Urteil des BGH vom 30.01.2013
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 38/12
Verkündet am:
30. Januar 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 550, 578 Abs. 2
a) Soll in einem Mietvertrag, der wegen seiner Laufzeit der Schriftform des § 550
BGB bedarf, ein Mieterwechsel herbeigeführt werden, muss die schriftliche Ver-
einbarung zwischen dem früheren und dem neuen Mieter eine hinreichend deutli-
che Bezugnahme auf den Mietvertrag enthalten, wenn die Schriftform gewahrt
bleiben soll.
b) Die für die Wirksamkeit der Vertragsübernahme erforderliche Zustimmung des
Vermieters kann formlos erfolgen (im Anschluss an Senatsurteil vom 20. April
2005 - XII ZR 29/02 - NZM 2005, 584 und BGHZ 154, 171 = NJW 2003, 2158).
BGH, Urteil vom 30. Januar 2013 - XII ZR 38/12 - OLG Schleswig
LG Lübeck
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Schleswig-
Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. März
2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Vermieterin u. a. die Feststellung, dass zwi-
schen den Parteien hinsichtlich des Objekts B. straße , R. , ein be-
fristetes Mietverhältnis bis zum 31. Mai 2016 besteht, das bis dahin nicht or-
dentlich kündbar ist. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte die Feststellung,
dass das Mietverhältnis aufgrund einer Kündigung vom 30. März 2011 zum
30. September 2011 beendet worden ist.
Die Klägerin vermietete mit Vertrag vom 20. Mai 1996 an die N.
GmbH (nachfolgend: N. GmbH) ein Gewerbeobjekt zum Betrieb eines Lo-
gistikunternehmens. Nach Ziff. 2.1 des Mietvertrags war eine feste Mietdauer
von 15 Jahren vereinbart. Der Mieterin wurde in Ziff. 2.3 des Mietvertrages eine
Verlängerungsoption von einmal fünf Jahren eingeräumt. Nach Ablauf der Miet-
zeit sollte sich das Mietverhältnis jeweils um ein Jahr verlängern, wenn nicht der
Mieter oder Vermieter binnen sechs Monaten vor Ablauf der Mietzeit schriftlich
kündigt.
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Am 24. August 1998 wurde die Umfirmierung der N. GmbH in J.
GmbH (nachfolgend: J. GmbH) im Handelsregister ein-
getragen. Mit Datum vom 26. April 2001 schloss die J. GmbH mit der Rechts-
vorgängerin der Beklagten zu 1 einen "Kauf- und Übertragungsvertrag über ei-
nen Geschäftsbetriebsteil". In Ziffer 3.1 vereinbarten die Vertragsparteien, dass
die Käuferin anstelle der Verkäuferin in sämtliche Rechte und Pflichten aus den
in einer dem Vertrag beigefügten Anlage 3.1 aufgeführten Verträgen und Ver-
tragsangeboten eintrete. Dauerschuldverhältnisse wurden ausdrücklich in die
Vereinbarung mit eingeschlossen. In dieser Anlage 3.1 findet sich eine mit der
Bezeichnung "Raummieten 2000" überschriebene tabellarische Aufstellung von
Mietobjekten, eingeteilt in Standorte, Bezeichnung der Vermieter und Angabe
der zu zahlenden Mieten, die unter anderem folgende Angabe beinhaltet:
"Standort: Hamburg; Vermieter: G GbR; Mietzins 22.900".
In den Jahren 2001 und 2002 wurde die Miete von der J. GmbH, danach
von der Beklagten zu 1 an die Klägerin bezahlt.
Im Termin vor dem Landgericht vom 31. März 2011 überreichte die Be-
klagte zu 1 der Klägerin ein auf den 30. März 2011 datiertes Schreiben, mit dem
sie das Mietverhältnis zum 30. September 2011 kündigte.
Das Landgericht hat der Feststellungswiderklage teilweise stattgegeben
und eine Beendigung des Mietvertrages aufgrund der Kündigung vom 30. März
2011 zum 31. Mai 2012 festgestellt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien
Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil ab-
geändert und auf die Widerklage hin festgestellt, dass das zwischen den Par-
teien bestehende Mietverhältnis aufgrund der Kündigung vom 30. März 2011
zum 30. September 2011 endete. Die Berufung der Klägerin hat es insoweit
zurückgewiesen.
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Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klä-
gerin ihren erstinstanzlichen Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass die
Beklagte zu 1 als Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Mieterin in den
Mietvertrag eingetreten sei. Eine Umwandlung der Vormieterin in die Beklagte
zu 1 oder eine Verschmelzung der Vormieterin mit der Beklagten zu 1 nach
dem Umwandlungsgesetz habe es nicht gegeben. Eine etwaige Fortführung
des Betriebes unter der bisherigen Firma J. GmbH begründe auch unter dem
rechtlichen Gesichtspunkt des § 25 HGB keine Gesamtrechtsnachfolge.
Die Beklagte sei jedoch durch den auf den 26. April 2001 datierten "Kauf-
und Übertragungsvertrag über einen Geschäftsbetriebsteil" in den Mietvertrag
als Mieterin eingetreten. Die dort vereinbarte Vertragsübernahme habe die Klä-
gerin durch die Entgegennahme der Mietzinszahlungen ab 2003 und einer die
Beklagte zu 1 als Mieterin ausweisenden Mietbürgschaft sowie durch die
Adressierung von Nebenkostenabrechnungen und Mieterhöhungsverlangen an
die Beklagte zu 1 jedenfalls konkludent entsprechend den §§ 182, 184 BGB
genehmigt. Die Genehmigung einer Vertragsübernahme bedürfe nicht der
Schriftform des § 126 BGB.
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Nach der Vertragsübernahme sei die nach § 550 Satz 1 BGB für befriste-
te Mietverhältnisse erforderliche Schriftform nicht mehr gewahrt. Dies sei nur
der Fall, wenn bei dem Wechsel einer Mietvertragspartei von der aktuellen Ur-
kunde auf den Ausgangsvertrag und auf alle ergänzenden Urkunden verwiesen
werde, insbesondere die Vereinbarung über den Wechsel der Vertragsparteien
ausdrücklich Bezug auf den ursprünglichen Vertrag nehme. Diesen Anforde-
rungen genügten die auf den streitgegenständlichen Mietvertrag bezogenen
Angaben in der Anlage 3. 1 (Raummieten 2000) zum Übertragungsvertrag vom
26. April 2001 nicht. Bereits die Bezeichnung der Anlage mit "Raummieten" sei
nicht hinreichend deutlich, weil es sich bei dem Mietobjekt um ein bebautes
Gewerbegrundstück handele. Ferner fehle es in der Anlage 3. 1 bei den Anga-
ben zu dem Mietverhältnis an der erforderlichen Bezugnahme auf den Ur-
sprungsmietvertrag. Die Konkretisierung des Mietverhältnisses beschränke sich
neben der Angabe der Vermieterin auf den Nettomietzins und die fehlerhafte
Ortsbezeichnung "Hamburg". Es fehle eine konkrete Bezeichnung des Mietob-
jekts sowie die Angabe des Datums des Ursprungsmietvertrages.
Den Beklagten sei es auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf den
Mangel der Schriftform zu berufen. Eine Partei dürfe sich auch nach jahrelanger
Durchführung eines Mietvertrages darauf berufen, dass die für einen langfristi-
gen Mietvertrag vorgesehene Form nicht eingehalten sei. Nur wenn die Unwirk-
samkeit der vereinbarten langfristigen Vertragsdauer zu einem schlechthin un-
tragbaren Ergebnis führen würde, könne es rechtsmissbräuchlich sein, sich auf
den formalen Mangel zu berufen. Dies könne insbesondere dann der Fall sein,
wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der
Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflicht-
verletzung schuldig gemacht habe. Die insoweit darlegungs- und beweisbelas-
tete Klägerin habe aber nicht schlüssig dargetan, dass hier derartige Nachteile
vorlägen. Die Berufung der Beklagten auf den Formverstoß könne auch nicht
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deshalb als treuwidrig angesehen werden, weil die Klägerin an den Verhand-
lungen zum Vertrag vom 26. April 2001 nicht unmittelbar beteiligt gewesen sei.
Ein Fall des § 242 BGB liege auch deshalb nicht vor, weil der Vater der Gesell-
schafter der Klägerin den auf den 26. April 2001 datierten Vertrag als alleinver-
tretungsberechtigter Geschäftsführer der J. GmbH, also der Verkäuferin, unter-
zeichnet habe.
Die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 30. März 2011 habe das Miet-
verhältnis zum 30. September 2011 beendet. Die längere Kündigungsfrist ge-
mäß § 2. 3 des Mietvertrages sei nach den §§ 578 Abs. 2, 550 Satz 2 BGB un-
wirksam. Bei einem befristeten Mietvertrag, dem die erforderliche Schriftform
nach § 550 BGB fehle, sei eine vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist jeden-
falls dann nicht maßgeblich, wenn diese länger sei als die gesetzlichen Kündi-
gungsfristen. Die Parteien eines nicht formgerechten befristeten Mietvertrages
hätten es ansonsten in der Hand, den durch § 550 BGB bezweckten Schutz
eines späteren Grundstückserwerbers durch die mündliche Vereinbarung einer
mehrjährigen Kündigungsfrist zu unterlaufen. Hier sei die vertragliche Kündi-
gungsfrist als solche (sechs Monate) jedenfalls um drei Tage länger als die ge-
setzliche Kündigungsfrist des § 580 a Abs. 2 BGB. Faktisch sei die Kündigungs-
frist noch zusätzlich verlängert, weil nicht zu Beginn eines Kalendervierteljah-
res, sondern nur sechs Monate vor Vertragsende gekündigt werden könne.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die
Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 nicht im Wege einer Gesamtrechtsnach-
folge Partei des Mietvertrages geworden ist. Eine Gesamtrechtsnachfolge hätte
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stattgefunden, wenn die J. GmbH und die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu
1 einen Verschmelzungsvertrag iSv §§ 2 Nr. 1, 30 UmwG geschlossen hätten
oder die J. GmbH ihr Vermögen ganz oder teilweise auf die Rechtsvorgängerin
der Beklagten zu 1 übertragen hätte (§ 174 Abs. 1 und 2 UmwG). Keine dieser
beiden Möglichkeiten einer Umwandlung von Unternehmen, die zu einer Ge-
samtrechtsnachfolge führen, hat das Berufungsgericht festgestellt.
Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die J.
GmbH habe ihr Unternehmen in der Form eines sog. "share-deals" an die
Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 veräußert, kann dem nicht gefolgt wer-
den. Bei einem "share-deal" wird der Verkauf eines Unternehmens, das sich in
der Hand von Gesellschaften befindet, durch den Erwerb von Gesellschaftsan-
teilen durch den Käufer verwirklicht. Ein Unternehmenskauf kann jedoch auch
dergestalt erfolgen, das der Käufer die Gesamtheit der einzelnen Wirtschaftsgü-
ter eines Unternehmens oder Betriebsteils erwirbt (sog. "asset-deal"; vgl. Pa-
landt/Putzo BGB 72. Aufl. § 453 Rn. 7). Dann wird der Erwerber nicht Gesamt-
rechtsnachfolger des Veräußerers. Die Abwicklung des Unternehmenskaufs
erfordert vielmehr für jeden einzelnen Vermögensgegenstand, der auf den Er-
werber übertragen werden soll, einen gesonderten Übertragungsakt, der sich
nach den maßgeblichen dinglichen Vorschriften richtet. Deshalb tritt der Erwer-
ber bei einem "asset-deal" nicht im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge in Ver-
tragsverhältnisse ein, aus denen der Veräußerer berechtigt und verpflichtet ist
und die von dem Unternehmenskauf erfasst werden. Vielmehr müssen diese
Verträge zunächst in der erforderlichen Form auf den Erwerber übertragen wer-
den, damit dieser Vertragspartei wird.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wollten die J. GmbH und
die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 den Betriebsteil in Form eines
"asset-deals" veräußern. Aus dem "Kauf und Übertragungsvertrag über einen
Geschäftsbetriebsteil" vom 26. April 2001 ergibt sich, dass die Rechtsvorgänge-
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rin der Beklagten zu 1 nicht Gesellschaftsanteile der J. GmbH erwerben wollte,
sondern die einzelnen Vermögensgegenstände des Betriebs der J. GmbH Ge-
genstand des Kaufs werden sollten (vgl. Ziff. I des Vertrages). Dass die Käufe-
rin im Wege der Einzelrechtsnachfolge in die von der Verkäuferin geschlosse-
nen Verträge eintreten sollte, ergibt sich zudem eindeutig aus Ziff. 3. 1 des Ver-
trages, in dem ausdrücklich eine Vertragsübernahme vereinbart wird.
2. Frei von Rechtsfehlern ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts,
dass die vereinbarte Vertragsübernahme wirksam war und die Beklagte zu 1
anstelle der Vormieterin in den Mietvertrag eingetreten ist.
Nach allgemeiner Meinung ist die Vertragsübernahme ein einheitliches
Rechtsgeschäft, das der Zustimmung aller Beteiligter bedarf (vgl. BGHZ 96, 302
= NJW 1986, 918 und Senatsurteil BGHZ 154, 171 = NJW 2003, 2158). Die
Vertragsübernahme kann als dreiseitiger Vertrag oder durch Vertrag zwischen
zwei Beteiligten geschlossen werden, der durch den dritten Beteiligten geneh-
migt wird (Senatsurteil vom 20. April 2005 - XII ZR 29/02 - NZM 2005, 584).
Wird ein Mieterwechsel - wie hier - in Form einer Vereinbarung zwischen dem
Vormieter und dem neuen Mieter vorgenommen, bedarf es der Genehmigung
durch den Vermieter, die auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann.
Die J. GmbH und die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 haben in
Ziff. 3. 1 des Kauf- und Übertragungsvertrags über einen Geschäftsbetriebsteil
vom 26. April 2001 vereinbart, dass die Käuferin an Stelle der Verkäuferin mit
schuldbefreiender Wirkung für die Verkäuferin in sämtliche Rechte und Pflichten
der in der beigefügten Anlage 3. 1 genannten Verträge eintritt. Diese Regelung
zeigt, dass die Kaufvertragsparteien die Vertragsverhältnisse, an denen die
Verkäuferin zu diesem Zeitpunkt beteiligt gewesen ist, in Form einer Vertrags-
übernahme auf die Käuferin übertragen wollten. Soweit die Vertragsübernahme
den streitgegenständlichen Mietvertrag betraf und daher zu ihrer Wirksamkeit
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der Genehmigung der Klägerin als Vermieterin bedurfte, hat das Berufungsge-
richt zu Recht angenommen, dass die Klägerin die Vertragsübernahme konklu-
dent durch die Entgegennahme der Mietzinszahlungen ab 2003, die Entgegen-
nahme einer die Beklagte zu 1 als Mieterin ausweisenden Mietbürgschaft und
die Adressierung von Nebenkostenabrechnungen und Mieterhöhungsverlangen
an die Beklagten zu 1 genehmigt hat.
3. Der Mietvertrag wahrt jedoch nach der Vertragsübernahme durch die
Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 nicht mehr die für die Wirksamkeit der
vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche Form.
Er gilt deshalb gemäß §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit
geschlossen und konnte von der Beklagten ordentlich gekündigt werden.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Schriftform des
§ 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages not-
wendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere
den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Miet-
verhältnisses - aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt.
Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst
schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Ge-
samtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel
dieser "verstreuten" Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der
Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter
Weise zweifelsfrei kenntlich machen (Senatsurteil BGHZ 142, 158 = NJW 1999,
2591, 2593). Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstü-
cke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbin-
dung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss
(vgl. Senatsurteil BGHZ 136, 357 = NJW 1998, 58, 59 ff.). Ergibt sich der Zu-
sammenhang mehrerer Schriftstücke aus einer Bezugnahme, ist es erforderlich,
dass vom aktuellen Vertrag auf den Ausgangsvertrag und auf alle ergänzenden
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Urkunden verwiesen ist, mit denen die der Schriftform unterliegenden vertragli-
chen Vereinbarungen vollständig erfasst sind. Treffen die Mietvertragsparteien
nachträglich eine Vereinbarung, mit der wesentliche Vertragsbestandteile ge-
ändert werden sollen, muss diese zur Erhaltung der Schriftform des § 550
Satz 1 BGB hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug neh-
men, die geänderten Regelungen aufführen und erkennen lassen, dass es im
Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleiben soll
(Senatsurteil BGHZ 160, 97 = NJW 2004, 2962, 2963).
Dies gilt auch für eine Vereinbarung über den Wechsel der Vertragspar-
teien, da die Angabe der Mietvertragsparteien zu den wesentlichen Vertragsbe-
dingungen zählt, die von dem Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB er-
fasst werden. Die vertragliche Auswechslung eines Mieters in einem Mietver-
trag, der wegen seiner Laufzeit der Schriftform des § 550 BGB bedarf, erfordert
daher ebenfalls die Einhaltung der Schriftform, wenn die Laufzeit erhalten blei-
ben soll (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 2005 - XII ZR 162/01 - NZM 2005,
340, 341; vom 30. Januar 2002 - XII ZR 106/99 - NZM 2002, 291 [LS] und vom
17. September 1997 - XII ZR 296/95 - NJW 1998, 62). Der Mieterwechsel muss
zur Wahrung der Schriftform dergestalt beurkundet sein, dass sich die vertragli-
che Stellung des neuen Mieters im Zusammenhang mit dem zwischen dem
vorherigen Mieter und dem Vermieter geschlossenen Mietvertrag ergibt (Se-
natsurteile vom 16. Februar 2005 - XII ZR 162/01 - NZM 2005, 340, 341; vom
30. Januar 2002 - XII ZR 106/99 - NZM 2002, 291 [LS] und vom 17. September
1997 - XII ZR 296/95 - NJW 1998, 62).
b) Diesen Anforderungen genügen die hier vorliegenden, über den Mie-
terwechsel erstellten Urkunden, nämlich der ursprüngliche Mietvertrag vom
20. Mai 1996, der Kauf- und Übertragungsvertrag über einen Geschäftsbe-
triebsteil vom 26. April 2001 sowie dessen Anlage 3.1, die nur in ihrer Gesamt-
heit die Voraussetzungen eines formwirksamen Mietvertrags erfüllen können,
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nicht. Insbesondere fehlt es an einem hinreichend deutlichen Bezug in dem
Vertrag vom 26. April 2001 auf den ursprünglichen Mietvertrag. In dem Kauf-
und Übertragungsvertrag selbst sind die Vertragsverhältnisse, in die die
Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 im Wege der Einzelrechtsnachfolge ein-
treten soll, nicht benannt. In Ziff. 3. 1 dieses Vertrages wird insoweit lediglich
auf die Anlage 3.1 verwiesen. Die dort enthaltenen Angaben reichen indes nicht
aus, um die erforderliche Bezugnahme zu dem ursprünglichen Mietvertrag her-
zustellen. In der Anlage 3.1 ist der Mietvertrag nicht hinreichend bezeichnet,
insbesondere fehlt es an konkreten Angaben zum Mietobjekt, den ursprüngli-
chen Mietvertragsparteien und zum Datum des Vertrags. Allein aus den Anga-
ben in der ersten Spalte der Tabelle "Standort: Hamburg" und in der zweiten
Spalte "Vermieter: G GbR" lässt sich das betroffene Mietob-
jekt nicht eindeutig bestimmen, zumal auch die in der dritten Spalte enthaltene
Angabe zur Miete nicht dem im Mietvertrag genannten Mietzins entspricht. We-
gen des unzureichenden Bezugs kann die Beklagte zu 1 mit der Nachtragsver-
einbarung und der Anlage 3. 1 auch im Zusammenhang mit dem ursprünglichen
Mietvertrag gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks ihre Mieter-
stellung nicht nachweisen. Es fehlt an dem für die Wahrung der Schriftform er-
forderlichen lückenlosen Zusammenhang aller Schriftstücke, aus denen sich die
wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ergeben.
c) Entgegen der Auffassung der Revision folgt nichts anderes aus der
bisherigen Rechtsprechung des Senats. Zwar hat der Senat bereits entschie-
den, dass bei einem zwischen dem früheren und einem neuen Vermieter ver-
einbarten Vermieterwechsel für die Aufrechterhaltung der Schriftform des § 550
BGB die notwendige Zustimmung des Mieters nicht der Schriftform bedarf (vgl.
Senatsurteil BGHZ 154, 171 = NZM 2003, 476, 478). Auch bei einem vom Ver-
mieter und früheren Mieter vereinbarten Mieterwechsel hat der Senat die Zu-
stimmung des neuen Mieters formfrei für wirksam gehalten (Senatsurteil vom
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20. April 2005 - XII ZR 29/02 - NZM 2005, 584, 585). Diese Entscheidungen
bezogen sich jedoch nur auf die Formbedürftigkeit der erforderlichen Zustim-
mung des Dritten bei einer nur von zwei Beteiligten vereinbarten Vertragsüber-
nahme. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Nachtragsvereinbarung
über den Wechsel des Vermieters oder Mieters als solche formbedürftig ist.
Auch wenn die Zustimmung des Dritten formfrei möglich ist, muss die nachträg-
liche Vereinbarung über einen Vermieter- oder Mieterwechsel hinreichend deut-
lich auf den ursprünglichen Mietvertrag Bezug nehmen, um die Schriftform auf-
rechtzuerhalten.
4. Entgegen der Ansicht der Revision ist es den Beklagten auch nicht
nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Mangel
der Schriftform zu berufen. Jede Partei darf sich grundsätzlich - auch nach jah-
relanger Durchführung des Mietvertrages - darauf berufen, dass die für den
langfristigen Mietvertrag vorgesehene Form nicht eingehalten ist. Aus dem Um-
stand, dass die Parteien ihren Pflichten aus dem Mietvertrag über einen länge-
ren Zeitraum bis zu der ordentlichen Kündigung durch eine Partei nachgekom-
men sind, lässt sich nicht herleiten, sie hätten darauf vertrauen können, der
Vertragspartner werde nicht von der besonderen Kündigungsmöglichkeit Ge-
brauch machen, die das Gesetz vorsieht, wenn die Schriftform nicht eingehalten
ist (Senatsurteile vom 12. Juli 2006 - XII ZR 178/03 - NJW-RR 2006, 1385,
1386 und vom 5. November 2003 - XII ZR 134/02 - NJW 2004, 1103, 1104).
Nur ausnahmsweise, wenn die Unwirksamkeit der vereinbarten langfristigen
Vertragsdauer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann
es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, sich auf den Formmangel zu
berufen. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine Vertrags-
partner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten
oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig ge-
macht hat (Senatsurteile vom 9. April 2008 - XII ZR 89/06 - NJW 2008, 2181
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Rn. 28; vom 12. Juli 2006 - XII ZR 178/03 - NJW-RR 2006, 1385, 1386; vom
6. April 2005 - XII ZR 132/03 - NJW 2005, 2225, 2227 und vom 5. November
2003 - XII ZR 134/02 - NJW 2004, 1103, 1104).
Soweit das Berufungsgericht hierzu ausgeführt hat, dass die insoweit
darlegungs- und beweisbelastete Klägerin Umstände, die für eine besonders
schwere Treuepflichtverletzung durch die Beklagten sprechen würden, nicht
schlüssig dargelegt habe, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Auch die Revision erinnert hiergegen nichts.
5. Schließlich ist das Berufungsgericht auch zutreffend davon ausgegan-
gen, dass durch die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 30. März 2011 das
Mietverhältnis zum 30. September 2011 beendet worden ist. Nach der Recht-
sprechung des Senats ist für die Kündigung eines Mietvertrags, der mangels
Schriftform als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt, eine vertraglich vereinbar-
te Kündigungsfrist jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn diese länger als die
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gesetzliche Kündigungsfrist ist (Senatsurteil vom 29. März 2000 - XII ZR
316/97 - NJW-RR 2000, 1108, 1109). Diese Voraussetzung hat das Berufungs-
gericht - von der Revision unbeanstandet - zutreffend festgestellt.
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
LG Lübeck, Entscheidung vom 07.06.2011 - 17 O 120/10 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 23.03.2012 - 4 U 84/11 -