Urteil des BGH vom 12.04.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 205/08 Verkündet
am:
29. September 2010
Breskic,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1578 b; ZPO § 323 aF; EGZPO § 36; FamFG § 238
a) Wurde ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB
nach Veröffentlichung des Senatsurteils vom 12. April 2006 (XII ZR 240/03
- FamRZ 2006, 1006) durch Urteil festgelegt, so ergibt sich weder aus der
anschließenden Senatsrechtsprechung noch aus dem Inkrafttreten des
§ 1578 b BGB am 1. Januar 2008 eine wesentliche Änderung der rechtli-
chen Verhältnisse. Auch § 36 Nr. 1 EGZPO bietet in diesem Fall keine ei-
genständige Abänderungsmöglichkeit (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ
183, 197 = FamRZ 2010, 111).
b) Das gilt auch dann, wenn aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, die von
der Unterhaltsberechtigten betreut wurden.
BGH, Urteil vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - OLG Saarbrücken
AG Völklingen
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. September 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats - Senat für Fami-
liensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 4. De-
zember 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten über die Befristung
des nachehelichen Aufstockungsunterhalts, der zuletzt im März 2007 tituliert
wurde.
1
Die Parteien heirateten 1980. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorge-
gangen, die 1982 und 1983 geboren wurden. Die Ehe wurde im Jahr 1995 ge-
schieden.
2
Der Unterhalt wurde zuletzt festgelegt durch Urteil des Oberlandesge-
richts vom 22. März 2007. Aufgrund dessen hat der Kläger monatlichen Unter-
halt von 669 € zu zahlen. Das Urteil beruht auf einem Nettoeinkommen des Klä-
gers von rund 2.670 € und der Beklagten von rund 1.350 €. Der für das studie-
rende jüngere Kind zu leistende Unterhalt wurde in der Berechnung des Ober-
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landesgerichts auf beide Parteien anteilig verteilt. Eine Befristung und Herab-
setzung des Unterhalts wurde seinerzeit vom Kläger nicht geltend gemacht und
vom Oberlandesgericht in seiner Urteilsbegründung auch nicht behandelt.
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Mit der im November 2007 erhobenen Abänderungsklage erstrebt der
Kläger den Wegfall seiner Unterhaltspflicht. Er beruft sich darauf, dass sich die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Befristung und Begrenzung des
Aufstockungsunterhalts in der Zwischenzeit geändert habe. Jedenfalls sei der
Unterhaltstitel für die Zeit ab Januar 2008 wegen des Unterhaltsrechtsände-
rungsgesetzes abzuändern, weil durch dieses die Herabsetzung und zeitliche
Beschränkung des Unterhalts hervorgehoben worden seien und nach § 36 Nr. 2
EGZPO die Präklusionsbestimmung des § 323 Abs. 2 ZPO nicht gelten würde.
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Klage abgewiesen. Die vom
Kläger eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dage-
gen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers,
mit welcher er sein Klagebegehren weiterverfolgt.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Abände-
rungsklage zu Recht abgewiesen.
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Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende
August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor die-
sem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009
- XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5).
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I.
8
Das Berufungsgericht hat in seinem in FamRZ 2009, 783 veröffentlichten
Urteil übereinstimmend mit dem Amtsgericht die Auffassung vertreten, dass der
Kläger mit dem Befristungseinwand präkludiert sei. Zwar sei die Abänderungs-
klage zulässig, weil der Kläger sowohl eine Gesetzesänderung als auch eine
Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeführt habe. Die Klage
sei jedoch unbegründet, weil sämtliche Gründe, auf die der Kläger sein Abände-
rungsverlangen stütze, bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhand-
lung im Vorprozess vorgelegen hätten. Der Kläger sei gehalten gewesen, die
für die Befristung maßgeblichen Kriterien im Vorprozess geltend zu machen.
Das gelte nicht nur für die maßgeblichen tatsächlichen Umstände, sondern
auch für die rechtlichen Bewertungen. Entgegen der Auffassung des Klägers
liege die maßgebliche Rechtsprechungsänderung nicht in den Entscheidungen
des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2007 (XII ZR 11/05 - FamRZ 2007,
2049 und XII ZR 15/05 - FamRZ 2007, 2052), sondern bereits in dessen Ent-
scheidung vom 12. April 2006 (XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006). In dieser
Entscheidung habe der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass bei einer
die Zweckrichtung berücksichtigenden Gesetzesanwendung vorrangig zu prü-
fen sei, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz als ehebedingter
Nachteil darstelle, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zu-
gunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertige.
Auch soweit der Kläger eine Abänderung wegen Änderung der Geset-
zeslage begehre, stehe die Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO (aF) entgegen.
Der Kläger habe sein Abänderungsverlangen nicht auf Umstände gestützt, die
erst durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz erheblich geworden seien. Die
gesetzliche Neuregelung entspreche vielmehr im Wesentlichen der durch die
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Entscheidung vom 12. April 2006 geänderten Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs. Daher seien § 36 Nr. 1, 2 EGZPO nicht anwendbar.
II.
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Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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1. Das Berufungsgericht hat die Abänderungsklage mit Recht für zulässig
gehalten. In diesem Rahmen hat es darauf abgestellt, dass der Kläger sich für
die Abänderung auf eine geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung als auch
auf eine Gesetzesänderung berufen hat. Hierbei handelt es sich um Gründe,
die gemäß § 323 Abs. 2 ZPO aF nach der mündlichen Verhandlung im Vorpro-
zess entstanden sind. Der für das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom
21. Dezember 2007 getroffenen Regelung in § 36 Nr. 1, 2 EGZPO kommt inso-
weit nur eine klarstellende Funktion zu (BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111
Rn. 16).
Ob die vorgebrachten Umstände auch zutreffend gewürdigt worden sind
und eine Abänderung des Ausgangstitels im Ergebnis rechtfertigen, ist dagegen
eine Frage der Begründetheit (vgl. Senatsurteil vom 5. September 2001
- XII ZR 108/00 - FamRZ 2001, 1687, 1689). Zwar betreffen die hier vorge-
brachten Abänderungsgründe allein eine Änderung der rechtlichen Verhältnis-
se. Eine Änderung der Rechtslage muss vom Abänderungskläger zudem nicht
vorgetragen werden, sondern ist vom Gericht von Amts wegen zu berücksichti-
gen. Dennoch ist es für die Zulässigkeit der Klage erforderlich, aber auch aus-
reichend, dass der Kläger sich auf eine nach Schluss der mündlichen Verhand-
lung des Vorprozesses eingetretene Rechtsänderung beruft. Dabei hat das Ge-
richt im Rahmen der Zulässigkeit noch nicht zu prüfen, ob die angeführten
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rechtlichen Verhältnisse vom Kläger richtig gewürdigt worden sind und zur Ab-
änderung des Ausgangstitels berechtigen. Denn anderenfalls wäre dem Abän-
derungskläger eine sachliche Prüfung seines Anliegens durch das Gericht ent-
weder verschlossen oder müsste diese - systemwidrig - schon vollständig im
Rahmen der Zulässigkeit der Klage durchgeführt werden.
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Dass durch die alleinige Berufung des Abänderungsklägers auf eine Än-
derung der Rechtslage nicht auch sogenannte Alttatsachen in den Prozess ein-
geführt werden können oder eine der Rechtskraft der Ausgangsentscheidung
zuwider laufende Fehlerkorrektur ermöglicht wird, ist durch die fortbestehende
Bindung an die Grundlagen des Ausgangstitels nach § 323 Abs. 1 ZPO aF
(§ 238 Abs. 4 FamFG, § 323 Abs. 4 ZPO nF) sowie die nach § 323 Abs. 2 ZPO
aF (§ 238 Abs. 2 FamFG; § 323 Abs. 2 ZPO nF) eingeschränkte Zulässigkeit
der Abänderungsgründe sichergestellt.
2. Die Abänderungsklage ist hingegen unbegründet.
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Die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Unterhalt
setzt nach § 323 Abs. 1 ZPO aF voraus, dass sich die für die Bestimmung der
Höhe und Dauer der Leistungen maßgebenden Verhältnisse wesentlich geän-
dert haben. Dabei ist zu beachten, dass die Grundlagen der Ausgangsent-
scheidung im Abänderungsverfahren zu wahren sind und eine Fehlerkorrektur
wegen der Rechtskraft des Ausgangsurteils nicht zulässig ist (Senatsurteile
vom 12. Mai 2010 - XII ZR 98/08 - FamRZ 2010, 1150 Rn. 19 mwN und vom
2. Juni 2010 - XII ZR 160/08 - FamRZ 2010, 1318 Rn. 38).
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Die Abänderung hängt davon ab, ob eine - vom Kläger allein geltend
gemachte - wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten ist.
Dass sowohl eine Gesetzesänderung als auch eine Änderung der gefestigten
höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenso wie Veränderungen der Tatsachen-
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lage zur Abänderung einer rechtskräftigen Unterhaltsentscheidung berechtigen,
ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1990
- XII ZR 85/89 - FamRZ 1990, 1091, 1094 und vom 5. September 2001
- XII ZR 108/00 - FamRZ 2001, 1687, 1689 - Gesetzesänderung - und vom
5. Februar 2003 - XII ZR 29/00 - FamRZ 2003, 848 - Rechtsprechungsände-
rung) und nunmehr in § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO nF
auch gesetzlich klargestellt worden (BR-Drucks. 309/07 S. 575).
Im vorliegenden Fall ist indessen eine Rechtsänderung, die den Kläger
berechtigen könnte, eine Abänderung des Ausgangsurteils zu verlangen, nicht
eingetreten. Die vom Kläger angeführten Umstände, namentlich die Einführung
des § 1578 b BGB durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. De-
zember 2007 (BGBl. I S. 3189) und die seit der mündlichen Verhandlung im
Ausgangsverfahren veröffentlichte Rechtsprechung des erkennenden Senats
haben hinsichtlich des in Rede stehenden Aufstockungsunterhalts nach § 1573
Abs. 2 BGB die Rechtslage seit dem Vorprozess nicht entscheidend geändert.
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a) Die maßgebliche Änderung seiner Rechtsprechung hat der Senat hin-
sichtlich der Gewichtung von Ehedauer und ehebedingten Nachteilen im Rah-
men der Befristung (§ 1573 Abs. 5 BGB aF) bereits durch sein Urteil vom
12. April 2006 (XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006) vollzogen (Senatsurteile
BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911 Rn. 62; BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010,
111 Rn. 60 und vom 27. Januar 2010 - XII ZR 100/08 - FamRZ 2010, 538
Rn. 22; ebenso OLG Dresden FamRZ 2008, 2135; OLG Bremen NJW 2008,
3074; OLG München FamRZ 2009, 1154; OLG Hamm FPR 2009, 374; OLG
Stuttgart FamRZ 2009, 788; OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 1160). Eine differen-
zierte Betrachtung der Rechtsprechungsentwicklung, je nachdem, ob die ge-
schiedene Ehe kinderlos war oder ob aus ihr Kinder hervorgegangen sind, ist
nicht angezeigt.
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aa) In seiner nach dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 20. Feb-
ruar 1986 (BGBl. I S. 301), durch das die Begrenzungsvorschriften der §§ 1573
Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeführt wurden, zunächst ergangenen
Rechtsprechung hatte der Senat dem Merkmal der Ehedauer insofern eine
ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, als eine Befristung ab einer be-
stimmten Dauer der Ehe regelmäßig ausgeschlossen und allenfalls unter au-
ßergewöhnlichen Umständen zulässig sei (vgl. etwa Senatsurteile vom 10. Ok-
tober 1990 - XII ZR 99/89 - FamRZ 1991, 307, 310; vom 28. März 1990
- XII ZR 64/89 - FamRZ 1990, 857, 859 und vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 -
FamRZ 2004, 1357, 1360; zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Dose
FamRZ 2007, 1289, 1294). Zeiten der Kinderbetreuung hat er dabei entspre-
chend der von § 1573 Abs. 5 Satz 2 BGB aF (§ 1578 Abs. 1 Satz 3 BGB aF)
getroffenen Anordnung der Ehedauer gleichgestellt (Senatsurteil vom 10. Okto-
ber 1990 - XII ZR 99/89 - FamRZ 1991, 307, 310), ohne dass allerdings durch
die - frühere - Kinderbetreuung als solche eine Unterhaltsbefristung oder
-herabsetzung ausgeschlossen worden wäre.
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bb) Von der aufgeführten Rechtsprechung ist der Senat in seinem Urteil
vom 12. April 2006 (XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006) in Bezug auf die
grundsätzliche Gewichtung des Merkmals der Ehedauer abgerückt. In dieser
Entscheidung hat er im Gegensatz zu seiner vorausgegangenen Rechtspre-
chung die Ehedauer in ihrer Bedeutung nicht mehr anderen Billigkeitskriterien
vorangestellt. Er hat für die Entscheidung über die Befristung nach § 1573
Abs. 5 BGB (aF) statt dessen das hauptsächliche Gewicht auf die mit der Ehe
verbundenen (Erwerbs-)Nachteile für den Unterhaltsberechtigten gelegt. Wäh-
rend diese eine Befristung in der Regel auch bei kurzer Ehedauer hindern wür-
den, stehe ohne ehebedingte Nachteile selbst eine lange Ehedauer der Befris-
tung nicht schon für sich genommen entgegen.
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Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung (ebenso OLG
Koblenz FamRZ 2010, 318; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1084; Finke FamFR
2010, 90) beschränkt sich die mit der Entscheidung vom 12. April 2006 vollzo-
gene Rechtsprechungsänderung mit ihren tragenden Gründen nicht auf kinder-
lose Ehen. Wenn der Senat in seiner dortigen Begründung unter anderem auf
die Motive des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 20. Februar 1986 Be-
zug genommen und in diesem Zusammenhang die Kinderbetreuung als Hinde-
rungsgrund für eine Befristung genannt hat (aaO S. 1007 - juris Rn. 13), lässt
sich daraus eine Differenzierung zwischen kinderlosen Ehen und Ehen mit Kin-
dern nicht herleiten. Denn unter den eine Befristung hindernden Gründen ist
dort neben der Kinderbetreuung auch die lange Ehedauer aufgeführt. Selbst
einer langen Ehedauer sollte aber nach dem Urteil gerade keine ausschlagge-
bende Bedeutung mehr zukommen, wie sich aus den folgenden - durch den
Leitsatz verdeutlichten - Ausführungen ergibt. Demnach lautete die an die Tat-
sacheninstanzen gerichtete Maßgabe des Urteils, dass bei einer die Zweckrich-
tung des Gesetzes berücksichtigenden Gesetzesanwendung vorrangig zu prü-
fen sei, ob sich die Einkommensdivergenz der Ehegatten als ehebedingter
Nachteil darstelle, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zu-
gunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertige (aaO S. 1007 - juris Rn. 14),
was allgemein formuliert worden und für kinderlose Ehen wie Ehen mit Kindern
gleichermaßen bedeutsam ist.
21
Für eine Differenzierung zwischen kinderlosen Ehen und Ehen mit Kin-
dern bestand überdies auch keine Veranlassung, weil - wie oben ausgeführt -
bereits nach der vorausgegangenen Rechtsprechung eine Kinderbetreuung der
Befristung nicht entgegenstand, sondern - nur - in der Weise in die Billigkeits-
abwägung einfloss, dass die Zeiten der Kinderbetreuung der Ehedauer nach
§§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 3 BGB aF gleichgestellt wurden, wie es im
Übrigen auch der aktuellen Gesetzeslage entspricht (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3
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- 10 -
BGB). Dass die Befristung seinerzeit vor allem bei kinderlosen Ehen für be-
deutsam gehalten wurde (vgl. etwa MünchKomm/Richter BGB 3. Aufl. § 1573
Rn. 34), hängt damit zusammen, dass im häufigsten Fall der Kinderbetreuung
durch den unterhaltsberechtigten Ehegatten nach dem seinerzeit praktizierten
Altersphasenmodell die Gesamtdauer von Ehe und Kinderbetreuung bei über
fünfzehn Jahren lag. In diesem Fall kam eine Befristung nicht in Betracht, weil
der Senat in seiner früheren Rechtsprechung jedenfalls bei einer Ehedauer von
über fünfzehn Jahren eine Befristung nur unter außergewöhnlichen Umständen
für zulässig gehalten hatte (Senatsurteile vom 28. März 1990 - XII ZR 64/89 -
FamRZ 1990, 857, 859; vom 10. Oktober 1990 - XII ZR 99/89 - FamRZ 1991,
307, 310 und vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 - FamRZ 2004, 1357, 1360).
Demnach betraf die durch das Senatsurteil vom 12. April 2006 vollzoge-
ne Rechtsprechungsänderung sämtliche Fälle des Aufstockungsunterhalts, in
denen statt des Kriteriums der Ehedauer nunmehr vorrangig auf das Vorliegen
ehebedingter Nachteile abzustellen war. Dass das Senatsurteil nicht ausdrück-
lich als Rechtsprechungsänderung ausgewiesen ist, spielt für die materielle
Bewertung der Entscheidung keine Rolle (aA OLG Koblenz FamRZ 2010, 318,
321; Finke FamFR 2010, 90) und hindert es insbesondere nicht, dass vor der
Entscheidung ergangene Unterhaltsentscheidungen wegen einer wesentlichen
Änderung der Verhältnisse abgeändert werden können (Senatsurteil BGHZ
177, 356 = FamRZ 2008, 1911 Rn. 62). Dass nach der Senatsentscheidung
vom 12. April 2006 vor allem bei Verfahren über den Aufstockungsunterhalt ei-
ne Überprüfung des Befristungseinwands auch bei langer Ehedauer regelmäßig
geboten war, macht nicht zuletzt der veröffentlichte Leitsatz der Entscheidung
hinreichend deutlich.
23
Die von der Revision angeführte Entscheidung des Senats vom 28. Feb-
ruar 2007 (BGHZ 171, 206 = FamRZ 2007, 793) betraf demnach zwar erstmals
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- 11 -
den Fall einer Ehe mit Kindern, beinhaltete aber keine weitergehende Recht-
sprechungsänderung, sondern konnte sich auf die durch die Entscheidung vom
12. April 2006 geänderten Grundsätze stützen. Deren Anwendung auf eine Ehe
mit Kindern bewegte sich im Rahmen der bereits vor der Entscheidung vom
12. April 2006 vom Senat praktizierten Gleichstellung der Dauer einer Kinder-
betreuung mit der Ehedauer. Nichts anderes gilt schließlich für die Senatsurteile
vom 23. Mai 2007 (XII ZR 245/04 - FamRZ 2007, 1232) und vom 26. Septem-
ber 2007 (XII ZR 11/05 - FamRZ 2007, 2049 und XII ZR 15/05 - FamRZ 2007,
2052). Auch diese Entscheidungen beruhen auf den durch die Entscheidung
cc) Nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung vom 12. April 2006
hätte der Kläger die Befristung und Herabsetzung des Unterhalts bereits im
Vorprozess geltend machen können und müssen. Dass die Ehe der Parteien
mit einer Dauer von annähernd fünfzehn Jahren zuzüglich der Zeiten der nach-
ehelichen Kinderbetreuung als Ehe von langer Dauer anzusehen war, hätte die
Befristung nicht (mehr) ausgeschlossen. Statt dessen wäre es schon nach dem
Stand der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Ver-
handlung vor dem Oberlandesgericht am 1. März 2007 vorwiegend auf die Fra-
ge angekommen, ob der Beklagten nach der Scheidung ehebedingte Nachteile
verblieben sind. Diese Frage war wegen der unveränderten Tatsachenlage be-
reits im Vorprozess zu beantworten und nicht erst im vorliegenden Verfahren.
25
Da die Befristung und Herabsetzung des Unterhalts nach §§ 1573
Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF nicht lediglich auf eine Einrede des Unter-
haltspflichtigen, sondern bei entsprechendem Sachvortrag von Amts wegen zu
überprüfen waren, schließt die Rechtskraft des Ausgangsurteils jedenfalls bei
unveränderter Tatsachenlage eine künftige Befristung und Herabsetzung des
Unterhalts aus. Im Unterschied zu einem von den Ehegatten geschlossenen
26
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Unterhaltsvergleich (dazu Senatsurteil vom 26. Mai 2010 - XII ZR 143/08 -
FamRZ 2010, 1238 Rn. 23) ist hier auch nicht auf die Vorstellungen der Partei-
en abzustellen, die jedenfalls bei einem im Zusammenhang mit der Scheidung
abgeschlossenen Unterhaltsvergleich im Zweifel noch keinen späteren Aus-
schluss einer Unterhaltsbegrenzung vereinbaren wollen. Da das Gericht die
Frage der Befristung aber von Amts wegen zu prüfen hat und jedenfalls bei ei-
ner abgeschlossenen Entflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehe-
gatten auch nicht offen lassen darf (vgl. Senatsurteil vom 14. April 2010
- XII ZR 89/08 - FamRZ 2010, 869 Rn. 51, 52), erfasst die Rechtskraft des Ur-
teils im Zweifel auch die künftige Befristung, die damit bei unveränderter Tatsa-
chenlage ausgeschlossen ist (Senatsurteil vom 26. Mai 2010 - XII ZR 143/08 -
FamRZ 2010, 1238 Rn. 25).
Etwas anderes gilt dann, wenn das Gericht in den Entscheidungsgrün-
den die künftige Befristung etwa wegen einer noch nicht zuverlässig absehba-
ren Entwicklung der Verhältnisse ausdrücklich offenlässt. In diesem Fall ist die
Rechtskraft der Entscheidung entsprechend eingeschränkt. Sie steht einer spä-
teren Geltendmachung des Befristungseinwands durch den Unterhaltspflichti-
gen selbst dann nicht entgegen, wenn über eine Befristung richtigerweise be-
reits im Ausgangsverfahren hätte entschieden werden müssen (vgl. Senatsurteil
vom 26. Mai 2010 - XII ZR 143/08 - FamRZ 2010, 1238 Rn. 13, 23 mwN). Eine
derartige Einschränkung ist in dem Ausgangsurteil aber nicht enthalten, so dass
das Urteil eine umfassende Rechtskraft entfaltet.
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b) Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, dass der Kläger
seine Abänderungsklage auch nicht auf eine Gesetzesänderung stützen kann.
Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats und hält den Angriffen der Re-
vision ebenfalls stand.
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Durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007
hat sich die Rechtslage für die vorliegende Fallkonstellation nicht geändert.
Denn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nach § 323 Abs. 1 ZPO aF
(§ 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG; § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO nF) liegt nur vor, wenn
die Gesetzesänderung für den konkreten Einzelfall erheblich ist. Das ist hier
nicht der Fall.
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Für den Fall, dass der Unterhaltsanspruch allein auf § 1573 Abs. 2 BGB
(Aufstockungsunterhalt) beruht und zuletzt im Jahr 2007 durch Urteil festgelegt
wurde, hat der Senat bereits entschieden, dass sich aus dem Inkrafttreten des
§ 1578 b BGB am 1. Januar 2008 für sich genommen noch keine Änderung der
wesentlichen Verhältnisse ergibt (Senatsurteile BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010,
111 Rn. 60, 62 f. und vom 27. Januar 2010 - XII ZR 100/08 - FamRZ 2010, 538
Rn. 34; aA OLG Stuttgart FamRZ 2009, 53, 55; OLG Celle FamRZ 2009, 2105;
Graba FPR 2008, 100, 103; unrichtig insoweit Hamm Strategien im Unterhalts-
recht 2. Aufl. § 7 Rn. 64). Daran ist auch in der vorliegenden Fallkonstellation
einer Ehe mit Kindern festzuhalten.
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Zwar ist im Fall, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte gemeinsame
Kinder betreut hat, der Gesetzeswortlaut geändert worden, indem die in § 1573
Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2, § 1578 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB aF noch enthal-
tene Regelung, dass eine fortlaufende und ungeminderte Unterhaltszahlung in
der Regel nicht unbillig ist, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorüberge-
hend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder be-
treut, nicht in § 1578 b BGB übernommen worden ist. Damit war aber eine ma-
terielle Rechtsänderung nicht verbunden. Denn die Kinderbetreuung stand
schon nach der bis 2007 geltenden Rechtslage einer Befristung oder Herabset-
zung des Unterhalts nicht generell entgegen, sondern entsprechend §§ 1573
Abs. 5 Satz 2, 1578 Abs. 1 Satz 3 BGB aF nur in Abhängigkeit von ihrer Dauer.
31
- 14 -
Dem stehen die von der Revision zitierten Gesetzesmotive des Unterhalts-
rechtsänderungsgesetzes vom 20. Februar 1986 schon deswegen nicht entge-
gen, weil die gesetzliche Regelung letztlich zu einer Gleichsetzung von Zeiten
der Kinderbetreuung mit der Ehedauer geführt haben und diese von der Recht-
sprechung des Senats auch angewandt worden ist.
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Der Gesetzgeber ist schließlich mit dem Unterhaltsrechtsänderungsge-
setz vom 21. Dezember 2007 auch insoweit von der bestehenden Rechtspre-
chung des Senats ausgegangen, die gerade im Jahr 2007 mehrfach auch in
Fällen mit Kinderbetreuung ergangen war. Er hat durch die Streichung der ein-
schränkenden Formulierung demnach keine sachliche Änderung vorgenom-
men, sondern das Gesetz lediglich entsprechend klargestellt (vgl. Senatsurteile
BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111 Rn. 60 und vom 27. Januar 2010
- XII ZR 100/08 - FamRZ 2010, 538 Rn. 34; BT-Drucks. 16/1830 S. 18 ff.).
c) Auch auf § 36 Nr. 1 EGZPO lässt sich eine Abänderung des Aus-
gangsurteils nicht stützen.
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Wie der Senat bereits entschieden hat (BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010,
111 - Rn. 62, 63), eröffnet § 36 Nr. 1 EGZPO keine eigenständige Abände-
rungsmöglichkeit, sondern stellt lediglich klar, dass die Gesetzesänderung ein
Anwendungsfall des § 323 Abs. 1 ZPO (aF) ist. Denn nach der Gesetzesbe-
gründung handelt es sich hierbei nicht um einen eigenen, neu geschaffenen
Abänderungsrechtsbehelf. In der Sache ist eine Anpassung von bestehenden
Titeln und Unterhaltsvereinbarungen danach nur möglich, wenn eine wesentli-
che Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt (vgl. BT-Drucks. 16/1830
S. 32 f.). Die Wesentlichkeitsschwelle ist im Sinne von § 323 Abs. 1 ZPO zu
verstehen. In einer Gesamtschau aller Umstände - ggf. auch von der Reform
unabhängiger Umstände - ist zu prüfen, in welchem Umfang sich die für Unter-
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- 15 -
haltsverpflichtung und -bemessung maßgeblichen Verhältnisse geändert haben
(vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 33).
35
Dadurch wird zugleich bestätigt, dass das neue Unterhaltsrecht nur dann
zur Abänderung bestehender Titel berechtigt, wenn bestimmte Umstände erst
durch die Gesetzesänderung erheblich geworden sind und diese gegenüber der
bisherigen Rechtslage zu einer wesentlichen Änderung führt. Auch durch § 36
Nr. 2 EGZPO soll - nur - sichergestellt werden, dass Umstände, die erst durch
das neue Recht erheblich geworden sind, in das Verfahren eingeführt werden
können (BT-Drucks. 16/1830 S. 33).
Im vorliegenden Fall sind die für die Befristung angeführten Umstände
nicht erst durch das neue Unterhaltsrecht erheblich geworden. Sie hätten, wie
das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, bereits aufgrund der zum
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Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess geltenden Gesetzeslage
und Rechtsprechung für eine Befristung des Unterhalts vorgebracht werden
können.
Hahne Weber-Monecke
Klinkhammer
Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Völklingen, Entscheidung vom 10.04.2008 - 8 F 485/07 UE -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 04.12.2008 - 6 UF 40/08 -