbst dann noch hafte, wenn der Gläubiger durch
die Verwertung von Sicherungsgut insgesamt eine Befriedigung in Höhe seiner
Forderung erlangt habe. Dies folge aus dem Sicherungszweck der Bürgschaft
und sei auch deshalb gerechtfertigt, weil durch die zwischen der Klägerin und
dem Insolvenzverwalter getroffene Abrede dem Bürgen die Möglichkeit ge-
nommen worden sei, sich im Falle eigener Zahlung aus den Sicherungsrech-
ten, auf deren Übergang er gemäß §§ 774, 412, 401 BGB Anspruch gehabt
hätte, zu befriedigen.
II.
Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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1. Der Insolvenzverwalter war zur Verwertung des Baggers, an dem die
Klägerin ein Absonderungsrecht hatte (§ 51 Nr. 1 InsO) und der sich in seinem
Besitz befand, berechtigt (§ 166 Abs. 1 InsO). Die Annahme des Berufungsge-
richts, zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter sei eine Vereinba-
rung dahin zustande gekommen, dass diese den ihr sicherungsübereigneten
Gegenstand übernehme (§ 168 Abs. 3 Satz 1 InsO), beruht auf einer rechtsfeh-
lerfreien tatrichterlichen Würdigung, die von den Parteien auch nicht angegrif-
fen worden ist. Der Insolvenzverwalter hat den Bagger somit der Klägerin nicht
nach § 170 Abs. 2 InsO zur Verwertung überlassen.
2. Der Insolvenzverwalter hat von der Klägerin Feststellungskosten von
4% und Verwertungskosten von 5% aus einem von ihnen gemeinsam zugrunde
gelegten Wert der Sache von 12.000 € erhalten (§ 170 Abs. 1, § 171 InsO).
Verfährt der Insolvenzverwalter nach § 168 Abs. 3 InsO, so braucht sich der
Gläubiger einen Erlös, der den Wert übersteigt, aus dem er vereinbarungsge-
mäß an den Insolvenzverwalter Feststellungs- und Verwertungspauschale ab-
zuführen hat, nicht auf die Forderung gegen den Schuldner anrechnen zu las-
sen. Der Senat schließt sich insoweit der in der Literatur ganz überwiegend
vertretenen Auffassung (Niesert in Andersen/Freihalter, Aus- und Absonde-
rungsrechte in der Insolvenz Rn. 528; FK-InsO/Wegener, § 168 Rn. 7; HK-
InsO/
Landfermann, 3. Aufl. § 168 Rn. 9b; Klasmeyer/Elsner/Ringstmeier in Kölner
Schrift, 2. Aufl. S. 1091 Rn. 33; MünchKomm-InsO/Lwowski, § 168 Rn. 65;
Smid, InsO 2. Aufl. § 168 Rn. 14; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 168 Rn. 10; a.A.
Nerlich/Römermann/Becker, InsO § 168 Rn. 28 ff) an.
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a) Diese Rechtsfolge beruht einmal auf der systematischen Stellung des
§ 168 Abs. 3 Satz 1 InsO im Gefüge der Vorschriften über die Verwertung.
Danach gehört die Übernahme durch den absonderungsberechtigten
Gläubiger zu den Verwertungsmaßnahmen, die das Gesetz dem Verwalter
selbst ermöglicht. Dieser hat, sofern er eine Veräußerung an einen Dritten be-
absichtigt, den absonderungsberechtigten Gläubiger davon zu benachrichtigen
und ihm dadurch Gelegenheit zu geben, eine andere Verwertungsmöglichkeit
zu benennen (§ 168 Abs. 1 InsO). Indem die Bestimmung des § 168 Abs. 3
InsO die Übernahme durch den Gläubiger als eine andere Verwertungsmög-
lichkeit im Sinne der vorausgehenden Absätze bezeichnet, stellt sie klar, dass
die Verwertung hier durch den Verwalter erfolgt und damit streng zu unter-
scheiden ist von der ihm in § 170 Abs. 2 InsO eingeräumten Möglichkeit, von
einer eigenen Verwertung abzusehen und die Sache dem Gläubiger zur eige-
nen Verwertung zu überlassen. Aus diesem Grunde hat die Masse bei einer
Verwertung nach § 168 Abs. 3 InsO Anspruch sowohl auf die Feststellungskos-
ten- als auch die Verwertungskostenpauschale, bezogen auf den Wert des Si-
cherungsgutes, den der Verwalter im Einvernehmen mit dem Absonderungsbe-
rechtigten festlegt, während der selbst verwertende Gläubiger der Masse
grundsätzlich nur die Feststellungskosten schuldet (vgl. BGH, Urt. v. 20. No-
vember 2003 - IX ZR 259/02, WM 2004, 39, 40 f).
Wenn der Verwalter eine Sache durch Veräußerung an einen Dritten
verwertet, erhält der absonderungsberechtigte Gläubiger den erzielten Erlös
abzüglich der daraus für die Masse zu entnehmenden Kosten (§ 170 Abs. 1
Satz 1 InsO). Da das Gesetz die Verwertung durch Übernahme seitens des
Gläubigers derjenigen durch Veräußerung an einen Dritten gleichstellt, ist es
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nur konsequent, in diesem Fall den Gläubiger lediglich in Höhe des mit dem
Verwalter einvernehmlich festgesetzten Wertes abzüglich der Feststellungs-
und Verwertungspauschale daraus als befriedigt anzusehen und ihn wegen
des verbleibenden Rests seiner Forderung als Insolvenzgläubiger gemäß § 52
InsO zu behandeln.
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b) Diese Wertung, die auch dem Willen des Gesetzgebers bei Einfüh-
rung der Vorschrift entspricht (vgl. BR-Drucks. 1/92, Begründung zu § 193
Reg-E, S. 179), benachteiligt die Masse nicht unbillig und verschafft dem ab-
sonderungsberechtigten Gläubiger keinen ungerechtfertigten Vorteil. Ein sach-
gerecht handelnder Verwalter wird auf das Angebot des Gläubigers nur einge-
hen, wenn er nach Einholung entsprechender Auskünfte mit einem besseren
Preis nicht rechnen kann. Der selbst erwerbende Gläubiger hat dann wie jeder
kaufwillige Dritte die Chance, durch die Weiterveräußerung einen Gewinn zu
erzielen, muss aber auch das Risiko tragen, auf diesem Wege einen Verlust zu
erleiden.
c) Der Inhalt des zwischen Schuldner und Gläubiger geschlossenen Si-
cherungsvertrages rechtfertigt entgegen der Ansicht von Becker (aaO, Rn. 30 f)
keine der Masse günstigere Lösung. Die Rechte und Pflichten der Beteiligten
werden im Insolvenzfall durch die Verwertungsvorschriften der §§ 165 ff InsO
abschließend geregelt. Der Inhalt des Sicherungsvertrages zwischen Gläubiger
und Schuldner ist deshalb nicht geeignet, diese Rechtsfolgen zu ändern oder
einzuschränken.
3. Der aus § 168 Abs. 3 InsO im Streitfall folgende Vorteil der Klägerin
für ihre Befriedigung im Insolvenzverfahren wirkt sich jedoch, wie die Vorin-
stanzen im Ergebnis zu Recht angenommen haben, nicht auf ihr Rechtsver-
hältnis zum beklagten Bürgen aus. Diesem gegenüber muss sie sich den aus
der Weiterveräußerung des Baggers erzielten Erlös - abzüglich der Unkosten -
auf ihren Anspruch aus § 765 BGB anrechnen lassen.
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a) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des
Hauptschuldners hat auf die Rechtsstellung des Beklagten gegenüber der Klä-
gerin keinen Einfluss. Die Ansprüche des Gläubigers gegenüber dem Bürgen,
der hier ohnehin nicht am Insolvenzverfahren teilnimmt, weil die Klägerin dort
ihre Forderung geltend gemacht hat (§ 44 InsO), richten sich ausschließlich
nach den Regeln der §§ 765 ff BGB. Es kommt daher allein darauf an, ob die
Wirkungen der Verwertung nach § 168 Abs. 3 InsO auf den Bestand der Insol-
venzforderung infolge des Akzessorietätsprinzips auch den Bürgen treffen.
b) Dies ist indes zu verneinen. Der von der Klägerin geltend gemachte
Anspruch steht nicht in Einklang mit Sinn und Zweck der Vorschrift des § 767
Abs. 1 Satz 3 BGB. Er lässt sich nicht mit dem Grundsatz vereinbaren, dass die
Verpflichtung des Bürgen durch ein nachträgliches Rechtsgeschäft zwischen
Gläubiger und Hauptschuldner nicht zu seinem Nachteil geändert werden
kann.
aa) Die insolvenzrechtlichen Rechtsfolgen der Verwertung nach § 168
Abs. 3 Satz 1 InsO beruhen zugleich auf einer Vereinbarung zwischen dem
Insolvenzverwalter und der Klägerin; denn diese Art der Verwertung setzt eine
Einigung der Beteiligten darüber voraus, dass und zu welchem "Preis" der ab-
sonderungsberechtigte Gläubiger die Sache übernimmt. Keine Seite kann eine
solche Verwertung gegen den Willen des anderen Teils durchsetzen. Der Ver-
walter ist auch nicht in der Lage, dem absonderungsberechtigten Gläubiger die
Sache gegen seinen Willen nach § 170 Abs. 2 InsO zur Verwertung zu über-
lassen; denn eine Verpflichtung des Gläubigers zur eigenen Verwertung nach
dieser Vorschrift besteht ebenfalls nicht (HK-InsO/Landfermann, aaO § 170
Rn. 11; Uhlenbruck, aaO § 170 Rn. 13). Die Einigung nach § 168 Abs. 3 Satz 1
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InsO stellt daher eine die Höhe der Hauptforderung nachträglich beeinflussen-
de Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner dar.
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bb) Diese Vereinbarung begründet zwar keine Erweiterung des in der
Höchstbetragsbürgschaft festgelegten Haftungsrahmens. Darauf kommt es
rechtlich jedoch nicht an. § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB bezweckt nicht nur, den
Bürgen vor einer späteren Erhöhung seiner Verpflichtung, der er nicht zuge-
stimmt hat, zu schützen. Die Vorschrift soll auch verhindern, dass Gläubiger
und Hauptschuldner durch eine nachträgliche Absprache das Haftungsrisiko
des Bürgen in einer Weise verschärfen, die für ihn bei Abschluss des Bürg-
schaftsvertrages nicht erkennbar war (BGHZ 130, 19, 27, 33; 142, 213, 219 f;
BGH, Urt. v. 6. April 2000 - IX ZR 2/98, WM 2000, 1141, 1143). Aus diesem
Grunde hat der Senat nachträgliche Verlängerungen der Laufzeit des Kredits
sowie eine Absprache über das Hinausschieben der Tilgung der Hauptschuld
als für den Bürgen unverbindlich behandelt, wenn er an diesen Regelungen
nicht beteiligt worden war (BGHZ 142, 213, 219; BGH, Urt. v. 6. April 2000,
aaO).
cc) Die Verwertungsvereinbarung zwischen der Klägerin und dem Insol-
venzverwalter beeinträchtigt den Bürgen in entsprechender Weise; denn sie
bewirkt, dass die Hauptforderung der Klägerin nicht in Höhe des durch die
Weiterveräußerung erzielten Erlöses abzüglich der Unkosten, sondern nur in
Höhe von 12.000 € abzüglich der Feststellungs- und Verwertungskostenpau-
schale sinkt. Damit entstand für den Beklagten ein Haftungsrisiko, mit dem er
bei Abschluss des Vertrages mit der Klägerin nicht zu rechnen brauchte. Diese
kann sich daher ihm gegenüber auf die Rechtsfolgen der nach § 168 Abs. 3
InsO vorgenommene Verwertung nicht berufen.
Dies ist im Übrigen auch deshalb geboten, weil in vielen Fällen sowohl
für den absonderungsberechtigten Gläubiger als auch die Masse der Weg über
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§ 168 Abs. 3 Satz 1 InsO Vorteile bringt. Der Gläubiger, der eine günstige Ver-
wertungsmöglichkeit sieht, wird immer diese Alternative vorziehen und schon
deshalb eine eigene Verwertung nach § 170 Abs. 2 InsO verweigern. Aber
auch für die Masse kann die Eigenverwertung des Verwalters Vorteile bringen,
weil ihr grundsätzlich außer der Feststellungs- auch die Verwertungskosten-
pauschale zufließt. Das zeigt der Streitfall besonders deutlich. Die Masse hat
9% aus 12.000 € = 1.080 € erhalten. Wird dagegen dem Gläubiger die Verwer-
tung überlassen, muss er einen Preis von 27.000 € erzielen, damit der Masse
ein gleich hoher Betrag zugute kommt. Von daher wird es häufig sowohl dem
Insolvenzverwalter als auch dem Gläubiger günstiger erscheinen, die Verwer-
tung nach § 168 Abs. 3 InsO zu einem für den Absonderungsberechtigten
attraktiven Preis zu wählen. Dies mag insolvenzrechtlich vernünftig sein, kann
aber nicht zu Lasten des daran unbeteiligten Bürgen gehen.
c) Dieses Ergebnis wird schließlich auch durch den die Vorschrift des
§ 776 BGB prägenden Schutzzweck bestätigt. Danach wird der Bürge, wenn
der Gläubiger ein mit der Forderung verbundenes Vorzugsrecht - wozu auch
das Sicherungseigentum zählt (BGHZ 78, 137, 143; 110, 41, 43; 144, 52,
54 f) - aufgibt, insoweit frei, als der Bürge aus diesem Recht nach § 774 BGB
hätte Ersatz verlangen können. Die Norm behandelt unmittelbar nur den Fall,
dass der Gläubiger auf das Recht verzichtet oder es einem Dritten überlässt,
die Möglichkeit, sich daraus zu befriedigen, also zurechenbar nicht wahrnimmt.
Dadurch, dass die Gläubigerin im Streitfall den sicherungsübereigneten Ge-
genstand verwertet, den Erlös aber teilweise nicht auf die Bürgenforderung
angerechnet hat, stellt sie den Bürgen im Ergebnis genauso, wie wenn sie auf
die Verwertung teilweise verzichtet hätte: Der Bürge soll zahlen, ohne dass die
zur Sicherung übertragenen Rechte auf ihn übergehen. Er erleidet dadurch den
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gleichen Nachteil wie in den Fällen, die nach § 776 BGB das Freiwerden von
der Haftung in dem genannten Umfang zur Folge haben. Deshalb ist es gebo-
ten, das Vorgehen der Gläubigerin im Streitfall auch den von § 776 BGB unmit-
telbar erfassten Handlungsalternativen rechtlich gleich zu stellen.
Fischer
Raebel
Kayser
Cierniak
Lohmann
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 15.01.2004 - 14 O 346/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.06.2004 - 31 U 53/04 -