Urteil des BGH vom 20.04.2010
BGH (versicherungsschutz, versicherte gefahr, schalter, auslegung, ersatz, zpo, klausel, sachschaden, explosion, schaden)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 250/08
vom
20. April 2010
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Harsdorf-Gebhardt,
die Richter Dr. Karczewski und Lehmann
am 20. April 2010
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen
das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam
vom 13. Oktober 2008 durch Beschluss nach § 552a ZPO
zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bin-
nen
vier Wochen
Gründe:
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer
Hausratversicherung für das Wohngrundstück … in W.
wegen eines behaupteten Blitzschadens geltend. Der Versicherungsver-
trag, dem die VHB 92 zugrunde liegen, beinhaltet Blitzschlag als versi-
cherte Gefahr. In einem Nachtrag zum Versicherungsschein vom 6. April
2000 heißt es:
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"Mitversichert sind:
Überspannungsschäden durch Gewitter bis 5% =
DM 5.150"
Weiter
besagt
Ziff.
3 des Nachtrags:
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"Überspannungschäden durch Blitz unter Einschluss von
Folgeschäden - Kl. 7111
Abweichend von § 9 Nr. 2 b VHB 92 ersetzt der Versicherer
auch Überspannungsschäden durch Blitz."
§ 9 Nr. 2b VHB 92 bestimmt:
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"Der Versicherungsschutz gegen Brand, Blitzschlag, und
Explosion erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende
Ursachen nicht auf … Kurzschluß- und Überspannungs-
schäden, die an elektrischen Einrichtungen mit oder ohne
Feuererscheinung entstanden sind, außer wenn sie die
Folge eines Brandes oder einer Explosion sind."
Am 23. Juli 2004 kam es zu einem Ausfall des Gebläses und der
Kühlanlagen im Wintergarten des Hauses. Der Kläger verlangt Ersatz
des behaupteten Schadens an Palmen sowie weiteren Pflanzen in Höhe
von insgesamt 7.922 € auf der Grundlage einer versicherte Höchstsum-
me von 2.634 €. Hierzu hat er behauptet, zu dem Ausfall der Kühlanlage
sei es gekommen, weil infolge einer durch Blitzschlag eingetretenen
Überspannung der FI-Schalter herausgesprungen sei, wodurch die
Stromzufuhr für die Kühlanlage im Wintergarten unterbrochen worden
sei, der sich dann auf 60 Grad aufgeheizt und die Pflanzen zerstört ha-
be.
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Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Beru-
fungsgericht hat die Revision zugelassen.
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II.
Die
Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor; die
Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.
von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dafür genügt es nicht, dass eine
Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Versiche-
rungsbedingungen abhängt. Erforderlich ist vielmehr, dass deren Ausle-
gung über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und
Rechtslehre oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (Se-
natsbeschluss vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02 - VersR 2004,
225 unter 2 a) und die Rechtssache damit eine Rechtsfrage im konkreten
Fall als entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig
aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der
einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGHZ
154, 288, 291; 152, 182, 191).
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Dass diese Voraussetzungen bei den von der Beklagten verwende-
ten Versicherungsbedingungen zum Ersatz von Überspannungsschäden
erfüllt sein könnten, wird weder im Berufungsurteil noch in der Revisi-
onsbegründung dargelegt. Auch für den Senat ist nicht ersichtlich, dass
zu der angefochtenen Entscheidung und den sie tragenden Gründen an-
dere Rechtsauffassungen vertreten werden. Durch die verwendete Klau-
sel werden Überspannungsschäden durch Blitz, die gemäß § 9 Nr. 2b
VHB 92 unter den dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich vom
Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, wieder in den Versicherungs-
schutz mit einbezogen. Dieser Wiedereinschluss in den Versicherungs-
schutz (hierzu Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. C II Rdn. 24 ff.;
Prölss/Martin/Kollhosser, VVG 27. Aufl. § 4 VHB 84 Rdn. 5; Dietz, Wohn-
gebäudeversicherung, 2. Aufl. Ziff. 2.5, jeweils zu älteren Regelungen in
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§ 4 Nr. 2 VHB 84, § 9 Nr. 2c VGB 88) ist bisher lediglich Gegenstand der
auch vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung des OLG
Köln (VersR 2006, 969 zu § 3 Nr. 1 VHB 84) gewesen. Diese stimmt in-
dessen mit der Auffassung des Berufungsgerichts in den tragenden
Gründen überein.
2. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das Beru-
fungsgericht hat richtig entschieden.
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a) Ausweislich der Regelung im Nachtrag des Versicherungsver-
trages werden auch Überspannungsschäden durch Blitz unter Einschluss
von Folgeschäden abweichend von § 9 Nr. 2b VHB 92 ersetzt. Letztge-
nannte Bestimmung schließt Kurzschluss- und Überspannungsschäden,
die an elektrischen Einrichtungen mit oder ohne Feuererscheinung ent-
standen sind, grundsätzlich vom Versicherungsschutz aus, außer wenn
sie die Folge eines Brandes oder einer Explosion sind. An einem derarti-
gen Überspannungsschaden an einem elektrischen Gerät, der dann ei-
nen Folgeschaden an den Pflanzen nach sich gezogen hätte, fehlt es.
Kühlung und Gebläse sind lediglich außer Funktion gesetzt worden, weil
der herausgesprungene FI-Schalter im Sicherungskasten die Stromzu-
fuhr zu ihnen unterbrochen hat. Irgendein Schaden an der Klimaanlage
und dem Gebläse ist hierdurch nicht eingetreten. Durch das Abschalten
des Fehlerstromschutzschalters werden Überspannungsschäden an den
elektrischen Geräten gerade verhindert.
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Eine weitergehende Auslegung, die schon jede Beeinträchtigung
der Funktionsfähigkeit eines elektrischen Gerätes lediglich infolge der
unterbrochenen Stromzufuhr als Überspannungsschaden ansieht, kommt
nicht in Betracht. Sie würde den Versicherungsschutz vom konkreten
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Sachschaden an der elektrischen Einrichtung (mit dem daraus resultie-
renden Folgeschaden) lösen und lediglich eine allgemeine Stromausfall-
versicherung darstellen. Eine solche ist hier nicht vereinbart. Ohne Erfolg
macht die Revision demgegenüber geltend, für die Verletzung des Eigen-
tums nach § 823 Abs. 1 BGB sei keine Substanzverletzung erforderlich,
sondern es genüge schon die Entziehung des bestimmungsgemäßen
Gebrauchs (vgl. BGHZ 55, 153, 159; BGH, Urteile vom 18. November
2003 - VI ZR 385/02 - NJW 2004, 356 unter II 2 b; vom 21. November
1989 - VI ZR 350/88 - NJW 1990, 908 unter II 2 b aa (2)). Hier geht es
demgegenüber nicht darum, ob deliktsrechtlich eine Eigentumsverlet-
zung vorliegt, sondern ob ein Sachschaden im Sinne der vereinbarten
Versicherungsbedingungen gegeben ist. Der Begriff der Eigentumsver-
letzung nach § 823 BGB Abs. 1 kann nicht ohne weiteres auf das Recht
der Sachversicherung übertragen werden (vgl. Martin aaO B III Rdn. 7).
Hier ist daran festzuhalten, dass es zu irgendeiner Beeinträchtigung der
Substanz der beschädigten Sache durch die Überspannung kommen
muss.
Auch auf einen Überspannungsschaden an dem FI-Schalter kann
nicht abgestellt werden. Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Berufungsge-
richt habe in Verkennung von § 138 Abs. 3 ZPO übersehen, dass es ei-
nen Sachschaden am FI-Schalter gegeben habe. Tatsächlich ist ein der-
artiger Schaden am FI-Schalter, der einen Folgeschaden hätte auslösen
können, weder schlüssig dargelegt noch bewiesen. Selbst wenn es am
Elektrokasten entsprechend der Aussage der Zeugin L. Schmorstel-
len gegeben haben sollte, ist nicht ersichtlich, dass es gerade auch zu
einer Beschädigung des FI-Schalters gekommen wäre. Dieser ist viel-
mehr funktionstüchtig geblieben und lediglich infolge der Überspannung
entsprechend seiner vorgesehenen Funktion umgeschaltet worden, wo-
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durch es zu einer Unterbrechung der Stromzufuhr kam. Auch der Sach-
verständige hat Beschädigungen des FI-Schalters nicht festgestellt. Die
Zeugin hat eine Beschädigung gerade des FI-Schalters ebenfalls nicht
bestätigt.
b) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, ein Ersatzan-
spruch ergebe sich bereits unmittelbar aus § 4 Ziff. 2 VHB 92, der Blitz-
schlag als den unmittelbaren Übergang eines Blitzes auf Sachen defi-
niert. § 9 Ziff. 2b VHB 92 schließt Überspannungsschäden an elektri-
schen Einrichtungen grundsätzlich vom Versicherungsschutz aus. Dieser
Ausschluss ist auch aus der Sicht eines durchschnittlichen Versiche-
rungsnehmers, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Ausle-
gung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ankommt (BGHZ 123,
83, 85), dahin zu verstehen, dass Versicherungsschutz immer dann,
wenn Überspannung mitgewirkt hat, nicht besteht, also auch für Folge-
schäden, die auf einem Überspannungsschaden an einer elektrischen
Einrichtung beruhen (so auch OLG Köln aaO). Anderenfalls wäre die
Klausel sinnentleert, da es sonst Ersatz für im Kausalverlauf weiter ent-
fernte Folgeschäden nach Überspannung über § 4 Ziff. 2 VHB 92 gäbe,
während die unmittelbaren Schäden an den elektrischen Einrichtungen,
die erst zu den Folgeschäden führen, durch § 9 Ziff. 2b VHB 92 vom
Versicherungsschutz ausgeschlossen wären.
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Der Wiedereinschluss von Überspannungsschäden durch Blitz un-
ter Einschluss von Folgeschäden erweitert den Versicherungsschutz
dann zwar wieder. Das gilt aber wegen der ausdrücklichen Bezugnahme
auf § 9 Nr. 2b VHB 92 nur im Rahmen des zunächst erfolgten Aus-
schlusses. Ein Ersatz für Folgeschäden kommt mithin nur in Betracht,
wenn es durch den Überspannungsschaden zunächst einen Schaden an
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einer elektrischen Einrichtung und erst hierdurch einen Folgeschaden
gegeben hat. Daran fehlt es hier. Anderenfalls würde es sich vorliegend
um eine allgemeine Stromausfallversicherung handeln, was indessen mit
§ 4 Ziff. 2, § 9 Ziff. 2b und Ziff. 3 des Nachtrags zum Versicherungs-
schein nicht vereinbar wäre.
Terno Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Lehmann
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme
erledigt
worden.
Vorinstanzen:
AG Brandenburg, Entscheidung vom 10.09.2007 - 30 C 166/05 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 13.10.2008 - 7 S 137/07 -