Urteil des BGH vom 03.07.2007
BGH (anweisung im einzelfall, nummer, telefax, berufungsschrift, fax, zpo, anweisung, berufungsfrist, begründung, edv)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 160/07
vom
25. September 2008
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
am 25. September 2008
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 28. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Juli 2007 wird auf Kosten
der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert wird auf 11.202,89 € festgesetzt.
Gründe:
I.
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Der Kläger nimmt die Beklagte - eine Rechtsanwalts-Partnerschafts-
gesellschaft - auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen aus dem Anwalts-
vertrag in Anspruch. Das der Klage im Wesentlichen stattgebende Urteil des
Landgerichts Hagen vom 12. April 2007 ist der sich selbst vertretenden Beklag-
ten am 19. April 2007 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ging am letzten
Tag der Berufungsfrist - dem 21. Mai 2007, einem Montag - um 16:46 Uhr per
Telefax bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm ein und wurde von dort am
22. Mai 2007 an das Oberlandesgericht Hamm weitergeleitet. Die Beklagte hat
beantragt, ihr wegen der versäumten Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den
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vorigen Stand zu gewähren, und zur Begründung unter Vorlage einer eides-
stattlichen Versicherung ihrer Büroangestellten ausgeführt:
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Der sachbearbeitende Rechtsanwalt der Beklagten habe am Nachmittag
des 21. Mai 2007 das Diktat der Berufungsschrift der Büroangestellten überge-
ben mit der mündlichen Anweisung, die Berufungsschrift noch am gleichen Tag
per Telefax dem Oberlandesgericht Hamm zu übermitteln. Die Angestellte habe
das Diktat geschrieben und unter Verwendung des Kanzleiprogramms RA-
MICRO in die Kopfzeile der Berufungsschrift den Vermerk "fristwahrend vorab
per Telefax: " gesetzt. Bei dieser Nummer handelte es sich um
die Telefax-Nummer des Oberlandesgerichts. In dieser Form sei die Berufungs-
schrift dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt und von diesem unter-
zeichnet worden. Die Büroangestellte habe anschließend vergeblich versucht,
die Berufungsschrift per Telefax an die genannte Nummer zu übermitteln. Weil
dabei Störungen aufgetreten seien, habe sie angenommen, die eingegebene
Fax-Nummer sei nicht richtig. Mittels einer Internet-Recherche über die Such-
maschine "Google" sei sie auf eine Fax-Nummer der Generalstaatsanwaltschaft
Hamm gestoßen. In der irrtümlichen Annahme, es handle sich um einen Fax-
Anschluss des Oberlandesgerichts, habe sie handschriftlich die Fax-Nummer
auf der Berufungsschrift entsprechend abgeändert und dieselbe per Telefax an
diese Nummer übermittelt.
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Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen
und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesent-
lichen ausgeführt:
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Die Versäumung der Berufungsfrist beruhe auf einem eigenen Organisa-
tions- und Überwachungsverschulden der Beklagten, weil sie nicht vorgetragen
habe, ob sie geeignete Vorkehrungen und Anweisungen für den Fall getroffen
habe, dass ihrem Personal eine Absendung an die im EDV-System gespeicher-
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te - richtige - Fax-Nummer nicht gelang. Auch fehle jegliche Angabe zu Anwei-
sungen bezüglich der gebotenen Ausgangskontrolle, zu der in der Regel auch
gehöre, dass ein Sendebericht ausgedruckt wird, der anhand eines zuverlässi-
gen (anderen) Verzeichnisses - etwa des Telefonverzeichnisses der Deutschen
Telekom "Das Örtliche" - zu überprüfen sei.
II.
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Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten ist nach
§ 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist aber
unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben
sind.
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1
ZPO). Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2
ZPO).
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1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anwalt müsse geeignete
Vorkehrungen und Anweisungen für den Fall treffen, dass seinem Personal ei-
ne Absendung an die im EDV-System gespeicherte - richtige - Fax-Nummer
nicht gelingt, lässt sich mit den Grundsätzen, die die höchstrichterliche Recht-
sprechung zu den Sorgfaltsanforderungen im Falle einer fristwahrenden Über-
mittlung von Schriftsätzen per Telefax aufgestellt hat, vereinbaren. Danach ge-
hört es zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts, seinen mit der Übermitt-
lung betrauten Angestellten auch Anweisungen für den Fall zu erteilen, dass bei
der Übermittlung Störungen auftreten, namentlich nicht ohne besondere Anwei-
sung im Einzelfall eine andere Faxnummer anzuwählen (BGH, Beschl. v.
26. Mai 1998 - XI ZB 10/98, n. v.; Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03,
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NJW 2004, 367, 368 f; vgl. ferner Beschl. v. 6. Juni 2005 - II ZB 9/04, NJW-RR
2005, 1373). Der Anwalt darf in solchen Fällen nicht darauf vertrauen, die An-
gestellte werde auch ohne entsprechende Anweisung mit ihm Rücksprache
nehmen oder von sich aus einen anderen geeigneten Übermittlungsweg finden.
2. Da diese Erwägung des Berufungsgerichts die angefochtene Ent-
scheidung trägt, kommt es auf die weitere Begründung dieser Entscheidung
nicht an. Selbst wenn bezüglich der Ansicht des Berufungsgerichts, zu der ge-
botenen Ausgangskontrolle gehöre in der Regel auch die Überprüfung des aus-
zudruckenden Sendeberichts anhand eines zuverlässigen (anderen) Verzeich-
nisses, ein Zulassungsgrund gegeben sein sollte, würde dies nicht zur Zuläs-
sigkeit der Rechtsbeschwerde führen. Denn eine kraft Gesetzes statthafte
Rechtsbeschwerde ist unzulässig, wenn nur gegen einen von zwei selbständig
tragenden Gründen die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind (BGH,
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Beschl. v. 29. September 2005 - IX ZB 430/02, WM 2006, 59, 60; Beschl. v.
30. März 2006 - IX ZB 171/04, ZIP 2006, 1417).
Ganter Raebel Kayser
Pape
Grupp
Vorinstanzen:
LG Hagen, Entscheidung vom 12.04.2007 - 6 O 329/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 03.07.2007 - 28 U 79/07 -