Urteil des BGH vom 10.04.2014
nickelfrei Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 4 3 / 1 3
Verkündet am:
10. April 2014
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
nickelfrei
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3
Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht nicht nur dann, wenn zwei Partei-
en gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbrau-
cherkreises abzusetzen versuchen. Es besteht vielmehr auch dann, wenn zwi-
schen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unter-
nehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die
andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht,
dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträch-
tigt werden kann. Danach besteht regelmäßig ein konkretes Wettbewerbsver-
hältnis, wenn die eine Partei als Inhaber eines Schutzrechts oder als Inhaber
von ausschließlichen Nutzungsrechten an einem Schutzrecht die Herstellung
oder den Vertrieb eines von diesem Schutzrecht erfassten Produktes lizenziert
und die andere Partei dem Schutzrecht entsprechende Produkte anbietet oder
vertreibt.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 - I ZR 43/13 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 10. April 2014 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Prof.
Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Stuttgart vom 7. Februar 2013 wird auf Kosten der Be-
klagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft zur Entwicklung und Vermarktung ei-
gener und fremder Schutzrechte. Sie ist seit dem 17. Juni 2011 Inhaberin des
ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Europäischen Paten
t über die „Ver-
wendung eines biokompatiblen Werkstoffes aus Edelmetall mit einer martensiti-
schen Randschicht für Uhren, Uhren
teile und Schmuck“, das die Herstellung
von nickelfreiem Edelstahl ermöglicht. Die Klägerin ist berechtigt, ausschließli-
che Unterlizenzen an diesem Patent zu vergeben. Sie trägt vor, sie habe mit
drei Unternehmen jeweils einen entsprechenden Unterlizenzvertrag geschlos-
sen.
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Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 2 ist, handelt
mit Schmuck. Sie hat im Juni und im Juli 2011 auf ihrer Internetseite für Edel-
stahlketten mit der Angabe „nickelfrei“ geworben.
Die Klägerin hat zwei dieser Ketten erworben und nach ihrer Darstellung
chemisch analysieren lassen. Sie hat die Beklagten mit der Begründung abge-
mahnt, die Ketten seien nicht nickelfrei, sondern wiesen einen Nickelanteil von
8,438% und 8,397% auf.
Die Klägerin hält die Werbung der Beklagten für irreführend und daher
nach §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG für wettbewerbswidrig.
Sie hat beantragt,
es den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten,
Schmuckwaren mit „nickelfrei“ zu bewerben, sofern Nickel zulegiert wurde.
Darüber hinaus hat sie - soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung -
Auskunftserteilung verlangt und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der
Beklagten sowie die Freistellung von Abmahnkosten beantragt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren
Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf
Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin erhobe-
nen Ansprüche seien begründet, weil die Beklagten irreführende Angaben über
die Nickelfreiheit der Edelstahlketten gemacht hätten. Dazu hat es ausgeführt:
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Die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche wegen Irre-
führung setzten das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwi-
schen den Parteien voraus. Diese Voraussetzung sei erfüllt, weil beide Parteien
versuchten, gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben
Endverbraucherkreises abzusetzen. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis kön-
ne auch zwischen Unternehmen verschiedener Vertriebsstufen bestehen. Es
reiche daher aus, dass die Klägerin Lizenzgeber und die Beklagte zu 1 Händler
sei.
Die beanstandete Werbung sei irreführend. Ein erheblicher Teil des von
der Werbung angesprochenen Verkehrs erwarte, dass als „nickelfrei“ beworbe-
ner Schmuck frei von Nickel sei. Die von der Beklagten zu 1 vertriebenen Ket-
ten seien jedoch nicht frei von Nickel gewesen und hätten auch nicht nur gänz-
lich vernachlässigbare Spuren von Nickel enthalten.
Danach seien nicht nur der verschuldensunabhängige Unterlassungsan-
trag, sondern auch die verschuldensgebundenen Ansprüche auf Feststellung
der Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung begründet. Es sei jedenfalls
fahrlässig, dass die Beklagte zu 1 sich auf die Zusage ihrer Lieferanten verlas-
se, die Ketten seien nickelfrei. Die Klägerin könne auch die Freistellung von
Abmahnkosten beanspruchen.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat
keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen,
dass der Klägerin gegenüber den Beklagten die geltend gemachten Ansprüche
auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht
und Freistellung von Abmahnkosten zustehen, weil die Werbung der Beklagten
irreführend ist.
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I. Die Klage ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit des Klageantrags im
Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.
Die Revision hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend
gemacht, der Unterlassungsantrag sei unbestimmt, weil die Bewerbung von
Schmuckwaren mit „nickelfrei“ nach Auffassung des Berufungsgerichts nur ver-
boten sei, wenn diese nicht nur gänzlich vernachlässigbare Spuren von Nickel
enthielten, und der
Passus „sofern Nickel zulegiert wurde“ nicht erkennen lasse,
bei welchem Nickelanteil diese Voraussetzung erfüllt sei.
Dem kann nicht zugestimmt werden. Aus dem zur Auslegung des Unter-
lassungsantrags heranzuziehenden Klagevorbringen geht hervor, dass den Be-
klagten die Bewerbung von Schmuckwaren mit „nickelfrei“ verboten werden
soll, sofern diese nicht völlig frei von Nickel sind. Danach ist der Unterlassungs-
antrag hinreichend bestimmt. Die Frage, ob und inwieweit die Klägerin ein sol-
ches Verbot beanspruchen kann, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der
Begründetheit des Antrags.
II. Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin stehen die geltend ge-
machten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Freistel-
lung von Abmahnkosten zu.
1. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 sind Mitbewerber im Sinne von § 2
Abs. 1 Nr. 3 UWG.
a) Sämtliche von der Klägerin gegenüber den Beklagten erhobenen An-
sprüche setzen voraus, dass es sich bei der Klägerin und der Beklagten zu 1
um Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG handelt.
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Das gilt zunächst, soweit die Klägerin die Beklagte zu 1 in Anspruch
nimmt. Der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen denjenigen, der
eine nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG unzulässige irreführende geschäftliche
Handlung vornimmt, steht - was hier allein in Betracht kommt - gemäß § 8
Abs. 3 Nr. 1 UWG jedem Mitbewerber zu. Derjenige, der vorsätzlich oder fahr-
lässig eine solche unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist gemäß § 9
Satz 1 UWG (nur) den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden
Schadens verpflichtet. Auch der einen Schadensersatzanspruch vorbereitende
Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung aus § 242 BGB steht dem entsprechend
(nur) den Mitbewerbern zu. Schließlich kann der Ersatz von Abmahnkosten
gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nur verlangt werden, soweit die Abmahnung
berechtigt ist; das setzt voraus, dass gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG ein zur
Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs Berechtigter abgemahnt hat und
dazu kann die Klägerin (nur) als Mitbewerber berechtigt gewesen sein.
Das gilt aber auch, soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 2 richtet.
Nur soweit die Klägerin die Beklagte zu 1 als Mitbewerber in Anspruch nehmen
kann, kommt in gleichem Umfang auch eine Haftung der Beklagten zu 2 als or-
ganschaftlicher Vertreterin der Beklagten zu 1 in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom
30. Juni 2011 - I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Rn. 32 = WRP 2012, 194 - Bran-
chenbuch Berg).
b) Nach der Legaldefinition des § 2 Abs.
1 Nr. 3 UWG ist „Mitbewerber“
jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter
oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbe-
werbsverhältnis steht.
aa) Die Klägerin und die Beklagte zu 1 sind jeweils Unternehmer (§ 2
Abs. 1 Nr. 6 UWG), nämlich juristische Personen, die im Rahmen ihrer gewerb-
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lichen Tätigkeit geschäftliche Handlungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) vornehmen,
indem sie ihre Waren oder Dienstleistungen (als Dienstleistungen gelten gemäß
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch Rechte) anbieten. Die Klägerin entwickelt und ver-
marktet eigene und fremde Schutzrechte und erteilt ausschließliche Unterlizen-
zen an einem Europäischen Patent, das die Herstellung von nickelfreiem Edel-
stahl als Werkstoff für Schmuck ermöglicht. Die Beklagte zu 1 handelt mit
Schmuck und wirbt für den Kauf „nickelfreier“ Edelstahlketten.
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin und die Beklag-
te zu 1 stünden in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis, weil beide Parteien
gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucher-
kreises abzusetzen versuchten. Mit dieser Begründung kann ein konkretes
Wettbewerbsverhältnis nicht bejaht werden.
(1) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein konkre-
tes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG besteht, wenn
beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben
Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret
beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen
beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (st. Rspr.; vgl.
Urteil vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99, GRUR 2002, 902, 903 = WRP 2002,
1050 - Vanity-Nummer; Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 218/07, GRUR 2009,
980 Rn. 9 = WRP 2009, 1246 - E-Mail-Werbung II; Urteil vom 28. September
2011 - I ZR 93/10, GRUR 2012, 201 Rn. 19 = WRP 2012, 966 - Poker im Inter-
net; Urteil vom 17. Oktober 2013 - I ZR 173/12, GRUR 2014, 573 Rn. 15 =
WRP 2014, 552 - Werbung für Fremdprodukte).
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzun-
gen im Streitfall jedoch nicht erfüllt.
(2) Die Klägerin und die Beklagte zu 1 versuchen nicht, gleichartige Wa-
ren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzu-
setzen. Die Entwicklung und Vermarktung eigener und fremder Schutzrechte
durch die Klägerin einerseits und der Handel mit Schmuck durch die Beklagte
zu 1 andererseits sowie - konkret - das Angebot ausschließlicher Unterlizenzen
an einem Europäischen Patent, das die Herstellung von nickelfreiem Edelstahl
als Werkstoff für Schmuck ermöglicht, durch die Klägerin einerseits und das
Angebot „nickelfreier“ Edelstahlketten durch die Beklagte zu 1 andererseits, be-
treffen keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen. Die Dienstleistung ei-
nes Lizenzgebers und das Warenangebot eines Händlers sind nicht gleichartig.
(3) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzt zwar - wie das Berufungs-
gericht mit Recht angenommen hat - nicht voraus, dass die Parteien auf der
gleichen Vertriebsstufe tätig sind. Voraussetzung eines konkreten Wettbe-
werbsverhältnisses ist aber auch bei auf unterschiedlichen Vertriebsstufen täti-
gen Parteien im Regelfall, dass diese versuchen, gleichartige Waren oder
Dienstleistungen (letztlich) innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzu-
setzen (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1992 - I ZR 108/91, GRUR 1993,
563, 564 = WRP 1993, 390 - Neu nach Umbau; Urteil vom 23. April 1998
- I ZR 2/96, GRUR 1999, 69, 70 = WRP 1998, 1065 - Preisvergleichsliste II; Ur-
teil vom 15. Juli 1999 - I ZR 44/97, GRUR 1999, 1122, 1123 = WRP 1999, 1151
- EG-Neuwagen I; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 99/08, GRUR 2011, 82
Rn. 19 = WRP 2011, 55 - Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; Urteil vom 8. März
2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 Rn. 12 = WRP 2012, 1216 - Marktführer
Sport). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, weil die von der Kläge-
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rin angebotenen Lizenzen und die von der Beklagten zu 1 angebotenen Waren
nicht gleichartig sind.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich der Senatsent-
scheidung
„Torsana“ (Urteil vom 16. Mai 1961 - I ZR 175/58, GRUR 1962, 34)
nichts anderes entnehmen. Der Senat hat dort ausgeführt, zwischen dem Be-
klagten, der Schuhfabriken Lizenzen einräumte, und dem Kläger, der seiner-
seits ein Patent für Schuheinlagen durch Lizenzvergabe oder Eigenproduktion
auswertete, habe durchaus ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis bestehen
können (BGH, GRUR 1962, 34, 36 - Torsana). Diesen Ausführungen ist aller-
dings zu entnehmen, dass zwischen Parteien, die gleichartige Lizenzen verge-
ben, ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen kann. Richtig ist auch, dass
zwischen einem Lizenznehmer, der der Lizenz entsprechende Waren herstellt,
und einem Händler, der gleichartige Waren absetzt, ein konkretes Wettbe-
werbsverhältnis vorliegen kann. Daraus folgt aber entgegen der Ansicht des Be-
rufungsgerichts nicht, dass dann erst recht auch zwischen einem Lizenzgeber
als Schutzrechtsverwerter und einem Händler, zu dessen Produktpalette dem
Schutzrecht entsprechende Waren gehören, ein konkretes Wettbewerbsver-
hältnis besteht. Insoweit fehlt gerade die vorausgesetzte Gleichartigkeit der Wa-
ren oder Dienstleistungen.
Dass ein Lizenzgeber und ein Händler, deren unterschiedliche Tätigkeit
sich jeweils auf bestimmte Waren bezieht, nicht zwangsläufig Mitbewerber sind,
folgt, wie die Revision zutreffend geltend macht, auch aus den Ausführungen
des Senats in der Entscheidung „FUNNY PAPER“. Darin heißt es, die geschäft-
liche Aktivität des Beklagten, die Marke selbst zum Handelsobjekt zu machen,
sei es, sie zu veräußern, sei es, hieran Lizenzen zu vergeben, begründe seine
Stellung als Mitbewerber nur in diesem (beschränkten) geschäftlichen Bereich
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(Urteil vom 12. Juli 1995 - I ZR 85/93, GRUR 1995, 697, 699 = WRP 1995,
815).
(4) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzt zwar auch nicht voraus,
dass die Parteien der gleichen Branche angehören. Da es für die wettbewerbs-
rechtliche Beurteilung regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbe-
werbshandlung geht, genügt es, dass das Wettbewerbsverhältnis erst durch
diese Wettbewerbshandlung begründet worden ist, auch wenn die Parteien un-
terschiedlichen Branchen angehören. Voraussetzung eines konkreten Wettbe-
werbsverhältnisses ist aber auch in einem solchen Fall, dass die unterschiedli-
chen Branchen angehörenden Parteien mit der konkret beanstandeten Wettbe-
werbshandlung versuchen, gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb
desselben Endverbraucherkreises abzusetzen (vgl. Urteil vom 7. Dezember
1989 - I ZR 3/88, GRUR 1990, 375, 376 = WRP 1990, 624 - Steuersparmodell:
Entwurf und Angebot von Steuersparmodellen durch Steuerberater einerseits
und Vertrieb von Immobilien andererseits; Urteil vom 13. Juli 2006
- I ZR 241/03, BGHZ 168, 314 Rn. 15 - Kontaktanzeigen: Zurverfügungstellung
von Räumlichkeiten zur Durchführung sexueller Kontakte durch Barbesitzer ei-
nerseits und Prostituierte andererseits; Urteil vom 3. Mai 2007 - I ZR 19/05,
GRUR 2007, 978 Rn. 17 = WRP 2007, 1334 - Rechtsberatung und Haftpflicht-
versicherer: Erteilung von Hinweisen an Geschädigte, wie sie sich im Verhältnis
zu einem Sachverständigen verhalten sollen, durch Rechtsanwälte einerseits
und Haftpflichtversicherer andererseits).
cc) Zwischen der Klägerin und der Beklagte zu 1 besteht aber - auch
wenn sie keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen anbieten - ein kon-
kretes Wettbewerbsverhältnis, weil d
as Angebot „nickelfreier“ Edelstahlketten
durch die Beklagte zu 1 die Klägerin in der Vermarktung ihres Patents durch die
Vergabe von Unterlizenzen beeinträchtigen kann.
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(1) Der Senat hat ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2
Abs. 1 Nr. 3 UWG auch bei Fallgestaltungen bejaht, in denen die Parteien zwar
keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endver-
braucherkreises abzusetzen versuchten, das konkret beanstandete Wettbe-
werbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen aber gleichwohl beein-
trächtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören konnte. Nach der Recht-
sprechung des Senats sind an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsver-
hältnisses im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individual-
schutzes keine hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere setzt ein konkre-
tes Wettbewerbsverhältnis nicht notwendigerweise eine Behinderung des Ab-
satzes einer bestimmten Ware durch eine andere voraus. Vielmehr reicht es
aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall
in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt (BGH, Urteil vom
29. November 1984 - I ZR 158/82, BGHZ 93, 96, 97 f. - DIMPLE, mwN). Es ge-
nügt daher, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme
für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nach-
teilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne be-
steht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb be-
einträchtigt werden kann (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Ge-
setzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 16). Nicht
ausreichend ist es allerdings, wenn die Maßnahme den anderen nur irgendwie
in seinem Marktstreben betrifft (vgl. BGH, GRUR 2014, 573 - Rn. 21 - Werbung
für Fremdprodukte, mwN).
(2) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis kann daher bestehen, wenn der
Verletzer sich durch eine Gleichstellungsbehauptung an den Ruf der fremden
Ware anhängt und diesen für den Absatz seiner Waren auszunutzen sucht
(BGHZ 93, 96, 97 f. - DIMPLE; BGH, Urteil vom 4. Juni 1987 - I ZR 109/85,
GRUR 1988, 453, 454 = WRP 1988, 25 - Ein Champagner unter den Mineral-
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wässern). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis kann ferner vorliegen, wenn der
Verletzer eine Ware oder Dienstleistung als Substitut der Ware oder Dienstleis-
tung des Betroffenen anbietet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1972
- I ZR 60/70, GRUR 1972, 553 - Statt Blumen ONKO-Kaffee; Urteil vom 24. Juni
2004 - I ZR 26/02, GRUR 2004, 877, 878 = WRP 2004, 1272 - Werbeblocker;
Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Rn. 40 = WRP 2009,
1001 - Internet-Videorecorder I). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht
regelmäßig aber auch dann, wenn der Betroffene als Inhaber eines Schutz-
rechts oder als Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten an einem
Schutzrecht die Herstellung oder den Vertrieb eines von diesem Schutzrecht er-
fassten Produktes lizenziert und der Verletzer gleichartige Produkte anbietet
oder vertreibt. Auch in einem solchen Fall stellt sich der Verletzer durch seine
Verletzungshandlung in Wettbewerb zu dem Betroffenen und kann sein Wett-
bewerbsverhalten diesen im Absatz behindern oder stören, da der Absatzerfolg
des Lizenzgebers letztlich vom Absatzerfolg des lizenzierten Produkts abhängt
(Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 2 UWG Rn. 110c; Erdmann in
Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 33
Rn. 25).
(3) Dementsprechend hat der Senat es als möglich erachtet, dass zwi-
schen dem Inhaber des Verlagsrechts an Nachschlagewerken, der Zeitungsver-
lagen Druckvorlagen seiner Nachschlagewerke in einer bestimmten Ausgestal-
tung liefert und gegen Benutzungsgebühr ein Abdruckrecht einräumt, und ei-
nem anderen Zeitungsverlag, der in seiner Zeitung ein anderes Nachschlage-
werk in entsprechender Ausgestaltung abdruckt, ein Wettbewerbsverhältnis be-
steht (BGH, Urteil vom 20. September 1955 - I ZR 194/53, BGHZ 18, 175,
181 f. - Werbeidee). Ferner hat er ein Wettbewerbsverhältnis für den Fall be-
jaht, dass die wirtschaftliche Ausnutzung eines Urheberrechts (an der Rehfigur
„Bambi“) durch Vergabe von Lizenzen (an Hersteller von Schokolade) einerseits
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und der Vertrieb von Waren (Schokolade unter der Bezeichnung „Bambi“) ande-
rerseits sich gegenseitig behindern (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1959
- I ZR 78/58, GRUR 1960, 144, 146 - Bambi). Darüber hinaus hat er ein Wett-
bewerbsverhältnis zwischen der GEMA, die Lizenzen für die öffentliche und
gewerbsmäßige Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Musik vergibt und ei-
ner Person, die Schallplatten mit „gemafreier“ Musik an die Aufsteller von Mu-
sikautomaten vertreibt, bejaht (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1964 - Ib ZR 149/62,
GRUR 1965, 309 -
„gemafrei“). Ferner hat der Senat zwischen einem Beklag-
ten, der Schuhfabriken Lizenzen einräumte, und einem Kläger, der seinerseits
ein Patent für Schuheinlagen hatte, ein Wettbewerbsverhältnis auch insoweit für
möglich gehalten, als der Kläger sein Patent nicht durch Lizenzvergabe, son-
dern durch Eigenproduktion auswertete (BGH, GRUR 1962, 34, 36 - Torsana).
(4) Nach diesen Maßstäben besteht zwischen der Klägerin und der Be-
klagten zu 1 ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, auch wenn sie keine gleich-
artigen Waren oder Dienstleistungen anbieten. Die Klägerin vergibt als Inhabe-
rin des ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Europäischen Patent über
die „Verwendung eines biokompatiblen Werkstoffes aus Edelmetall mit einer
martensitischen Randschicht für Uhren, Uhrenteile und Schmuck“, das die Her-
stellung von nickelfreiem Edelstahl ermöglicht, ausschließliche Unterlizenzen an
diesem Patent. Die Beklagte zu 1 vertreibt von ihr als „nickelfrei“ bezeichnete
Edelstahlketten und damit Produkte, die den Produkten gleichartig sind, die
vom Patent der Klägerin erfasst werden und aufgrund der von der Klägerin er-
teilten Unterlizenzen hergestellt werden dürfen.
Das Angebot „nickelfreier“
Edelstahlketten durch die Beklagte zu 1 kann die Klägerin in der Vermarktung
ihres Patents durch die Vergabe von Unterlizenzen stören, da der Erfolg der
Vermarktung des Patents von dem Erfolg der Vermarktung der vom Patent er-
fassten Schmuckwaren aus nickelfreiem Edelstahl abhängt.
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2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Werbung
der Beklagten zu 1 irreführend ist.
a) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei
einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen
hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich rele-
vanter Weise zu beeinflussen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Oktober
2012 - I ZR 137/11, GRUR 2013, 409 Rn. 24 = WRP 2013, 496 - Steuerbüro).
b) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die
beanstandete Werbung der Beklagten zu 1 geeignet ist, bei einem erheblichen
Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen hervorzurufen.
aa) Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Verständnis, das die ge-
schäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit
den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH, Urteil vom 6. No-
vember 2013 - I ZR 104/12, GRUR 2014, 88 Rn. 30 = WRP 2014, 57 - Vermitt-
lung von Netto-Policen, mwN). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
ist dies hier der Fall.
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die angesprochenen Ver-
kehrskreise verstünden „nickelfrei“ schon dem reinen Wortsinn nach als „frei
von Ni
ckel“. Daraus, dass gemäß § 6 Satz 1 Nr. 4 in Verbindung mit Anlage 5a
der Bedarfsgegenständeverordnung bestimmte Bedarfsgegenstände, wenn sie
Nickel und seine Verbindungen über bestimmte Höchstmengen nach bestimm-
ten Maßgaben freisetzten, gewerbsmäßig nicht in den Verkehr gebracht werden
dürften, ergebe sich nicht, dass diese Bedarfsgegenstände bei Unterschreitung
dieser Höchstmengen
als „nickelfrei“ bezeichnet werden dürften. Ein erhebli-
cher Teil des Verkehrs erwarte im Blick darauf, dass 15% bis 20% der Bevölke-
rung unter einer Nickelallergie litten, auch wenn er selbst nicht von dieser Aller-
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gie betroffen sei, dass er beim Erwerb von
als „nickelfrei“ beworbenen Schmuck
auf der ganz sicheren Seite sei, weil dieser Schmuck frei von Nickel sei. Diese
Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision auch
nicht angegriffen.
cc) Die von den Beklagten vertriebenen und von der Klägerin erworbe-
nen Edelstahlketten haben diese Erwartung nicht erfüllt. Es ist nach den Fest-
stellungen des Berufungsgerichts unstreitig, dass sie nicht frei von Nickel wa-
ren. Dabei kommt es nicht darauf an, wie hoch der Nickelgehalt der Edelstahl-
ketten war. Selbst wenn die Ketten lediglich Spuren von Nickel enthielten, wur-
de die durch die beanstandete Werbung geweckte Erwartung der angespro-
chenen Verkehrskreise, „auf der ganz sicheren Seite zu sein“ und von Nickel
freien Schmuck zu erwerben, enttäuscht. Soweit den Ausführungen des Beru-
fungsgerichts, die von der Beklagten zu 1 vertriebenen Ketten hätten auch nicht
allenfalls gänzlich vernachlässigbare Spuren von Nickel enthalten, die Annah-
me des Berufungsgerichts zu entnehmen sein sollte, eine Werbung für
„nickel-
freie
“ Ketten sei auch dann nicht irreführend, wenn die Ketten nur gänzlich zu
vernachlässigende Spuren von Nickel enthielten, könnte dem nicht zugestimmt
werden. Diese Annahme wäre nicht mit der vom Berufungsgericht rechtsfehler-
frei festgestellten Verkehrserwartung zu vereinbaren, dass
eine als „nickelfrei“
beworbene Kette frei von Nickel ist. Das Berufungsgericht hat dem Unterlas-
sungsantrag, der auf ein Verbot der Bewerbung von
Schmuckwaren mit „nickel-
frei“ gerichtet ist, sofern diese nicht völlig frei von Nickel sind (vgl. Rn. 15), da-
her mit Recht ohne Einschränkungen stattgegeben. Die Rüge der Revision, das
Berufungsgericht habe Vortrag der Beklagten übergangen, aus dem sich erge-
be, dass die Schmuckwaren nur gänzlich vernachlässigbare Spuren von Nickel
enthielten, kann schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben.
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c) Die beanstandete Werbung der Beklagten zu 1 war auch geeignet, die
zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beein-
flussen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 104/10, GRUR 2012, 942
Rn. 11 = WRP 2012, 1094 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum, mwN). Den
Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, dass ein erheblicher
Teil des Verkehrs im Blick darauf, dass 15% bis 20% der Bevölkerung unter ei-
ner Nickelallergie leiden, beim Erwerb von Schmuck Wert darauf legt, dass die-
ser frei von Nickel ist.
3. Soweit das Berufungsgericht die übrigen Voraussetzungen der geltend
gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der
Schadensersatzpflicht und Freistellung von Abmahnkosten als erfüllt erachtet
hat, hat die Revision keine Rügen erhoben und ist auch kein Rechtsfehler zu
erkennen. Gleiches gilt für die Haftung der Beklagten zu 2.
4. Die Revision macht vergeblich geltend, der Klageantrag und der Ur-
teilstenor gingen zu weit. Ein wesentlicher Streitpunkt zwischen den Parteien
sei, ob zwischen ihnen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2
Abs. 1 Nr. 3 UWG bestehe. Außerdem gehe es um die Frage, ob die Werbung
der Beklagten eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5
Abs. 1 UWG darstelle. Entgegen der Ansicht der Revision muss im Klageantrag
und im Urteilstenor nicht zum Ausdruck kommen, dass die Beklagte zu 1 im
„Wettbewerb“ mit der Klägerin eine „geschäftliche Handlung“ vorgenommen hat.
Die geltend gemachten Ansprüche sind zwar nur begründet, wenn die Parteien
miteinander in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen und die Beklagte
zu 1 eine geschäftliche Handlung vorgenommen hat. Dass diese Vorausset-
zungen erfüllt sind, muss jedoch nicht im Klageantrag oder im Urteilstenor zum
Ausdruck gebracht werden.
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- 17 -
C. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der Be-
klagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Büscher
Richter am BGH Pokrant ist
Schaffert
in Urlaub und daher ver-
hindert zu unterschreiben.
Büscher
Koch
Löffler
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 19.06.2012 - 17 O 651/11 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 07.02.2013 - 2 U 123/12 -
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