Urteil des BGH vom 03.11.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 208/00
vom
25. Februar 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
FGG § 20 Abs. 1
Zur Beschwerdeberechtigung eines Beteiligten, der sich gegen einen - bezifferten -
Feststellungsausspruch über den im Rahmen des Verfahrens über den öffentlich-
rechtlichen Versorgungsausgleich vorbehaltenen schuldrechtlichen Ausgleich eines
Versorgungsanrechts wendet.
BGH, Beschluß vom 25. Februar 2004 - XII ZB 208/00 - OLG Hamm
AG Lippstadt
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers wird der auf die
mündliche Verhandlung vom 8. August 2000 ergangene Beschluß
des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm
dahin abgeändert, daß Absatz 3 des Beschlußausspruchs folgen-
de Fassung erhält:
"Wegen eines übersteigenden Ausgleichsanspruchs bleibt der
Ehefrau der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten."
Die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewie-
sen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tra-
gen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
Beschwerdewert: 511 €
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Gründe:
I.
Der am 9. März 1938 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am
20. Juni 1938 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am 22. August 1969
geheiratet. Auf den am 20. März 1998 zugestellten Scheidungsantrag des
Ehemannes hat das Amtsgericht - Familiengericht - durch Verbundurteil die Ehe
geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich geregelt. Es
hat ausgehend von Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversiche-
rung des Ehemannes in Höhe von 2.162,08 DM und solchen der Ehefrau in
Höhe von 331,38 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit
(1. August 1969 bis 28. Februar 1998, § 1587 Abs. 2 BGB) vom Versicherungs-
konto des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA,
weitere Beteiligte) Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung
in Höhe von monatlich 915,35 DM, bezogen auf den 28. Februar 1998, auf das
ebenfalls bei der BfA geführte Versicherungskonto der Ehefrau übertragen. Ein
Betriebsrentenanrecht des Ehemannes bei der Gustav J. GmbH hat es hierbei
nicht berücksichtigt.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat die Ehefrau Be-
schwerde eingelegt, mit der sie die Einbeziehung des Betriebsrentenanrechts
begehrt hat.
Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, daß es sich bei der von
der Gustav J. GmbH gezahlten Rente um ein dem Versorgungsausgleich unter-
liegendes Anrecht im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 BGB handele, das unver-
fallbar geworden sei und aufgrund der bestehenden Dynamisierungsregelung
als volldynamisch angesehen werden müsse. Der nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 b
BGB zu ermittelnde Ehezeitanteil belaufe sich nach dem Verhältnis der in die
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Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zu der insgesamt zurückgelegten tat-
sächlichen Betriebszugehörigkeit auf 9.781,25 DM monatlich. Hiervon sei die
Hälfte zugunsten der Ehefrau auszugleichen. Das Oberlandesgericht hat diesen
Ausgleich durch erweitertes Splitting in Höhe des zulässigen Höchstwertes von
(im Jahre 1998) 72,80 DM durchgeführt und insgesamt Anwartschaften der ge-
setzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 988,15 DM, bezogen auf
den 28. Februar 1998, auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen.
Ferner hat es im Entscheidungssatz ausgesprochen, daß wegen der restlichen
Anwartschaft in Höhe von 4.817,82 DM (9.781,25 DM : 2 = 4.890,62 DM -
78,20 DM) für die Ehefrau der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehal-
ten bleibe. Eine Verpflichtung zur Einzahlung von Beiträgen zur Begründung
entsprechender Rentenanwartschaften hat es verneint, weil die Ehefrau bereits
eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog.
Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien - zugelassene - weitere
Beschwerde eingelegt. Der Ehemann erstrebt den Wegfall des Ausspruchs,
daß der schuldrechtliche Versorgungsausgleich in der vorgenannten Höhe vor-
behalten werde. Die Ehefrau möchte die Abänderung des Ausspruchs dahin
erreichen, daß sich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich auf einen Be-
trag von monatlich 5.625 DM bezieht.
II.
A) Der angefochtene Beschluß ermöglicht eine Sachentscheidung des
Senats. Zwar ist er - obwohl aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen - ent-
gegen §§ 621 a Abs. 1 Satz 2, 329 Abs. 1 ZPO nicht verkündet, sondern den
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Beteiligten zugestellt worden. Trotz dieses Verfahrensfehlers handelt es sich
jedoch um eine instanzbeendende, rechtsmittelfähige Entscheidung. Denn die
Verlautbarung durch Zustellung war von dem Oberlandesgericht beabsichtigt
und durfte von den Beteiligten auch als derart beabsichtigt verstanden werden
(vgl. Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 310 Rdn. 4; Zöller/Vollkommer ZPO
24. Aufl. § 310 Rdn. 7; Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. § 310 Rdn. 5). Eine Rüge
ist insofern nicht erhoben worden.
B) Die weiteren Beschwerden beider Parteien sind zulässig. Ihnen fehlt
insbesondere nicht die Beschwerdeberechtigung. Zwar wirkt sich der insofern
allein noch im Streit befindliche Ausspruch über den schuldrechtlichen Versor-
gungsausgleich des Anrechts, das der Ehemann bei der Gustav J. GmbH er-
worben hat, auf den im vorliegenden Verfahren geregelten öffentlich-rechtlichen
Versorgungsausgleich nicht aus. Gleichwohl sind die Parteien durch die ange-
fochtene Entscheidung jeweils in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt. Insoweit
erforderlich, aber auch genügend ist, daß der Entscheidungssatz des angefoch-
tenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes
Recht eingreift, wobei diese Beeinträchtigung auch in einer ungünstigen Beein-
flussung oder Gefährdung desselben liegen kann (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/
Kahl Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 20 FGG Rdn. 12). Eine derartige Be-
einträchtigung ist zu bejahen, wenn im Verfahren zur Regelung des öffentlich-
rechtlichen Versorgungsausgleichs der Betrag, dessen Ausgleich aus den in
§ 1587 f BGB genannten Gründen nicht möglich ist, genau ermittelt und zum
Gegenstand eines besonderen Feststellungsausspruchs gemacht wird. Denn in
solchen Fällen besteht die Gefahr, daß die Beteiligten bei einer späteren Durch-
führung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs den vermeintlich rechts-
kräftig gewordenen Ausspruch zur Grundlage des Anspruchs auf die (schuld-
rechtliche) Geldrente machen, obwohl der Feststellung eine Bindungswirkung
nicht zukommt (Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 1994 - XII ZB 114/93 -
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FamRZ 1995, 293 und vom 29. März 1995 - XII ZB 156/92 - FamRZ 1995,
1481, 1482).
C) Die weitere Beschwerde des Ehemannes hat in der Sache auch Er-
folg. Sie führt zu einer Abänderung des Beschlußausspruchs dahin, daß der
Betrag, in dessen Höhe das Oberlandesgericht den schuldrechtlichen Versor-
gungsausgleich vorbehalten hat, entfällt. An der betreffenden Feststellung be-
steht kein schutzwürdiges rechtliches Interesse.
Eine (zuerkennende) Entscheidung über den schuldrechtlichen Versor-
gungsausgleich muß, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, im
vorliegenden Verfahren ausscheiden, denn ein hierauf zielender, erstmals in
der Beschwerdeinstanz gestellter Antrag ist nicht zulässig (Senatsbeschluß
vom 7. März 1990 - XII ZB 14/89 - FamRZ 1990, 606, 607 m.w.N.). Eine solche
Entscheidung kann auch nicht im Wege einer Regelung der künftigen Aus-
gleichsleistung erfolgen. Dies liefe dem erkennbaren Willen des Gesetzes zu-
wider, nach dem die Entscheidung über den schuldrechtlichen Versorgungs-
ausgleich bis zu seiner Durchführung hinausgeschoben bleiben soll (Senatsbe-
schluß vom 7. Dezember 1983 - IVb ZB 553/80 - FamRZ 1984, 251, 253).
Für die Regelung des im vorliegenden Verfahren allein maßgeblichen öf-
fentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs kommt es auch nicht darauf an, in
welcher Höhe noch ein dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zugängli-
ches Anrecht des Ehemannes aus seiner Betriebsversorgung verbleibt. Über
den gemäß § 1587 g BGB durch eine Geldrente noch auszugleichenden Betrag
ist vielmehr erst in dem gemäß § 1587 f BGB auf Antrag einzuleitenden Verfah-
ren ohne Bindung an den im vorliegenden Verfahren errechneten Wert zu be-
finden. Feststellungen über die Höhe dieses Wertes im gegenwärtigen Verfah-
ren zu treffen, ist für die Beteiligten deshalb letztlich ohne Nutzen (Senatsbe-
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schlüsse vom 26. Oktober 1994 - XII ZB 114/93 - aaO S. 295; vom 29. März
1995 aaO S. 1482 und vom 26. Oktober 1994 - XII ZB 126/92 - FamRZ 1995,
157, 158).
Hinzu kommt, daß die für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich
vorgesehene Härteklausel des § 1587 h Abs. 1 BGB, auf die sich der Ehemann
im Beschwerdeverfahren bereits berufen hat, die Prüfung verlangt, ob und in-
wieweit der Berechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen
Unterhalt aus seinen Einkünften und seinem Vermögen bestreiten kann und die
Gewährung des Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten bei Berücksichti-
gung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte be-
deuten würde. Diese Prüfung macht die Berücksichtigung der Entwicklung er-
forderlich, welche die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten bis zur Gel-
tendmachung des Ausgleichsanspruchs nehmen. Deshalb ist bei der Anwen-
dung der Härteklausel auf diesen Zeitpunkt abzustellen (Senatsbeschluß vom
7. Dezember 1984 aaO S. 253).
Besondere Gründe, die gleichwohl ausnahmsweise ein schutzwürdiges
rechtliches Interesse an der getroffenen Feststellung im Rahmen des vorlie-
genden Verfahrens rechtfertigen könnten, sind vom Oberlandesgericht weder
festgestellt worden noch sonst ersichtlich.
D) Die weitere Beschwerde der Ehefrau ist nicht begründet.
1. Das verfolgte Ziel einer Höherbewertung des Ehezeitanteils der An-
wartschaft des Ehemannes auf Betriebsversorgung kann die Ehefrau im Rah-
men des vorliegenden Verfahrens nicht erreichen. In welcher Höhe ein nach
öffentlich-rechtlichem Teilausgleich verbleibendes Anrecht noch schuldrechtlich
auszugleichen ist, kann nicht mit Bindungswirkung für das Verfahren über den
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entschieden werden. Vielmehr wird
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erst in jenem Verfahren über die Höhe des Anrechts zu befinden sein. Deshalb
bedarf es vorliegend auch keiner Entscheidung, ob das Anrecht in voller Höhe
in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist, weil es - wie die Ehefrau
meint - insgesamt in der Ehezeit erworben wurde, oder ob zur Ermittlung des
auszugleichenden Betrages die vom Oberlandesgericht herangezogene zeitra-
tierliche Berechnung vorzunehmen ist.
2. Da die Beschwerde der Ehefrau keinen Erfolg hat, scheidet die von ihr
beantragte Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesge-
richt aus. Eine - nach Zurückverweisung - angestrebte Abfindung nach § 1587 l
BGB kann die Ehefrau im übrigen schon deshalb nicht verlangen, weil kein ab-
findbarer künftiger Ausgleichsanspruch mehr vorliegt, nachdem beide Parteien
bereits Altersrente beziehen (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl.
§ 1587 l Rdn. 5 BGB). Die Voraussetzungen einer Realteilung (§ 1 Abs. 2
VAHRG) des Anrechts sind nicht festgestellt. Zwar kann eine Realteilung
grundsätzlich auch dann durchgeführt werden, wenn der Versorgungsträger ihr
- was im vorliegenden Fall allein in Betracht kommt - nur im Einzelfall zustimmt
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(vgl. Senatsbeschluß vom 25. September 1996 - XII ZB 39/95 - FamRZ 1997,
169, 170 f.). Daß der Versorgungsträger die entsprechende Zustimmung erteilt
hat, ist aber nicht festgestellt worden.
Hahne Sprick Weber-Monecke
Wagenitz Dose