Urteil des BGH vom 20.10.2005
BGH (anordnung, stpo, stgb, unterbringung, aussicht, rechtsmittel, aussichtslos, sache, freiwillig, persönlichkeitsstörung)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 43/06
vom
15. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren Raubes u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 15. März 2006 gemäß § 349 Abs. 2
und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Kassel vom 20. Oktober 2005 dahin geändert, dass der
Maßregelausspruch entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Je-
doch werden die Gebühr für das Revisionsverfahren um ein
Drittel ermäßigt und der Staatskasse ein Drittel der in der
Rechtsmittelinstanz entstandenen notwendigen Auslagen des
Angeklagten auferlegt. Der Angeklagte hat die der Nebenkläge-
rin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Rau-
bes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von
drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Ent-
ziehungsanstalt angeordnet.
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Das Rechtsmittel hat bezüglich der Anordnung der Unterbringung in ei-
ner Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) auf die Sachrüge hin Erfolg. Einer Erörte-
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rung der ebenfalls auf die Aufhebung der Maßregel zielenden, auf eine Verlet-
zung des § 265 StPO gestützten Verfahrensrüge bedarf es daher nicht. Im Üb-
rigen ist das Rechtsmittel aus den in der Antragsschrift des Generalbundesan-
walts vom 21. Februar 2006 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64
StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Urteil entspricht
nicht den Anforderungen an die gemäß BVerfGE 91, 1 ff. näher darzulegende
hinreichend konkrete Aussicht des Behandlungserfolgs (§ 64 Abs. 2 StGB).
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Entgegen dem Gesetzeswortlaut reicht es für eine Anordnung der Maß-
regel nicht aus, dass diese nicht lediglich "von vornherein aussichtslos er-
scheint" (BGHSt 41, 6). Es ist vielmehr eine hinreichend konkrete Aussicht, den
Süchtigen zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor Rückfall in die
akute Sucht zu bewahren, erforderlich (BVerfGE 91, 1, 30; vgl. auch BGH
NStZ-RR 2005, 10, 11). Diesen Maßstab hat die Strafkammer verkannt. Sie
begründet die Maßregelanordnung damit, dass - worauf auch der Sachverstän-
dige hingewiesen habe - eine Entziehungskur "keineswegs aussichtslos" er-
scheine, obwohl die Prognose ungünstig sei, weil der Angeklagte, bei dem eine
Polytoxikomanie und eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vorliegt, bereits
zwei Entwöhnungsbehandlungen erfolglos durchgeführt hat. Der Angeklagte
müsse sich nunmehr erstmalig nach einer gerichtlichen Anordnung einer sol-
chen Maßnahme stellen. Dabei legt die Kammer nicht dar, warum, wenn bereits
freiwillig durchgeführte Entwöhnungsbehandlungen erfolglos waren, nunmehr
eine solche, die auf einer gerichtlichen Anordnung beruht, erfolgreicher sein
sollte. Letztlich schöpft sie nur die "Hoffnung", dass der Angeklagte eine mit
einer solchen Maßnahme verbundene Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen
lasse.
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2. Der Senat sieht von einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten
Prüfung der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB ab und erkennt ent-
sprechend § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Unterbringungsanordnung.
Er schließt angesichts der Erfolglosigkeit der bisherigen Entziehungskuren und
angesichts des ausweislich der Revision des Angeklagten nicht mehr beste-
henden Willens, eine solche durchzuführen, aus, dass in einer neuen Haupt-
verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme
einer hinreichend konkreten Aussicht auf Behandlungserfolg zu tragen vermö-
gen.
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3. Das Rechtsmittel hat somit teilweise Erfolg. Entsprechend diesem Er-
folg sind gemäß § 473 Abs. 4 StPO die Revisionsgebühr um ein Drittel zu er-
mäßigen und der Staatskasse ein Drittel der im Revisionszuge entstandenen
notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen (vgl. BGH, Beschl. vom
6. August 2002 - 4 StR 230/02). Ein Anlass zur Quotelung der notwendigen
Auslagen der Nebenklägerin im Revisionsverfahren besteht indes nicht (vgl.
BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 7; BGH, Beschl. vom 4. Mai 1993 - 4 StR
168/93).
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Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Roggenbuck Appl